Protocol of the Session on April 2, 2014

(Heiterkeit - Beifall DIE LINKE und SPD - Jürgens [DIE LINKE]: So ist das mit der FDP!)

Oh, das ist richtig, aber so ist das mit den Visionen, Herr Jürgens. Die SPD folgt ihrem Altkanzler, der sagt: Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen. - Aus dem linken Spektrum höre ich: Wer Visionen entwickeln will, muss genug Drogen nehmen. - Wir sagen: Nein, nüchterne Visionen gehören zur Weiterentwicklung der Gesellschaft. - Danke schön, meine Damen und Herren!

(Beifall FDP)

Nun erhält die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Frau von Halem, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unter der Überschrift „Neuregelung des Hochschulrechts“ reden wir über einen ganzen bunten Strauß vieler Themen, und dass dieser Strauß in der Vorabversion als Referentenentwurf schon letztes Jahr in öffentliche Diskussionsrunden ging, ist ein großes Verdienst des Ministeriums, das ich hier gern noch einmal erwähne. Das Online-Forum hat sich sehr gut bewährt.

Das dem Gesetzentwurf zugrunde liegende Hauptanliegen, die Erweiterung des Hochschulzugangs, begrüßen wir - nicht nur wegen des Fachkräftemangels, wie es in der Gesetzesbegründung heißt, sondern auch zur Verbesserung der Durchlässigkeit zwischen den Bildungssystemen als Beitrag zu mehr Chancengerechtigkeit und zur Forderung nach lebenslangem Lernen.

Nichtsdestotrotz werden wir uns enthalten, weil unserer Meinung nach die Chance verpasst wurde, weitergehende Änderungen in das Gesetz einzuarbeiten. Mit dem Ansatz, die bundesweite Debatte über prekäre Beschäftigungsverhältnisse an den Hochschulen allein anhand und auf Kosten der Lehrbeauftragten zu bearbeiten, sprang die Landesregierung aus unserer Sicht deutlich zu kurz. Nach der breiten Kritik an diesem Vorgehen in der Anhörung hat Rot-Rot gut daran getan, wenigstens noch einige kleinere Verbesserungen an den Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorzunehmen.Warum Sie allerdings bei den Lehrbeauftragten den Satz aus dem Gesetz gestrichen haben, der präzisierte, welche Lehrveranstaltungen nicht als ergänzendes Angebot gelten, ist unverständlich. Damit befördern Sie den Missbrauch des „Professors Prekär“, wie die „PNN“ neulich die Lehrbeauftragten titulierte, für den Einsatz für Daueraufgaben in der Lehre. Um diesem Problem wirksam entgegenzutreten, fordern wir deshalb einerseits Dauerstellen für Daueraufgaben und andererseits eine angemessene Vergütung der Lehrbeauftragten.

Sie werden sich wahrscheinlich erinnern, liebe Kolleginnen und Kollegen: Es hat zu Beginn der Legislaturperiode einen Bildungsstreik gegeben. Und anlässlich einer Aktuellen Stunde im Dezember 2009 zum damaligen Bildungsstreik an den Brandenburger Hochschulen hatte mein Abgeordnetenkollege Jürgens zu den Themen Demokratisierung und Abschaffung der Rückmeldegebühr den Studierenden zugesichert:

„Wir haben verstanden, wir schieben nichts auf die lange Bank, sondern wir handeln zügig.“

So waren die Worte. Ich bin mir nicht sicher, was mehr enttäuscht, ob es die Blockadehaltung der SPD ist oder die Tatsache, dass die Linke zu schwach ist, ihre programmatischen Forderungen auch in Gesetzestexte zu verwandeln.

(Domres [DIE LINKE]: Genau, weil wir zu schwach sind! - Frau Mächtig [DIE LINKE]: Deswegen machen Sie es!)

- Ja, hätten Sie es mal getan. Wir hätten uns jedenfalls deutliche Schritte zu mehr Mitbestimmung an den Hochschulen und für ein gebührenfreies Studium gewünscht: Also viertelparitätisch besetzte Hochschulgremien an den Stellen, wo es das Bundesverfassungsgericht nicht zwingend vorschreibt, Abschaffung der rechtlich umstrittenen Rückmeldegebühr und ein

gebührenfreies Studium für alle bis zum ersten Masterabschluss.

