Protocol of the Session on January 20, 2010

Im Bildungsbereich wirbt Berlin Brandenburger Lehrkräfte ab bewusst oder unbewusst. Die Beschäftigungsbedingungen in Berlin scheinen schlicht attraktiver zu sein. Angesichts des bevorstehenden Lehrermangels in Brandenburg müsste hier reagiert werden. Trotz zunehmender Kooperation bleiben also genug Probleme.

Auch demokratietheoretisch ist die Entwicklung nicht unproblematisch. Die derzeitige Kooperation der Ministerialverwaltungen über Staatsverträge ist von den Parlamenten wenig beeinflussbar. Die Zusammenarbeit mit dem Land Berlin hat keine Perspektive.

Von dem zuletzt genannten Fusionstermin 2013 haben sich der Ministerpräsident und die Landesregierung längst verabschiedet. Zusammenarbeit braucht aber eine klare Orientierung. Wir vermissen einen Zeitplan zur Fusion.

(Beifall GRÜNE/B90)

Jetzt würde ich gern einen Satz direkt an unseren Ministerpräsidenten adressieren, aber ich gehe einmal davon aus, dass genügend Vertreter seiner Partei da sind, um das entsprechend weiterzuleiten.

(Schulze [SPD]: Nein, dafür gibt es das Protokoll!)

- Das liest er sicherlich, ja.

(Heiterkeit)

Vor Jahren, als die Zustimmungswerte zur Fusion noch sehr hoch lagen, sprach Herr Ministerpräsident Platzeck immer wieder von der Nordmark-Variante. Damals war schon klar: Da redet einer, der die Fusion partout nicht will. Ein besseres Totschlagargument hätte sich schon damals nicht finden lassen. Mecklenburg-Vorpommern hat sich nie für uns interessiert, sondern guckte immer nach Westen. Dass in den folgenden Jahren immer nur davon geredet wurde, man müsse die Bedenken der Bevölkerung ernst nehmen, hat diese natürlich eher geschürt. Das war doch klar.

Frau Geywitz, Sie haben berichtet, was die Schülerinnen und Schüler heute früh zur Fusion sagten. Dass die Zustimmungswerte so niedrig sind, war auch gewollt. Etwas anderes können Sie mir nicht erzählen. - Jetzt kräuseln Sie die Stirn. Wer immer nur davon redet, die Sorgen und Nöte der Bevölkerung müssten ernst genommen werden, statt für eine Fusion zu werben, verfolgt das klare Ziel, den Wunsch nach der Fusion möglichst niedrig zu halten.

(Beifall GRÜNE/B90)

Nein, wir erwarten einen Verzicht auf regionalverliebte Eitelkeiten und rückwärtsgewandte Kleinstaaterei und ein Bekenntnis zur Länderfusion als Zukunftsbericht.

Frau von Halem, lassen Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Geywitz zu?

Aber gern.

Frau von Halem, ist es Ihnen erinnerlich, dass es ein Projekt des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe war, die Brandenburger zu fragen, ob sie eine Fusion mit Berlin wünschen, und dass wir damals als Sozialdemokratie sehr aktiv dafür warben, aber mit großem Bedauern feststellten, dass uns der Brandenburger in dieser Frage nicht folgte?

Das ist mir sehr wohl bewusst. Mir ist aber gleichzeitig bewusst, dass seitdem viele Jahre ins Land gezogen sind, in denen auch vonseiten der Sozialdemokratie eher davor gewarnt wurde. Damit wurde natürlich die Zustimmung in der Bevölkerung nicht vergrößert. - Danke.

(Beifall GRÜNE/B90 - Zuruf des Abgeordneten Dr. Woidke [SPD])

Vielen Dank, Frau von Halem. - Das Wort erhält noch einmal die Landesregierung, die weiteren Gesprächsbedarf angemeldet hat. Herr Gerber, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf den Beitrag von Frau von Halem würde ich doch gern mit einigen Sätzen eingehen.

