Protocol of the Session on November 21, 2013

Wir haben Ihnen auch vorgerechnet, wie das gehen könnte, weil wir nämlich dort die sozial Schwachen am besten unterstützen. Das haben Sie aber nicht getan. Jetzt, im Vorfeld des Wahlkampfes, stellen Sie sich als bildungspolitische Superpower dar. Aber nein - der Kaiser ist ziemlich nackt. Daran ändert auch diese Landesausbildungsförderung nichts. Dazu haben Ihnen die Werbestrategen geraten: minimaler Einsatz - maximale Verkaufswirksamkeit. Genau wie die Weber einst dem Kaiser weismachten, nur wer klug und des Amtes würdig sei, könne die neuen Kleider sehen, so gaukeln auch Sie uns jetzt vor, die Ausbildungsförderung habe einen Effekt auf die Bildungsgerechtigkeit.

(Beifall B90/GRÜNE sowie vereinzelt FDP und CDU)

Die jetzt vorgelegte Begleitforschung kann das auch nicht kaschieren. Warum? Weil wir überhaupt nicht wissen, warum, ob und wie viele Jugendliche aus anspruchsberechtigten Familien vor der Einführung der Landesausbildungsförderung vielleicht nicht in die Sekundarstufe II wechseln würden. Es werden im Bildungsbereich keine Sozialdaten von Familien erhoben - vorher nicht und nachher nicht. Für eine seriöse Erforschung der sozialen Implikationen fehlt uns schlichtweg die Vergleichsgruppe. Das war vorher klar, das ist jetzt klar. Deshalb kann da nichts herauskommen. Egal wie dick der Evaluationsbericht ist, ist es unmöglich, dass er uns empirisch gesicherte Kenntnisse darüber geben kann, dass das brandenburgische SchülerBAföG ein Beitrag zu mehr Bildungsgerechtigkeit ist. Das funktioniert nicht; das war von Anfang an klar.

Uns verwundert daher auch nicht, dass sich dieser dicke Bericht zu einem Großteil der Umsetzungstechnik widmet: Information der Betroffenen, Fragebögen, Antragsverfahren, Beratung.

Dass die befragten Leistungsbeziehenden sich über das Geld freuen, ist doch völlig klar. Dass aber dann nur die Hälfte Herr Günther hat ja mehrfach gesagt: mehr als die Hälfte, näm

lich 51 % - der Befragten tatsächlich bestätigt, dass sie ohne die Förderung ihre schulische Ausbildung nicht hätten absolvieren können, das ist schon fast erstaunlich, weil wir doch alle wissen, dass das die sozial erwünschte Antwort ist. Das müsste doch jedem klar sein. Das ist eigentlich ein erstaunlich niedriger Anteil.

(Zuruf des Abgeordneten Loehr [DIE LINKE])

Wenn ich den Menschen Geld dafür gebe, dass sie das tun, und ich frage sie hinterher, ob sie das getan haben, dann sagen sie natürlich: Ja. Das sagen aber nur 51 %, was, wie gesagt, ein niedriger Anteil ist.

Aber immerhin sind diese Wildauer, die die Evaluation vorgenommen haben, Wissenschaftler und somit seriös genug, um zu verdeutlichen, dass sich - Seite 56, ich zitiere „keine dezidierte Aussage zur positiven Beeinflussung der Bildungsbiografie treffen lässt“.

Das steht dort und ist völlig klar. Etwas anderes ist überhaupt nicht zu erwarten. Wer das Gegenteil behauptet, der hat in den Bericht schlichtweg nicht richtig hineingeschaut.

(Beifall B90/GRÜNE sowie vereinzelt CDU)

Zuletzt - um mit dem immer wieder bemühten Vergleich mit der Ausbildungsförderung in Westdeutschland aufzuräumen, dieser Ausbildungsförderung, der wir den Kollegen Ness in unseren Reihen zu verdanken haben -: Die damals gewährte Förderung betrug 490 DM. Das entspräche heute etwa 500 Euro pro Kopf und Monat. Das sind andere Beträge. Mit 500 Euro kann man Jugendliche wirklich füttern. Insofern ist das etwas ganz anderes.

