Protocol of the Session on January 22, 2014

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr verehrter Kollege Büttner, erst einmal sage ich - das ist positiv -, dass es in diesem Land eine FDP gibt, die auch gegen das Betreuungsgeld ist. Sie reihen sich damit in die Fraktionen ein, die das schon immer gesagt und gemeinsam einen Entschließungsantrag mit der schon erwähnten Drucksachennummer 5/5457 eingereicht haben.

Ich kann zumindest für meine Fraktion festhalten - ich sage das auch für den Koalitionspartner; Jutta Lieske hat dazu schon ausgeführt -: Natürlich stehen wir zu den sechs Forderungen, die wir damals aufgestellt haben. Es gibt überhaupt keinen Anlass, das jetzt noch einmal zu beschließen.

(Beifall DIE LINKE)

Wir wissen, dass Koalitionen keine Liebesheiraten sind. Das ist schlichtweg die Situation. Ich spreche jetzt zu der Fraktion, mit der wir hier gemeinsam regieren: Ich habe von niemandem aus dieser SPD-Fraktion gehört, dass er das Betreuungsgeld wunderbar finde oder dass er jetzt doch dieser Meinung sei, da in dem Koalitionsvertrag zu diesem Punkt nicht mehr herausgekommen ist. Ich kenne niemanden aus der SPD-Fraktion, der sich jetzt dafür einsetzen will.

Ich sehe die SPD natürlich immer noch als Partner. Noch einmal: Wir haben in dieser Koalition mit der SPD schon sehr viel mehr hinbekommen, als wir uns im Koalitionsvertrag vorgenommen hatten. Ich hoffe darauf - und traue es ihr zu -, dass auch Frau Schwesig an dem Thema dranbleiben wird. Dass wir das machen, das versteht sich von selbst.

Nun noch einmal zur FDP: Na klar hätte auch ich mehr erwartet. Gehen Sie einfach noch einmal zurück in die Zeit, in der Sie Regierungsverantwortung hatten: Sie hatten es damals auch nicht geschafft, weil Sie zu wenige waren. Sie sind also aufgefordert, auch angesichts dessen, wie unsere Haltung hier im Landtag Brandenburg ist, die Menschen noch einmal für die Idee zu begeistern: Kindertagesstätte ist eine Möglichkeit.

Ich sage Ihnen: Ich bin ganz entspannt. Wir hatten hier im Land Brandenburg bis zum Sommer - ich habe die aktuellen Zahlen nicht vorliegen - 180 Anmeldungen für das Betreuungsgeld. Das ist sehr wenig. Insofern können wir sehr sicher sein, dass die Menschen in diesem Land gute Erfahrungen mit Kindertagesstätten gemacht haben, und zwar von Anfang an, auch schon für Kinder im Alter von 0 bis 3 Jahren. Diese guten Erfahrungen haben hier Tradition. Hier leben Familien, die dieses Angebot zu schätzen wissen. Wir wissen, dass wir schon einen guten Versorgungsgrad erreicht haben, sind uns aber auch dessen bewusst, dass wir in Sachen Qualität noch eine ganze Menge an Arbeit zu leisten haben.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Und das ist es, was hier unsere gemeinsame Aufgabe ist. Dieser fühlen wir als Linke uns verpflichtet. Ich denke, wir haben in dieser Legislatur schon sehr viel mehr aufgelegt, als wir uns ursprünglich im Koalitionsvertrag vorgenommen hatten. Darin war erst einmal nur von einem verbesserten Schlüssel die Rede. Es ist inzwischen mehr passiert in Sachen Sprache, es ist mehr passiert in Sachen Ausstattung, es ist mehr passiert in Sachen Qualifikation von Kräften über die Personalverordnung. Aber es muss noch mehr passieren. Darin sind wir uns einig. Darauf sollten wir unsere Kraft konzentrieren, nicht aber darauf, dass wir uns schon Beschlossenes noch einmal um die Ohren hauen. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE - Frau Mächtig [DIE LINKE]: Sehr gut!)

