Protocol of the Session on April 3, 2014

zwei Stunden mehr gearbeitet, aber ansonsten liegt das Lohnniveau bei 100 % des Westlohnniveaus - und wir im Schnitt bei 76 % des Westlohnniveaus liegen, können Sie sich ausrechnen, wie viele Leute hier noch mit 50 oder 60 % des Westlohnniveaus herumdümpeln.

(Bretz [CDU]: Da haben Sie nichts gemacht!)

Das ist, denke ich, eine ganz wichtige Aufgabe, der sich die Wirtschaft stellen muss. Weil die Wirtschaft das eben nicht getan hat, mein lieber Herr, werden wir das über den Mindestlohn regeln!

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Ich erwarte, dass sich da eine Anpassung vollzieht.

Es gibt ja Leute, auch in Ihrer Partei, die hätten am liebsten noch einen Mindestlohn Ost und einen Mindestlohn West gehabt, richtig?

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Das ist durch unser Wirken verhindert worden. Das gehört auch zur Wahrheit.

(Bretz [CDU]: So eine schlechte Bilanz!)

Aber auch das hat Ursachen.

(Bretz [CDU]: 76 % - mehr habt ihr nicht hingekriegt! - Glocke des Präsidenten)

- Wir? Wir haben ja auch immer vom Mindestlohn gesprochen? Wir haben immer gesagt, Brandenburg solle ein Niedriglohnland sein? - Fragen Sie einmal Ihren Wirtschaftsminister aus der vergangenen Legislaturperiode! Der hat immer postuliert, dass wir das sind. Aber das waren nicht wir.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Ich will nur sagen - Kollege Bernig hat es gesagt, Detlef Baer hat es auch gesagt -:

(Zuruf der Abgeordneten Schier [CDU])

Eine wesentliche Ursache für die 76 % liegt natürlich in der geringen Tarifbindung bei uns im Land. Da muss, glaube ich, mehr passieren.

(Zurufe von der CDU)

Du hast darauf hingewiesen, dass wir da viel erreicht haben, gerade durch unsere Vereinbarungen aus dem Mai 2011. Bisher haben wir uns das Thema Vereinbarkeit angeschaut, und wir haben geschaut, wie wir zum Beispiel betriebliches Gesundheitsmanagement in den Betrieben besser hinbekommen. Aber es muss demnächst, glaube ich, auch in der Sozialpartnerschaft darum gehen, wie wir erstens zu verstärkter Tarifbindung kommen - das ist auch ein Ziel dieser Vereinbarung; die Unternehmerverbände haben erklärt, dass sie dafür werben wollen, dass wieder mehr Betriebe in die Tarifbindung gelangen - und wie wir da auch wieder zu einer besseren Bezahlung kommen.

Kollege Bernig hat vorhin gefragt: Wie kann es sein, dass die Betriebe, die in Anlehnung eines Tarifvertrags zahlen, dann trotzdem schlechter zahlen? - Dazu sage ich: Dann schau dir einmal an, was der Haustarifvertrag, der angeblich in Anlehnung an den Tarifvertrag gestaltet ist, tatsächlich ausweist darin stehen geringere Zahlen. - Das gehört auch noch einmal zur Wahrheit. Darum sollte man wirklich dafür sorgen, dass sie in die Tarifbindung reingehen, dass sie Tariflöhne zahlen, die zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern vereinbart wurden. Erst dann, glaube ich, hat man tatsächlich in der Hand, dass wirklich ordentlich bezahlt wird.

Wir haben in Brandenburg mit einem Mindestlohn, der für Vergaben gilt - ich gebe zu, das trifft, gemessen an dem, was wir an Arbeitnehmerschaft in diesem Land haben, nicht allzu viele, sondern nur die, die gerade von einer Vergabe profitieren -, das gemacht, was wir in dieser Situation als Land machen konnten. Mehr war für uns nicht drin, wir konnten nicht einmal Tarifbindung als Aufgabe einräumen - das hat Europa uns verworfen -, aber wir konnten sagen: Wir wollen, dass ihr, wenn ihr öffentliche Aufträge annehmt, 8 Euro bzw. jetzt 8,50 Euro zahlt.

Das war das, was wir machen konnten. Jetzt freue ich mich, dass der Bund nachgelegt und gesagt hat: Jawohl, wir wollen, dass 8,50 Euro für alles gilt, mit wenigen Ausnahmen. Das wird von euch jetzt ein bisschen angegriffen. Das sehe ich auch ein, das kann man auch anders sehen, gerade was die Jugendlichen angeht.

Aber zu Frau Schier will ich noch Folgendes sagen: Sie sollten wirklich nicht wie eine Schimäre durch das Land gehen und sagen: Es ist ganz schlimm, dass Jugendliche mit 18 Jahren jetzt 8,50 Euro bekommen sollen. - Dann kommt immer hinterher: Guckt euch mal an, wie die Arbeitslosigkeit in Griechenland, in Spanien, in Italien ist. Das passiert, wenn man Jugendliche mit einem Mindestlohn bedenkt.

