Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst den Blick auf die Gesundheitsversorgung der Flüchtlinge werfen: Die Gesundheitsämter mühen sich redlich, alle Flüchtlinge und vor allen Dingen die Kinder zu screenen. Dabei kommen gravierende Impflücken, vor allem im Bereich TBC und Polio - also Kinderlähmung - zum Vorschein. Ich weiß nicht, wie man da den richtigen Weg gehen kann. Die Impfung allein macht es nicht, sondern man muss erst Antikörper aufbauen, um immunisiert zu sein. Man müsste es in irgendeiner Form schaffen, die Menschen zwei oder drei Wochen, so lange wie die Immunisierung dauert, in einer Gemeinschaftsunterkunft zu belassen, um die Voraussetzungen zu schaffen, damit gerade Tuberkulose sich nicht ausbreitet.
Die Kreise - auf die möchte ich noch eingehen - bemängeln zudem, dass die Flüchtlinge quasi verteilt werden, obwohl kein Bleiberecht in Aussicht gestellt wird. Die Fluktuation in den Kreisen ist dementsprechend hoch. Denn es gehört auch dazu zu sagen, dass im 1. Halbjahr 2013 lediglich 4 800 Flüchtlinge nach der Genfer Konvention anerkannt wurden. Das entspricht einer Quote von 15 %. Auch das muss seitens der Landesregierung im Hinterkopf sein, wenn man die Kreise auffordert, zusätzliche Unterkünfte zu schaffen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir müssen uns auch über Geld unterhalten. Zurzeit erhalten die Kreise ca. 6 000 Euro pro Asylbewerber und Jahr, und das für vier Jahre. Die Flüchtlinge haben aber zum Teil erhebliche Gesundheitsschäden - TBC, sie müssen zur Dialyse oder haben Kriegsverletzungen -, sodass das Geld gar nicht reichen kann.
Das Land übt Druck auf die Kreise aus. Die Kreise, aber auch die vielen Wohnungsgenossenschaften geben sich große Mühe, die Gemeinschaftsunterkünfte auszubauen und Familien in Wohnungen unterzubringen. Ich möchte an dieser Stelle allen, die daran beteiligt sind, den Landräten mit ihren Mitarbeitern, aber auch den Kreistagsabgeordneten für ihre Arbeit danken.
Ich möchte aber auch eindringlich davor warnen - das ist mir ein Herzensanliegen -, jeden, der Kritik an den Flüchtlingen übt - sei es aus Angst oder aus Unwissenheit -, gleich als rechtsextrem oder gar rechtsradikal zu bezeichnen. Natürlich haben die Eltern, deren Kinder die Kita oder die Schule besuchen, Vorbehalte zum Beispiel gegen die Kinder, die ungeimpft sind, weil sie davon ausgehen, dass sich die eigenen Kinder anstecken können. Das ist doch etwas ganz Natürliches; an dem aktuellen Fall in Eisenhüttenstadt sehen wir auch die Gefahr. Deswegen ist der Entschließungsantrag so wichtig, damit für Informationen in den Kreisen gesorgt wird.
Wir müssen die Kräfte sinnvoll bündeln und alles tun für ein friedliches Miteinander der Bürger vor Ort und der Menschen, die flüchten mussten, weil sie um ihr Leben bangen und für sich und für ihre Kinder eine friedliche Zukunft wünschen. Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Einen schönen guten Morgen zunächst einmal.
Auch von mir ein großes Dankeschön, liebe Frau Nonnemacher, für diese Wahl des Themas der Aktuellen Stunde. Ich war auch zuerst skeptisch: Geht es gut? - Ich bin allen Kollegen, die heute gesprochen haben, sehr dankbar, dass es gut gegangen ist, und auch die Stimmung im Saal war, glaube ich, sehr angemessen.
Das ist ein Thema, das die Menschen im Land - Gott sei Dank bewegt, und meistens - das muss man relativierend sagen - in sehr positivem Sinne. Wir haben in diesem Jahr in Brandenburg 784 neue Plätze in Gemeinschaftsunterkünften geschaffen. Das heißt also, es sind einige neue Einrichtungen dazugekommen. Man muss sagen: Im Großen und Ganzen lief das sehr gut; es gab keine Diskussionen vor Ort, ganz im Gegenteil, es gab regelrechte Begrüßungsszenarien und Willkommensveranstaltungen.
