Protocol of the Session on April 2, 2014

Die diskutierte Opt-out-Regelung, die ein Verbot durch die Mitgliedsstaaten ermöglichen soll, hat die Bundesregierung dahingegen nicht unterstützt. Solch eine Politik kann man nur als verantwortungslos bezeichnen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass immerhin 90 % der Deutschen genmanipulierte Lebensmittel ablehnen. Die Bundesregierung scheut sich, hier Flagge zu zeigen, und will die Probleme auf die Bundesländer abwälzen. Das lehnen wir definitiv ab.

(Beifall B90/GRÜNE)

Wir fordern, dass alle bestehenden Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um eine Zulassung zu verhindern. Dafür muss sich die Landesregierung bei der Bundesregierung sowie über den Bundesrat einsetzen und gerne auch ein deutliches Schreiben in Richtung EU-Kommission senden, denn ein EU-weites Verbot ist für uns nach wie vor die erste Wahl. Wir wollen keinen Flickenteppich, weder innerhalb der EU noch auf Ebene der Bundesländer.

Wir halten das derzeitige Zulassungsverfahren auf EU-Ebene für absolut unzureichend. Die Risikobewertung ist lückenhaft, neue Forschungsergebnisse werden nicht berücksichtigt, es werden keine Langzeitwirkungen auf die Umwelt untersucht, der notwendige Pestizideinsatz wird ausgeklammert und Auswirkungen auf Nichtzielorganismen nicht näher betrachtet. Dabei müssten auch die ökonomischen Auswirkungen von Gentechnik dringend erfasst werden. Denn jede neue Genpflanze treibt die Kosten für gentechnikfreie Landwirtschaft und die Lebensmittelproduktion in die Höhe.

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit ist leider so eng mit der Gentechniklobby verbandelt, dass eine objektive Betrachtung der Risiken mehr als fraglich erscheint. Wir fordern, dass das Zulassungsverfahren juristisch überprüft wird sowie dass die Landesregierung die Unzulänglichkeiten des Verfahrens klar benennt und sich für eine Optimierung einsetzt. Nationale Anbauverbote können nur das Mittel zweiter Wahl sein, und hier bedarf es vor allem einer rechtssicheren Möglichkeit für die Mitgliedsstaaten. Die bisherigen Möglichkeiten über die Schutzklausel der EU-Freisetzungsrichtlinie halten wir für unzureichend und angreifbar, denn sie erfordert, dass neue wissenschaftliche Erkenntnisse bezüglich der Risiken für Mensch und Umwelt vorliegen müssen, die zum Zeitpunkt der Zulassung noch nicht bekannt waren. Trotzdem sollten auch diese bestehende Chance genutzt und weitergehende Untersuchungen zu den Risiken des Genmaises 1507 auf den Weg gebracht werden.

Wir halten den Beschluss des Europäischen Parlaments vom Juli 2011 für eine gute Grundlage, auf der hinsichtlich nationaler Anbauverbote aufgebaut werden sollte. Im Bundesrat haben sich diverse Bundesländer mit eigenen Entschließungsanträgen zum Thema klar positioniert. Leider ist Brandenburg hier noch nicht initiativ geworden. Insofern fordern wir die Landesregierung mit unserem Antrag auf, sich mit einem klaren Votum im Sinne unseres Antrags einzubringen und sich primär für ein EU-weites Verbot auszusprechen. Erst in einem nächsten Schritt sollte dann eine rechtssichere Möglichkeit für Anbauverbote durch die Mitgliedsstaaten eingefordert werden.

Den Vorschlag der Europäischen Kommission, dass Mitgliedsstaaten mit Saatgutkonzernen verhandeln müssen, wenn es zu nationalen Anbauverboten kommen soll, halten wir allerdings für inakzeptabel. Damit würden wir uns zum Spielball der Saatgutkonzerne machen.

