Protocol of the Session on November 21, 2013

Der Abgeordnete Jungclaus spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verpackungen, Altgeräte, Lebensmittel und andere Dinge des täglichen Lebens werden erst zu Abfall, wenn wir uns ihrer entledigen. Wir alle haben es als Verbraucherinnen und Verbraucher in der Hand, wie hoch die Müllberge in unserem Land sind. In Brandenburg hatten wir 2012 ein Aufkommen von 973 000 Tonnen zu bewältigen. Das entspricht 390 Kilogramm Müll pro Person. Allein 345 000 Tonnen davon - über 140 Kilogramm pro Person - waren Hausmüll.

Wenn ich allein an die vielen Lebensmittel denke, die täglich weggeworfen werden, bin ich mir sicher, dass es erhebliches Vermeidungspotenzial gibt. Am hohen Müllaufkommen hat aber auch insbesondere der Handel wesentliche Mitschuld. In unserem Perfektionswahn wird alles aussortiert, was nicht der Idealnorm entspricht, und landet - wo? Auf dem Müll. Auch die Ex-und-hopp-Mentalität trägt ihren Teil dazu bei. Wir brauchen mehr langlebige Produkte statt Geräte, die pünktlich nach Ablauf der Garantie das Zeitliche segnen. All diese Probleme werden wir sicherlich nicht mit dem vorliegenden Entwurf des Brandenburgischen Abfall- und Bodenschutzgesetzes lösen können, dennoch bietet das Gesetz die eine oder andere Stellschraube, um Abfallvermeidung und Recycling zu stärken. Recycling ist schließlich Umwelt- und Klimaschutz, und von daher bin ich froh, dass wir uns dieses wichtigen Themas noch in der laufenden Legislaturperiode annehmen. - Wobei wir kor

rekterweise in fast allen Fällen nicht von „Recycling“, sondern „Downcycling“ sprechen müssten, da die betreffenden Produkte in den seltensten Fällen zu 100 % verlustfrei wiederverwertet werden. Würden wir nach dem Prinzip „Cradle to Cradle“ arbeiten, hätten wir kein Problem mit dem Müll - es würde schlichtweg keiner anfallen.

Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf passt in erster Linie Landes- und Bundesrecht an - wir haben es gehört. Bereits zum 1. Januar 2012 ist das novellierte Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht auf Bundesebene in Kraft getreten, welches wiederum Neuregelungen aus der europäischen Abfallrahmenrechtlinie umsetzt. Positiv zu werten ist die geplante breitere Auffächerung der Abfallhierarchie; neben Vermeidung und Beseitigung wird der Begriff „verwerten“ nun weiter differenziert: Es wird in Vorbereitung zur Wiederverwertung, Recycling und sonstige Verwertung unterschieden zu letzterer gehört auch die energetische Verwertung. Ziel ist eine jeweils möglichst hochwertige Verwertung, und es wäre schön, wenn es in der Praxis dann auch so klappen würde.

Darüber hinaus werden Recycling- bzw. Wiederverwendungsquoten festgelegt. Für Siedlungsabfälle soll bis 2020 eine Quote von 65 % erreicht werden, für Bau- und Abbruchabfälle von 70 %. Auch dies ist grundsätzlich positiv zu werten, insbesondere vor dem Hintergrund, dass eine energetische Verwertung hiervon ausgeschlossen wird. Schließlich sollte es nicht unser Ziel sein, möglichst viel Müll durch den Schlot zu jagen. Wir erleben ja gerade wieder beispielhaft bei dem Industriekraftwerk bzw. der Müllverbrennungsanlage - wie man es nimmt in Rüdersdorf, welche immensen Probleme mit dieser Art der Müllverwertung verbunden sind. Dort ist die Bevölkerung berechtigterweise extrem beunruhigt - dem Landtag wird morgen dazu eine Petition übergeben.

