Protocol of the Session on June 6, 2013

Zumindest finde ich es erstaunlich, dass eine Koalition aus den zwei Parteien, die hier regieren - die SPD hatte 33 % bei den letzten Landtagswahlen, wenn ich mich recht erinnere, die Linke 27 % -, sagt, es gebe keine Mehrheiten. Da frage ich mich schon, warum Sie sich hier zum bildungspolitischen Krabbeltierchen degradieren.

(Beifall B90/GRÜNE)

Umgekehrt frage ich mich, was wohl eines Tages von der SPD kommen wird, wenn wir wieder in Richtung Wahlkampf gehen, ob wir dann tatsächlich hören werden, dass Bildung prioritäres Wahlkampfthema sein werde.

(Frau Stark [SPD]: Na aber, darauf können Sie Gift nehmen!)

Ich bin schon sehr gespannt, wie das sein wird.

Ein letztes Wort: Frau Ministerin, Sie haben mir mit dem Zitat von Camus ein Stück weit meine Pointe geklaut. Ich weiß das

natürlich, muss aber dazusagen: Sisyphos ist zu dieser Arbeit verdammt worden; ich hingegen suche mir den Stein bewusst aus. Ich könnte ihn jeden Tag fallen lassen und mir einen anderen Stein aussuchen. Ich habe diesen Stein bewusst gewählt, ich mache das freiwillig.

(Beifall B90/GRÜNE, FDP sowie vereinzelt CDU)

Auch wenn ich ahne, dass ich mit diesem so gar nicht größenwahnsinnigen Antrag wieder untergehe, so gibt es doch noch einen Unterschied: Sisyphos musste das in der Unterwelt tun. Auch wenn es hier manchmal schwierig ist - Unterwelt ist der Landtag nicht.

(Beifall B90/GRÜNE sowie vereinzelt CDU - Heiterkeit der Abgeordneten Lehmann [SPD])

Vielen Dank, Frau Abgeordnete von Halem. - Wir kommen zur Abstimmung.

Auf Drucksache 5/7301 liegt der Antrag „Neuen Qualitätsansprüchen an die Kita-Leitung gerecht werden - Verbesserte Leitungsfreistellung verankern!“ vor, eingebracht durch die Fraktionen von FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag bei einigen Enthaltungen abgelehnt worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 5 und eröffne Tagesordnungspunkt 6:

Tagesmütter und Tagesväter im Land Brandenburg

Antrag der Fraktion der FDP der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 5/7300

Die Aussprache wird mit dem Beitrag der FDP-Fraktion eröffnet. Herr Abgeordneter Büttner hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aus dem SGB VIII ergibt sich, dass die Kindertagespflege ein gleichrangiges Angebot zur Kita- bzw. Krippenbetreuung darstellt, weil der Auftrag zur Bildung, Betreuung, Erziehung und Förderung unabhängig von der von den Eltern gewählten Betreuungsform existiert. Es ist also nicht nur eine Ergänzung der Kita/Krippe, sondern Kindertagespflege ist ein gleichberechtigter Bestandteil im Kinderbetreuungsangebot.

Wie schaut die Realität aus? Das eine ist die gesetzliche Norm, das andere ist die Realität. Wie schaut sie aus? Während in den Kitas oder Krippen Rahmenbedingungen fest vorgeschrieben sind, müssen sich Kindertagespflegepersonen allein um anfallende Sach- und Materialkosten, geeignete Räume, ihre Vertretung im Krankheits- oder Urlaubsfall kümmern. Neben der Betreuungs- und Erziehungsaufgabe nehmen sie auch Leitungsund Organisationsfunktionen wahr. Die Arbeitssituation von Kindertagespersonen ist auch nicht vergleichbar mit der von Erziehern, denn Tagesmütter und Tagesväter müssen ganz an

dere versicherungstechnische Voraussetzungen erfüllen, haben Arbeitstage über acht Stunden hinaus und profitieren eben nicht von einer kontinuierlichen Einnahmesituation, da diese im Gegensatz zur Kita - von der Anzahl der zu betreuenden Kinder abhängig ist.

