Protocol of the Session on February 26, 2014

Aber diese Geschichte haben wir, ohne zu vergessen, zum Glück hinter uns gelassen; denn in den letzten 25 Jahren hat sich aus dem zaghaften Annähern eine Partnerschaft entwickelt, in der sich zwei Länder auf Augenhöhe gegenüberstehen. Für Brandenburg ist diese Partnerschaft von besonderer Bedeutung, verbindet uns doch eine mehr als 250 Kilometer lange Grenze.

Die Aufgabe ist für uns nicht nur ein in unsere Verfassung aufgenommenes Lippenbekenntnis, sondern gelebte und geliebte Realität. Einen großen Schub hat das Miteinander erfahren, als sich Polen auf den Beitritt zur Europäischen Union vorbereitet hat. Wir Brandenburger konnten Erfahrungen unseres Transformationsprozesses weitergeben, wodurch ein vielschichtiges Geflecht von geschäftlichen, aber auch persönlichen Beziehungen entstand.

Ich bin stolz darauf, dass gerade in Zeiten, als in Brandenburg die Verantwortung für die Europapolitik bei der CDU lag, eine besondere Dynamik einzog; denn immerhin vier der sechs Partnerschaften, die wir mit Woiwodschaften unterhalten, haben wir mit schriftlichen Erklärungen untermauert. Allesamt sind sie unter der Ägide von CDU-Europaministern unterzeichnet worden.

(Beifall CDU)

Auch das bislang einzige trilaterale Abkommen zwischen Großpolen, Brandenburg und Berlin sowie die Europaurkunden, die gern an Polen und an Brandenburger verliehen werden, wurden von einem CDU-Minister ins Leben gerufen.

Wir stehen uneingeschränkt zur deutsch-polnischen Zusammenarbeit, müssen aber achtgeben, dass sich hier nicht der Alltag einschleicht. Es gibt nämlich noch viel zu tun. Frau Melior hat zwar allen immer schön erklärt, was die SPD alles tun will, aber bislang habe ich von ihr noch nicht gehört, wie sie es denn bitte schön umsetzen will.

(Beifall CDU sowie der Abgeordneten Vogel [B90/ GRÜNE] und Lipsdorf [FDP])

Der Schlüssel ist und bleibt unsere Jugend, die junge Generation. Wir müssen ganz früh beginnen und sehen, dass wir bereits in den Kindergärten ermöglichen, Partnerschaften zu polnischen Kindergärten aufzubauen.

Zudem müssen wir unsere Europa-Schulen stärken.

(Senftleben [CDU]: Genau!)

Nicht nur auf dem Weg zur Europa-Schule, sondern vor allem in der Zeit, in der sie Europa-Schulen sind, brauchen sie eine besondere Betreuung und eine besondere Bewertung.

(Beifall CDU sowie des Abgeordneten Büttner [FDP])

Wir müssen daran arbeiten, dass das Deutsch-Polnische Jugendwerk dem Deutsch-Französischen Jugendwerk gleichgestellt wird. Hier gibt es noch immer einen großen Unterschied. Wir müssen unsere Jugend mehr darauf vorbereiten, sich im Austausch mit Polen wiederzufinden.

(Beifall der Abgeordneten Frau von Halem und Vogel [B90/GRÜNE])

Andere Bereiche, beispielsweise den Arbeitsmarkt, müssen wir in beiden Schienen sehen. Unter anderem haben wir bereits beantragt, im Energiesektor eine deutsch-polnische Kooperation aufzugreifen. Was ist geschehen? - Sie haben diesen Antrag abgelehnt und nichts davon aufgegriffen.

(Beifall CDU)

Die Oder-Partnerschaft halte ich für sehr gelungen - wir im Landtag in Potsdam hatten ein gemeinsames Treffen aller Parlamentarier der Regionen, die an der Oder-Partnerschaft beteiligt sind -, sie braucht aber neue Impulse. Die Oder-Partnerschaft habe ich seit 2012 nicht mehr erlebt. Ich hoffe, dass Sie, Herr Ministerpräsident, hier neue Impulse setzen können.