Die Abgeordnete von Halem spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind immer gegen das Betreuungsgeld gewesen, von Anfang an, auf Bundesebene, auf allen Ebenen. Wir wissen,

dass es in der wissenschaftlichen Evaluation vom Institut für Zukunft der Arbeit hieß: Es wirkt nachteilig auf die frühkindliche Entwicklung und senkt die Frauenerwerbsquote. - Aus unserer Sicht ist das Betreuungsgeld eine Kitafernhalteprämie, ein Trostpflaster für nicht vorhandene Kitaplätze.

(Beifall der Abgeordneten Mächtig [DIE LINKE])

Und dass auf Bundesebene ein Programm aufgelegt wurde und 2 Milliarden Euro verpulvert werden, um Kinder von Bildung fernzuhalten und Frauen eine eigenständige Existenzsicherung zu erschweren, das ist aus unserer Sicht nicht nur ein Armutszeugnis, sondern ein sozial- und bildungspolitisches Schadstoffprogramm, und wir haben es immer abgelehnt.

(Beifall B90/GRÜNE, SPD und DIE LINKE)

Um jetzt noch einmal auf diese Debatte hier zurückzukommen:

(Senftleben [CDU]: Ja, auf das Thema, das wäre schön!)

Unabhängig davon - liebe Jutta, du hast es hier gesagt -, wie die FDP damals auf Bundesebene abgestimmt hat, damals, als das Betreuungsgeld beschlossen wurde und als es in den Koalitionsvertrag aufgenommen worden ist, finde ich, es ist das gute Recht der FDP, auf Bundesebene etwas anderes zu tun als auf Landesebene. Das Profil wird dadurch nicht klarer, insofern würde ich es strategisch nicht empfehlen, aber es ist das gute Recht, das hier zu tun und die Haltung in Bund und Land anders aufzustellen.

Ich finde es auch amüsant, Frau Blechinger, wie Sie die SPD plötzlich in Schutz nehmen. Es muss doch nicht darum gehen, die SPD hier zu beschmutzen, sondern man kann natürlich, liebe Gerrit, diese Punkte einfach auch noch einmal beschließen. Es geht jedoch nicht primär um den erneuten Beschluss bereits beschlossener Punkte,

(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Genauso ist es!)

sondern vielmehr um die Aufforderung an die Landesregierung, sich weiterhin für die ersatzlose Streichung des Betreuungsgeldes einzusetzen und darauf hinzuwirken, dass das Geld der frühkindlichen Bildung und dem Ausbau der Ganztagsschulen zugute kommt. Das ist tatsächlich etwas, was wir durchaus noch einmal beschließen können.

(Zurufe von der SPD)

Bei uns rennen Sie damit offene Türen ein, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD; denn es war auch für uns eine große Enttäuschung, dass die SPD in den Koalitionsverhandlungen nicht stark genug oder vielleicht auch der Mindestlohn wichtiger war und das unsägliche Betreuungsgeld nicht abgeschafft wurde. Für uns hier in Brandenburg, die wir eine quantitativ gute Kitaversorgung haben, ist das Betreuungsgeld doppelt anachronistisch. Zum einen muss hier in Brandenburg nichts aufgefangen werden, der Bedarf ist jedenfalls en gros gedeckt, und zum anderen fehlen diese Mittel natürlich schmerzhaft beim qualitativen Auf- und Ausbau der Kitalandschaft. Wir unterstützen deshalb den Antrag der FDP-Fraktion und hoffen, dass die SPD imstande ist, diese Kitafernhalteprämie eines Tages zu kassieren. Wir übertragen die Aufgabe der SPD. Das ist ein ehrenwerter Versuch, und wir wünschen viel Erfolg.

(Beifall B90/GRÜNE und FDP)

Frau Ministerin Münch setzt die Debatte fort. Sie spricht für die Landesregierung.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin Frau Lieske sehr dankbar für die Beschreibung des historischen Werdegangs - das ist nämlich der größte Teil der Wahrheit -, wie sich das Ganze entwickelt hat. Denn Sie haben ja schon dargestellt, dass die Bundes-FDP damals geschlossen für das Betreuungsgeld gestimmt hat. Nun gut.

