Protocol of the Session on February 28, 2013

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Sie wollen Ihrem eigenen Antrag nicht gleich zustimmen? Da die Frau Präsidentin schon von einem „schönen Titel“ ge- sprochen hat, gehe ich durchaus hoffnungsfroh an diese große Aufgabe heran. (Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Die Hoffnung stirbt zuletzt!)

- Warten wir es ab! Hören Sie erst einmal zu, Herr Kollege; dann können Sie sich eine Meinung bilden. Danach reden wir weiter.

Ich komme von den Höhen der Energiepolitik zurück in die „Niederungen“ unserer Flüsse und sonstigen Gewässer. Verschiedene Arten kehren zurück. Sie alle wissen, dass wir in Brandenburg mit einem im Bundesdurchschnitt durchaus beachtlichen Artenreichtum gesegnet sind. Das ist gut und richtig. Wir nehmen zur Kenntnis, dass viele dereinst verschwundene Arten nach Brandenburg zurückkehren. Es gibt Arten, die nie richtig weg waren, beispielsweise der Elch. Schon immer waren im Durchschnitt sechs bis acht Elche in Brandenburg anwesend. Es gibt Arten wie den Kormoran, der schon einmal viel seltener in Brandenburg vertreten war; heute ist er hier wieder relativ häufig anzutreffen.

(Dr. Luthardt [DIE LINKE]: Wie die FDP!)

- Ja, ja Michael, wir kommen immer wieder. Glaub‘ es mir!

(Heiterkeit und Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt auch Arten wie den Wolf. Der Wolf war schon immer da. Seitdem im Jahr 1992 das Bundesjagdgesetz auch in Brandenburg in Kraft getreten ist, ist er deutlich häufiger anzutreffen und bildet mittlerweile sogar wieder Rudel.

Dann gibt es Arten wie den Biber. Insofern gibt es eine Besonderheit, denn der Biber war aus Brandenburg schon einmal vollständig verschwunden. Das hat sich aber - ich sage ausdrücklich: Gott sei Dank! - geändert. In den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurden aus den letzten autochthonen Biberbeständen, die wir in Deutschland noch hatten - an der mittleren Elbe -, wieder einige Tiere in der Schorfheide „ausgewildert“, wie es so schön heißt. Von dort aus haben sie das Land Brandenburg mehr oder weniger flächendeckend wiederbesiedelt.

Es waren deshalb nur noch so wenige Tiere, weil sie einmal sehr begehrt waren. Kollege Folgart, ich weiß nicht, ob Sie zu denjenigen gehören, die morgens einen Elektrorasierer verwenden, oder ob Sie sich nass rasieren. Ich gehöre zu denen, die sich mit Biberhaaren rasieren. Das kann man heute immer noch tun. Hauptgrund dafür, dass der Biber so selten wurde, war jedoch der Umstand, dass er viele Jahre lang als Fastenspeise galt. Biber haben nämlich einen schuppigen Schwanz. Das war ein guter Trick, um sie zum Fisch erklären zu können. Damit waren sie auch während der Fastenzeit genießbar.

Mittlerweile haben wir den Biber wieder in größerer Zahl bei uns. Ich sage es ausdrücklich: Es ist ein Erfolg des Artenschutzes, dass diese Tiere wieder da sind. Aber wir dürfen es nicht zulassen - das ist das Entscheidende in der Debatte -, dass der Naturschutz an seinen eigenen Erfolgen scheitert. Wir können froh sein, dass zahlreiche Tierarten zurückgekommen sind, müs

sen aber auch die Probleme anerkennen, die diese Tiere in unseren Kulturlandschaften verursachen.

Obwohl das Jahr 2013 noch nicht ganz zwei Monate alt ist, gab es allein in diesem Jahr - ich will gar nicht die Beispiele aus der Vergangenheit aufzählen - eine ganze Reihe von Fällen, in denen Biber erhebliche Schäden in unseren Kulturlandschaften verursachten.

Beispiel eins: Auf einem Forellenhof in Fünfeichen im Schlaubetal hat ein Biber einen Teichdamm so lange durchgraben, bis dieser gebrochen ist. Die Folge: Ein etwa 1 ha großer Teich lief innerhalb einer halben Stunde leer und flutete den Nachbarteich sowie Teile des angrenzenden Waldstücks, was mich als Förster ganz besonders berührt. Das führte zum Verlust vieler Fische und zu Schäden an den Deichen. Die Kosten für den Betreiber sind immens.

Ein zweites Beispiel - auch aus diesem Jahr -: An einem Fischteich in Kreine gab es einen durch Biber unterhöhlten Damm. Dieser gab nach, und eine halbe Tonne Fisch strömte in ein nahegelegenes Speicherbecken.