(Unruhe bei der SPD)

- Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, insbesondere in der ersten Reihe: Ich kann verstehen, dass Sie großen Beratungsbedarf haben. Aber da Sie, wie etwa Kollege Bischoff, eineinhalb Meter von diesem Rednerpult entfernt sitzen, würde ich Sie bitten, Ihre Gespräche, wenn Sie sie denn führen müssen, doch ein Stück weiter hinten zu führen. - Vielen Dank.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU - Bischoff [SPD]: Das hätte ich mir bei meiner Rede von Ihnen auch ge- wünscht!)

- Ich sitze ganz außen; bleiben Sie mal entspannt!

Es gibt keine grundsätzlich festgeschriebenen Rahmenbedingungen und Vergütungen. In § 23 Abs. 2a des SGB VIII ist lediglich von einer leistungsgerechten Vergütung die Rede, die die Sachkosten und einen Beitrag zur Anerkennung der Förderleistung enthält. Eine leistungsgerechte Vergütung von Tagesmüttern ist im Land Brandenburg jedoch nicht erkennbar. Es gleicht eher einem Flickenteppich, und das hat auch die Antwort auf unsere Große Anfrage bereits gezeigt. Exemplarisch will ich hier nochmals zitieren - das finden wir auf Seite 46 ff. der Antwort auf die Große Anfrage aus Ihrem Haus, Frau Ministerin -: In Barnim gibt es hinsichtlich der Geldleistungen vom Landkreis Unterschiede nach fünf Zeitstufen und drei Qualifizierungsstufen. Im Vergleich dazu gibt es im Kreis Oberhavel nach Städten unterschiedliche Geldleistungen, die nach Stundensätzen, Zeitstufen und/oder Qualifizierungsstufen errechnet werden. In Potsdam richtet sich die Vergütung nach drei Zeitstufen und zwei Qualifizierungsstufen.

Diese unterschiedlichen Vergütungen sind nicht nachvollziehbar und haben mit dem Attribut „leistungsgerecht“ nichts zu tun. Die Kindertagespflege nimmt eine wichtige Stellung im Kontext der Kinderbetreuung ein. In den letzten Jahren hat sich eine Professionalisierung gezeigt, indem sich unter anderem die Qualifizierungsanforderungen erhöht haben.

Dies erfordert nun einen Rahmen, der das Konnexitätsprinzip beachtet - denn, Frau Kollegin Große, wir wollen nicht in die Konnexitätsprinzip-Falle hineinrennen -, innerhalb dessen die Kindertagespflegepersonen von den Kommunen vergütet werden.

Außerdem brauchen wir Instrumente zur Qualitätsentwicklung und -sicherung in der Kindertagespflege. Das umfasst zum Beispiel die regelmäßige verpflichtende Teilnahme an Fortbildungen. Der fachlichen Weiterentwicklung und der gestiegenen Verantwortung der Tagesmütter und Tagesväter wird somit auch Rechnung getragen.

In der Kindertagespflege werden insbesondere null- bis dreijährige Kinder betreut. Darauf muss sich dann auch das Fortbildungsangebot ausrichten.

Darüber hinaus ist der Aspekt der Einführung der Inklusion von großer Bedeutung. Hier muss die Kindertagespflege unter

stützt werden. Das muss sich natürlich auch in der Vergütung widerspiegeln.

In erster Linie müssen die Kindertagespflegepersonen in die Lage versetzt werden, an den Veranstaltungen teilzunehmen. Das heißt, das Angebot muss auch zeitlich an die Erfordernisse ihrer Arbeitswelt angepasst werden. Was nützt denn das beste Angebot, wenn sie aus Zeitgründen schlichtweg nicht teilnehmen können?