Ich kann mir den Grund für diesen Antrag eigentlich nur in einem gewissen Schmerz über den Bedeutungsverlust erklären, lieber Herr Büttner.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE)

Etwas anderes bleibt kaum übrig; denn Sie wissen genau, dass wir unsere Einstellung gegenüber dem Betreuungsgeld nicht geändert haben. Wir haben damals den gemeinsamen Antrag aus dem Juni auch umgehend umgesetzt und im März 2013 gemeinsam mit den Ländern Niedersachsen, Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein ein Gesetz zur Aufhebung des Betreuungsgeldes in den Bundesrat eingebracht. Trotzdem ist dieses ungeliebte Betreuungsgeld geltendes Gesetz. Insofern geht es darum, dass wir dieses Gesetz natürlich auch anwenden müssen. Sie wissen aber, dass wir seit dem 17. Dezember eine neue Bundesregierung haben. Ich denke, Sie wissen auch aus der einen oder anderen historischen Erfahrung, was es heißt, einen Koalitionsvertrag auszuhandeln.

Ich bin Ihnen sehr dankbar, Frau Blechinger, denn Sie haben mir das Zitat aus der Rede von Herrn Lammert vorweggenommen: Der Kompromiss ist die Kunst der Politik und auch so etwas wie die Seele der Demokratie. Wir haben das erst gestern gehört, und es ist sehr viel Wahres daran. Es kann nicht sein, dass nur eine Seite absolut Recht hat und die andere Seite absolut Unrecht, sondern man muss Kompromisse aushandeln. Ich denke, das, was wir ausgehandelt haben, kann sich sehen lassen.

Es wurde auch schon darauf hingewiesen, dass wir im Gegenzug 6 Milliarden Euro für den Bildungsbereich und ausdrücklich auch für den Bereich Kita bekommen. Ich bin mir mit Frau Schwesig einig, dass es jetzt darum gehen muss, diese 6 Milliarden Euro so sinnvoll zu verteilen, dass sowohl der Bereich Kita als auch die Bereiche Schule und Hochschule etwas davon haben. Ich gehe fest davon aus, dass die Qualitätssicherung von Kita, was Betreuungsschlüssel und Ähnliches betrifft, was wir im Land auch intensiv gemeinsam vorantreiben, davon profitieren wird.

Die Eltern in Brandenburg werden im Übrigen selbst entscheiden, ob sie das Betreuungsgeld für notwendig halten oder nicht. Ich sehe es ähnlich wie Frau Große, dass die Eltern in Brandenburg dieses Betreuungsgeld zum allergrößten Teil zu einem letzten Endes überflüssigen Modell machen werden und es bereits jetzt tun; denn der Anteil der unter Dreijährigen, die in Kindertageseinrichtungen versorgt werden, liegt schon bei über 70 %; das heißt, die kommen für die Inanspruchnahme des Betreuungsgeldes überhaupt nicht mehr infrage.

Frau Schwesig wird das Betreuungsgeld engmaschig evaluieren lassen, und man wird aus dem Gutachten der Wissenschaftler dann natürlich Schlüsse ziehen. Ich gehe davon aus, dass das auch im Bund entsprechend diskutiert werden wird. Aber letzten Endes geht es darum, das Betreuungsgeld noch einmal auf den Prüfstand zu stellen. Da bin ich mit Ihnen vollkommen einer Meinung. Trotzdem ist es geltendes Recht, und der Kompromiss muss nun natürlich von beiden Seiten eingehalten werden.

Im Übrigen befindet sich das Betreuungsgeld derzeit in der Überprüfung auf Verfassungsmäßigkeit. Es ist von Hamburg eine Verfassungsklage angestrengt worden, und ich setze viel auf die dritte Gewalt im Staate, damit wir eine neue Diskussionslage bekommen.

Die anderen Punkte, die Sie erwähnt haben, entsprechen den Punkten, die wir im Land sowieso gemeinsam vorantreiben. Insofern kann man psychologisch sehr gut verstehen, dass es wirklich wehtut, jetzt nicht mehr im Bundestag vertreten zu sein. Aber der Weg über diesen Antrag ist nun einmal nicht der richtige Weg der Schmerzbewältigung. - Danke schön.