Der Gesamtschaden beider Fälle betrug rund 130 000 Euro. Wer die Ertragslage unserer Teichwirtschaften kennt, weiß, dass 130 000 Euro in der Gesamtsumme vielleicht nicht viel Geld sind, ein solcher Schaden aber für den einzelnen Teichwirtschaftsbetrieb durchaus existenzbedrohend sein kann. Das müssen wir einfach anerkennen. Beide Beispiele verdeutlichen auch, dass die heimische Fischerei im Bedarfsfall noch lange nicht die Unterstützung erhält, für die sich der Landtag entschieden hat. Ich darf daran erinnern und wörtlich zitieren:

„Die Landesregierung schafft Rahmenbedingungen, die Erwerbsbetrieben in Fischerei und Fischzucht eine nach ökologischen, sozialen und ökonomischen Gesichtspunkten nachhaltige Bewirtschaftung von Gewässern und Teichen im Land Brandenburg ermöglichen.“

So haben wir es - wenn ich mich recht entsinne: einstimmig am 1. September 2011 hier im Hohen Haus verabschiedet.

Wir müssen uns den Realitäten im Land stellen. Der Bestand des Bibers hat in Brandenburg in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Wir hatten im Jahr 2000 noch von ungefähr 1 000 Tieren geredet; im Jahr 2010 redeten wir schon von 2 500 bis 2 700 Tieren. Der Bestand ist deutlich angewachsen, ohne dass das Land Brandenburg den Schutzstatus, dem er immer noch unterliegt, hinterfragt hätte.

Was daran so ärgerlich ist: Von EU-Seite haben wir den Rechtsmechanismus zur Verfügung gestellt bekommen, um diese Probleme zu lösen. In die EU-Gesetzgebung, die in der Folge in die Bundes- und die Landesgesetzgebung überführt wurde, ist nämlich vor einigen Jahren ein Begriff eingeführt worden, der heute sehr relevant in dieser Debatte ist: der „günstige Erhaltungszustand einer Art“. Da ich damals in anderer Funktion an vielen politischen Gesprächen beteiligt war, sage ich deutlich: Das ist ein guter Rechtsmechanismus.

Was ich mir allerdings nie hätte einfallen lassen: dass einige Betonköpfe in der staatlichen Naturschutzverwaltung diesen Begriff nutzen, um grundsätzlich zu behaupten

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Luthardt [DIE LINKE])

- ja, ja, Michael, höre gut zu! -, der günstige Erhaltungszustand einer Art sei noch nicht erreicht, und deshalb könne man nicht eingreifen. Genau das war nicht gewollt. Gewollt war ein dynamischer Naturschutzansatz, der davon ausgeht: Wenn der günstige Erhaltungszustand einer Art noch nicht erreicht ist, fördern wir diese Art. Dann bemühen wir uns mit den Instrumenten des Artenschutzes, dazu beizutragen, dass die Population sich erholen kann. Wenn der günstige Erhaltungszustand erreicht ist, die Tiere aber Schäden verursachen, müssen wir die Voraussetzungen schaffen, um in die Population eingreifen zu können. So war es gedacht.

(Ministerin Tack: Die Voraussetzungen sind doch da!)

- Genau das machen wir nicht, Frau Ministerin.

(Erneuter Zuruf der Ministerin Tack)

- Schauen wir mal! Ich komme gleich dazu.

Es gibt Länder, die das verstanden haben, und es gibt Länder, die das nicht verstanden haben, Frau Ministerin. Eines der Länder, die das leider nicht verstanden haben, ist das Land Brandenburg. Was passiert denn, wenn beispielsweise der Landkreis Märkisch-Oderland sich für entsprechende Maßnahmen entscheidet? Wir hatten solche Fälle. Dann ist es das Ministerium, also die Landesebene, die das Ganze blockiert.

(Ministerin Tack: Das ist doch nicht wahr!)

Deshalb will ich bewusst auf Bundesländer, die es besser gemacht haben, verweisen. Ausgerechnet Bayern - leider muss ich das sagen - ist ein Bundesland, das es besser gemacht hat. Dort ist nämlich eine Biber-Managementrichtlinie erlassen worden. Damit sind genau die Voraussetzungen geschaffen worden, die der EU-Gesetzgeber angestrebt hatte, indem er auf den Begriff des „günstigen Erhaltungszustandes einer Art“ abhob.

(Beifall FDP)

Genau diese Mechanismen könnten wir auch in Brandenburg einführen, liebe Frau Ministerin. Das wäre sogar sehr einfach möglich. Sie und Ihre Beamten hätten gar nicht viel Arbeit. Sie müssten auf einen Computer einfach nur die Biber-Richtlinie des Landes Bayern herunterladen und dann in Word - da gibt es diese schöne Funktion - unter „Suchen“ „Bayern“ und unter „Ersetzen“ „Brandenburg“ eingeben. Das wäre ganz einfach.

(Dr. Luthardt [DIE LINKE]: Das wäre ein Plagiat!)

- Nein, das wäre kein Plagiat. Du müsstest es nur dazuschreiben, Michael. Das wäre kein Problem.

Es könnte ganz einfach gehen. Aber was fehlt? Es fehlt der politische Wille. Das ist das Problem, Frau Ministerin.

(Beifall FDP und CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin zu Beginn der Debatte von einigen Kollegen gefragt worden, ob ich hier irgendwelche Biber-Rezepte referieren wolle. Es ist nicht so, dass ich das nicht könnte; aber das werde ich nicht tun.