(Zuruf des Abgeordneten Krause [DIE LINKE])

Nein, auch wenn wir jetzt aus den 50 Euro 100 Euro machen, ändert das nichts daran, dass diese Koalition in der Bildungspolitik nicht sehr viel angezogener ist als der Kaiser in Andersens Märchen.

(Beifall B90/GRÜNE, CDU und FDP)

Der Abgeordnete Krause hat eine Kurzintervention angemeldet.

Sehr geehrte Frau Kollegin von Halem, niemand von uns - zumindest habe ich das nicht so wahrgenommen - hat hier gesagt, dass diese Landesausbildungsförderung der alleinige Heilsbringer der Bildungspolitik sein werde. Das hat hier niemand so gesagt. Zumindest habe ich es nicht so vernommen.

Wir sagen: Sie ist ein Baustein. Und das ist sie auch. Aber so, wie Sie es gesagt haben, dass dies das Einzige sei, was wir bzw. die Landesregierung hier tun würden, um Bildungspolitik entsprechend gerechter zu gestalten, ist es eben nicht.

Wenn man noch einmal betrachtet, welchen finanziellen Aufwand, der im Verhältnis zum Landeshaushalt wirklich sehr ge

ring ist, wir auf uns genommen haben, so ist zu erkennen, dass wir damit wirklich ein verhältnismäßig gutes Ergebnis erzielen. Insofern ist es gut, dass wir das tun.

Ich verstehe und respektiere Ihren Standpunkt. Schließlich sehen wir es auch als Baustellen an, dass wir an den Gehaltsstufen in der Grundschule, an Stundentafeln und auch an mehr Lehrkräften arbeiten müssen. Darüber können wir diskutieren. Das ist doch aber nicht mit den Summen zu realisieren, die wir beim Schüler-BAföG zur Verfügung stellen. Das funktioniert doch nicht.

(Beifall DIE LINKE sowie vereinzelt SPD)

Des Weiteren verstehe ich Ihre Argumentation nicht, zu sagen: Wenn wir die Gehaltsstufen der Grundschullehrkräfte anpassen, dann hat es einen positiven bildungspolitischen Einfluss auf die Entscheidung von Kindern aus Familien mit geringerem Einkommen. - Diesen Zusammenhang gibt es nicht. Natürlich könnte man das Geld, das wir im Jahr aufwenden, dafür einsetzen, diese Gehaltsstufen anzupassen. Das würde dann vielleicht zwei Lehrkräften helfen, aber nicht den Kindern,

(Beifall des Abgeordneten Bischoff [SPD])

die sich aufgrund des geringeren Einkommens der Familie dafür entscheiden, einen anderen Bildungsweg einzuschlagen. Insofern ist das ein Baustein, der dazu beiträgt, für Bildungsgerechtigkeit in diesem Land einen Beitrag zu leisten. Das ist der richtige Ansatz.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Frau von Halem, ich vermute, Sie haben das Bedürfnis, zu reagieren.

Lieber Torsten Krause, alle Bildungsforscher - alle, alle, alle sagen, dass es wichtig ist, in den ersten Jahren in die Bildungsgerechtigkeit zu investieren.

(Frau Muhß [SPD]: Das sagen wir auch!)

Wenn wir den sozialen Anspruch haben,

(Frau Muhß [SPD]: Wir widersprechen nicht! - Bischoff [SPD]: Über 200 Millionen Euro in die Kita!)

dann müssen wir am Anfang investieren. Da ist es wichtig. Deshalb sage ich hier: Natürlich ist es nett, den Menschen das Geld jetzt zu geben. Aber wenn wir diesen sozialen Anspruch stellen, dann müssen wir alle finanziellen Mittel dort investieren. Genau aus diesem Grund kritisiere ich das. Das ist so klein und labberig, aber für ein bisschen mehr Sprachförderung wäre es allemal besser eingesetzt als für dieses Instrument.