(Frau Schier [CDU]: Haben Sie mir zugehört?! Wahr- scheinlich nicht!)

Da sage ich: Ja, es kann sein, dass es in diesen Ländern so ist. Das liegt aber auch daran, dass die gar kein duales Berufsausbildungssystem haben.

(Vereinzelt Beifall SPD)

Wenn bei uns jemand nach einer dualen Berufsausbildung als Geselle auf den Arbeitsmarkt kommt, dann ist er ein versierter Handwerker oder ein versierter Industriemechaniker oder was auch immer.

(Frau Schier [CDU]: Sie haben nicht zugehört!)

Der kann den Job! Das ist in den Ländern, von denen ich gerade gesprochen habe - Griechenland usw. - vollkommen anders. Dort gibt es nur die vollzeitschulische Ausbildung. Das heißt, der Betreffende geht in der Regel nach zwei oder drei Jahren Berufsschule, ohne einmal im Betrieb gewesen zu sein, in die Produktion. Dass das natürlich kein System ist, wo man sofort auf eine bestimmte Lohnhöhe kommt, ist eine ganz andere Frage. Die stellt sich aber so in Deutschland überhaupt nicht, sondern wir gehen davon aus, dass junge Leute mit 18 Jahren eine Ausbildung beendet haben und dann mit dieser Ausbildung in

den Betrieb gehen. Und dann sollen sie, verdammt noch mal, auch wenigstens den Mindestlohn bekommen.

(Beifall SPD und DIE LINKE - Frau Schier [CDU]: Wel- cher Jugendliche hat denn mit 18 Jahren eine Ausbildung abgeschlossen?! Die kommen mit 17 aus der Schule!)

- Jetzt hören Sie doch mal auf! Wenn einer mit 18 Jahren in Ausbildung ist, wird er eine Ausbildungsvergütung bekommen. Dazu gibt es nachher noch eine mündliche Anfrage, die ich auch noch beantworten werde. Es geht darum, dass er nach der Ausbildung die 8,50 Euro bekommen sollte. Und das kann man ihm doch nicht übel nehmen.

Im Übrigen finde ich, dass ein Mindestlohn ein Mindestlohn ist. Um mehr geht es doch dabei gar nicht. Das ist doch noch lange kein Lebenslohn,

(Beifall SPD und DIE LINKE)

mit dem man eine Familie gründen kann, wo man sagen kann, man fährt in den Urlaub, man leistet sich einmal etwas. Ein Lebenslohn kann doch nur ein tarifvertraglich vereinbarter Lohn sein! Das muss dann natürlich hinterher kommen, das ist doch gar keine Frage. Darüber brauchen wir hier, glaube ich, nicht zu diskutieren.

Aber ich glaube, ich muss noch mit einer anderen Mär aufräumen. Liebe Frau Schier, liebe Frau Nonnemacher, es ist richtig, dass wir große Schwierigkeiten mit der Umsetzung des jetzigen Operationellen Programms haben. Aber es ist einfach falsch, Frau Schier, zu glauben, dass wir in diesem OP eine Menge Geld hätten, mit dem wir zum Beispiel öffentliche Beschäftigung fördern wollten. Das ganze Programm „Arbeit für Brandenburg“ war mit Landesgeld untersetzt. Fast das ganze Operationelle Programm zielte auf Weiterbildung und schulische Qualifizierung. Es ist nicht viel darin, was irgendwie mit öffentlicher Beschäftigung zu tun hat. Das ist eine Marginalie von wenigen Prozent, wenn überhaupt. Wir haben zum Beispiel IOS, die Initiative Oberschule, wo es um die Berufsorientierung geht, aus dem Operationellen Programm bezahlt. Wir haben unwahrscheinlich viel Weiterbildung darin, Umschulung, betriebliche Umschulung, wir haben die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung darin. Das waren die Gelder, die wir aus dem ESF bereitgestellt haben. Das ist aber 2005/2006 geschrieben worden. Wir haben dann bald gemerkt: Wenn die Arbeitslosigkeit so drastisch sinkt, dann sind natürlich auch wesentlich weniger Leute auf dem Arbeitsmarkt, die überhaupt zu qualifizieren sind. Darum mussten wir das Programm umstricken. Wir werden trotzdem, denke ich, 3 bis 6 % der Mittel nicht ausgeben können. Aber am Ende des Tages haben wir das Programm vollkommen neu gestrickt, die dritte Schwelle in Angriff genommen und gesagt: Gucken wir doch einmal, was passiert eigentlich, wenn die Studenten zu 70 % weggehen? Wir haben gesagt: Jawohl, wir fördern es, wenn ein Student in ein Brandenburger Unternehmen geht. Wir unterstützen dieses Unternehmen mit der Inno-Assi-Förderung. Es läuft wunderbar. Wir haben inzwischen, glaube ich, 200 Innovationsassistenten in brandenburgischen Unternehmen. Es müssen nicht einmal Studenten sein, die aus Brandenburg kommen. Ich kenne auch Rostocker Studenten, Ingenieure, die in einem Neuruppiner Unternehmen als Innovationsassistenten anfangen. Wir haben uns angesehen: Wie bekommen wir es hin, dass Studenten überhaupt in Betriebe gehen? Darum haben wir das