(Beifall FDP und B90/GRÜNE)

Meine Damen und Herren, in Gesprächen mit Kindertagespflegepersonen wurden wir auch immer wieder auf Probleme mit den Beratungsleistungen der Jugendämter hingewiesen. Viele Tagesmütter und Tagesväter fühlen sich schlecht bzw. nicht ausreichend beraten und unterstützt. Das muss man zur Kenntnis nehmen, und dann muss man an dieses Problem herangehen und schauen, wie man es lösen kann: indem die Mitarbeiter gut geschult werden, um Tagespflegepersonen umfassend beraten und Unstimmigkeiten vermeiden zu können.

Uns Liberalen ist außerdem ein flexibles Kinderbetreuungsangebot wichtig. Das haben wir bereits in mehreren Anträgen zum Ausdruck gebracht. Um Familie und Beruf unter einen Hut bringen zu können, liegt es nahe, das Betreuungsangebot von Kitas und Krippen mit dem der Kindertagespflege zu verknüpfen, indem nach den Schließzeiten die Öffnungszeiten von Tagesmüttern und Tagesvätern in Anspruch genommen werden können. Ich freue mich, dass ich da ganz offensichtlich völlig einig bin mit der Kollegin Lieske, die in der Debatte zur Antwort auf die Große Anfrage gesagt hat:

„Es geht auch darum, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie unter einen breiteren Hut zu bringen.“

Oder mit Ihnen, Frau Ministerin Münch - auch da zitiere ich aus der Debatte -:

„Kindertagespflege - das zeigt auch die hohe Akzeptanz ist ein besonders flexibles Angebot, das dem unterschiedlichen Betreuungsbedarf von Familien besser entsprechen kann als Kitas. Diese Stärke kann und soll sich in Zukunft noch mehr entwickeln. [...] Denn ich denke,“

- das Zitat geht weiter

„dass die Angebote, die wir haben, also die Tagespflege und parallel die Kita, dazu dienen, dass Familien besser Beruf und Familie in Einklang bringen können. Deswegen wird Tagespflege mit Sicherheit auch weiterhin eine wichtige Säule der Betreuung bleiben.“

Ja, Frau Ministerin, ich sage das ausdrücklich: Sie haben absolut Recht, ich unterschreibe das. Es folgen aber noch ein paar andere Stimmen aus der Plenarsitzung, in der die Antwort auf die Große Anfrage behandelt wurde. Frau Lieske zum Thema Vergütung:

„Eine Vereinheitlichung in einer gewissen Art und Weise würde ich sehr stark unterstützen und befürworten. Wir müssen nur gemeinsam mit den Trägern der Kinder- und Jugendhilfe herausfinden, wie wir das gut gestalten können.“

Richtig, Frau Lieske.

Frau Ministerin Münch, Sie sagten:

„Herr Büttner, ich stimme Ihnen zu:“

Den Satz: „Herr Büttner, ich stimme Ihnen zu“, habe ich mir aufgeschrieben.

(Frau Stark [SPD]: Ah! - Beifall FDP)

„Mehr Vergleichbarkeit wäre wünschenswert. Das fällt aber nicht in unsere Zuständigkeit. Die zuständigen Kreise und Kommunen haben es bis jetzt abgelehnt, sich auf einen vergleichbaren Standard festzulegen. Ich denke, darüber werden wir im Gespräch bleiben.“

Ja, liebe Frau Ministerin, jetzt haben wir das Thema wieder ins Gespräch gebracht. Der Antrag liegt Ihnen seit dem 14. Mai vor, und wir fordern Sie auf, sich mit allen Beteiligten an einen Tisch zu setzen und mit einer Neufassung der Kindertagespflegeeignungsverordnung Verbesserungsmaßnahmen zur Stärkung der Kindertagespflege zu ergreifen. Damit Ihnen das leichter fällt, Frau Ministerin, sehen Sie es doch einfach so: Ich habe quasi nur das aufgenommen, was Sie in der Debatte gefordert haben. Jetzt können Sie das umsetzen, weil wir es Ihnen vorlegen.

Wir bitten ausdrücklich um Zustimmung zu unserem Antrag. Vielen Dank.

(Beifall FDP und B90/GRÜNE)