Wenn ich mir die Abfallbilanz 2012 der öffentlich-rechtlichen Entsorgung anschaue, stelle ich fest, dass wir bei Recycling und Wiederverwertung in Brandenburg noch viel Luft nach oben haben. Ich persönlich finde es auch immer ziemlich frustrierend, wenn wir zu Hause artig Müll trennen und der gelbe Sack dann doch in der Müllerverbrennung landet.

(Beifall B90/GRÜNE)

Und auch hier im Landtag bin ich mir übrigens nicht immer ganz sicher, ob der ordentlich getrennte Müll dann tatsächlich auch stets getrennte Wege geht.

Abschließend sei noch erwähnt, dass wir in Brandenburg auch stärker der illegalen Entsorgung einen Riegel vorschieben müssen. Mit den über 100 illegalen Abfalllagerungen in Brandenburg gibt es auch hier noch einiges an Hausaufgaben zu erledigen.

Alles in allem bin ich gespannt auf die Diskussion im Ausschuss zu all diesen Themen. Einer Überweisung werden wir selbstverständlich zustimmen. - Vielen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE)

Wenn bei der Landesregierung Bedarf besteht, erhält sie noch einmal das Wort. Frau Tack, haben Sie noch Bedarf? - Sie verneint. Damit sind wir am Ende der Debatte.

Wir kommen zur Abstimmung. Das Präsidium empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs - Drucksache 5/8031 - an den Ausschuss für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz. - Wer dem Folge leisten möchte, den bitte ich um Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist das einstimmig beschlossen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 5 und rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Zweites Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Nachbarrechtsgesetzes

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 5/8050

1. Lesung

Hierzu wurde beschlossen, keine Debatte zu führen.

Die Parlamentarischen Geschäftsführer empfehlen die Überweisung des Gesetzentwurfs, Drucksache 5/8050, an den Rechtsausschuss - federführend - und den Ausschuss für Infrastruktur und Landwirtschaft - mitberatend. - Wer dem folgen möchte, den bitte ich um Handzeichen. - Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Somit ist das einstimmig beschlossen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 6 und rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

Zweites Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Ausbildungsförderungsgesetzes

Gesetzentwurf der Fraktion der SPD der Fraktion DIE LINKE

Drucksache 5/8110

1. Lesung

in Verbindung damit:

Evaluation des Brandenburgischen Ausbildungsförderungsgesetzes durch eine unabhängige wissenschaftliche Begleitforschung (gemäß Beschluss des Landtages Brandenburg vom 02.06.2010 - Drs. 5/1293-B)

Bericht der Landesregierung

Drucksache 5/8032

Die Debatte beginnt mit dem Beitrag der Landesregierung. Frau Ministerin Münch, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Schüler-BAföG in Brandenburg ist ein Erfolgsprojekt mit einem bundesweiten Alleinstellungsmerkmal. In keinem anderen Bundesland werden Schülerinnen und Schüler aus einkom

mensschwachen Familien mit einer vergleichbaren Förderung unterstützt. Seit der Einführung des Brandenburger SchülerBAföG vor zwei Jahren haben über 5 000 Schülerinnen und Schüler davon profitiert. Mit dem Schüler-BAföG helfen wir ganz konkret den Kindern, deren Eltern mit einem niedrigen Einkommen auskommen müssen, und wir machen mit dem Schüler-BAföG diesen Schülerinnen und Schülern Mut, den Weg zum Abitur und auch in eine weitere Bildungslaufbahn weiterzugehen.

Wie gut das gelingt, belegt die wissenschaftliche Untersuchung der Fachhochschule Wildau zur Wirkung und Umsetzung des Brandenburgischen Ausbildungsförderungsgesetzes, die von der Landesregierung mit der begleitenden Evaluation des Schüler-BAföG-Gesetzes beauftragt wurde. Mein Dank gilt an dieser Stelle ausdrücklich meiner Kollegin Frau Prof. Kunst, die innerhalb der Landesregierung die Untersuchung der TH Wildau zur Evaluation des Gesetzes federführend begleitet hat. Dank dieses Berichts wissen wir tatsächlich etwas über die Auswirkungen des Gesetzes.

