Protocol of the Session on February 27, 2014

Sie alle - auch die Ministerin - sind eingeladen, zu der Demonstration am 5. März zu kommen. Wenn ein Vertreter der Linken kommt, kann er ja Ihre abgehobenen Worte - das sei alles gar nicht so schlimm, das sei normal, woanders sei es noch viel schlimmer, wir alle sollten froh sein, dass in Brandenburg so wenig Englisch-Unterricht ausfalle - wiederholen. Aber ich werde, sofern ich die Gelegenheit dazu habe, wiedergeben, dass Sie von „Drama“ und „Inszenierung“ reden. Ich glaube, die hundert Schüler, um die es da geht, reden nicht von „Drama“ oder „Inszenierung“.

(Beifall CDU)

Wenn Matthias Platzeck gesagt hat: „Wir lassen kein Kind zurück“, dann hatte er Recht. Aber wer zahlt die Zeche? Die Eltern der Kinder, die kein Englisch hatten, werden, wenn sie es sich leisten können, jemanden zur Nachhilfe engagieren. Die Kinder der Eltern, die sich das nicht leisten können, haben eben Pech gehabt.

Kollege Günther, warum kommt denn in Luckenwalde von all Ihren Maßnahmen nichts an? Bei einer Veranstaltung vor eineinhalb Jahren sagte der Chef des Schulamtes, das Durchschnittsalter der Lehrer in Luckenwalde liege bei 53 Jahren. Mittlerweile sind es 54 Jahre!

(Frau Große [DIE LINKE]: Und warum ist das so?)

Ich wiederhole: Warum kommt denn von Ihren Maßnahmen nichts an? Warum schaffen wir es nicht, den Unterricht so zu erteilen, wie es im Schulgesetz vorgesehen ist?

(Beifall CDU)

Wie ist denn die Situation im Land? Liebe Kollegen, Sie kennen es doch aus Ihren Wahlkreisen. Die Eltern betreiben teilweise Notwehr.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Schauen Sie sich doch die Situation in Kleinmachnow an. Wenn es sich die Gemeinde leisten kann, bezahlt sie - wie Kleinmachnow - Lehrer an staatlichen Schulen aus kommunalen Mitteln, damit Unterricht stattfindet. So ist dort die Situation.

Ich wünschte mir, mehr Kommunen in Brandenburg könnten sich das leisten. Sie können es sich aber nicht leisten. Warum handeln sie so? Sie handeln aus Notwehr, weil die Landespolitik hier versagt.

(Beifall CDU)

Hier geht es auch um den Wert einer Institution - der Institution Schule. Die Kinder wollen lernen. Sie wollen sich den Leistungsanforderungen stellen. Sie wollen sozial und fachlich vor

ankommen. Dann kommen sie nach den Ferien in die Schule und hören: „Ausfall!“ Glauben Sie eigentlich, dass ein Junge, ein Mädchen in diesem Alter sich ernst genommen fühlt? Die Schüler sagen doch dann: „Wenn die mich nicht wollen, warum soll ich beim nächsten Mal Leistung bringen?“ Es geht auch darum, dass der Respekt vor den Mädchen und Jungen in Brandenburg durch die Bildungspolitik - in diesen Fällen jedenfalls mit Füßen getreten wird.

(Widerspruch bei der SPD und der Fraktion DIE LINKE)

Frau Ministerin, Sie haben gestern gesagt, das sei eine unglückliche Verkettung von Umständen. Das mag so sein. Aber der Anfang der Kette ist im Bildungsministerium in der HeinrichMann-Alle zu finden. Das gilt es festzustellen. - Danke schön.

(Beifall CDU)

Damit ist die Redeliste zu diesem Punkt erschöpft. Ihnen liegt der Antrag der CDU-Fraktion und der FDP-Fraktion in der Drucksache 5/8548 vor. Wer ihm zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Stimmenthaltungen? - Ohne Stimmenthaltungen ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 7 und rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Dem angenommenen Volksbegehren gerecht werden: Nachtflugverbot am BER von 22 Uhr bis 6 Uhr endlich gewährleisten

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN des Abgeordneten Goetz

Der Abgeordnete Schulze beginnt die Debatte.

