Vielleicht ist das Gedenken an sie eine Aufgabe, die wir gemeinsam anpacken können, um uns im Widerstand gegen Rechtsextremismus nicht nur beispielsweise in Verbotsdiskussionen zu verlieren. Obwohl ich ein Anhänger des NPDVerbots bin, gehöre ich zu denen, die sagen: Wir brauchen eine Vielfalt von Tätigkeiten.
Und ich glaube, wenn wir diese Tage zum Anlass nehmen, uns allen zu versprechen, dass wir uns darum bemühen werden, intensiver an Demokraten der Weimarer Republik zu erinnern und damit auch ins Gedächtnis zu rufen, dass Demokratie schon eine längere Tradition in diesem Landstrich hat, dann haben wir etwas Gutes geleistet.
Lassen Sie mich zu einigen konkreten Erkenntnissen kommen, die die Große Anfrage noch einmal zutage gefördert hat. Ich habe gesagt: Wir haben es mit einem verfestigten Rechtsextremismus zu tun. - Das hat vielleicht den einen oder anderen überrascht, da wir ja keine rechtsextremistische Partei mehr im Parlament haben. Aber ich finde, bestimmte andere Erkenntnisse, die die Landesregierung uns nicht nur regelmäßig im Verfassungsschutzbericht, sondern auch auf diese Große Anfrage mitgeteilt hat, sollten uns Sorgen machen, zum Beispiel die Tatsache, dass es in diesem Land 25 Bands gibt, die Rechtsrock machen. Die treten zwar hier kaum auf - da ist unsere Polizei gut, da ist auch der zivilgesellschaftliche Widerstand gut und verhindert solche Konzerte -, aber es gibt diese Bands, und zwar nicht erst seit letztem oder vorletztem Jahr, sondern teilweise seit Beginn der 90er-Jahre; mittlerweile haben sie eine ganze Generation von Jugendlichen beeinflusst. Das meine ich, wenn ich sage: Hier hat sich etwas verfestigt, das müssen wir
im Blick haben. Auch wenn eine rechtsextremistische Partei gerade nicht im Parlament ist, haben wir trotzdem dieses Problem.
Ich glaube, wir müssen auch das sehr ernst nehmen, was uns die Antwort auf die Große Anfrage mitteilt: dass wir neue Phänomene haben. Über die „Reichsbürger“ ist in letzter Zeit vielfach gesprochen worden. Das sind in diesem Land vielleicht 100 Personen, die sich aber schlicht und ergreifend eine Parallelwelt nicht nur in ihrem Kopf aufbauen, sondern die auch versuchen, sie in der Wirklichkeit zu leben, und in Gemeindevertretungen, Kommunalvertretungen, Kommunalverwaltungen tatsächlich riesige Probleme machen. Ich glaube, dass man diesen Phänomenen Einhalt gebieten muss. Da mag der eine oder andere sicherlich eher in ärztliche Behandlung gehören - das mag ja durchaus sein -, nichtsdestotrotz ist das ein Phänomen, das sich in diesem Land ausbreitet, das wir sehr genau beobachten müssen und gegen das wir auch deutlich Widerstand leisten müssen.
Wir haben in den 90er-Jahren zu oft den Fehler gemacht, dass wir gesagt haben: Wir schauen einmal kurz weg. Das ist demnächst vorbei. Das hat jetzt etwas mit der Umbruchperiode zu tun. - Nein, hier verfestigt sich etwas. Wir müssen das sehr ernst nehmen.
Wir müssen auch sehr ernst nehmen, dass es Intellektualisierungsbestrebungen im Rechtsextremismus gibt, im Umfeld des sogenannten Neonationalsozialismus. Deshalb - das sage ich hier sehr deutlich - halte ich es für richtig, dass der Innenminister den „Widerstand Südbrandenburg“ verboten hat. Das war im Vorfeld eine sehr umstrittene Aktion, auch in der Frage, ob das rechtlich möglich ist. Es war richtig und nötig, weil sich dort eine Gruppe etabliert hatte, die ganz bewusst neue, moderne Strukturen ausprobierte, um zu schauen, wie weit man gehen kann. Dass der Innenminister die Courage hatte, dieses Verbot durchzusetzen, war richtig und hat deren Ausbreitung eindeutig behindert.
Ich glaube, dass es genauso richtig war - da bin ich dann auch gleich beim Thema NPD-Verbot -, die Kameradschaft „Freie Kräfte Teltow-Fläming“ zu verbieten.
Ich glaube, dass hier im Parlament niemand den Verboten dieser beiden Organisationen - Kameradschaft „Freie Kräfte Teltow-Fläming“ und „Widerstand Südbrandenburg“ - widersprechen wird. Deshalb verstehe ich im Umkehrschluss nicht, dass wir es offensichtlich nicht schaffen, eine gemeinsame Haltung zum Verbot der NPD zu entwickeln.
