Wir beginnen die Aussprache mit der einbringenden Fraktion der FDP. Herr Abgeordneter Büttner, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! 156 000 Personen - genau so viele Fachkräfte benötigen wir in den MINT-Bereichen deutschlandweit laut Frühjahrsreport des Instituts der deutschen Wirtschaft. Ein Bedarf, der sich gegenwärtig nicht decken lässt, da zu wenige Studierende in den entsprechenden Fächern eingeschrieben sind.
Ein großes Problem ist, dass viele Studierende ihr Studium nicht abschließen. In Zahlen ausgedrückt: Während bundesweit rund 28 % der Studentinnen und Studenten ihr Studium abbrechen, liegt diese Quote im Fachgebiet Maschinenbau mit 40 bis 50 % bereits deutlich über dem Durchschnitt. Im Bereich Elektrotechnik liegt sie sogar bei 53 %. Daher schmerzt es besonders, wenn gleichzeitig berichtet wird, dass deutschlandweit rund 33 000 Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben und allein in Brandenburg im aktuellen Ausbildungsjahr von den Unternehmen in mehr als 120 Ausbildungsberufen kein passender Nachwuchs gefunden werden konnte.
Meine Damen und Herren! Diese Entwicklung unterstreicht die Notwendigkeit, Studiengänge und die fachverwandten Ausbildungsberufe stärker miteinander zu verknüpfen und Studierenden, die mit den Studieninhalten oder dem Angebot nicht zufrieden sind und ihr Studium deshalb aufgeben, eine zweite Perspektive im Handwerk zu bieten. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass das gewonnene Wissen der ehemaligen Studierenden genutzt wird; die Zeit an der Universität oder der Fachhochschule darf auch bei einem Studienabbruch nicht verloren sein.
Andere Bundesländer machen es vor: In Hessen arbeiten Hochschulen, IHK, Handwerkskammern und Arbeitsagenturen eng zusammen, um Studienabbrechern den Weg in eine duale Ausbildung zu ebnen.
In Aachen wird Ähnliches mit dem Modellprojekt „SWITCH“ und in Berlin mit dem Programm „your turn - Ausbildung im Schnelldurchlauf“ praktiziert. Auch im Land Brandenburg entstehen bereits Modellprojekte, um Studienabbrecher in einer dualen Berufsausbildung aufzufangen und deren bisherige Studienleistungen auf die Berufsausbildung anzurechnen. Vorbildfunktion hat hier das vom Career Service der TH Wildau initiierte Projekt „Studienabbruch - Perspektiven entwickeln, Perspektiven nutzen“. Dessen Hauptziel ist es, Studienabbrüche zu verhindern und - sofern dies nicht gelingt - die im Studium erbrachten Leistungen auf eine berufliche Ausbildung anzurechnen und damit die Ausbildungszeit zu verkürzen. Genauso geht es aber auch darum, in der beruflichen Ausbildung erbrachte Leistungen bei einer möglichen Rückkehr an die Hochschule anzuerkennen.
Diese und andere Initiativen zeigen: Ja, es bewegt sich etwas an den Hochschulen im Land. Gleichwohl müssen wir konstatieren, dass entsprechende Initiativen nicht der Regelfall sind und somit nicht allen Studienabbrechern entsprechende Angebote zur Verfügung stehen. Dies zu ändern und gemeinsam mit den Hochschulen, den Industrie- und Handelskammern, den Handwerkskammern sowie der Regionaldirektion der BA und den Unternehmensverbänden weitere Modelle für eine bessere Durchlässigkeit zwischen Studium und Berufsausbildung zu entwickeln soll künftig auch Aufgabe der Landesregierung sein.
Dabei soll es nicht darum gehen, den Hochschulen ein bestimmtes Modell aufzudrängen. Was Studierende und Auszubildende aber benötigen, ist ein klarer Rahmen, der ihnen bei Bedarf den Wechsel zwischen Hochschule und Betrieb/Berufsschule ermöglicht und zudem klare Regelungen zur Übertragbarkeit von Ausbildungsleistungen in beide Richtungen enthält. Es kann nicht sein, dass Jugendliche bei einem Wechsel bei null anfangen müssen.
Die Landesregierung soll die entsprechenden Kooperationen im gesamten Land moderierend und bei Bedarf koordinierend unterstützen. Das eigentliche Ziel, Studienabbrüche zu vermeiden, darf dabei natürlich nicht aus dem Blickfeld geraten. Daher soll die Wirkung des in Potsdam praktizierten Runden Tischs „Studienabbruch“ bewertet, überarbeitet und individuell auf alle Hochschulstandorte im Land übertragen werden.
Grundlage für die Realisierung der skizzierten Modellprojekte ist eine ausreichende finanzielle Untersetzung. Auch hier kann und muss nach unserer Auffassung die Landesregierung vom Zuschauer zum Akteur werden - nicht, weil die Hochschulen dies nicht selbst realisieren können; nein, vielmehr, um als verbindendes und koordinierendes Element den Abstimmungsund Einigungsprozess zu beschleunigen.