Ihnen, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, möchten wir an dieser Stelle für Ihre neue Aufgabe als Koordinator für die deutsch-polnische zwischengesellschaftliche und grenznahe Zusammenarbeit viel Erfolg wünschen.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Bernig [DIE LINKE])

Lassen Sie sich nicht davon entmutigen, dass teilweise von polnischer Seite moniert wird, dass Deutsche und Polen nicht mehr auf Augenhöhe kommunizieren - dort Bundesebene, hier Landesebene.

Auch wünschen wir Ihnen, dass Sie neben den vielen brandenburgischen „Baustellen“ - unter anderem Polizeireform, Bildungskrise, Energiewende und BER - noch die zeitlichen Kapazitäten finden, sich um die polnisch-brandenburgische zwischengesellschaftliche und grenznahe Zusammenarbeit zu kümmern.

(Beifall CDU und B90/GRÜNE)

Sie finden uns an Ihrer Seite, wenn es um die inhaltliche Arbeit und um den polnisch-brandenburgischen Dialog geht. - Vielen Dank.

(Beifall CDU und B90/GRÜNE)

Wir setzen mit dem Beitrag der Linksfraktion fort. Die Abgeordnete Kaiser spricht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut, dass wir uns hier einig sind, die Partnerschaft mit unserem polnischen Nachbarn stärken zu wollen.

Liebe Kolleginnen Melior und Richstein, Sie haben schon beschrieben, wie das Land Brandenburg, wie unsere Bewohnerinnen und Bewohner und wie unsere Verwaltungen über 20 Jahre historische Lehren und einen selbst gewählten Verfassungsanspruch mit Leben erfüllen. Das ist ein Beispiel für gelungenes Zusammenwachsen in der EU.

Es wird jetzt Wiederholungen geben; das wird sich nicht vermeiden lassen. Aber eines kann ich schon einmal sagen: Die Ernennung des Ministerpräsidenten Dr. Woidke zum neuen Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-polnische Zusammenarbeit ist sicherlich nicht der Anlass für die heutige Aktuelle Stunde gewesen. Ich mache mir nicht so viele Sorgen, dass es eine Zusatzbelastung für ihn sein könnte, weil die deutsch-polnische Partnerschaft Regierungsprojekt ist. Sie ist es alle Zeit gewesen, und es sind kluge Synergieeffekte, die möglicherweise jetzt zum Tragen kommen.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Da hat die Bundesregierung, hat die Kanzlerin, eine kluge Entscheidung getroffen.

Anlässe gab es mehrere, ein solches Thema für die heutige Aktuelle Stunde zu wählen: der 10. Jahrestag der Unterzeichnung des Partnerschaftsabkommens zwischen Wielkopolskie und Brandenburg, der 10. Jahrestag der Mitgliedschaft Polens in der EU, Beginn und Vorbereitung der neuen EU-Förderperiode 2014 bis 2020 mit den grenzüberschreitenden Programmen, die wir weiterführen wollen, gemeinsame deutschpolnische Ausschusssitzungen und Parlamentariertreffen oder auch die bevorstehende Europawahl am 25. Mai 2014.

Die landespolitische Praxis wird meines Erachtens die Expertise des Ministerpräsidenten in seiner neuen Verantwortung sein. Die landespolitische Praxis wollen wir heute beleuchten: Oderund Neiße-Regionen sind Lebensräume. Die Flüsse verbinden. Familien wechseln inzwischen selbstverständlich die Seiten, weil Wohn- oder Arbeitsort besser passen. Im Geist der Inschrift an unserem neuen Landtag sollten wir dort vielleicht Schilder aufstellen, auf denen steht: „Dies ist keine Grenze!" keine Grenze mehr.

(Beifall DIE LINKE, SPD und B90/GRÜNE)

Selbstverständlich ist es, ja, aber es ist - da gebe ich Ihnen Recht, Frau Kollegin Richstein - wirklich keine Selbstverständlichkeit. Denn wirtschaftliche Konkurrenz bei enormen nationalen Unterschieden auch innerhalb der EU, Konkurrenz als Bewegungsform der heutigen Gesellschaft überhaupt führt nicht unbedingt zu einem gemeinsamen Alltag und zu Solidarität in einer Region.