Einen Teil unserer Änderungsanträge aus dem Ausschuss legen wir hier noch einmal vor, wozu auch die Forderung gehört, dass Hochschulentwicklungsplanung und auch die Hochschulverträge, wie bereits seit längerem in Berlin praktiziert, künftig der Zustimmung des Landtags bedürfen.

Bei all dieser Kritik, insbesondere an den schlechten Arbeitsbedingungen an den Hochschulen, muss aber immer wieder betont werden, dass es uns nicht darum geht, den Hochschulen den Schwarzen Peter zuzuschieben. Wenn der bunte Strauß der hier behandelten Themen etwas welk erscheint, dann liegt das daran, dass ihm das Wasser vorenthalten wird. Einen ähnlichen Duktus sehen wir jetzt auch wieder bei dem Entschließungsantrag von Rot-Rot, der uns hier vorgelegt worden ist. Da handelt es sich um nichts anderes als wohlmeinende, wolkige Absichtserklärungen, aber nichts Konkretes, was tatsächlich zur Stärkung der Lehramtsausbildung beitragen könnte.

(Beifall B90/GRÜNE)

Dieses Bundesland stattet die Hochschulen schlechter aus als alle anderen in Deutschland. Wir zahlen einen geringeren Anteil am Gesamthaushalt, einen geringeren Anteil gemessen am Bruttoinlandsprodukt, und wir geben weniger als die Hälfte von dem aus, was andere Flächenländer im Schnitt ausgeben, und weniger als die Hälfte des Bundesdurchschnitts der Länder. Das ist das größte hochschulpolitische Defizit, und das gilt es zu ändern.

(Beifall B90/GRÜNE und vereinzelt CDU)

Das Schlusswort in dieser Debatte hat Ministerin Kunst.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn der Landtag heute der Neuregelung des Hochschulrechts im Land Brandenburg zustimmt, dann haben wir die Weichen für unsere Hochschullandschaft nachhaltig weiterentwickelt. Wir gehen in Brandenburg zentrale Themen und Herausforderungen für die Wissenschaft an und handeln konkret. Mit dem neuen, erweiterten Hochschulzugang erreichen wir mehr Durchlässigkeit und mehr Bildungsgerechtigkeit. Das ist eine gute Nachricht für Studierende und Studieninteressierte, aber auch für die Unternehmer. Lebenslanges Lernen, bessere Qualifikationsmöglichkeiten im akademischen Bereich, das sind wichtige Voraussetzungen auch zur Sicherung des Fachkräftebedarfs in der Zukunft.

Eignungstests, Herr Schierack, lassen sich systematisch nicht mit dieser Art breitem Hochschulzugang kombinieren, daher war das nicht miteinander zu verbinden.

Mit der Regelung zum Thema gute Arbeit schaffen wir fairere und sicherere Bedingungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Hochschulen. Damit werden die Hochschulen als Arbeitgeber noch attraktiver und für Wissenschaftler die Perspektiven im Land Brandenburg deutlich entwickelt.

Wir haben in dieser Legislaturperiode, meine Damen und Herren, vieles auf den Weg gebracht. Dazu gehören die Neustrukturierung und dadurch Stärkung der Hochschulregion in der Lausitz, die Hochschulentwicklungsplanung bis 2025 und damit die Leitplanken für eine weitreichende Perspektive für Brandenburgs Wissenschaft, die Rahmenvereinbarung mit den Hochschulen und damit finanzielle Planungssicherheit für fünf Jahre und - last, but not least - die Hochschulverträge jetzt mit allen Hochschulen des Landes.

Lassen Sie mich auf einige Aspekte des Gesetzes ein bisschen genauer eingehen: Kernstück ist die Erweiterung des Hochschulzugangs. Hierdurch erhalten vorberuflich qualifizierte Bewerberinnen und Bewerber und Absolventen des beruflichen Schulwesens bessere Zugangsmöglichkeiten zu den Hochschulen. Die Durchlässigkeit zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung wird erhöht. Die Brandenburger Fachhochschulen sind da jetzt schon sehr gut. Die neue Studie des Zentrums für Hochschulentwicklung wies aktuell 7 % aus, also über dem Durchschnitt der 2,5 %, die Frau Melior vorhin ansprach.