Uns in Brandenburg täte es gut, wenn wir nicht länger wertvolles Arbeitskräftepotenzial vergeuden würden, nur weil Vorstellungen und Inhalte von Studienfächern nicht übereinstimmen, es aber keine adäquaten Ausweichmöglichkeiten gibt. Die hiesigen Unternehmen und Betroffenen wären froh, wenn die Möglichkeit, zwischen einer dualen und einer Hochschulausbildung zu wechseln, erleichtert würde und die Betroffenen im
Diesen Weg sollte auch die Landesregierung unterstützen; denn sie profitiert ebenfalls, wenn sich weniger junge Menschen nach einem Studienabbruch neu orientieren müssen, sondern ihr Interesse und ihre Fähigkeiten nahtlos in einem fachverwandten Beruf anwenden können. Das hilft dabei, junge Menschen in unserem Land Brandenburg zu halten und ihnen Perspektiven aufzuzeigen. „Fachkraft statt Transferempfänger“ muss hier die Devise lauten. Daher bitten wir um Zustimmung zu unserem Antrag.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Büttner. - Wir kommen zum Beitrag der SPD-Fraktion. Frau Abgeordnete Melior erhält das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Büttner, ich bin froh, dass wir uns in dem Ziel einig sind, möglichst wenige Studienabbrecherinnen und abbrecher hier in Brandenburg zu haben. Es ist jedenfalls Ziel der Landesregierung bzw. zumindest der SPD-Fraktion, für die ich hier spreche, dass wir allen Studierenden dazu verhelfen, ihr Studium in Brandenburg erfolgreich abschließen zu können, um dann dem Fachkraftkräftemarkt zur Verfügung zu stehen.
Herr Büttner, Sie haben gesagt, dass es an einigen Fachhochschulen schon Modellversuche gibt. Dazu will ich Ihnen sagen: Diese sind ausfinanziert, aber sie haben - wie in Wildau, wo es das Projekt „Studienabbruch - Perspektiven entwickeln, Perspektiven nutzen“ gibt - erst begonnen. Insofern wollen wir schon evaluieren, wie sie in ihrer Wirkung sind, um dann entscheiden zu können, wie wir damit weiter verfahren.
Einem Punkt in Ihrem Antrag können wir überhaupt nicht folgen, weshalb wir ihn auch ablehnen werden. Dabei geht es um die Frage der Studienverlaufsstatistik. Diesbezüglich ist es sehr spannend, dass ausgerechnet die FDP - eine liberale, freiheitlich aufgestellte Partei - uns motivieren will, den Datenschutz schmählich zu vernachlässigen und den Studienverlauf von einzelnen Studierenden unter die Lupe zu nehmen. Das widerspricht eindeutig dem Bundesdatenschutz, weshalb wir das so nicht machen können.
Ich erkläre es Ihnen aber auch gern noch einmal im Einzelnen: Das Studienabbruchverhalten - nicht nur die bloße Zahl, sondern auch die Gründe, die Motive - würde alle Hochschulforscher sehr interessieren. Das ist keine Frage. Bei der Umsetzung sehe ich jedoch schwarz; denn die Beteiligung an der Statistik kann nur freiwillig geschehen. Oder sollen die Hochschulen den Datenschutz hier massiv verletzen? Alles andere würde dem Hochschulstatistikgesetz des Bundes widersprechen.
Nur ein Beispiel: Im Rahmen der kürzlich veröffentlichten 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks - die führen das öfter durch, nämlich genau seit 1951 - haben deutschlandweit 15 000 von mehr als 2,5 Millionen Studierenden an einer Studie teilgenommen. Daran sehen Sie schon, dass die Zahl eher gering ist. In Brandenburg waren es übrigens nur 260 Studierende, die sich daran beteiligt haben.
Abgesehen davon gibt es reichlich Untersuchungen zum Verlauf und zum Abbruch eines Studiums. Die HIS führt das andauernd durch. Zudem gibt es statistische Verfahren zur Berechnung der Abbruchquote. Diese haben aber auch so ihre Tücken; denn sie berechnen die Abbruchzahl auf der Grundlage der Absolventenzahl eines Jahrgangs und der Gesamtzahl der Studienanfänger dieser Absolventenkohorte.
Auf Grundlage der Absolventen des Jahres 2010 kann ich also sagen, dass von den Studienanfängern des Jahres 2006/2007 ein Prozentsatz X das Studium abgebrochen hat. Das hilft uns hier aber kaum weiter; denn würden wir heute eine solche Abfrage durchführen, wüssten wir erst 2017/2018, welche Gründe es für die Abbrüche gab.
Kurzum: Die rein quantitative Statistik gibt es bereits, sie bringt uns jedoch nicht wirklich vorwärts. Eine hilfreiche qualitative Statistik können wir aus Datenschutzgründen leider nicht durchführen. Aber wir sind uns in dem Bemühen einig, alle Fachkräfte zu bekommen, die wir auf den verschiedenen Ebenen haben können. Jedoch lehnen wir den Antrag, den Sie dazu vorgelegt haben, ab. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Melior. - Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag der CDU-Fraktion fort. - Herr Abgeordneter Prof. Dr. Schierack, Sie haben das Wort.