Denn die NPD - das ist unbestritten - ist nach wie vor organisatorisch auch in unserem Bundesland die stärkste rechtsextremistische Gruppe, die auch in Kommunalparlamenten tätig ist und in Kooperation mit „Freien Nationalisten“ eine ernsthafte Bedrohung darstellt.
Nun geht ja die Entscheidung der Bundesregierung, dieses NPD-Verbot von sich aus nicht anzustreben und den Bundesrat
damit ein bisschen allein dastehen zu lassen, offensichtlich auf die Entscheidung der FDP zurück. Der Bundesvorsitzende der FDP hat sich dazu verstiegen, den Satz zu sagen - der, wie ich glaube, aus einer Situation, in der er zu wenig nachgedacht hat, entstanden ist -, dass man Dummheit nicht verbieten könne. Ja, wer will ihm da widersprechen? Aber ich glaube, die NPD nur mit Dummheit zu charakterisieren greift etwas zu kurz.
Die NPD gehört nicht nur nicht zum Verfassungsbogen, sondern sie ist eine Partei, die schlicht und ergreifend den demokratischen Konsens nicht akzeptiert, die die Demokratie abschaffen will. Wer davon spricht, dass das nur Dummköpfe seien, sieht nicht, welche Auswirkungen die NPD als Background für ganz andere hat - beispielsweise für das Umfeld des NSU. Wir wissen, dass aus den Unterstützerkreisen viele Leute kamen, die NPD-Karrieren hinter sich hatten, zum Teil herausgehobene Funktionäre waren; die sind zwischenzeitlich ja auch festgenommen worden.
Ich glaube, wer vor dem Hintergrund dessen, dass wir erst einmal alle gemeinsam anerkennen müssen, dass wir in diesem Land Rechtsterrorismus haben, sagt, die NPD sei nur Dummheit, der verharmlost. Ich hoffe, dass Herr Rösler darüber noch einmal nachdenkt, dass es unbedarft war, was er dort ausgesprochen hat. Ich glaube, das führt in die völlig falsche Richtung. Wir sollten da zu einer anderen Einschätzung kommen und versuchen, insoweit einen Konsens herzustellen.
Ich habe am Anfang davon gesprochen, dass wir uns Folgendes immer wieder vor Augen halten müssen: Rechtsextremismus und Demokratie sind die wesentlichen Gegenpole in unserer Gesellschaft. Wenn sich Demokraten nicht einig darin sind, wie sie Rechtsextremismus bekämpfen sollen, werden sie Rechtsextremismus nicht bekämpfen können. Wir schaden uns als Gegner der Nationalsozialisten, der Neonationalsozialisten, der Rechtsextremisten gemeinsam.
Deshalb wünsche ich mir heute, dass wir versuchen, eine sachliche Debatte zu führen, und dass noch ein wenig mehr Nachdenklichkeit einkehrt. Diese NPD braucht niemand. Sie schadet dem Ansehen unseres Landes, sie ist eine Bedrohung für unsere Demokratie, sie muss weg. Das Verbot ist nötig. Deshalb halte ich es für richtig, dass die Landesregierung von Brandenburg den Verbotsantrag im Bundesrat aufrechterhält.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Ness. - Wir kommen nun zum Beitrag der CDU-Fraktion. Herr Abgeordneter Lakenmacher hat das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Ness, ich möchte eines vorausschicken: Ganz
klar ist, dass wir uns hier fraktionsübergreifend einig sind, dass Rechtsextremismus unsere Demokratie bedroht und mit allen Mitteln, die uns in einer Demokratie zur Verfügung stehen, zu bekämpfen ist. Da gibt es absolute Einigkeit.
Was ich nicht gut finde, Herr Ness, ist, dass Sie jetzt den Betroffenheitsrhetoriker geben, Sie wünschten sich mehr Einigkeit im Parlament und mehr Sachlichkeit, ohne dies inhaltlich weiter auszufüllen. Ich denke, Sie wollten darauf hinaus, wer denn nun für und wer gegen ein NPD-Verbot ist. Daran machen Sie dann sozusagen wieder etwas - zumindest nach Ihrer Definition - Übermoralisches fest. Das finde ich eben falsch. Das ist die falsche Gangart.
Herr Ness, es war ja abzusehen, dass Sie diesen Tagesordnungspunkt dazu nutzen würden, hier auch über das Verhalten der Bundesregierung zum geplanten NPD-Verbotsverfahren ein Stück weit herzuziehen.
Deswegen komme ich jetzt auf die Sachebene zurück, Herr Ness. Ich respektiere, dass sich die Bundesländer dazu entschlossen haben, einen Verbotsantrag vor dem Bundesverfassungsgericht anzustrengen. Auch ich halte die NPD - ich habe das bereits mehrfach hier gesagt - für eine verfassungsfeindliche Partei, die nicht mit Steuermitteln finanziert und alimentiert werden darf. Das ist ganz klar.