Meine Damen und Herren, auf der Grundlage der Expertenanhörung wurde der Gesetzentwurf im Ausschuss umfassend erörtert. Die Regierungsfraktionen haben jetzt Änderungsanträge eingebracht, die ich sehr begrüße. So wird die Sicherung guter Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft verstärkt. Ziel war die Einführung von Mindestvertragslaufzeiten für den akademischen Mittelbau. Außerdem soll befristet beschäftigten akademischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein Drittel ihrer Arbeitszeit zur eigenen Qualifizierung zur Verfügung gestellt werden. Wichtig daran ist, dass damit ein Signal gesetzt wird für mehr Planungssicherheit, quasi für die Zukunft im Wissenschaftsbereich, für die akademisch Beschäftigten. In diesem Bereich schafft Brandenburg damit als eines der ersten Bundesländer konkrete Vorgaben auf gesetzlicher Ebene.

Die Neuregelung der Vorschrift zu den Lehrbeauftragten - das klang mehrfach an - wurde seitens der Hochschulen kritisiert und nun auch optimiert. An der Richtungsentscheidung allerdings, Lehraufträge nicht an die Stelle regulärer Beschäftigung zu setzen, wollen wir festhalten. Gleichwohl sollte ein Ausgleich gefunden werden zwischen den praktischen Einwänden der Hochschule einerseits und dem Ziel besserer Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft andererseits.

Mit den gleichzeitigen bereits erwähnten Verbesserungen bei den Beschäftigungsregeln haben wir damit ein wirklich sehr gutes Paket für bessere Arbeit an Brandenburgs Hochschulen geschmiedet.

Meine Damen und Herren, bei der Regelung des Teilzeitstudiums muss berücksichtigt werden, was von den Hochschulen geleistet werden kann. Daher ist das jetzt bedarfsorientiert gefasst.

Ich möchte noch kurz auf das Thema Hochschulgründung in der Lausitz eingehen; Herr Prof. Schierack sprach das ja an. Es wurde angesprochen, dass die im Rahmen der Novellierung des Gesetzes nun vorgesehene Änderung des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Hochschulregion Lausitz ein weiteres Beispiel für die Neustrukturierung in der Lausitz mit heißer Nadel sei. Das möchte ich ausdrücklich zurückweisen,

(Vereinzelt Beifall SPD und DIE LINKE)

da es bisher schon fixiert gewesen ist und es hier lediglich um eine Arrondierung und um eine entsprechende Ergänzung geht.

Ganz kurz drei Worte zum Thema Gründungspräsident - auch das hatte Herr Prof. Schierack angesprochen -: Natürlich ist es sehr bedauerlich, dass Herr Prof. Zimmermann nicht mehr zur Verfügung steht. Ich bedaure das am allermeisten. Dass dies so kommt, war noch vor einer Woche überhaupt nicht abzusehen. Wir hatten bereits zu dem Zeitpunkt, zu dem er dem Erweiterten Gründungssenat vorgeschlagen wurde, in nahezu allen inhaltlichen und strukturellen Fragen der Hochschulentwicklung Einigkeit erzielt. Es ging jetzt nur noch um kleinere Fragen. Und natürlich sind wir ihm auch bei der Ausgestaltung des Dienstverhältnisses so weit entgegengekommen, wie es rechtlich möglich ist. Ich weise zurück, dass es Diffamierungen aus meinem Ministerium gibt. Es gab hochschulöffentliche Ausführungen von Herrn Prof. Zimmermann in der Senatssitzung in Cottbus - ich betone noch einmal: hochschulöffentlich - in der letzten Woche. Wie Sie wissen, hat Herr Zimmermann am Donnerstag letzter Woche erklärt, dass er nicht mehr zur Verfügung steht. In Zusammenarbeit mit den Gremien der BTU gab es am Freitag eine Besprechung der Lage und des weiteren Vorgehens. In einem Gespräch am Montag dann hat Herr Zimmermann inhaltliche Aspekte neu aufgeworfen, über die - wie bereits ausgeführt - Einigkeit bestand.