Der Abschlussbericht - ich bin sicher, Sie haben ihn gelesen zeichnet ein positives Bild: 51 % der befragten Schülerinnen und Schüler sagten, dass sie ohne die Förderung den Weg zum Abitur so nicht gegangen wären. Bei 75 % der Befragten hat die Förderung sogar den Wunsch nach einer weiteren Ausbildung - wie der Aufnahme eines Studiums - geweckt. Das ist ein großer Erfolg, und das ist aus meiner Sicht der eigentliche Kern der Aussage der Evaluation: Das Schüler-BAföG hat bei 75 % derjenigen, die es bekommen haben, dazu geführt, dass sie sehen: Bildung ist wichtig für mich. Der Staat leistet hier etwas, damit ich meine Bildungskarriere fortsetzen kann.

Mit Blick auf die Schülerzahlentwicklung nach der Modellrechnung von 2010 hatten wir aus Gründen der Finanzierbarkeit die Förderbeträge auf 50 und 100 Euro gestaffelt. Der Evaluationsbericht gibt uns auch hier einen wichtigen Hinweis, denn die Erfahrungen aus den zurückliegenden drei Förderjahren zeigen, dass die Anzahl der Anspruchsberechtigten mit dem niedrigeren Fördersatz von 50 Euro monatlich unerwartet gering ist. Der Anteil beträgt nur 2,6 % der Schüler, die das Schüler-BAföG bekommen, verursacht aber höhere Verwaltungskosten. Deswegen haben die Experten der TH Wildau in ihrer wissenschaftlichen Untersuchung angeregt, die Förderung für alle Schülerinnen und Schüler auf 100 Euro zu erhöhen.

Der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf sieht vor, diesen Vorschlag aufzugreifen und das Schüler-BAföG einheitlich für alle Schülerinnen und Schüler auf 100 Euro festzusetzen. Der Gesetzentwurf vereinfacht damit das Berechnungsverfahren, senkt den Verwaltungsaufwand und ist ein weiterer Schritt hin zu mehr Chancengerechtigkeit in der Bildung. Die wissenschaftliche Untersuchung der TH Wildau zeigt, dass sich das bundesweit einmalige Schüler-BAföG im Land Brandenburg bewährt hat. Ich freue mich darüber, dass das Brandenburgische Schüler-BAföG so gut ankommt, denn unser Ziel, Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen Familien auf ihrem Bildungsweg finanziell zu unterstützen, wird mit unserem Schüler-BAföG erreicht. Diesem Zweck dient auch der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf, für den ich um Zustimmung und weitere Diskussion bitte. - Danke.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Wir setzen mit dem Beitrag des Abgeordneten Hoffmann für die CDU-Fraktion fort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wieder einmal Schüler-BAföG - das ist ja fast schon - ich will nicht „Running Gag“ sagen - eine never ending story. In dem Fall ist es aber ganz vernünftig, weil gerade wir damals ausdrücklich gefordert haben, dass es zu diesem Schüler-BAföG auch eine vernünftige Evaluation geben muss. Die liegt jetzt vor, und deshalb begrüßen wir das auch.

Schüler-BAföG ist so ein bisschen das Lieblingsprojekt, fast schon der heilige Gral, der SPD-Bildungspolitiker - zumindest das von Herrn Ness -, und die Zielstellung war dabei immer, mehr Kinder aus einkommensschwachen Familien zum Abitur zu führen, ihnen den Weg zum Abitur zu ebnen, indem man ihnen eine monatliche Förderung von 100 Euro auszahlt.