Der Fortschritt ist eine Schnecke; das ist schon richtig. Ich möchte vorweg aber noch einmal ausdrücklich sagen: Wir sind, was die Verflechtung, auch die institutionelle Verflechtung betrifft, sehr viel weiter als alle möglichen anderen.

Sie haben soeben kritisch angemerkt, dass sich die Landesregierung hinter den Sorgen und Nöten der Bürger verstecke. Da frage ich mich: Was ist das eigentlich für eine Haltung? Bei Vorhaben, die möglicherweise Umweltbelange beeinträchtigen oder bei denen Menschen die Sorge vor Lärmbelästigungen haben, sollen die Sorgen und Nöte der Bürger ernst genommen werden. Diese Forderung tragen Sie gelegentlich vor sich her: Man möge doch endlich die Sorgen und Nöte der Menschen ernst nehmen. Ich bin zum Ersten der Auffassung, dass man egal, um welches Thema es sich handelt - die Sorgen und Nöte der Menschen ernst nehmen muss.

(Beifall SPD)

Zum Zweiten: Wir haben das Verfassungsgebot, wonach eine Fusion nur nach einer Volksabstimmung stattfinden kann. Wir sind einmal gescheitert - nach einem grandiosen Aufwand. Ich sehe seit Jahren überhaupt keine Zustimmungssteigerung in Umfragen unter der Bevölkerung zu diesem Thema. Wenn wir jetzt oder in der nächsten Zeit noch einmal eine Volksabstimmung durchführten, liefen wir, wie ich glaube, mit demselben Kopf vor dieselbe Wand. Ich frage mich, ob wir so lange wählen lassen sollten, bis uns das Wahlergebnis passt.

Herr Gerber, lassen Sie eine Zwischenfrage zu, die von der Abgeordneten von Halem angemeldet wurde?

Sehr gern.

Aus meiner Sicht war deutlich zu beobachten, dass es noch vor wenigen Jahren hohe Zustimmungswerte gab und dass diese im gleichen Maße gesunken sind, wie vonseiten der Landesregierung immer wieder betont wurde, man müsse die Sorgen ernst nehmen.

Sie verstehen mich sicherlich mit Absicht falsch, wenn Sie mir unterstellen, dass ich grundsätzlich dagegen wäre, Sorgen und Nöte der Bevölkerung ernst zu nehmen. Das ist selbstverständlich nicht meine Absicht. Wenn ich aber ein Projekt für richtig halte, dann muss ich dafür werben.

Herr Gerber, lassen Sie auch eine Zwischenfrage der Abgeordneten Richstein zu?

Eines nach dem anderen. - Ich will Ihnen überhaupt nicht unterstellen, dass Sie ansonsten Sorgen und Nöte der Bevölkerung nicht ernst nehmen. Ich bin nach wie vor der Auffassung, dass es nicht sein kann, dass man mit großem Aufwand und mit wenig Erfolg für etwas wirbt. Man muss irgendwann die Haltungen, die da sind, auch ernst und zur Kenntnis nehmen. Ich bin im Übrigen der Meinung, dass wir mit der Zusammenfassung von Institutionen tatsächlich ein ganzes Stück vorangekommen sind, und sehe überhaupt nicht, dass man jetzt, nur weil in nächster Zeit keine Fusionsabstimmung ansteht, in Sack und Asche gehen muss.

Noch einmal die Frage: Lassen Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Richstein zu?

Gern.

Frau Richstein, bitte.

Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir einer Meinung, dass Werbung für eine Fusion in den letzten Jahren seitens der Landesregierung Brandenburg überhaupt nicht stattgefunden hat, und zweitens, dass wir viele Probleme zwischen den Bürgern Brandenburgs und Berlins lösen könnten, wenn wir fusionierten? Insofern ist die Strategie „Wir arbeiten so gut zusammen, dass eine Fusion irgendwann automatisch kommt“ eher ins Gegenteil verkehrt, und zwar nach dem Motto „Wir arbeiten so gut zusammen, dass wir keine Fusion brauchen“. Sind Sie mit mir nicht auch der Meinung, dass es besser ist, den Kopf hoch zu halten und geradeaus zu schauen, als bei dieser Frage den Kopf einfach in den Sand zu stecken?

Ich fange mit der letzten Frage an: Gerade das machen wir nicht. Wir gucken nach vorn und stecken den Kopf nicht in den Sand.

Was Ihre Feststellung bezüglich der etwas zurückhaltenden Werbung betrifft, gebe ich Ihnen Recht: Es war eine rot-schwarze Landesregierung in den letzten fünf Jahren, die sich darum nicht sehr intensiv gekümmert hat. Und natürlich bin ich der Auffassung, dass, wenn man ein Ziel verfolgen möchte, Werben immer sinnvoll ist.

Vielen Dank, Herr Gerber. - Damit ist der Redebedarf erschöpft. Ich beende hiermit die Aussprache. Damit ist der Bericht der Landesregierung zur Kenntnis genommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Achter Bericht der Interministeriellen Arbeitsgruppe Aufbau Ost: Stärkung der Wachstumskräfte durch räumliche und sektorale Fokussierung von Landesmitteln - Stärkung der Regionalen Wachstumskerne

Bericht der Landesregierung

Drucksache 5/245

Ich eröffne die Aussprache und erteile Herrn Gerber das Wort, der für die Landesregierung spricht.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Fast auf den Tag genau vor einem Jahr haben wir im Landtag zum 7. RWK-Bericht gesprochen. Damals konnte noch niemand absehen, wie sich die globale Wirtschaftskrise in und auf Brandenburg auswirken wird.

Gemessen am Handlungsdruck, unter dem wir damals standen, bescheinigt der nun vorliegende 8. RWK-Bericht etwas sehr Positives. Die unter dem Dach der Regionalen Wachstumskerne entstandenen Netzwerke haben sich als „wichtiges Instrument beim Krisenmanagement“ bewährt“ - und das sogar in doppelter Hinsicht: Zum einen haben die RWK-Strukturen geholfen, schneller die richtigen lokalen Akteure zusammenzubringen und entscheidungsfähig zu machen. Zum anderen konnten die Kommunen auf Vorleistungen der RWK zurückgreifen, als sich die Frage stellte, welche Projekte im Rahmen der Konjunkturmaßnahmen auf den Weg gebracht werden, um die Auftragslage der Betriebe in der Region zu stabilisieren.

RWK-Maßnahmen, die konzeptionell schon weit vorangeschritten sind, aber bis dato noch nicht ausfinanziert waren, wurden mit Konjunkturmitteln des Bundes, des Landes und mit Eigenanteilen der Kommunen unterlegt und zeitnah begonnen. Auch deshalb steht Brandenburg bei der Umsetzung des Zukunftsinvestitionsgesetzes gut da.

Obwohl das Thema Wirtschaftskrise im letzten Jahr bei Land und Kommunen dominant war und viele Ressourcen gebunden hat, sind die Regionalen Wachstumskerne aber auch ihren mittel- und langfristigen Zielen ein gutes Stück näher gekommen. Das wurde zum einen daran deutlich, dass im Dezember insgesamt 24 neue prioritäre Maßnahmen vom Kabinett beschlossen werden konnten, vom Elberadweg in der Prignitz bis zum Gebäudekomplex für das Zentrum für Luft- und Raumfahrttechnik im RWK Schönefelder Kreuz. Sie haben die komplette Maßnahmenliste im Anhang des Berichts sicherlich gesehen.