Jetzt werden wir, meine Damen und Herren, die Findung des Gründungspräsidenten auch in Zusammenarbeit mit der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus - Senftenberg erneut zügig vorantreiben. Diese ist voll arbeitsfähig. Wir haben einen Gründungsbeauftragten. Die Gründungsgremien sind gewählt. Die Studiengänge sind gestartet, und Berufungen werden vorgenommen, die letzte am 1. April. Von Stillstand kann also keine Rede sein.

Meine Damen und Herren! Mit der Neuregelung des Hochschulrechts greifen wir grundlegende und wichtige Themen für die Hochschulentwicklung im Land Brandenburg auf und schaffen zeitgemäße zukunftstaugliche Regelungen. Ich bitte Sie daher um Zustimmung zu dem Gesetzentwurf und den Änderungsanträgen der Koalition. - Ich danke Ihnen.

(Beifall SPD)

Wenngleich ich den Eindruck habe, dass zu dem Thema alles gesagt worden ist, muss ich Sie fragen, ob Sie die Redezeit, um die die Ministerin überzogen hat, ausschöpfen wollen. - Ich sehe da keinen Bedarf. Ich danke Ihnen.

Wir kommen zur Abstimmung. Als Erstes liegt Ihnen der Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Drucksache 5/8811 vor. Wer diesem Antrag Folge leisten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Bei drei Enthaltungen ist der Antrag mit deutlicher Mehrheit abgelehnt worden.

Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft, Forschung und Kultur in der Drucksache 5/8747. Wer ihr folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Gibt es Gegenstimmen? - Oder Enthaltungen? - Bei einer merklichen Anzahl an Gegenstimmen und Enthaltungen ist die Beschlussempfehlung mehrheitlich angenommen worden.

Wir kommen abschließend zum Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen in der Drucksache 5/8813. Wer dem Antrag folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen oder Enthaltungen? Bei drei Enthaltungen ist der Entschließungsantrag ohne Gegenstimmen angenommen worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 6 und rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ergänzung des Rechts der Industrie- und Handelskammern in Brandenburg

Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 5/8642

1. Lesung

Der Antragsteller eröffnet die Debatte. Der Abgeordnete Vogel hat das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Gäste! Die Industrie- und Handelskammern übernehmen zweifellos eine wichtige Funktion im dualen System der bundesdeutschen Berufsausbildung, die wir alle erhalten sollten. Zunehmend haben sie sich unter dem Rubrum „Vertretung der Gesamtinteressen der Wirtschaft“ aber auch eine Fülle von Aufgaben an Land gezogen, die von immer mehr ihrer Mitgliedsunternehmen als unzulässige Konkurrenz beklagt wird. Nun, die Besonderheit ist, dass diese Unternehmen nicht austreten können; denn Kammern sind keine freiwilligen Vereinigungen, sondern vom Gesetzgeber vorgegebene Selbstverwaltungsorgane der freien Wirtschaft. Sie sind im wahrsten Sinne des Wortes Zwangsvereinigungen. Das Bundesverwaltungsgericht spricht in einem Urteil vom 23. Juni 2010 von „Zwangskooperationen“, da sich kein Unternehmen dem gesetzlichen Kammerzwang entziehen kann. Die Kammern erhalten Fördermittel und erheben für die Finanzierung ihrer Ausgaben Beiträge und Gebühren - allein im Jahr 2013 in Deutschland über 1,2 Milliarden Euro. Daraus haben sie in den letzten Jahren Rücklagen in Höhe von rund 1,8 Milliarden Euro gebildet.