(Beifall B90/GRÜNE)

Die Entschließungsanträge der Bundesländer wurden in die Ausschüsse überwiesen. Es bietet sich also jetzt eine gute Gelegenheit, dass sich auch Brandenburg mit einem Votum im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher einbringt. Daher würde ich mich freuen, wenn Sie den vorliegenden Antrag unterstützten. - Vielen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE sowie der Abgeordneten Steinmet- zer-Mann [DIE LINKE] und Dr. Hoffmann [fraktionslos])

Vielen Dank. - Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Die Abgeordnete Kircheis spricht.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wolfgang J. Reus, ein deutscher Journalist und Lyriker, hat einmal gesagt:

„Ebenso wie die Atomphysik öffnet die Gentechnik dem Menschen sowohl ein Tor zum Himmel als auch zur Hölle. Wer die Geschichte der Menschheit kennt, weiß schon jetzt, durch welches Tor sie letztlich gehen wird.“

Aber lässt sich diese Entwicklung überhaupt noch aufhalten? Wenn ich mir die aktuelle Situation weltweit anschaue: wohl eher nicht. Nach Angaben der Gentechnik-Lobbyorganisation ISAAA werden weltweit 170 Millionen Hektar in 31 verschiedenen Ländern mit genmanipulierten Pflanzen bebaut. Das entspricht etwa 11 % der globalen Ackerfläche und fast der vierfachen Fläche von Deutschland.

Nun ist der gv-Mais 1507 keine neue Entwicklung, sondern bereits mehr als zehn Jahre alt. Im Jahr 2005 schloss die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, EFSA, die vorgeschriebenen Sicherheitsbewertungen ab: 1507-Mais ist genauso sicher für Mensch, Tier und Umwelt wie konventioneller Mais. Aus wissenschaftlicher Sicht gebe es keine Bedenken gegen den Anbau.

Die EU-Kommission ließ das Zulassungsverfahren mehrere Jahre einfach ruhen, bis die Firmen, welche den Anbau von Genmais 1507 beantragt hatten, klagten, und zwar wegen Untätigkeit. So kann man es also auch machen. Im Ergebnis ist die EU-Kommission verpflichtet, entsprechend der wissenschaftlichen Stellungnahmen der EFSA die Zulassung zu erteilen - natürlich unter bestimmten Auflagen.

Bekannt ist, dass bei der EFSA Wissenschaftler arbeiten, die man nicht als unabhängig bezeichnen kann, weil sie entweder an nationalen Zulassungsverfahren beteiligt oder mit Gentechnikkonzernen verstrickt sind. 17 von 20 Wissenschaftlern haben direkte oder indirekte Verbindungen zur Industrie, zu Lobbygruppen oder zu von der Wirtschaft finanzierten Organisationen.

Damit nicht genug; denn von der EFSA werden als Grundlage für die Zulassung neuer Gentechnikpflanzen bisher nur unzureichende Studien der Gentechnikunternehmen herangezogen. Langzeitstudien sind nicht erforderlich, und Mindeststandards werden häufig nicht erfüllt. Externe Überprüfungen gibt es ebenso wenig wie unternehmensunabhängige Sicherheitsforschungen. Warum das so ist - diese Frage kann sich hier, denke ich, jeder selbst beantworten.

Haben wir noch etwas, was gegen den Anbau von Genmais 1507 und die grüne Gentechnik an sich spricht? - Tatsache ist: Zu ihren Risiken fehlen bisher verlässliche Studien. Nachgewiesen wurden bisher Entzündungsreaktionen bei Schweinen. Zudem kann der tierische Organismus zwischen konventionellen und gentechnisch veränderten Pflanzen unterscheiden. Aufgrund grüner Gentechnik können neue bakterielle Eiweiße entstehen, die Allergien auslösen.

Tatsache ist auch, dass die meisten Brandenburgerinnen und Brandenburger gentechnisch veränderte Lebensmittel ableh

nen. Warum? - Weil für sie der Anbau solcher Pflanzen unkalkulierbare Gefahren für die Umwelt birgt. Brandenburg selbst hat sich im Koalitionsvertrag zwar nur ausdrücklich dazu bekannt, gentechnikfreie Regionen zu fördern, aber wir sollten die Meinung sowie die Vorbehalte und Ängste der Menschen, der Brandenburgerinnen und Brandenburger bzw. der Mehrheit von ihnen ernst nehmen.