Wir hatten zu dem Thema ja eine große, widerstreitende Debatte im Rahmen einer Aktuellen Stunde. Jetzt will ich nicht alle Einzelheiten wiederholen. Ich habe dort die Risiken eben dieses Verbotsverfahrens klar benannt. Zunächst beim Bundesverfassungsgericht: Da gibt es einmal die Gefahr in formeller Hinsicht, dass je nach Verfahrensdauer ein Richter ausscheidet und die Mehrheit dann zumindest wackelt bzw. nicht mehr sicher ist für solch ein Verbotsverfahren. Dann gibt es die immanente Gefahr vor dem Europäischen Gerichtshof. Wenn man sich dessen Rechtsprechung näher anguckt, wird klar, welche Gefahren mit dem Verbotsverfahren einhergehen. Wir können unsere Augen vor den Risiken eines solchen Verbotsverfahrens, eines Ganges vor das Bundesverfassungsgericht eben nicht völlig verschließen.
Auch ich hoffe natürlich, dass der Gang vor das Bundesverfassungsgericht erfolgreich ist; das ist überhaupt keine Frage. Aber ich weiß eben auch, dass es in einem Rechtsstaat bei einem Parteienverbot - das wissen wir ja aus der Vergangenheit sehr große Risiken gibt. Dann dürften Sie sich nicht hinstellen und diejenigen, die die Risiken abwägen und klar benennen, in Ihrer übermoralischen Art stigmatisieren, als was auch immer. Das finde ich falsch, Herr Ness.
Ich kann gut verstehen, dass sich die Bundesregierung mit dem Verbotsverfahren zurückhält, und ich mag mir gar nicht ausmalen, welchen Imagegewinn die NPD erfahren würde, wenn der Antrag auch ein zweites Mal scheiterte. Das müssen Sie beden
ken. Sie kann sich dann hinstellen und sagen: Wir sind eine verfassungsrechtlich legale Partei. Das Bundesverfassungsgericht hat das gerade geprüft und bestätigt.
Den Aufschwung, den die NPD nach dem gescheiterten Verbotsantrag im Jahr 2003 insbesondere in den ostdeutschen Bundesländern erlebt hat, können wir uns kein zweites Mal erlauben, wenn wir nicht wollen, dass diese Partei auch in breiten Schichten der Bevölkerung salonfähig wird bzw. salonfähig bleibt. Deshalb muss man die Risiken klar benennen und beleuchten, ohne hier irgendwie eine moralische Wertung zu erfahren. Man muss auch die Frage stellen, wie hoch und wie gering der gesellschaftliche Effekt eines solchen Verbots ist. Mit einem NPD-Verbot werden wir ja nicht erreichen, dass die NPD-Getreuen auf einmal das rechtsextremistische Gedankengut nicht mehr teilen. Wir bekommen damit nicht den Rechtsextremismus aus den Köpfen der Anhänger.
Da bin ich dann wieder bei der Auswertung der Antwort der Landesregierung zur aktuellen Entwicklung des Rechtsextremismus in Brandenburg. Herr Ness, es reicht eben nicht aus das auch an alle Kollegen der Regierungskoalition -, öffentlich zu beklagen, dass Brandenburg nach Jahren des Absinkens rechtsextremer Straftaten im letzten Jahr wieder einen Anstieg erfahren hat. Es reicht eben nicht aus, das Thema Rechtsextremismus sozusagen inflationär auf die Tagesordnung zu setzen.
Neben der Großen Anfrage, die wir heute hier diskutieren, gibt es noch den jährlichen Bericht zum Konzept Tolerantes Brandenburg, der uns über die Fortschritte in der Auseinandersetzung mit rechtsextremistischen Tendenzen auf dem Laufenden halten soll. Laut Landtagsbeschluss müsste er im Juni-Plenum auf der Tagesordnung stehen. - So viel zu „inflationär“, Herr Ness.
Wir als CDU-Fraktion erwarten von der Landesregierung eben Aussagen dazu, wie sie in Zukunft gedenkt, mit dieser Entwicklung, die wir hier zur Kenntnis nehmen müssen, umzugehen. Ein NPD-Verbotsverfahren als Antwort auf die dahinsiechende NPD reicht eben nicht aus. Und substanziell Neues ist in der Antwort der Landesregierung auf die Anfrage auch nicht zu erfahren. Wenn wir in Brandenburg in der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus weiterhin erfolgreich sein wollen, dann sollten wir uns endlich zu einer Analyse darüber durchringen, ob die Strukturen und die Handlungsansätze den sich verändernden Gegebenheiten der rechtsextremistischen Szene in Brandenburg überhaupt noch gerecht werden. Falls dort dann Handlungsbedarf erkannt und festgestellt wird, sollte das Handlungskonzept daraufhin angepasst werden. Das Handlungskonzept in der jetzigen Form besteht ja seit dem Jahr 2004. Seitdem hat sich auch in der Szene einiges getan.
Außerdem würden wir es befürworten, wenn Brandenburg ein zivilgesellschaftliches Aussteigerprogramm unterstützte; ich habe das ja auch in den letzten Tagen gesagt.