Ich darf an Teltow erinnern, wo es inzwischen ein Willkommensfrühstück gibt; dort gibt es eine Willkommens-Arbeitsgemeinschaft. Ich darf aber auch an Wandlitz im Barnim erinnern, wo es inzwischen auch eine gute Szenerie gibt; man kümmert sich um den Empfang. Ich war dort und habe mir angeguckt, wie die Leute dort begrüßt werden. Und jeder, der aus einer Gemeinschaftsunterkunft in eine Wohnung gehen kann, bekommt sozusagen eine Vollausstattung mit, weil die Wandlitzerinnen und Wandlitzer gespendet haben - die ehemalige Heizanlage ist mit Möbeln vollgestellt, mit Einrichtungsgegenständen, die man nachher in die Küche, ins Wohnzimmer usw. stellen kann, das heißt, es ist alles da. Wenn eine Wohnung da ist, können sich die Menschen dort Möbel aussuchen und mit Mobiliar einziehen, das von Wandlitzern gespendet wurde und nach wie vor dort hingegeben wird.
Es geht mir heute noch zu Herzen - das will ich so deutlich sagen -, wenn ich daran denke, wie Schülerinnen und Schüler des Sally-Bein-Gymnasiums in Beelitz eine Willkommensparty in der Gemeinschaftsunterkunft in Beelitz veranstaltet haben. Sie haben vorher im Sozialamt angefragt: Was kommen dort für Nationen? Dann haben sie sich damit beschäftigt: Was kann man da kochen, was kann man auf den Grill tun, welche Gerichte sind dort gefragt? Sie haben dann ein kleines Kulturprogramm veranstaltet. Es war herzerwärmend zu sehen, wie Brandenburgerinnen und Brandenburger sich aufmachen und den Flüchtlingen zeigen: Ihr seid hier willkommen. Wir wollen euch helfen und dabei unterstützen, dass ihr hier tatsächlich ankommt.
Ich glaube, alle, die jetzt hier sind, haben inzwischen ihre Heimat stark vermisst. Jeder von uns weiß, dass Heimat immer dort ist, wo man auch vermisst wird. Ich glaube, dort, wo die Leute herkommen - aus Syrien und afrikanischen Ländern -, werden sie vermisst. Aber sie mussten eben flüchten, weil sie verfolgt wurden. So muss man das verstehen und genauso sollte man sich diesen Menschen, die jetzt hier im Lande sind, emotional nähern.
Die Situation ist - das hat die Debatte auch gezeigt - keineswegs dramatisch. Wir sehen Bilder aus anderen Regionen Europas, aber auch anderen Regionen Deutschlands, wo Flüchtlinge in Zelten oder Turnhallen untergebracht sind. Das gibt es hier nicht. Ich denke, das ist eine große Verantwortung, die die Kreise hier haben.
Ich will übrigens relativierend sagen: Dass das plötzlich und überraschend kam, stimmt nicht so ganz. Wer vor zwei, drei Jahren abends die „Tagesschau“ oder das „heute-journal“ gesehen hat, hat gewusst, dass da etwas auf uns zukommt. Ich habe den Brief mitgebracht, den ich im vergangenen Jahr - im Mai und Juni 2012 - an die Landräte und Oberbürgermeister geschrieben habe. Ich habe geschrieben: Liebe Leute, da kommt etwas auf uns zu. Bisher konnten wir Einrichtungen zurückbau
en, aber wir werden neue Einrichtungen brauchen. - Genau so ist es am Ende auch gekommen. In vielen Landkreisen ist wirklich gut reagiert worden. Bei einigen mussten wir eine Weisung erlassen, weil dort in den Amtsstuben ein bisschen die Hoffnung bestand, dass der Kelch an ihnen vorüberginge und sie nicht handeln müssten. Es ist nicht so gekommen, sie mussten handeln und zusehen, dass sie Möglichkeiten erschließen.
Ich will noch kurz, weil Frau Schier und Herr Lakenmacher das ansprachen, etwas zum Geld sagen: Ja, es ist richtig, es gibt seit Jahren eine Pauschale und die Landkreise kommen sehr unterschiedlich damit klar. Wenn man mehrere Fälle schwerer Krankheit hat, kann das sehr schnell teuer werden. Darum gab es immer wieder unsere Forderung - die ist leider von der B-Seite nie mitgetragen worden -, für die Asylbewerber Möglichkeiten zu schaffen, dass sie in die gesetzliche Krankenversicherung kommen. Das würde eine wesentlich größere Solidargemeinschaft für diesen Personenkreis eröffnen und die Kosten würden nicht bei einzelnen Landkreisen hängenbleiben.
