Protocol of the Session on June 6, 2013

Ich glaube, Letzteres trifft zu: Sie wollen das populäre Thema Klassenfahrten einfach noch einmal auf die Tagesordnung des Landtages bringen, um es noch einmal zu ventilieren, um daraus rückblickend Honig zu saugen.

(Beifall SPD sowie Zuruf: Genau!)

Das hat Herr Senftleben ja getan; es war ein reiner Rückblick. Er hätte es anders wissen können, und ich behaupte: Er weiß es auch anders, denn der Antrag im Text beschreibt exakt das, was die Ministerin - ich habe mir die Daten herausgeschrieben - am 8. Mai in einer Pressekonferenz vorgestellt und bezüglich dessen sie am gleichen Tag die Schulämter angewiesen und den Bildungsausschuss am 23. Mai informiert hat. Da müssen Sie komplett abwesend gewesen sein, denn in der Begründung Ihres Antrags steht immer noch:

„Verzicht auf Erstattung von Reisekosten ist schnellstmöglich zu beseitigen.“

Das ist beseitigt. Genau das war nämlich der Kernbestand des Urteils, das in Frankfurt (Oder) gefällt wurde. Das ist weg, das existiert nicht mehr. Dafür gibt es eine Übergangsregelung, die die Ministerin vorgestellt hat. Diese Regelung orientiert sich natürlich an Recht und Gesetz, und zwar am Bundesreisekostenrecht, an dem, was andere Bundesländer in diesem Bereich tun.

Der Hauptpersonalrat des Ministeriums hat diese Regelung als beispielhaft gelobt. Das kommt auch nicht oft vor.

Um einmal in die Praxis zu gehen, denn das ist entscheidend: Ich habe mich mit Mitarbeitern eines Schulamts unterhalten, und mir wurde gesagt: Die Gelder sind angekommen. - Sie reichen nach ihrer Angabe auch für die Bezuschussung von Klassenfahrten aus.

Und: Es gibt vor allen Dingen keinen Run auf Klassenfahrten nach dem Motto „Wir fahren jetzt überallhin, wo es schön ist“, sondern die Schulen gehen sehr verantwortlich mit dieser neuen Freiheit, mit dieser Übergangsregelung um.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Petke?

Ja, bitte.

Vielen Dank, Herr Kollege. Sie sprachen die Übergangsregelung an. Wann ist denn damit zu rechnen, dass die Übergangsregelung durch eine dauerhafte Regelung ersetzt wird?

Auch das ist bereits von der Ministerin angekündigt worden.

(Vereinzelt Lachen bei der CDU)

Da es sich um etwas handelt, was in der Zukunft passieren wird, ist es erst einmal vorbereitet. Diesem Antrag entsprechend - deshalb sage ich es noch einmal: der Antrag ist die Ankündigung und Vollzugslage des Ministeriums - wird es im Herbst den Entwurf einer Verwaltungsvorschrift zur Neuregelung geben, im Herbst auch deshalb, damit sich die Schulen, die Klassenfahrten relativ lange planen, vorbereiten können.

Die Regelung wird zum Schuljahr 2014/15 in Kraft treten. Auch da gibt es kein Defizit mehr, sodass wir als Parlament die Landesregierung hier nicht zu irgendetwas drängen oder auffordern müssten. Es ändert sich - das muss man auch deutlich sagen - für Schüler und ihre Eltern nichts. Die VV-Schulfahrten gilt. Die Lehrer bekommen jetzt ihre Auslagen erstattet und müssen nicht mehr Verzicht erklären. Die VV-Schulfahrten setzt auch einen Rahmen.

