Fraglich ist nun allerdings, ob ein Bodenreformwiedergutmachungsgesetz für Brandenburg den besten Weg darstellt, den Betroffenen schnell und unbürokratisch zu helfen und - soweit das überhaupt möglich ist - Gerechtigkeit wiederherzustellen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei allem Respekt für das ehrenwerte Anliegen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Brandenburg würde im Falle des Beschließens des vorliegenden Gesetzentwurfs im Vergleich zu anderen östlichen Bundesländern einen Sonderweg einschlagen. Das alleine für sich genommen muss natürlich nicht unbedingt etwas Schlechtes sein.
Aber der Gesetzentwurf wirft eine ganze Reihe rechtlicher wie tatsächlicher Fragen auf, Fragen, die aus Sicht meiner Fraktion so wichtig sind, dass sie nicht einfach mit dem Verweis auf die hehren Ziele des Papiers ignoriert werden dürfen. Da ist zuallererst die Frage nach den Kosten. Es ist noch nicht einmal im Ansatz klar, in welchem Umfang der Landeshaushalt durch das Gesetz belastet würde. Bei allen Sympathien für die Belange der Betroffenen: Es wäre politisch unverantwortlich, einem Gesetzentwurf zuzustimmen, ohne die Auswirkungen auf den Landeshaushalt geprüft zu haben. Weiterhin stellt sich die nicht minder drängende Frage, ob wirklich, wie in der Problemdarstellung und in der Gesetzesbegründung ausgeführt, die Ungleichbehandlung der Gruppe der sogenannten anonymen und bekannten Neusiedlererben angenommen werden kann.
Ich habe in diesem Zusammenhang meine persönlichen Zweifel. Diese und weitere Fragen müssen nach meiner Ansicht in einer umfassenden Anhörung im Rechtsausschuss geklärt werden, bevor es eine abschließende Beurteilung dieser Materie geben kann.
Gerade, wer die Sorgen und Nöte der Betroffenen ernst nimmt, sollte sich vor unüberlegten Schnellschüssen hüten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, aus diesem Grund stimmt die FDP-Fraktion selbstverständlich für eine Überweisung des Gesetzentwurfs in den Rechtsausschuss und zur Mitberatung in den Ausschuss für Infrastruktur und Landwirtschaft. Ich meine, das Thema ist es wert, dass wir dieses wirklich in allen Details sauber beraten und reflektieren. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordnete Beyer. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Landesregierung fort. Herr Minister Dr. Schöneburg hat das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich werde mich jetzt sehr kurz fassen, weil die Argumente, diese komplizierte Materie betreffend, schon sehr ausführlich und abgewogen vorgetragen wurden. Ich will nicht noch einmal das Für und Wider
referieren, das auch in meinem Redeentwurf gestanden hat. Ich möchte nur auf zwei wohl gravierende rechtliche Argumente gegen die Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs aufmerksam machen: Der erste Grund ist - Herr Kuhnert hat es angesprochen -, ob wir überhaupt über die entsprechende Gesetzgebungskompetenz verfügen. Dem steht entgegen, dass der Bund mit dem Artikel 233 und §§ 11 ff. EGBGB eine entsprechende Abwicklungsnorm zur Bodenreform geschaffen hat. Das kann durchaus als konkurrierende Gesetzgebung zu dem, was wir hier vorhaben, gewertet werden.
Das zweite gravierende Argument, das in der Diskussion hier auch schon eine Rolle gespielt hat, ist das Unterlaufen der Verjährungsfrist, die durch den Bundesgesetzgeber auf den 2. Oktober 2000 festgelegt worden ist. Das Unterlaufen dieser Verjährungsfrist mit einer Landesgesetzgebung würde zu neuer Ungleichbehandlung führen. Im Übrigen würden mit diesem Gesetz selbst Bodenreformerben einen Auflassungsanspruch erhalten, den sie nicht einmal durch die Modrow-Gesetzgebung erhalten hätten.
Aus diesen Gründen rät die Landesregierung von einer Verabschiedung dieses Gesetzes ab. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Minister Dr. Schöneburg. - Das Wort erhält noch einmal die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Herr Abgeordneter Vogel, bitte schön.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Manche Argumente sind schon sehr erstaunlich. Der Europäische Gerichtshof hat die Enteignung für zulässig erklärt, er hat aber nicht die Bundesrepublik dazu verpflichtet, die Neusiedlererben zu enteignen, sondern es war eine Abwägungsentscheidung.
Der Flächenentzug in dem Gesetz war eine Kann- und keine Mussbestimmung. Daher gab es tatsächlich einen Sonderweg Brandenburgs, nämlich in intensivem Ausmaß zu enteignen, ganz anders als es in Sachsen oder in Thüringen der Fall war.
- Nein, es waren überhaupt nicht ähnliche Zahlen. In Thüringen ging es ungefähr um 1 500 Flächen. Bei uns ging es um 17 000 Flächen. Das macht schon einen Unterschied. All das ändert auch nichts daran, dass es eine Ungleichbehandlung aller Betroffenen gibt, die vor dem 02.10.2000 enteignet wurden und die nach dem 02.10.2000 auffällig wurden und zu dem das angesprochene Urteil des Bundesgerichtshofs gefallen ist.
Herr Kuhnert, ich muss schon sagen: Es ist verdammt zynisch, hier zu betonen, das sei leider in fünf Minuten nicht abhandelbar, sich aber dann hinzustellen und zu sagen: Wir überweisen das Gesetz nicht.