Ich weise darauf hin, dass sich das Pult derzeit nicht nach oben oder unten - wir haben die Technik bereits gefragt - bewegen lässt. Geben Sie also Ihr Bestes.
Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe - wie wahrscheinlich viele von Ihnen - während des Studiums Kommilitonen kennengelernt, die während des Studiums gemerkt haben, dass es nicht das Richtige ist, die sich dann umorientiert und möglicherweise ein anderes Studium aufgenommen oder einen Handwerksberuf erlernt haben.
Es gibt aber auch durchaus diejenigen, die dann nicht mehr in die qualifizierte Berufswelt einsteigen. Vor allem um diese geht es hier. Wir als Gesellschaft dürfen sie nicht verlieren, weil das nicht nur eine menschliche Tragödie wäre, sondern eben auch eine Tragödie für uns als Gesellschaft. Insofern ist es gut, dass wir uns damit beschäftigen.
Die Studienabbrecherquote - das sagte Frau Melior bereits gibt nicht alles wieder. Ich habe hier unter anderem Zahlen vom HIS aus dem Jahr 2007. Demnach brechen 39 % bei den Naturwissenschaften das Studium ab. Bei den Ingenieurswis
„Abbrechen“ heißt aber auch, dass die Studierenden andere Studienfächer wählen, weshalb das nicht eins zu eins zu übernehmen ist. Dennoch bleibt eine gewisse Quote an Abbrechern, um die wir uns kümmern müssen und über die wir diskutieren.
Aus diesem Grund ist es gut, dass das System durchlässig wird, sodass zum einen für diejenigen - das diskutieren wir unter anderem im Zusammenhang mit der Hochschulreform in Brandenburg -, die einen Handwerksberuf erlernen bzw. erlernt haben und qualifiziert arbeiten, ein Hochschulstudium aufnehmen können, während wir zum anderen denjenigen, die ein Studium abbrechen - also tatsächlich abbrechen -, unkompliziert die Möglichkeit geben, ganz pragmatisch einen ordentlichen Handwerksberuf zu erlernen. Schließlich ist klar: Es gibt viele Handwerksbetriebe, die händeringend nach guten Handwerkern suchen. Deshalb ist es für uns eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, dies auch zu bewerkstelligen.
Im Koalitionsvertrag auf Bundesebene ist ganz klar eine Offensive in diese Richtung vereinbart. Unsere Bundesforschungsministerin geht diesbezüglich voran. Insofern können wir erwarten, dass es noch Initiativen des Bundes insbesondere zu diesem Thema geben wird. Frau Wanka hat auch hier im Parlament immer verdeutlicht, dass vor allem die Durchlässigkeit der Hochschulen, aber auch der einfache Zugang zu unseren Universitäten und Hochschulen sehr wichtig ist. Deshalb ist es gut, dass wir uns mit diesem Thema beschäftigen.
Ich rate hier wirklich zu einem pragmatischen Herangehen an dieses Thema. Wir unterstützen den Antrag der FDP. Die Idee des Runden Tisches, an dem alle zusammenkommen, um sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen, finden wir gut. Ich hoffe, das wird zum Erfolg führen. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Prof. Dr. Schierack. - Wir setzen mit dem Beitrag der Fraktion DIE LINKE fort. Herr Abgeordneter Müller hat das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste aus Panketal und Bernau! Lieber Herr Büttner, immerhin wissen wir jetzt, wie bei der FDP Anträge entstehen. Am 15. Februar, das war ein Samstag, titelt die „Märkische Allgemeine Zeitung“: „Studienabbrecher sollen Handwerker werden“. - Ganze drei Tage haben Sie nur gebraucht, um das in einen Antrag für das Parlament zu gießen - Wahlkampf willkommen!
Mit dem vorliegenden Antrag will die FDP-Fraktion Studienabbrecher besser verwalten. Die Linke hingegen setzt sich und das in Bund und Ländern - zuallererst dafür ein, Studienabbruch zu verhindern. Wir wollen, dass junge Menschen, die sich für ein Studium an Hochschulen hier in Brandenburg entscheiden, die bestmöglichen Bedingungen vorfinden, um es dann auch erfolgreich abzuschließen.
Frau Melior und Herr Schierack wiesen bereits darauf hin: Forschungsergebnisse, etwa von HIS und Studentenwerken, kommen zu dem Ergebnis, dass vielfach finanzielle und soziale Probleme ausschlaggebend für einen Studienabbruch sind. Also auch, wenn wir aus Datenschutzgründen nicht genau wissen, warum jemand im Einzelnen sein Studium abbricht, wissen wir doch, dass oft die soziale Lage der Studierenden für den erfolgreichen Abschluss eines Studiums entscheidend ist.
Gute Rahmenbedingungen - das bedeutet insbesondere: keine Studiengebühren und ein BAföG, von dem man leben kann. Herr Büttner, was hat denn die FDP in vier Jahren Bundesregierung in puncto BAföG getan? Nichts haben Sie getan.