Hier wurde ein etwas engerer Rahmen beantragt; so verstehe ich den Antrag von Herrn Hoffmann. Ich halte auch das nicht für den richtigen Weg, weil die Ministerin, wie gesagt, angekündigt hat, die VV im Herbst neu aufzulegen und dann genau das zu tun, was der Antrag fordert: ein Budget für die Schulen einzuführen. Ein Budget symbolisiert auch ein gewisses Maß an Freiheit, an Entscheidungsmöglichkeiten. Wenn man aber gleichzeitig die Kriterien noch enger macht, reduziert das die Entscheidungsmöglichkeiten.

Ich glaube, das, was an Grundsätzen in der Verwaltungsvorschrift geregelt ist, ist richtig, soll Bestand haben. Wir brauchen diesen Antrag nicht, denn die Überschrift ist schlicht und ergreifend falsch.

(Beifall des Abgeordneten Bischoff [SPD])

Klassenfahrten müssen nicht ermöglicht werden, Klassenfahrten finden statt, fanden statt und werden zukünftig stattfinden. - Vielen Dank.

(Beifall SPD)

Der Abgeordnete Büttner setzt die Debatte für die FDP-Fraktion fort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind wieder in der Serie angekommen: „Herr Günther bastelt sich seine Welt, wie sie ihm gefällt.“ Das nehmen wir einfach nur noch zur Kenntnis.

Kommen wir zum Antrag und zum Thema: Ende April 2013 konnte man in allen Zeitungen des Landes lesen: Klassenfahrten gestoppt, weil kein Geld mehr vorhanden ist. - Mit Sicherheit war das für die Schüler dieses Landes der Höhepunkt der miserablen Bildungspolitik in Brandenburg.

(Beifall CDU und FDP - Unmut bei der SPD sowie Zuruf: Nun ist es aber genug!)

- Sie können sich darüber aufregen; es ist ja auch Ihr Job, sich über die Opposition aufzuregen.

Nicht nur, dass die Rahmenbedingungen in der Bildung nicht stimmen - jetzt sollte den Schülern anscheinend auch noch das Highlight eines Schuljahres genommen werden.

Die Folge dieses Stopps waren - das muss man auch zur Kenntnis nehmen - zahlreiche Stornierungen bereits gebuchter Fahr

ten. Ursache war, dass ein Gymnasiallehrer aus Frankfurt (Oder) sein Recht eingeklagt hatte, dass sein Dienstherr die Reisekosten übernimmt.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) wurde am 3. April 2013 verkündet. Begründet wurde es unter anderem damit: Da es sich bei Klassenfahrten in der Regel um Dienstfahrten handelt, in denen der Beklagte die Genehmigung der Schulfahrt von einem faktisch unfreiwilligen Verzicht auf die Erstattung der Reisekosten abhängig gemacht hat, verstoße er in erheblichem Maße gegen seine Fürsorgepflicht. Die verbiete, die Durchführung von Dienstgeschäften systematisch davon abhängig zu machen, dass der Beamte die hierfür benötigten Finanzmittel aus seinen privaten Mitteln bestreitet.

Dieses Urteil kam nicht etwa aus heiterem Himmel, sondern das Ministerium hätte das durchaus früher wissen können, denn bereits am 16. Oktober 2012 ging diesem Urteil eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts mit dem Titel „Reisekostenerstattungsanspruch einer Lehrerin für eine Klassenfahrt trotz Unterschrift unter dem im Dienstreiseantrag vorformulierten Verzicht“ voraus. In diesem Urteil wurden bereits Leitsätze formuliert, nämlich dass ein Land als Arbeitgeber gegenüber seinen angestellten Lehrkräften gegen § 242 BGB verstößt, wenn es Schulfahrten grundsätzlich nur unter der Voraussetzung genehmigt, dass die teilnehmenden Lehrkräfte „formularmäßig“ auf die Erstattung ihrer Reisekosten verzichten. Diese generelle Bindung der Genehmigung von Schulfahrten an den Verzicht auf die Erstattung von Reisekosten stellt die angestellten Lehrkräfte unzulässig vor die Wahl, ihr Interesse an einer Reisekostenerstattung zurückzustellen oder dafür verantwortlich zu sein, dass Schulfahrten, die Bestandteil der Bildungs- und Erziehungsarbeit sind, nicht stattfinden.