Sehr geehrte Kollegin! Sehr geehrter Herr Präsident! Mittlerweile zum 15. Mal seit 2010 debattiert der Landtag Brandenburg über Fragen von Nachtflug, Gesundheitsschutz und Schallschutz am bzw. rund um den Flughafen BER. Heute, am ersten Jahrestag des vom Landtag angenommenen Volksbegehrens, beantragen wir, dass das Nachtflugverbot aus dem Volksbegehren gegebenenfalls durch Brandenburg im Alleingang durchgesetzt wird - wenn die Verhandlungen mit Berlin scheitern.

(Beifall B90/GRÜNE)

Der Landtag hat am 27. Februar 2013, genau vor einem Jahr, das Volksbegehren angenommen. Ich darf noch einmal aus dem Beschlusstext zitieren:

„Der Landtag nimmt das Volksbegehren zur Durchsetzung eines landesplanerischen Nachtflugverbotes an.“

Ende der Durchsage. Das war der Beschluss.

Geschickterweise wurde an jenem Tag noch ein zweiter Antrag beschlossen, den die Koalitionsfraktionen eingebracht hatten und der mit dem eigentlichen Volksbegehren leider nichts zu tun hatte. Ich meine den Beschluss des Landtages zur Änderung des Landesentwicklungsprogramms in der Drucksache 5/6916-B. Darin werden alle möglichen Belanglosigkeiten aufgelistet: „Die Hauptstadtregion braucht einen konkurrenzfähigen Flughafen. Auf die wirtschaftliche Entwicklung und die rechtlichen Rahmenbedingungen wird Bezug genommen. Kennzeichnend für Flughafenstandorte sind nun einmal Flächenverbrauch und Belästigung der Anwohner. Die Lärmbetroffenheit muss irgendwie reduziert werden.“ Dort sind noch weitere Belanglosigkeiten zu lesen, die aber mit dem Volksbegehren nichts zu tun haben.

Geschickt gemacht, aber es hat nichts mit dem Volksbegehren zu tun. Und jetzt, zum ersten Jahrestag, haben wir am Montag im Sonderausschuss gemeinsam mit den Vertretern der Volksinitiative, des Volksbegehrens diskutiert und ein Fachgespräch geführt. Die Vertreter des Volksbegehrens haben ihr Resümee gezogen und haben festgestellt: Bis zum ersten Jahrestag ist durch die Landesregierung nichts erreicht worden, nichts umgesetzt worden. - Es war ein sehr bedenkliches und bedauerliches Resümee.

Meine Damen und Herren, es wird immer so nolens volens über Nachtschutz, Gesundheit, Nachflugverbot geredet. Der Hintergrund ist, dass es mittlerweile eine erwiesene medizinische Tatsache ist, dass Fluglärm krank macht.

(Beifall B90/GRÜNE und des Abgeordneten Goetz [FDP])

Das wird von einigen hier leider konsequent ignoriert. Ich habe ja schon gesagt, dass wir seit September 2010 15 Mal aufgrund von Anträgen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN oder meiner Person zum Thema Nachtflug diskutiert haben. Sie dürfen dreimal raten, wie oft die Anträge angenommen oder abgelehnt wurden. Ich könnte Ihnen jetzt sämtliche vorlesen, 15 Anträge, 15 Mal durch die Koalitionsfraktionen abgelehnt. Das ist die Wirklichkeit zum Thema Gesundheitsschutz und Nachtflugverbot in diesem Landtag Brandenburg.