Das wäre mein Appell an Sie, da noch einmal mit einzusteigen und dafür zu sorgen, dass wir einen Weg finden.
Der andere Punkt ist: Ich habe, als wir im vergangenen Jahr darüber gesprochen haben, dass wir neue Regelungen im SGB II brauchen, sehr deutlich gesagt, dass wir eigentlich kein Asylbewerberleistungsgesetz mehr brauchen, sondern die Möglichkeiten des SGB II vollkommen ausreichen würden, für diesen Personenkreis für Sicherheit zu sorgen.
Dann hätten wir dieses Problem nicht nur alleine dort abgeladen, sondern hätten zum Beispiel Kosten der Unterkunft und das, was außerdem ansteht, teilweise gemeinsam mit dem Bund zu tragen gehabt. Ich halte das nach wie vor für die bessere Möglichkeit, sich dieser Personen, so gut es eben geht, auch in den Landkreisen anzunehmen.
Im Übrigen hätte es mich gefreut, wenn es uns gelungen wäre, den Bericht zur Situation und vor allen Dingen auch dazu, wie wir uns das Handeln vorstellen - der Landtag hat uns ja auferlegt, einen Bericht zur Verfügung zu stellen -, gemeinsam mit dem Städte- und Gemeindebund und dem Landkreistag zu erstellen. Dieses Gemeinsame ist nicht zustande gekommen, weil man sich geweigert hat, mit uns ordentlich darüber zu reden und einmal zu fragen: Wo sind denn nun die Zahlen, wo sind die Probleme?
Ich hatte vor kurzen ein Gespräch mit allen Leitern der Gemeinschaftsunterkünfte in Brandenburg. Ich fand es sehr bezeichnend, dass einige gesagt haben, sie hätten 200 Leute in der Einrichtung und dafür seien sechs oder sieben Leute zuständig. Es gibt aber auch Einrichtungen, die 200 Leute beherbergen, und zwei Leute sind zuständig. Woher kommt so etwas? Wir haben eine Pauschale herausgegeben, aber wir haben im Jahr 2006 auch die Mittelvergabe etwas gelockert. Wir haben eben nicht mehr vorgegeben, wie viel Sozialarbeiter, wie viel Hausmeister usw. in diesen Einrichtungen sein sollten, weil die Landkreise wollten, dass wir das freistellen.
Wir wussten gleichwohl, dass der Beratungsbedarf der Flüchtlinge sehr hoch ist, und haben deswegen eine einzige Quote vorgegeben, haben nämlich gesagt: Nehmt bitte für 120 Flüchtlinge einen Berater. - Das wurde von einigen Landkreisen so aufgefasst, dass man mit dieser Pauschale, wie sie ausgereicht wird, letzten Endes nur noch pro 120 Flüchtlinge einen Betreuer plus Berater plus Hausmeister plus Heimleiter hat. So war das wahrlich nicht gedacht.
Und so kommt es eben auch, liebe Frau Schier, dass einige Landkreise mir offen und ehrlich sagen, mit dem Geld kommen wir klar, andere aber sagen, das reicht nicht, oder es reicht nur ganz knapp. - Da muss man wirklich auf diese Arbeitsgruppe, die wir mit den Landkreisen ins Leben gerufen haben, setzen, sodass dort alle gemeinsam schauen, wie die Finanzierung derzeit eigentlich geregelt ist. Und ich hoffe, dass wir am Ende einen Kompromiss hinkriegen.
Ich bin - das will ich ganz deutlich sagen - den Fraktionen, die nachher darüber abstimmen werden, sehr dankbar dafür, dass wir es schaffen, ein Förderprogramm für die Kommunen zu erschließen. Es ist nun einmal so, dass die Situation vor Ort sehr unterschiedlich ist, wenn ich Wohnungen erschließen oder GUs schaffen will. Manche Gemeinden sagen: Wir nehmen einfach eine ehemalige Kaserne der Bundeswehr, schließen die auf und bringen dort Flüchtlinge unter. - Oder sie nehmen ein ehemaliges Lehrlingswohnheim. Da hat man Kosten von fast null.