(Beifall B90/GRÜNE)

Das Wort erhält noch einmal die Landesregierung. Frau Ministerin Münch, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Abgeordneten Krause und Günther haben eigentlich alles schon so treffend dargestellt, dass kaum etwas zu sagen bleibt.

Ich möchte nur noch einmal etwas zu Ihrer „bildungspolitischen Luftnummer“, Frau von Halem, sagen: Ich denke, Sie sollten wirklich überlegen, wen Sie damit eigentlich treffen wollen; denn wir können wahrnehmen - das ist für mich das wichtigste Ergebnis dieser Umfrage, und zumindest haben Sie den Wissenschaftlern nicht ihre Expertise abgesprochen -, dass 75 % in ihrer Bildungswahrnehmung positiv beeinflusst werden. Sie nehmen wahr: Bildung ist für mich wichtig, und der Staat lässt es sich sogar etwas kosten, um mich gezielt zu unterstützen. - Das ist etwas, was wir gar nicht hoch genug schätzen können.

5 000 Jugendliche haben seither davon profitiert. Bei Ihnen habe ich aber den Eindruck, Sie ärgern sich darüber, wenn Sie sich vorstellen, dass hier etwas Positives herausgekommen ist.

(Bischoff [SPD]: Richtig!)

Herr Hoffmann hat es verstanden. Ich freue mich sehr darüber, dass Herr Hoffmann mittlerweile seinen Frieden damit geschlossen hat. Auch Herr Büttner war durchaus geneigt, die positiven Seiten zu sehen. Sie aber ärgern sich - so nach dem Motto: Sie folgern messerscharf, dass nicht sein kann, was nicht sein darf.

Das Schüler-BAföG kommt an, und es wird positiv wahrgenommen. Wir vereinfachen nun den Ablauf und erhöhen für 2,6 % der Empfänger von 50 Euro auf 100 Euro. Das ist etwas Positives, was Sie jetzt leider einfach zur Kenntnis nehmen müssen.

(Bischoff [SPD]: Ja!)

Trotzdem müssen wir natürlich die anderen Dinge auch tun, und die tun wir ja. Wir tun etwas für die Kita. Diesbezüglich haben wir mehr als 200 Millionen Euro zusätzlich investiert, den Leitungsanteil erhöht und Gutscheine eingeführt. Das ist alles richtig. Aber ich kann doch nicht sagen: Weil es in dem einen Bereich noch nicht reicht - jeder von uns hat Dinge, die er gern noch weiter finanzieren würde -, darf ich das andere nicht tun.

Wir haben hier ein Instrument, das wirkt. Wir haben es evaluiert. Es wird positiv aufgenommen; denn die Betroffenen sagen: Es hat mir geholfen, meine Bildungskarriere weiterzuentwickeln. Was ist also Ihr Problem?

Ich freue mich sehr, dass diese Gesetzesvorlage, die vom Parlament eingebracht wurde, von den Allermeisten positiv gewürdigt wurde, und bin gespannt auf die weitere Diskussion. Danke schön.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Damit beende ich die Aussprache. Sie haben den Bericht der Landesregierung zur Kenntnis genommen.

Die Koalitionsfraktionen beantragen, den Gesetzentwurf, der Ihnen in der Drucksache 5/8110 vorliegt, an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport zu überweisen. Wer dem folgen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Oder Enthaltungen? - Beides ist nicht der Fall. Damit ist überwiesen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 7 und rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Gesetz zur Bereinigung der Rechtsverhältnisse an Bodenreformgrundstücken im Land Brandenburg im Anwendungsbereich der Bodenreformabwicklung gemäß Art. 233 §§ 11-16 EGBGB (Bodenreformwieder- gutmachungsgesetz - BodRfWG)

Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 5/8111