Zur Erhebung der Beiträge wird - das ist ziemlich einmalig in unserem Rechtssystem - auch das Steuergeheimnis durchbrochen, da die Finanzämter den IHKs gegenüber bezüglich der Mitgliedsbetriebe auskunftspflichtig sind. Man könnte annehmen, dass die Kammern als landesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechts einen besonders verantwortungsvollen und transparenten Umgang mit Beiträgen und Gebühren ihrer Pflichtmitglieder an den Tag legen. Da die Mitgliedschaft auf gesetzlichem Zwang beruht, sollte man auch annehmen, dass sich das Land ins Zeug legt, um die Rechte der Pflichtmitglieder zu schützen. Beides ist jedoch nicht immer der Fall.

Zu diesen Ansprüchen passt insbesondere nicht die Geheimniskrämerei, die einige Brandenburger IHKs bis heute an den Tag legen. So findet sich im Transparenzportal der Deutschen Industrie- und Handelskammern zu den IHKs in Cottbus und Potsdam die Angabe, dass eine Veröffentlichung der Jahresab

schlüsse bislang nicht stattfinde - im Gegensatz zu den meisten anderen deutschen IHKs -, aber immerhin in Planung sei. Auf den Dokumentationsseiten des Kammerberichts 2013 ist bei den meisten Feldern zu allen drei Brandenburger IHKs „keine Angabe“ verzeichnet. Und nebenbei: Warum die IHK Potsdam ein Eigenkapital von 50 Millionen Euro angehäuft hat und damit beim Doppelten vom Bremen, Düsseldorf oder Wiesbaden liegt, ist auch nicht erklärt und vermutlich auch nicht erklärbar.

Wenn nun angesichts der Vorkommnisse in der IHK Potsdam über die „früheren Organe“, wie sich die Herrschaften Stimming und Kohl bezeichnen lassen, bei deren Mitgliedern „Entsetzen und Empören“ ausgebrochen ist, dann muss dieses Entsetzen und Empören auch bei der Landesregierung und bei uns als Gesetzgeber eintreten und Folgen haben. Das betrifft zum einen die unmittelbare Rechtsaufsicht über die IHK durch das Wirtschaftsministerium, die all die Jahre wohl nichts mitbekommen hat. Da scheint sich Brandenburg übrigens in bester bzw. schlechter Gesellschaft mit Niedersachsen zu befinden, wo der dortige Landesrechnungshof bei seiner Prüfung der Rechtsaufsicht, dem Wirtschaftsministerium, gravierende Mängel attestierte.

Es betrifft zum anderen aber auch die Bestimmungen im Brandenburger IHK-Gesetz, wonach der Landesrechnungshof die IHK nicht prüfen darf. Eigentlich ein unglaublicher Sachverhalt, wenn man weiß, dass der Landesrechnungshof gemäß § 111 LHO grundsätzlich für die Überprüfung aller Kammern zuständig ist und dieses Prüfungsrecht - nebenbei bemerkt: ziemlich unbemerkt von der Öffentlichkeit - in den vergangenen Jahren auch in anderen Kammern, zum Beispiel der Architektenkammer, ausgeübt hat. Einzig und allein die Industrie- und Handelskammern sind ohne nachvollziehbaren Grund von diesem Prüfungsrecht landesrechtlich ausgenommen. Einzig und allein die Industrie- und Handelskammern stellen einen „prüfungsfreien Raum“ - das ist der Wortlaut des Landesrechnungshofs - unter den Brandenburger Körperschaften dar. Kann mir mal jemand erklären, warum? Gründe wurden im damaligen Gesetzgebungsverfahren nicht genannt. Rechtliche Bedenken können es jedenfalls nicht sein, denn seit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. September 2009 ist gegen den erbitterten Widerstand der IHK Schwaben höchstrichterlich geklärt, dass den Landesrechnungshöfen ein Überprüfungsrecht der Kammern zusteht oder ihnen zugewiesen werden kann. Die Überprüfung der IHK Schwaben im Jahr 2010 hat übrigens umfassenden Reformbedarf aufgezeigt, der bundesweit - also auch außerhalb Schwabens - besteht und allerorten Aktivitäten ausgelöst hat. Das betrifft das Vergütungsniveau der Führungskräfte, Transparenz bei den Vorstandsgehältern oder den Wirtschaftsplänen, die Einhaltung von Vergabebestimmungen, insbesondere aber die Höhe der Rücklagen und die Bildung sogenannter Liquiditätsrücklagen.