Weshalb setzen wir uns für die Frage des Nachtflugverbots und die Gesundheit so intensiv ein? Das ist relativ einfach zu erklären: Schopenhauer hat es mal auf eine kurze Formel gebracht. Manche Dinge kann man nicht besser sagen als mit den Worten solcher Leute. Er hat gesagt: „Gesundheit ist gewiss nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts.“

Meine Damen und Herren aus der SPD-Fraktion, Sie haben ja in Ihren Reihen ein exponiertes Beispiel, einen Kollegen, der damit eine eigene, schlimme Erfahrung hat. Wir denken an unseren ehemaligen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck. Er war ein sehr verehrter, sehr erfolgreicher, beliebter Politiker und Mensch, er war erfolgreich, hatte Macht und Einfluss. Und plötzlich traf ihn der Schlag. Die Gesundheit war aufs Schwerste angeschlagen und alles andere weg. Er hat dann auch sein Amt als Ministerpräsident niederlegen müssen. Das ist sicher keine Erfahrung, die man irgendjemandem wünscht. Aber sie ist ein eindrückliches Beispiel dafür, wie zentral die Frage der Gesundheit für unser tägliches Leben, unser Wirken ist. Mit Gesundheit ist es wie mit sauberem Wasser oder mit Luft oder Essen wir merken erst, wenn es nicht mehr da ist, wie wertvoll es ist.

Das ist das, was ich hier an diesem Landtag beklage, was ich kritisiere und wo ich Sie auch anklage: dass die Frage des Gesundheitsschutzes keine wesentliche Rolle gespielt hat.

(Beifall B90/GRÜNE und des Abgeordneten Goetz [FDP])

Die zentrale Botschaft aus diesem Zitat und der Darlegung dieses persönlichen Schicksals ist: Das Wertvollste, was der Mensch hat, sind die Gesundheit und sein Leben. Dieses zu schützen gebieten uns die Verfassung des Landes Brandenburg und das Grundgesetz, und das müssen wir hier an dieser Stelle erneut unter Beweis stellen. Deswegen fordern wir Sie heute in namentlicher Abstimmung auf, sich dazu zu positionieren.

Die Grundsatzfrage rund um den Flughafen Berlin-Brandenburg und auch um das Nachtflugverbot lautete in den vergangenen Monaten und Jahren immer: Geht Wirtschaftlichkeit vor Gesundheit oder Gesundheit vor Wirtschaftlichkeit? Die Koalitionsfraktionen - ich habe das in den Protokollen der letzten Jahre nachvollzogen - haben sich immer wieder auf den Standpunkt gestellt: Die Wirtschaftlichkeit des Flughafens ist das Wichtigste, was zu sichern ist. - Und das ist eben nicht so.

Meine Damen und Herren, die Historie des Flughafens beginnt beim Raumordnungsverfahren 1994 und ist eine Geschichte des Tricksens, Täuschens und Manipulierens, des Über-denHaufen-Werfens von Positionen, die man gestern bekräftigt hat. Das Raumordnungsverfahren 1994 kam zu dem Ergebnis: Schönefeld ist nicht geeignet. Den Menschen wurde versprochen, Schönefeld kommt nicht.

Ich muss die ganze Geschichte, die dann stattgefunden hat, nicht näher ausführen. Die letzte Überraschung kam 2010, mit den Flugrouten. Später kam heraus: Seit 1998 war alles bekannt.

Diese Sache mit den Flugrouten war dann die initiale Zündung für die Bürgerinnen und Bürger, sich auf den Weg zu machen und zu sagen: Wir lassen uns das nicht gefallen, wir nehmen das jetzt selbst in die Hand! - Und es wurde die Volksinitiative gestartet. Meine Damen und Herren, es war nicht in diesem Haus, es war noch im alten Landtag, am 16. Dezember 2011, als Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen aus der Koalition von SPD und Linkspartei, diese Volksinitiative einstimmig abgelehnt haben. Sie werden sich vielleicht erinnern - das war dann der Grund, warum ich aus der SPD-Fraktion ausgetreten bin, weil ich das für zynisch und rücksichtslos halte.

Die Bürgerinnen und Bürger haben sich aber nicht irritieren lassen, sondern sie haben sich weiter auf den Weg gemacht und gesagt: Dann gehen wir eben zum nächsten Schritt über. - Ich kann mich noch an die hämischen und abwertenden Äußerungen erinnern: Na dann sollen sie doch machen, das schaffen die ja sowieso nicht.