Die Finanz- und Wirtschaftskrise führt zurzeit zusätzlich zu einer sehr ungleichen Entwicklungsdynamik in der EU Nord/Süd/Ost/West -, angesichts EU-weit fehlender sozialer Mindeststandards bei Löhnen, Renten und Sicherungssystemen eben auch zu neuen sozialen Ängsten und Verwerfungen, wenn wir auf Griechenland, Spanien und auch Frankreich sehen.

Es ist ein historisch zu nennender Vorgang, von dem wir hier alle profitieren dürfen, dass Polinnen und Polen sowie Deutsche hier zusammenwachsen, eben auch weil sie zusammen wachsen, weil das politische Klima, der Austausch und gemeinsame Interessen an besserer Infrastruktur, positiver Arbeitsmarktentwicklung, mehr Aufmerksamkeit und Schutz für Natur und Umwelt das Alltagsleben besser, berechenbarer machten und durchaus mehr Leute als vor 20 Jahren hier eine Zukunft für sich und ihre Kinder sehen.

Wir haben das Jahr 2014, und ich möchte angesichts der traurigen Weltkriegsjubiläen auch anmerken: Diese Entwicklung war der Region nicht vorausbestimmt. Nationale Fragen, deutsche Kriegsschuld, Grenzverschiebungen und Gebietsansprüche, Vertreibungen und Umsiedlung, Millionen Kriegstote und Auschwitz, Kalter Krieg - das schwierige historische Erbe belastet uns gegenseitig. Geschichte zu kennen, gemeinsame Interessen und kulturelle Unterschiede zu akzeptieren, dabei auch das Gemeinsame herauszufinden, um Politik berechenbar zu gestalten, das war der demokratische Weg, das war auch der Brandenburger Weg bei der Gestaltung der Zusammenarbeit mit der polnischen Seite. Auf diesem Weg sind wir Schritt für Schritt gegangen und haben Vertrauen aufbauen können.

Keine Frage, 2004 gab es in Brandenburg, gerade in der ehemaligen Grenzregion, schon erhebliche Ängste und Vorbehalte. Ich erinnere mich noch sehr gut, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, an die Stimmung im Kreistag MärkischOderland, als dort Minister Schönbohm vor möglichen Folgen der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Wegfall der Grenzkontrollen und dem EU-Beitritt Polens warnte. Wie gut, sage ich mal, dass er sich geirrt hat. Dann kam die besondere Dynamik der Entwicklung der Zusammenarbeit, Frau Kollegin Richstein. Ja, wie gut. Klar, wir sind uns einig: Diese Dynamik ist wünschenswert. Wir wollen sie auch weiter gestalten.

(Beifall DIE LINKE, SPD und B90/GRÜNE)

Polen war und ist für Deutschland die Brücke Richtung Osten. Diese Erfahrungen können und müssen uns leiten, wenn es heute zum Beispiel um das Schicksal der Ukraine geht. Ja, es bringt nichts, neue Mauern und Machtblöcke zu bauen, liebe Kolleginnen Melior und Richstein. Nicht neue Abhängigkeiten, nein, nur demokratische, politische und soziale Grundrechte für alle Menschen und die Selbstbestimmung der Länder bringen auf Dauer eine friedliche und nachhaltige Entwicklung. Ängste vor Gewalt, vor Armut oder davor, dass einem am Ende das Gas abgedreht wird, fördern nun einmal keine Demokratie.

Uns verhalfen unsere Geschichte und unsere Erfahrungen zu einem besonderen Blick, zu dem Brandenburger Blick und Weg, dass Europa nicht an den Grenzen der EU aufhört. Deshalb sollten wir davon ausgehen, dass so, wie vorher Polen eine Brücke war, auch weiter nach Osten, und als Brücke für Stabilität fungiert hat - auch politisch -, künftig die Ukraine eine Brücke sein kann, auch Richtung Russland und weiter nach Osten. Zuallererst muss das ukrainische Volk die Möglichkeit

haben, selbst zu bestimmen, welchen Weg es geht. Dabei sind Vorschriften, deutsche Rezepte oder neue Abhängigkeiten nicht förderlich.