Wenn man das aber vor Ort nicht hat, hat man schon höhere Kosten, und das ist mit der Pauschale - da gebe ich Ihnen gerne Recht - eben nicht abzudecken. Wenn wir dann sagen: Wir legen ein Förderprogramm auf, mit dem wir zum Beispiel 50 % der entstehenden Kosten übernehmen - für eine Unterbringung in einer GU oder in einer Wohnung, am liebsten natürlich in einer Wohnung -, denke ich, ist das der richtige Weg. Da wird man den unterschiedlichen Möglichkeiten vor Ort eher gerecht, als wenn man einfach nur sagen würde: Wir geben euch mehr Geld, und dann seht zu, wie ihr klarkommt. - Ich glaube, der Weg über ein Förderprogramm ist der richtige, weil wir dann den unterschiedlichen Gepflogenheiten und Möglichkeiten vor Ort am besten gerecht werden.
Ich möchte noch etwas zu den Dingen, die in Schneeberg passieren, sagen, zu einigen Situationen, die wir im Land haben. Ich bin froh - weil das hier zweimal thematisiert wurde -, dass es in Bad Belzig noch nicht dazu kam, dass die Rechtsextremen dort die Oberhand gewinnen konnten. Aber ich sehe sehr wohl, was in den sozialen Netzwerken läuft und welche Ängste bei den Menschen durch solche Behauptungen, wie sie dort in den Raum gestellt werden, erzeugt werden.
Wer solche Aufrufe liest, sollte gut überlegen, von wem sie kommen. Sie kommen nämlich in der Regel nicht von denjenigen, die jetzt Nachbarn einer Asylbewerberunterkunft sind, oder denjenigen, die seit Jahren intensiv mit Asylbewerbern zusammenleben. Sie kommen nicht von denen, die sehr gute Erfahrungen gemacht haben. Meine Eltern leben seit mehr als 20 Jahren gegenüber einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber. Alle Nachbarn rundherum haben nur die besten Erfahrungen gemacht. Ältere Menschen erfahren Unterstützung von Asylbewerbern; aus der Nachbarschaft der GUStandorte gibt es nur Gutes zu berichten.
Wir sollten nicht den Leuten auf den Leim gehen, die „Nein zum Heim!“ propagieren, sondern uns genau anschauen, wer
das ist. Meine Damen und Herren, auch die Weihnachtsgänse in Brandenburg denken noch heute, dass der Mensch, der sie täglich füttert, ihr bester Freund sei. Genauso muss man mit Leuten umgehen, die meinen, „Nein zum Heim!“ sei der richtige Weg. Die meisten Brandenburger schauen aber genau hin, wer das sagt, und darauf sollten wir stolz sein. - Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, der Minister hat seine Redezeit mehr als verdoppelt. Ich biete Ihnen an, die Mittagspause zu streichen, damit Sie die fünfeinhalb Minuten jeweils in Anspruch nehmen können. Besteht Bedarf? - Lediglich bei Frau Nonnemacher; bitte schön.
Danke, Herr Präsident! Ich möchte nicht unsere Mittagspause gefährden, aber ich bin Herrn Minister Baaske dankbar, dass er mir einige Minuten erarbeitet hat. Ich möchte gerne auf Kollegin Schiers Beitrag eingehen, weil ich - auch als Ärztin - denke, dass es bedenklich ist, ihn so im Raum stehen zu lassen.
Frau Schier, ausgehend von der gestrigen Mitteilung, dass in Eisenhüttenstadt bei acht Asylsuchenden Tuberkulose festgestellt worden sei, haben Sie sehr auf Gesundheitsprobleme abgestellt. Ich möchte das ein bisschen geraderücken. Wir brauchen keine Debatte darüber, dass Asylbewerber Ordnung und Sicherheit gefährden, die Kriminalität anheizen, unsere Frauen gefährden,
unnötig Sozialleistungen in Anspruch nehmen, und auch keine Debatte darüber, dass unglaubliche Gesundheitsgefahren von ihnen ausgehen. Ich denke, man muss das sehr vorsichtig betrachten. Diese Krankheiten kommen überall vor und sind behandelbar. Es muss genau darauf geachtet werden, und ich bin froh, dass sich der Innenminister klar und deutlich dazu geäußert hat.
Es wäre ein schlechtes Signal, wenn die Sorge im Raum stünde, von Asylsuchenden und Flüchtlingen gingen große Infektionsrisiken aus.
Meine Damen und Herren, fast bis zum Schluss herrschte große Einigkeit. Wir sind am Ende der Rednerliste angelangt, aber vor uns liegt noch der Entschließungsantrag aller Fraktionen in Drucksache 5/8221, „Das friedliche Zusammenleben fördern Willkommenskultur in Brandenburg stärken“. Wer ihm zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Beides ist nicht der Fall. Damit