Man hätte also seitens des Ministeriums bereits im Oktober 2012 auf die Situation reagieren können. Man hat es nicht gemacht.

Dann hat man durchaus eine zweite Chance gehabt, nämlich ein darauffolgendes Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen mit derselben Begründung. Das hätte das MBJS spätestens im November 2012 in den Wachzustand versetzen müssen.

Da zählt auch keine Ausrede mehr, Herr Kollege Günther, dass man jetzt um eine schnelle Lösung bemüht sei, die dann gegebenenfalls im Schuljahr 2014/15 in einer Richtlinie stehen solle. Eine Sicherheit dafür - deswegen hat Herr Petke seine Zwischenfrage völlig zu Recht gestellt - gibt es nicht.

Jetzt gilt es die Regelungen zur Finanzierung von Klassenfahrten schnellstmöglich so zu überarbeiten, dass sie den rechtlichen Vorschriften standhalten.

Außerdem, meine Damen und Herren, gehören die Mittel für Klassenfahrten aus unserer Sicht in die Hände der Schulen. Hier wird man sicherlich auch sorgsamer mit ihnen umgehen und sie angemessen einsetzen, wenn man sieht: Seitens des MBJS funktioniert das nicht.

Deswegen werben wir um Zustimmung zu diesem Antrag. Vielen Dank.

(Beifall FDP und CDU)

Die Abgeordnete Große spricht für die Linksfraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute ist so viel negative Energie im Raum. Ich fange einmal ganz anders an. Es war wie ein Déjàvu-Erlebnis, Herr Kollege Senftleben: 18 000 Lehrkräfte in diesem Land Brandenburg haben seit 20 Jahren - darunter im Übrigen zehn Jahre, in denen die CDU mitregiert hat - Klassenfahrten betreut. Da gab es genau das, was Sie, Herr Kollege Senftleben, gesagt haben: ein Riesenmaß an Verantwortung, Dienst rund um die Uhr, aber natürlich auch Spaß.

Ich bitte alle diejenigen, die hier zum Lehrer-Bashing neigen, innezuhalten: Das haben diese Lehrer gemacht, obwohl sie sich verpflichten mussten, keine Kostenerstattung zu verlangen. Sie sind gefahren und haben ihren Schülern damit wunderbare Erlebnisse im kulturellen, sportlichen, sprachlichen, geologischen Bereich - und ich weiß nicht, wo noch - ermöglicht. Sie haben das Weltwissen von jungen Menschen verbessert. 20 Jahre lang haben das Lehrerinnen und Lehrer in diesem Land geleistet, so viel sei ein paar Tage vor dem 12. Juni einmal gesagt.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Ja, Lehrkräfte dürfen und müssen wie alle Menschen, die nach dem Bundesreisekostengesetz eine Dienstreise durchführen, behandelt werden; das ist ein Gebot der Wertschätzung. Da bin ich ganz Ihrer Meinung, das sollten wir absichern.

Jetzt ist zu entscheiden, was eine sinnvolle, was keine sinnvolle Klassenfahrt ist. Ich fand diese Kategorisierung im Übrigen ungünstig. Na klar, die Entscheidung muss an der Schule getroffen werden. Richtig ist: Die Schule soll über das Budget verfügen. Dort muss entschieden werden, wie das Profil der Schule gestärkt werden soll und welche Kompetenzen die Lehrkräfte mitbringen: Haben wir Kollegen, die Skiunterricht erteilen können? Dann planen wir die nächste Klassenfahrt entsprechend. Wie ist die Schülerklientel? Welche sozialen und anderen Kompetenzen müssen erarbeitet werden? Wie ist die Schulform? Kinder im Grundschulbereich sollten natürlich zunächst einmal ihre nähere Heimat kennenlernen usw. Deswegen sind wir gegen einen Katalog, was sinnvoll ist und was nicht, sondern finden, dass wir die Entscheidung jeder Schule überlassen sollten; da bin ich ganz Ihrer Meinung, Herr Büttner.