Aber wir möchten ausdrücklich keine flächendeckende Bejagung des Bibers. Ich sage das hier ausdrücklich hinzu, weil ei

nem das immer so schnell unterstellt wird. Darum geht es nicht. Wir wollen eines erreichen, und zwar, dass anerkannt wird, wenn eine Art den günstigen Erhaltungszustand erreicht hat und sie Schäden und Kosten für die betroffenen Landnutzer verursacht, damit wir eingreifen können. Nur darum geht es. Das muss dann übrigens auch nicht immer mit dem Instrumentarium der Jagd sein. Da gibt es einige andere Möglichkeiten mehr. Aber der Mechanismus muss eben eröffnet werden. Das ist das Entscheidende, liebe Kolleginnen und Kollegen, wohin wir kommen müssen.

Wir haben ausdrücklich den Antrag gestellt, unseren Antrag in den Ausschuss zu verweisen, um sich dort über dieses Problem zu unterhalten. Ich bin diesbezüglich sehr gesprächsbereit, Frau Ministerin. Wir können die verschiedenen Dinge gern in allen Details und in allen möglichen Problemvarianten erörtern. Aber wir müssen endlich weiterkommen.

Herr Abgeordnete Beyer, kommen Sie bitte zum Schluss!

Ich komme zum Schluss. - Wir müssen endlich anerkennen, dass wir Akzeptanz nur dann erreichen - Akzeptanz ist die Voraussetzung für die Anwesenheit dieser Tiere in Brandenburg, das, was wir letzten Endes alle wollen -, wenn wir uns den Problemen endlich stellen. Nur dazu fordere ich Sie auf. Deshalb bitte ich darum, diesen Antrag in den Ausschuss zu verweisen. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall FDP)

Vielen Dank. Ich bitte um Akzeptanz von Redezeiten und roten Lampen. - Wir sind nunmehr beim Beitrag der SPD-Fraktion. Herr Abgeordneter Folgart hat das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Herr Beyer, es ist in der Tat so. Ich kann mich an eine Bauernverbandsveranstaltung im Jahr 2008 erinnern - ich glaube, Frau Fortunato und Jutta Lieske waren dabei, ich glaube, sogar Herr Dombrowski, das weiß ich nicht genau -, bei der Bodo Schulz auftrat. Bodo Schulz ist ein bekannter Landwirt, der auch körperlich wahrgenommen wird, der gesagt hat: Ja, hier im Oderbruch, Herr Folgart, musst du dir merken, ist es so, dass wir hier den Biber in der Tat 100 Jahre nicht gehabt haben oder über 100 Jahre. Und du musst dir auch merken: Keiner hat ihn richtig vermisst. - Das gibt irgendwo zu denken.

Wir haben heute mit dem Antrag der FDP dargestellt bekommen, dass das Wiederansiedlungsprogramm des Bibers in Brandenburg Erfolg hatte. Dieser Erfolg droht in ein Problem umzuschlagen. Der Biber ist heimisch geworden.

(Zuruf von der CDU: Die Biber!)

Ja, geschätzt 2 700 Tiere - auch das wurde schon gesagt - an Flüssen und Seen, inzwischen aber auch in Städten und in dichter besiedelten Gebieten. Fraßspuren und Schäden sind nicht mehr zu übersehen, unter anderem an Neuanpflanzungen von

Bäumen, Beschädigungen der Deiche. Der Hochwasserschutz liebe Jutta Lieske, wir hatten darüber gesprochen - sollte auch noch einmal explizit thematisiert werden.

Der Biberschutz, der Schutz der Bevölkerung und der Investitionen, die durch das Land getätigt wurden, beginnen miteinander in Konflikt zu geraten. Der Biber ist eine geschützte Tierart ja -, aber wie viel Biber kann sich Brandenburg leisten, ohne dass Hochwasserschutz, Bevölkerungsschutz und auch der Naturschutz an Grenzen geraten? Diese Fragen sind, glaube ich, gestattet.

Auch volkswirtschaftlich sind Schäden nicht mehr wegzudiskutieren, wenn Wiesen und Wälder - wie heute hier schon erwähnt - überschwemmt werden, Boden und damit Eigentum wir haben gestern einen längeren Tagesordnungspunkt darüber abgehandelt - letztendlich für die Bewirtschaftung wertlos werden, Teichanlagen ruiniert werden und Bürgern die Möglichkeit genommen wird, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Das Land - dazu fordere ich heute hier auch auf, auch im Namen meiner Fraktion - muss gegensteuern, ehe die Konflikte überhand nehmen und nicht mehr steuerbar sind. Biber dürfen keinen größeren Schutz genießen als die Ergebnisse menschlicher Arbeit, meine Damen und Herren. Darum brauchen wir einen Biber-Managementplan. Es geht dabei wirklich nicht gegen den Biber, sondern es geht um dessen Schutz. Und wenn wir hier über einen Maßnahmen- und Managementplan sprechen, dann ist das genau die richtige Stelle.