Am 6. Dezember 2013 dann plötzlich die Überraschung, das große Erschrecken und die Panik: 106 000 Unterschriften! Dann fing das große Überlegen an, wie man damit umgeht und wie man das abwenden kann; denn daraus drohte eine politische Bewegung zu werden. Dann kamen, wie gesagt, im Hauptausschuss die Kreierung dieses Antrages, den ich eben zitiert habe, der letztendlich nur Selbstbeschäftigung für die Regierung organisiert, und die Annahme des Volksbegehrens am 27.02.2013. Schon da haben alle vermutet, dass es nicht ernst gemeint ist.

Wir haben dann - zuletzt in den Sonderausschüssen am 16. Dezember, am 13. Januar und am 24. Februar dieses Jahres - die Frage erörtert, wie mit dem Volksbegehren umgegangen wird, und den Bericht, der von der Landesregierung vorgelegt wurde, diskutiert. Man muss feststellen: Es ist so, wie es der Dichter Hans Christian Andersen in seinem Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ geschrieben hat: Der Kaiser ist nackt. Nichts, aber auch gar nichts im Hinblick auf das Volksbegehren ist umgesetzt worden. Das ist ein sehr schlimmes Resümee.

Jetzt nehmen wir die Kehrtwende zur Kenntnis. Ich habe in den „PNN“ vom 15. Februar 2014 gelesen, dass der Ministerpräsident gesagt haben soll - er kann sich ja selbst dazu erklären -, dass Brandenburg jetzt im Zweifelsfall etwas im Alleingang unternehmen werde. Das höre ich wohl. Aber wie steht es schon in der Bibel: An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Wir warten ab, was es für Früchte gibt, was die Landesplanungskonferenz Berlin-Brandenburg für Früchte hat, und dann werden wir das näher bewerten.

Lassen Sie mich folgendes Fazit ziehen: Der Landtag Brandenburg hat damals das Volksabstimmungsgesetz geändert, um Basisdemokratie zu fördern. Nun, nachdem das erste erfolgreiche Volksbegehren vorliegt, wird es erfolgreich gegen die Wand gefahren. Das, womit wir es hier zu tun haben, ist keine Frage des guten Willens, sondern ein ganz klarer, pflichtiger Auftrag des Souveräns, des Volkes des Landes Brandenburg, von 106 000 Bürgerinnen und Bürgern, an die Politik. Die Rolle, die Brandenburg bisher in dieser Sache gespielt hat, ist leider bedrückend, beschämend und nicht der Sache gerecht geworden.

(Beifall B90/GRÜNE)

Man kann sich herausreden und sagen: Die Berliner spielen nicht mit. Aber dann muss man eine Definition seiner eigenen Position vornehmen und fragen: Verhandeln wir hier auf gleicher Augenhöhe oder tun wir das nicht? Kommt uns der andere entgegen? Haben wir etwas zu verhandeln? Dann muss man konsequent sein und kann sich nicht herausreden. Der Handlungsauftrag ist nicht auf Berlin begrenzt, sondern es gibt einen Handlungsauftrag, das Nachtflugverbot durchzusetzen, und dann muss man es im Zweifelsfall auch allein tun. Das haben wir im Übrigen am 25. September des letzten Jahres in einem Antrag schon einmal gefordert, dass man dann die Ketten kappt und sich freimacht.

Die Landesregierung hat bisher alle Argumente gegen die Machbarkeit eines Nachtflugverbotes gesammelt, warum das alles nicht gehe. Meine Damen und Herren, werden Sie kreativ und suchen Sie nach Mitteln und Wegen, wie es geht!

(Beifall B90/GRÜNE und des Abgeordneten Goetz [FDP])

Es ist eben keine Frage des Wollens, sondern des Müssens. Es ist eine Frage der Pflicht. Und die Pflicht der Landesregierung ist es, ein Ergebnis herbeizuführen, und zwar entsprechend dem Wortlaut des Landtagsbeschlusses, nämlich der Annahme des Volksbegehrens, ein Nachtflugverbot durchzusetzen. Ende der Durchsage.