Es gab einige Anlaufschwierigkeiten, aber letzten Endes gibt es das Gesetz, es gibt den Rechtsanspruch, und jetzt haben wir eben auch die Situation, dass diese Leistungen in Anspruch genommen werden. Das ist genau der Punkt, an dem Rot-Rot bislang immer den Erfolg definiert hat, dass man also geguckt hat: Wird das in Anspruch genommen? Ich glaube, wenn wir auf die Zielstellung des Projekts, des Gesetzes zurückgucken, ist es Unsinn, dass man den Erfolg daran misst, ob die Leistung in Anspruch genommen wurde.

(Beifall FDP und B90/GRÜNE)

Wenn man als Ziel der Förderung ausgibt, jene jungen Menschen zum Abitur zu führen, die das ohne Förderung nicht gemacht hätten, dann besagt die Zahl, wie viel Prozent das Schüler-BAföG in Anspruch nehmen, nichts darüber, ob das Ziel erreicht wurde. Man muss vielmehr schauen, bei wie vielen Kindern diese Förderung die Bildungsbiografie verändert hat. Der vorliegende Evaluationsbericht beantwortet diese Frage kaum.

Ich will gleich zu den positiven Aspekten kommen. Der Bericht zeigt auf, dass die meisten Befragten mit der Beratung über diese Fördermöglichkeit und mit der Bearbeitung der Anträge zufrieden sind. Das ist sehr erfreulich, zeigt es doch, dass man sich vor Ort - in den Schulen und den Kommunen, wo die Anträge bearbeitet werden -, tatsächlich damit beschäftigt hat. Das heißt, man hat die Wünsche der Menschen auf dem Schirm.

Weiterhin ist positiv anzumerken, dass - wie es eine der zwei befragten Sachbearbeiterinnen vermutet - die Leistungen mehrheitlich für die Zwecke ausgegeben werden, für die sie bestimmt sind, nämlich für schulische Hilfsmittel wie Laptops und Bücher. Schade ist hingegen, dass man die Befragung nicht breiter gestreut und nicht auch bei den Betroffenen nachgefragt hat.

Es ist auch erfreulich, dass etwa die Hälfte der Befragten sagt, sie hätten den Weg zum Abitur oder zur Fachhochschulreife eingeschlagen, weil es das Schüler-BAföG gibt. So sehr man

sich für jeden Einzelnen freuen kann, so muss man doch folgenden Aspekt in den Mittelpunkt rücken: 41 % der Befragten besuchen ein Gymnasium. Die Befragung wurde unter den Schülern durchgeführt, die im Schuljahr 2010/2011 die Berechtigung zum Besuch der gymnasialen Oberstufe erlangten. Im Schuljahr 2006/2007 waren diese Schüler in der 6. Klasse; zu jenem Zeitpunkt hatten sie sich Gedanken gemacht, wie es mit ihnen weitergeht. Sie entschieden sich damals, zum Gymnasium zu gehen. Wie man jetzt darauf kommen will, dass diese Schüler sich aufgrund des Schüler-BAföGs für diesen Weg entschieden haben, obwohl dieses erst 2010 eingeführt wurde, ist für mich nicht nachvollziehbar. Dieser Schluss genügt nicht den Ansprüchen an Wissenschaftlichkeit und ist etwas weit hergeholt.

(Beifall CDU, FDP und B90/GRÜNE - Jürgens [DIE LINKE]: Sie müssen schon eine große Lupe herausholen, um die Made zu finden!)

- Ach, Herr Jürgens. Ich habe doch schon so viel gelobt. Man muss doch auch einmal sagen können, was einen nicht so ganz überzeugt. Beruhigen Sie sich!

Was das Thema „weit hergeholt“ angeht, möchte ich noch einmal auf die Schätzung der Zahl der Anspruchsberechtigten eingehen; denn auch dazu steht in dem Bericht etwas. Noch im Jahr 2011 waren es 4 210 Anspruchsberechtigte. Damals haben Sie noch die SGB-Leistungsempfänger herausgerechnet. Nachher hat sich herausgestellt, dass das Schüler-BAföG doch nicht angerechnet wird und die SGB-Leistungsempfänger zum Kreis der Anspruchsberechtigten dazuzuzählen sind.