Daneben brachte uns das Jahr 2009 erneut wichtige Erkenntnisse im Zuge der Gesprächsrunden mit den RWK-Vertretern. Wir haben diese Termine zwischen August und Oktober nicht nur für die aktuellen Themen, sondern gleichzeitig für einen Austausch zum gesamten RWK-Prozess genutzt. Da spielten natürlich die individuellen Bedingungen und Vorhaben in den Kommunen eine große Rolle. Darüber hinaus sind jedoch einige Punkte immer wieder genannt worden, die man übergreifend als die wichtigsten Mehrwerte des RWK-Prozesses zu

sammenfassen kann. Zu den häufigsten Sätzen der Bürgermeister gehörte: Wir sind als RWK jetzt strategisch besser aufgestellt. - Das wurde mit der Systematisierung der RWK-Maßnahmen im engeren Sinne, aber auch mit der besseren Verzahnung kommunaler Strategien, vor allem in Richtung der INSEK, der integrierten Stadtentwicklungskonzepte, begründet.

Nachdem gerade dieser letzte Punkt, die Verzahnung, in der Anfangszeit der RWK weniger ausgeprägt war, setzen inzwischen alle 26 Standorte ausdrücklich auf Integration ihrer Konzepte. Das wird gut nachvollziehbar, wenn man sich das Spektrum der Maßnahmen seit 2005 einmal genauer ansieht: Es ist von Jahr zu Jahr breiter geworden. Während anfangs klassische Infrastrukturvorhaben im Mittelpunkt standen, umfasst die Liste inzwischen alle denkbaren Bereiche: harte und zunehmend auch weiche Standortfaktoren, von Bildung und Fachkräfteförderung über Wissenschafts- und Technologietransfer bis hin zu Kultur und Tourismus.

Von dieser thematischen Breite und dem ganzheitlichen Vorgehen profitiert nach Aussagen der Kommunen auch die Außendarstellung der RWK: Wer seine Stärken kennt, kann sich natürlich besser verkaufen. Dieser Satz klingt wie eine Selbstverständlichkeit. Wer die Mark kennt, weiß allerdings: Gerade im Bereich der gezielten Standort- und Eigenwerbung hatten und haben wir ein wenig nachzuholen. Da ist ein RWK-Prozess offenbar sehr hilfreich. Er bringt mehr systematisches Vorgehen nicht nur in die Projekte selbst, sondern auch ins Marketing. Außerdem hat sich der Begriff „Regionaler Wachstumskern“ inzwischen so weit etabliert, dass er über unsere Landesgrenzen hinaus als eine Art Marke wahrgenommen wird. Auch deshalb haben wir den gemeinsamen Internetauftritt im letzten Jahr weiter ausgebaut und verlinkt, zum Beispiel mit der ZAB. Gerade für Interessenten von außen - Stichwort: Investoren soll schnell deutlich werden, warum sich ein Engagement in Brandenburg lohnt. Ich sage ausdrücklich „in Brandenburg“ und nicht „nur in den RWK“, weil von dieser Entwicklung das gesamte Land profitiert, und zwar deshalb, weil andere Städte und Gemeinden sehr genau hinschauen, was auf welche Weise in den Wachstumskernen vorangebracht wird. Die RWK haben Vorbildwirkung und tragen damit zur Profilbildung unseres gesamten Wirtschaftsstandorts bei.

Wie geht es weiter? Derzeit läuft die Evaluation der RWK. Wir werden die Ergebnisse Ende 2010 haben, dann bewerten und entscheiden, ob und wo wir nachsteuern müssen. Wichtig sind uns bei dieser Evaluation drei Punkte:

Erstens: Wir werden die Ausgangslage und Entwicklung in den einzelnen RWK untersuchen lassen. Die wirtschaftliche, soziale und räumliche Ausgangslage muss unbedingt berücksichtigt werden. Es wäre ungerecht, zum Beispiel die berlinnahe Landeshauptstadt Potsdam mit einem RWK wie Schwedt zu vergleichen, der ganz andere Rahmenbedingungen hat.