Fakt ist, dass der Anbau von gentechnisch veränderten Organismen bereits Realität ist und gentechnisch veränderte Organismen direkt oder indirekt Bestandteil vieler Lebensmittel und Futtermittel sind. Hier brauchen wir dringend eine Kennzeichnungspflicht von Milch, Eiern, Fleisch und daraus hergestellten Produkten von Tieren, die mit gentechnisch veränderten Futtermitteln gefüttert wurden.

Gibt es vielleicht doch noch ein Argument, das für den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen - wie Genmais 1507 - spricht? Vielleicht gibt es ja die von der Gentechnikindustrie versprochenen Mehrwerte und Vorteile. Aber auch hier: leider Fehlanzeige. Entgegen aller Versprechen führt der Anbau nicht zu einem Rückgang des Einsatzes umweltschädlicher Pestizide. Bereits nach wenigen Jahren steigt die Menge der eingesetzten Pestizide wieder deutlich an.

Auch das TTIP-Freihandelsabkommen - das wären gentechnisch veränderte Lebensmittel quasi durch die Hintertür - ist noch nicht „tot“. Vielmehr sieht es für das derzeit ehrgeizigste transatlantische Projekt gut aus, was vorerst beruhigt.

Auf europäischer Ebene sollten wir uns unter anderem für ein generelles Verbot des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen einsetzen, zumindest aber für das Selbstbestimmungsrecht der EU-Mitgliedsstaaten beim Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen. Deshalb, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, stimmen wir Ihrem Antrag zu.

(Beifall SPD, DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Wir setzen mit dem Beitrag der CDU-Fraktion fort. Der Abgeordnete Dombrowski spricht.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Jungclaus hat bereits auf unseren Beschluss vom September 2011 hingewiesen. Insofern ist das Thema für uns nicht ganz neu. Zudem ist die Übereinstimmung zur Annahme dieses Antrages hier im Landtag gegeben.

Dieser Beschluss des Landtages spiegelte die Skepsis der deutschen Verbraucher gegenüber gentechnisch verändertem Organismus wider. Auch der Berufsstand rät eindeutig vom Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen ab, obwohl es derzeit in Deutschland sowieso nicht möglich ist, Gentechnik auf den Acker zu bringen. Es bleibt also festzuhalten: Berufsstand und Verbraucher wollen gentechnisch veränderte Produkte nicht. Das müssen wir hier zur Kenntnis nehmen; denn das ist die Situation bzw. der Diskussionsstand in Deutschland.

Meine Damen und Herren, im Antrag der Grünen geht es im Grunde genommen um eine zentrale Frage: Wo soll in Zukunft

über die Anbauzulassung entschieden werden? Auf der Ebene der Europäischen Union, in den Mitgliedsstaaten oder in den Regionen bzw. in den Bundesländern?

Zum Hintergrund hatte der Kollege Jungclaus bereits ausgeführt: Am 11. Februar dieses Jahres ging es im Europäischen Rat um die Abstimmung über die Zulassung der transgenen Maislinie 1507. Die Bundesregierung hat sich dieser Abstimmung enthalten. Das Agrarressort im Bundeskabinett sprach sich zwar gegen die Anbauzulassung aus, das Wissenschaftsund Forschungsressort votierte jedoch aus seiner fachlichen Perspektive für die Anbauzulassung. Dies führte den Regularien entsprechend zu einer Stimmenthaltung der Bundesregierung im Europäischen Rat.

Zur Wahrheit gehört allerdings auch: Hätte die Bundesregierung gegen eine Anbauzulassung gestimmt, wäre es im Rat ebenfalls nicht zu der erforderlichen qualifizierten Mehrheit gegen den Genmais 1507 gekommen.

Meine Damen und Herren, ich kann es kurz machen: Die CDU ist der Auffassung, dass die Entscheidung über eine Anbauzulassung grundsätzlich auf der EU-Ebene zu erfolgen hat. Wir haben hinsichtlich des Agrarbereichs einen gemeinsamen Markt, in dem auch gemeinsame Regeln herrschen sollten. Sollte dies nicht möglich sein und sollten die Mitgliedsstaaten für ihr jeweiliges Hoheitsgebiet sortenbezogen entscheiden, bedarf es zunächst einer rechtssicheren Möglichkeit, also einer entsprechenden Ausstiegsklausel.