(Beifall SPD und vereinzelt DIE LINKE)

Zum Schluss erhält noch einmal die FDP-Fraktion, der Abgeordnete Büttner, das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Ministerin, machen Sie sich mal keine Sorgen, was mir wehtut. Wenn ich Ihnen erklärte, was mir wehtut,

(Zurufe: Nein, bitte nicht!)

könnte man mir in diesem Haus einen gewissen Verlust des Respekts vor Ihrem Amt unterstellen. Insofern lasse ich das im Raum stehen.

Ich wundere mich schon ein bisschen über Ihren Redebeitrag, Frau Lieske. Sie haben es sich sehr leicht gemacht; Frau Große im Übrigen auch. Sie haben gesagt: Das haben wir beschlossen, das ist eben so. Wir regieren ja nun auf Bundesebene mit der CDU, da müssen wir Kompromisse schließen. - Wissen Sie, was ich noch nicht verstanden habe? Hat die sozialdemokratische Fraktion im Brandenburger Landtag jetzt einen Koalitionsvertrag mit der CDU im Bund geschlossen, oder was? Das ist mir völlig abhanden gekommen. Sie verabschieden 2012 hier einen Antrag, dass sich die Landesregierung auf Bundesebene für die ersatzlose Streichung des Betreuungsgeldes einsetzen soll - zu einer Zeit, als die Landesregierung auf Bundesebene relativ wenig zu sagen hatte. Jetzt haben wir eine andere Situation, jetzt könnte die Landesregierung auf die Bundesregierung Einfluss nehmen. Sie regieren hier und stellen den Ministerpräsidenten, Sie stellen die Bildungs- und Jugendministerin, die Bundesfamilienministerin ist Ihre Parteikollegin, und jetzt, da Sie im Bund handeln könnten, sagen Sie: Es ist alles nicht so schlimm und so wild, wir mussten Kompromisse schließen, und wir erhalten ja jetzt auch mehr Geld, alles egal. - Wissen Sie, wie ich das nenne, liebe Kollegin Lieske? Umfallerpartei! Ganz einfach.

(Lachen und Heiterkeit bei der SPD)

Sie haben das Betreuungsgeld akzeptiert, und die Vorkämpferin gegen das Betreuungsgeld, Frau Schwesig, wird es jetzt in der Großen Koalition umsetzen.

Zur historischen Wahrheit - falls Sie sich irgendwann wieder beruhigen - gehört auch Folgendes: Das Gesetz im Bundesgesetzblatt der Bundesrepublik, in dem das Betreuungsgeld verkündet worden ist, trägt genau drei Unterschriften: die von Bundeskanzlerin Angela Merkel, von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen und von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück. Von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ist das Betreuungsgeld nämlich eingeführt worden. Also hören Sie mit dieser Geschichtsklitterung auf.

Was die CDU angeht, nun ja, Frau Blechinger, ich überlasse Ihrer eigenen Einschätzung, was Sie unter Würde des Hauses verstehen. Ich weise das zurück. Aber eines muss man Ihnen immerhin lassen: Sie haben diese Familienpolitik schon immer vertreten. Es ist völlig in Ordnung. Es trennt uns, das ist auch völlig in Ordnung. Es gibt vieles, was uns trennt, und das ist auch gut so. Es muss Unterschiede geben.

Aber meine Damen und Herren, es ist, wie es ist, wir stellen fest: Es gibt zwei Fraktionen in diesem Haus, die sich weiterhin konsequent gegen das Betreuungsgeld aussprechen, das sind die Grünen und die Liberalen. - Vielen Dank.

(Beifall FDP und B90/GRÜNE - Frau Mächtig [DIE LINKE]: Es ist doch noch gar nicht Aschermittwoch!)

Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Debatte angelangt, und die antragstellende Fraktion der FDP hat namentliche Abstimmung beantragt. Ich bitte die Schriftführer, mit dem Namensaufruf zu beginnen.

(Namentliche Abstimmung)

Hatte einer der anwesenden Abgeordneten keine Gelegenheit, die Stimme abzugeben? - Ich schließe die Abstimmung und bitte Sie um etwas Geduld für die Auszählung der Stimmen.