(Beifall DIE LINKE)

Vor allem neue Nationalismen dürfen keinen Raum bekommen und sollten nicht geschürt werden. Wir sehen, wie auf der Krim die Probleme jetzt anfangen zu brennen. Hier müssen wir behutsam unseren Beitrag zu Vertrauensbildung und Stabilität leisten.

Für unsere deutsch-polnische Grenzregion und den europäischen Integrationsprozess entscheidend war und ist, dass hier das Zusammenwachsen von Ost und West im Alltag funktioniert. Mit dem vorliegenden Antrag, den wir eingereicht haben, wollen wir genau diese Entwicklung forcieren. Das Einzugsgebiet der Oder in einen wirtschaftlichen, kulturellen und ökologischen Innovationsraum zu verwandeln, das ist die Vision meiner Fraktion. Dazu haben wir die Instrumente und wir wollen sie nutzen.

Besonderes politisches Augenmerk richten wir auf unsere brandenburgisch-polnische Grenzregion, auf die Euroregionen „Pro Europa Viadrina“ und „Spree-Neiße-Bober“; auch sie feierten ihr 20-jähriges Bestehen. Das Fördergebiet umfasst auf dem Territorium des Landes Brandenburg die Landkreise Märkisch-Oderland, Oder-Spree und Spree-Neiße sowie die kreisfreien Städte Frankfurt (Oder) und Cottbus. Für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist es ein Erfolg, dass sich Brandenburg und die Republik Polen mit der Woiwodschaft Lubuskie unlängst auf die Punkte der Zusammenarbeit in den kommenden sechs Jahren einigten, und zwar innerhalb des Kooperationsprogramms Brandenburg - Lubuskie, im Rahmen des Ziels „Europäische Territoriale Zusammenarbeit“ des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung - EFRE.

Das Leitmotiv dieses Kooperationsprogrammes ist es, die Infrastruktur im „gemeinsamen Programmgebiet“, wie unser Lebensraum technisch heißt, zu vernetzen. Wir wollen die Stärken ausbauen, noch vorhandene Barrieren abbauen, Risiken begegnen. Ich erinnere nur daran, dass wir irgendwann auch festgestellt haben, dass man Hochwasserschutz nur beidseitig der Oder sinnvoll fördern und realisieren kann. Insofern können wir auch Synergien und Erfahrungen nutzen.

Drei Säulen sind in dem Programm vereinbart; ich finde es nicht unwichtig, sie noch einmal zu vermerken. Erstens: Bildung und lebenslanges Lernen erhalten hier eine Schlüsselrolle. Zweitens: Eine weitere Voraussetzung für die Integration des Programmraums ist, Teilräume durch eine nachhaltige Verkehrsentwicklung weiter zu erschließen. Lückenschluss ist die Devise. Es müssen Projekte weitergeführt bzw. zu Ende geführt werden. Drittens: Die Vielfalt der grenzüberschreitenden Natur- und Kulturlandschaft und die Qualität der Umwelt müssen erhalten und für unser Leben nützlich gemacht werden.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE)

Weitere Themen der Zusammenarbeit wurden schon benannt: grenzüberschreitender Rettungsdienst und Katastrophenschutz, Gesundheit und Infrastruktur und die Zusammenarbeit im Rahmen des Nationalparks Unteres Odertal mit den Schutzgebieten auch auf polnischer Seite.

Bewährt hat sich - bei allem Vertrauen, das in den letzten Jahren gewachsen ist -, dass wir auch Unterschiede und divergierende Positionen aufgreifen und ansprechen. Ich erinnere an unsere Ausschussfahrt im letzten Jahr. Auch da wurde es ganz deutlich: Bei der Energiefrage - Atomkraft - gehen unsere Erfahrungen und Sichten auseinander. Für uns hier im Haus das haben wir beschlossen - ist Atomkraft keine Zukunftsoption. Wenn wir nicht wollen, dass für die Fracking-Methode weiter umfangreiche Bohrungen in Polen stattfinden, müssen auch wir hier um Alternativen ringen.