Selbst ein nationaler Alleingang bedarf einer wissenschaftlichen Argumentation und wissenschaftlich belegter Gründe, warum man den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen ablehnt und für zu risikoreich betrachtet. Auch diesbezüglich ist eine fundierte Argumentation notwendig.

Am Anfang darf es jedenfalls nicht so weit gehen, dass alle Mitgliedsstaaten - wie Deutschland - diese Entscheidung an die Bundesländer und die Bundesländer diese Entscheidung vielleicht an die Landkreise übertragen. Dieser Weg wäre falsch und ist für uns überhaupt nicht vorstellbar.

Die Union stimmt dem Antrag der Kollegen der GRÜNEN zu, weil die Landesregierung darin beauftragt wird, sich weiterhin für eine EU-einheitliche Zulassungsentscheidung über den Anbau oder Nichtanbau einzusetzen, was im Übrigen auch der Auffassung der Bundeskanzlerin entspricht.

Ihren letzten Punkt zum Honig blende ich aus, weil er im Grunde genommen mit dem Thema nicht so viel zu tun hat.

Über den weiteren Werdegang sind wir uns im Landtag einig. Danke schön.

(Beifall CDU)

Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag der Linksfraktion fort. Die Abgeordnete Steinmetzer-Mann spricht zu uns.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 14. März war in der „Berliner Zeitung“ Folgendes zu lesen:

„Viele Schädlinge entwickeln Resistenzen. Der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen bringt aber auch noch weitere große Nachteile mit sich.... Die Erträge steigen nicht zwangsläufig, das Saatgut ist doppelt so teuer und die durch jahrelangen Gentec-Anbau ausgelösten Resistenzen bei Pflanzen und Insekten stellen die Farmer vor neue Probleme. Der Bericht zeigt: Ein Weiter-so funktioniert nicht; denn die Gentechnik auf dem Acker hat deutliche Schattenseiten.“

Diese Kritik brachte DIE LINKE in all den vergangenen Jahren hier im Landtag immer wieder vor. Ich erinnere an dieser Stelle an den Landtagsbeschluss, den wir hier im September 2011 gefasst haben, der sich sehr kritisch mit dem Anbau der gentechnisch veränderten Pflanzen in Brandenburg auseinandersetzte und eine Reihe von Maßnahmen zur Vermeidung des Anbaus aufzeigte.

Der von mir angesprochene Presseartikel - wohlgemerkt: ein sehr guter - gibt die Schlussfolgerung in einer Studie wieder, die das US-Landwirtschaftsministerium in Auftrag gegeben hat. Wenn die USA, die zur Spitze beim Anbau von Gentechnik zählen, raten, „zur Schädlingsbekämpfung wieder traditionellere Landbaumethoden ins Auge zu fassen, Fruchtwechsel statt Monokulturen“, dann wird die Gefahr, die von Agrogentechnik ausgeht, mehr als deutlich.

Ich kann mich noch gut an meine ersten Debatten hier im Landtag erinnern - Herr Ministerpräsident, Sie vielleicht auch. Wir führten heftige und intensive Auseinandersetzungen über den Anbau der Genmais-Sorte MON 810. DIE LINKE war die einzige Fraktion, die sich hier im Haus sehr kritisch zeigte. Diese Haltung hat sie beibehalten.

(Frau von Halem [B90/GRÜNE]: Wir helfen der Linken jetzt! - Beifall des Abgeordneten Vogel [B90/GRÜNE] - Jungclaus [B90/GRÜNE]: Wir haben als APO die Dau- men gedrückt!)

Auch wenn es durch das Anbauverbot im Land ruhiger geworden ist - durch die offensichtlich bevorstehende Zulassung der Sorte 1507 durch die EU kann sich das recht schnell ändern. Deswegen ist es gut, wenn sich dieses Haus heute eindeutig positioniert.

Ich sage an dieser Stelle auch: Ich bin den Grünen wirklich sehr dankbar, dass sie diesen Antrag eingebracht haben. Sie wissen vielleicht, dass er auch aus unserer Feder stammen könnte.

(Vogel [B90/GRÜNE]: Beim nächsten Mal!)

Sie haben ihn aber eingebracht. Das ist gut und richtig. Herzlichen Dank.