Jetzt kommen wir zu den Finanzen. Na klar, Sie sagen: „bei Bedarf“. Aber ich sage Ihnen: An jeder Schule gibt es Lehrer, die total gerne mit ihren Schülern wegfahren und im Tagebau nach irgendwelchen Gesteinsschichten kratzen. Solche - im positiven Sinne des Wortes - verrückten Kollegen kenne ich persönlich; die wollen diese oder jene Skifahrt machen. Wie sollen wir denn jetzt festlegen, wo der Bedarf ist? All diese Angebote sind lehrplangemäß und im pädagogischen Interesse. Trotz alledem wird unser Budget begrenzt sein. Ja, Herr Senftleben, 500 000 Euro werden nicht reichen - die 150 Euro, die die Schulen bisher durchschnittlich bekommen haben, natürlich schon gar nicht. Wir müssen uns also über ein Budget unterhalten.

In Mecklenburg-Vorpommern wurde nun ein Budget zugeteilt, nach dem man in der Grundschulzeit nur noch einmal wegfahren kann, ein einziges Mal in der Sekundarstufe I und ein weiteres Mal in der ganzen Sekundarstufe II. Wollen wir das? Ist das angemessen? Das Bedürfnis von Eltern, Schülern und Lehrerinnen und Lehrern wird bei mehr liegen. Also müssen wir uns verständigen, wie viel mehr wir zulassen und ob wir daneben noch Spielraum für Fälle zulassen, wo eine Lehrkraft gerne fahren möchte, möglicherweise aber - über das hinaus, was das Budget hergibt - keine Abrechnung der Reisekosten möglich ist.

Ich erzähle das alles nur deshalb in dieser Breite, weil man nicht so einfach sagen kann: Bezahlt mal nach Bedarf! - Ich bin sehr dafür, dass Lehrerinnen und Lehrer die Unterkunft, die Fahrtkosten und auch einen ihnen nach dem Reisekostengesetz zustehenden Spesensatz erstattet bekommen, denn es ist Dienst, es ist Arbeit. Aber wir werden nicht alle Blütenträume reifen lassen können; das sollten wir gleich von vorneherein sagen. Wir werden nicht jede Schulfahrt genehmigen können.

Insofern ist hier Gründlichkeit vor Schnelligkeit angesagt. Wenn wir eine neue VV machen, müssen wir all das berücksichtigen. Die Reiseunternehmen standen ja sicher auch bei Ihnen - wie bei uns - auf der Matte; sie wollen, dass ganz viel gefahren wird, dass von ihren klimatisierten Reisebussen und möglichst all den anderen schönen Dingen, die sie anbieten, Gebrauch gemacht wird. Diese Balance müssen wir natürlich auch aushalten.

Unterm Strich sind wir sehr dafür, uns das noch einmal anzugucken und zusammen mit dem Landesschulbeirat, den Gremien und den Reiseunternehmen auszuhandeln, was vernünftig ist und was wir uns leisten können. Wir alle wissen: Wir werden insgesamt nicht unter 2 Millionen wegkommen.

Aber erst einmal hat die Landesregierung nach der kurzen Irritationsphase aus meiner Sicht mit ihrem Stopp richtig gehandelt. Das war offensichtlich nötig, um zunächst Luft zu holen, um sich dem zuzuwenden, was bereits gebongt und gebucht ist. Nun muss eine neue VV her, woran wir uns in unseren Gremien alle beteiligen müssen - auch mit den Schülerinnen und Schülern; sie sind besonders betroffen.

Lassen Sie uns das zusammen machen! Ich habe Vertrauen, dass die Landesregierung auf einem guten Weg ist. - Danke.

(Beifall DIE LINKE und SPD)