Wenn Frau Mächtig sagt, es komme nicht nur darauf an, Rückgrat zu zeigen, sondern man müsse das Rückgrat dann zeigen, wenn der Zeitpunkt da ist, frage ich: Ja, wann ist denn der Zeitpunkt da? Der Zeitpunkt ist doch jetzt da! Jetzt sind doch die ganzen Flächen durch den Staatsvertrag an das Land gefallen. Jetzt können wir allein darüber entscheiden, was mit diesen Flächen geschehen soll.
(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Sie wissen, dass das nicht wahr ist! - Görke [DIE LINKE]: Sie wünschen sich etwas! - Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)
- Nein, das ist nicht „Wünsch dir was“, sondern wir haben diese Entscheidungsmacht. Jetzt wird es wieder darauf geschoben: Ja, vielleicht könnte der Bund noch irgendetwas dagegen haben. Herr Kuhnert, das war nun das Allerletzte! Die SPD ist doch in Koalitionsverhandlung mit den Schwarzen. Wenn Sie sagen, Sie begrüßen, dass eine bundeseinheitliche Regelung getroffen wird, na, dann sorgen Sie doch dafür! Ihr Verhandlungspartner - jetzt ist er gerade nicht da - könnte das, obwohl er in einer anderen Arbeitsgruppe ist, mit Sicherheit in die Verhandlungskommission der SPD hineintragen, um - wenn Sie meinen, das sei so zwingend erforderlich - Entsprechendes zu verhandeln. Nein, ich sage: Wenn Sie hier nicht überweisen wollen, dann wollen Sie dieses Thema abräumen. Sie wollen sich gegen diese Diskussion immunisieren. Sie wollen keine guten Argumente hören. Es tut mir verdammt leid. Ich denke: Da sind Sie ganz schön tief gefallen. - Recht herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Vogel. Wir kommen zur Abstimmung. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beantragt die Überweisung des Gesetzentwurfs in Drucksache 5/8111, eingebracht durch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Bodenreformwiedergutmachungsgesetz, an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen federführend, an den Ausschuss für Infrastruktur und Landwirtschaft und an den Rechtsausschuss mitberatend. Wer dieser Überweisung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen.
Wir kommen demzufolge zu der von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beantragten namentlichen Abstimmung. Über den Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, Bodenreformwiedergutmachungsgesetz, Drucksache 5/8111, wird jetzt namentlich abgestimmt. Ich bitte die Schriftführer um den Aufruf der Namen.
Gibt es weitere Abgeordnete, die von Ihrem Stimmrecht nicht Gebrauch machen konnten? - Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich die Schriftführer um Auszählung.
Meine Damen und Herren Abgeordnete, ich kann Ihnen das Ergebnis darlegen: 19 Abgeordnete haben mit Ja gestimmt, 39 Abgeordnete haben mit Nein gestimmt und 3 Abgeordnete haben sich enthalten. Damit ist der Gesetzentwurf in 1. Lesung abgelehnt worden.
Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Landesregierung. Herr Minister Holzschuher, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll das Abschiebungshaftvollzugsgesetz an den Stellen nachgebessert werden, wo es sich als notwendig erwiesen hat. Wir wissen ja: Auf Bundesebene spielt das Thema Abschiebungshaft im Augenblick durchaus eine große Rolle, auch im Rahmen der Koalitionsverhandlungen …
Vielleicht können wir jetzt wieder zu den anderen Problemen in diesem Land kommen. - Das Abschiebungshaftvollzugsgesetz wird derzeit auf Bundesebene im Rahmen der Koalitionsverhandlungen diskutiert. Es bleibt abzuwarten, ob sich dort inhaltlich Änderungen ergeben. Wir sollten dessen ungeachtet nicht zögern, uns ans Werk zu machen und das, was wir hier vor Ort für erforderlich halten, zu ändern.
Der Gesetzentwurf sieht vor - der muss das auch konkret regeln -, dass für den Ausnahmefall, das heißt bei drohender oder bereits eingetretener Selbst- oder Fremdverletzung, für die Anwendung unmittelbaren Zwangs eine konkrete Rechtsgrundlage geschaffen wird. Das ist bisher nicht so und führt zu Unsicherheit in der Praxis vor Ort.
Gleiches gilt für die zum Schutz vor Infektionskrankheiten unabdingbar erforderliche Röntgenuntersuchung der Lunge. Hier schließen wir ebenfalls eine Regelungslücke. Wir haben heute früh darüber geredet, warum das so wichtig ist.
Was zukünftig nicht mehr möglich sein wird, ist die Unterbringung von Abschiebungshäftlingen in einer Justizvollzugsanstalt. Lediglich in einem Sonderfall, wenn es nämlich um eine komplizierte Krankenhausbehandlung geht, soll alternativ zum Krankenhaus in der Region die Option eingerichtet werden, Abschiebungshäftlinge in der Krankenstation der JVA unterzubringen. Insofern ist die wesentliche Tatsache, dass zukünftig Asylbewerber, die zur Abschiebung anstehen, nicht mehr in Justizvollzugsanstalten untergebracht werden dürfen, das heißt, wir haben diese Möglichkeit eingeschränkt.
Außerdem haben wir - ich glaube, das wird auch bei vielen Organisationen, die in der Betreuung von Abschiebungshäftlingen aktiv sind, auf Zustimmung stoßen - die Einrichtung eines externen ehrenamtlichen Beirats vorgesehen, der bei der Gestaltung des Vollzugs mitwirken und die Leitung der Abschiebungshafteinrichtung beraten soll.
Das alles sind Änderungen, die die Praxis und auch den Vollzug verbessern werden. Ich hoffe auf eine sachliche Beratung und im Ergebnis auf Zustimmung in der 2. Lesung. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister Holzschuher. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der CDU-Fraktion fort. Herr Abgeordneter Lakenmacher hat das Wort.