Brandenburg-Stipendium eingeführt. Das heißt, man bekommt ein halbes Jahr lang eine Förderung dafür, dass man für den Betrieb eine Arbeit schreibt. Wir erhoffen uns davon Bindungswirkungen. Oder zum Beispiel haben die großen Betriebe, MTU, Rolls-Royce, Daimler hunderte Werkstudenten. Ein KMU kann sich das gar nicht leisten. Wenn ein Unternehmen für ein Jahr einen Werkstudenten haben will, bekommt es eine Förderung, dafür haben wir die Förderung jetzt umgestrickt. Ich denke, das war vollkommen richtig. Die Programme laufen auch ganz ordentlich. Ich glaube, damit haben wir auch die Zeichen der Zeit erkannt.

Aber in der heutigen Aktuellen Stunde geht es um Würde. Ich will noch einmal deutlich sagen: Ich bin den Linken sehr dankbar dafür. Es geht in diesem Land in Zukunft auch noch um aktive Mitbestimmung, es geht um gute Tarifpolitik, es geht um sichere Jobs, und vor allen Dingen geht es um die Würde des Menschen, wenn wir darüber reden, dass sie ordentlich bezahlt werden sollen. Es geht nicht darum, dass wir irgendwie die Gewerkschaft stärken wollen oder sonst was, sondern darum, dass wir die Scham der Menschen, dass sie einen schlecht bezahlten Job angenommen haben, verhindern und dafür sorgen, dass sie mit Freude sagen können: Ich gehe in diese Arbeit hinein und werde dafür so bezahlt, wie ich es verdient habe. - Deshalb danke für diese Stunde.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Das Wort erhält noch einmal die Linksfraktion; die Abgeordnete Kaiser spricht.

Ich begrüße unsere Gästegruppe von der Polizei aus Königs Wusterhausen. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank, Herr Minister Baaske, für die gute Arbeit, die Sie hier gerade geleistet haben. Das war gute Aufräumarbeit. Ich möchte trotzdem an die Kollegin Schier und den Kollegen Büttner den Satz richten: Ja, DIE LINKE hält Armut für ein weltweit gesellschaftliches Problem, das politisch bekämpft werden muss, und zwar jeden Tag.

(Beifall DIE LINKE sowie vereinzelt SPD)

Und das werden wir weiterhin tun. Meine Vorredner haben es hier schon gesagt, auf verschiedene Art und Weise geht das. Und, ja, Frau Kollegin Schier, Sie haben es bestätigt: Es geht dabei nicht nur um materielle Armut.

Das Problem ist, ich bin mir sicher, Sie wollen es gar nicht verstehen. Man darf sich wirklich fragen, was Norbert Blüm zu Ihrer Rede gesagt hätte.

(Heiterkeit bei der SPD - Zurufe von der CDU)

Ich möchte - wie angekündigt und verabredet - einen europäischen Aspekt zum Thema gute Arbeit in die Debatte einbringen, übrigens einen sehr aktuellen. Vielen Dank, Frau Kollegin

Nonnemacher, Sie haben das Stichwort gesagt, es lautet: TTIP. Wir haben einen Antrag vorliegen, den wir heute auch noch überweisen. Wir werden uns mit dieser Frage länger und grundsätzlich auseinandersetzen müssen; denn sollte dieses Abkommen ausverhandelt und beschlossen werden, dann sind wesentliche Rahmenbedingungen für gute Arbeit im öffentlichen Dienst, in der Landwirtschaft, in der Kultur, in der Produktion kleiner und mittlerer Unternehmen aller Bereiche dieses Landes bedroht, denn gute Arbeit heißt auch immer, Arbeit mit nachhaltigem Wirtschaften. Und davon kann dann keine Rede mehr sein.

(Beifall DIE LINKE und B90/GRÜNE sowie vereinzelt SPD)

Der Städte- und Gemeindebund hat allen Fraktionen Argumente auf den Tisch gelegt - wer es noch nicht wusste, kann es nachlesen - und bemüht die „Süddeutsche Zeitung“ - und die dürfte nicht verdächtigt sein - für die Untersetzung ihrer Befürchtungen.

(Zuruf der Abgeordneten Hackenschmidt [SPD])