Protocol of the Session on February 27, 2013

(Genilke [CDU]: Nachtflug?)

Bisweilen hören wir - nicht zuletzt die CDU hat dies vor Kurzem erneut in den Raum gestellt -, wir könnten das ja alles im Alleingang beschließen. Dazu möchte ich betonen: Der Planfeststellungsbeschluss ist bestandskräftig, bestätigt durch das Bundesverwaltungsgericht. Er kann nicht einseitig abgeändert werden.

(Dombrowski [CDU]: Falsch! - Senftleben [CDU]: Wo steht das?)

Nur neue Tatsachen, wirklich neue Erkenntnisse könnten einen teilweisen Widerruf begründen.

(Dombrowski [CDU]: Falsch!)

Solche rechtlich erheblichen neuen Tatsachen liegen nicht vor, und man kann sie, meine Damen und Herren von der CDU, auch nicht politisch herbeiwünschen. Wer etwas anderes sagt, der macht den Betroffenen etwas vor, er führt sie in die Irre, und das ist nicht unser Weg.

(Senftleben [CDU]: Dann können Sie das Volksbegehren nicht annehmen! - Weitere Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, wenn wir heute das Volksbegehren annehmen, bedeutet das nicht, dass ab morgen ein Nachtflugverbot am Flughafen BER besteht. Der heutige Beschluss ist ein erster Schritt auf dem Weg zu mehr Nachtruhe am neuen Flughafen. Es geht um einen besseren Ausgleich zwischen den Hoffnungen vieler, die auf den Flughafen gerichtet sind und die wir nach wie vor teilen, und den unmittelbaren Befürchtungen der Anwohner, die wir sehr ernst nehmen und die entkräftet werden müssen. Der Kompromiss gehört zum Wesenskern der Demokratie. Ich bin überzeugt, dass auch der Bund und Berlin in den kommenden Verhandlungen darauf eingehen werden. Das heutige Votum ist der Anfang dafür. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Holzschuher. - Die Aussprache wird nunmehr mit dem Beitrag der CDU-Fraktion fortgesetzt. Der Abgeordnete Dombrowski hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe eben gelernt, dass die Brandenburger Landesregierung einen Auftrag des Parlaments braucht, um Brandenburger Interessen wahrzunehmen.

(Widerspruch bei der SPD)

Meine Damen und Herren, das Brandenburger Parlament berät heute über den Umgang mit dem ersten erfolgreichen Volksbegehren seit Bestehen des Landes Brandenburg - Anlass, den Bürgerinnen und Bürgern, die sich engagiert haben, für ihr En

gagement zu danken und Respekt zu zollen. Bei aller Legitimität politischer Auseinandersetzungen und Debatten haben wir vor allen Dingen zu bewerten und festzustellen, was die über 100 000 Bürger, die für Brandenburg für dieses Volksbegehren unterschrieben haben, eigentlich wollen und was sie nunmehr von den politischen Mandatsträgern erwarten.

Mehr als 100 000 Bürger haben für ein Volksbegehren unterschrieben, das die Landesregierung auffordert, alles zu tun, um am Flughafen Berlin Brandenburg eine flugfreie Zeit von 22 Uhr bis 6 Uhr sicherzustellen, auch wenn der Kollege Holzschuher das nicht erwähnt hat. Zweitens haben die über 100 000 Bürgerinnen und Bürger dafür unterschrieben, dass die Landesregierung Brandenburg sicherstellen soll, dass nicht alle Flugverkehre ausschließlich am Flughafen Berlin Brandenburg, sondern auch an anderen Standorten stattfinden. Auch dazu, Herr Kollege Holzschuher, haben Sie leider nichts gesagt.

Mir scheint es wichtig, daran zu erinnern, was Inhalt des heute zu beratenden Bürgerbegehrens ist; denn die Landesregierung, die Fraktionen von SPD und DIE LINKE, aber auch Sprecher der Bürgerinitiativen interpretieren, was wohl gemeint sein könnte, was eventuell verzichtbar wäre, worauf nicht bestanden werden müsse und Ähnliches mehr. Um es klar zu sagen, meine Damen und Herren: Beratungsgrundlage für die heutige Sitzung und für das Votum der Abgeordneten ist ausschließlich das Bürgerbegehren, das über 100 000 Bürgerinnen und Bürger unterzeichnet haben. Das ist keine Spaltung des Landes, sondern eine Dokumentation des bürgerschaftlichen Willens, den wir ernst zu nehmen haben.

Seit Dezember letzten Jahres ist das Ergebnis des Volksbegehrens bekannt; auch die Reaktion der Landesregierung haben alle vernommen. Am 21. Dezember vergangenen Jahres erklärte Minister Christoffers sinngemäß, dass in der Angelegenheit nichts zu machen sei und man dem Bürger nichts versprechen dürfe, was nicht gehalten werden kann.

Am 19. Februar überraschte der Ministerpräsident - sekundiert von zwei Fraktionsvorsitzenden - die Öffentlichkeit mit der Ankündigung, dass die Landesregierung nunmehr zu der Auffassung gekommen sei, sich den Forderungen des Volksbegehrens doch noch anzuschließen. Man wolle versuchen, in Verhandlungen das Beste im Sinne der Betroffenen herauszuholen. Darüber hinaus kündigte der Ministerpräsident eine Bundesratsinitiative für ein deutschlandweites Nachtflugverbot an. Herr Görke von den Linken wollte dies sogar auf ganz Europa beziehen.

„Respekt!“ könnte man da sagen; es ist kein Zeichen von Schwäche, einen Fehler zu erkennen und sich zu korrigieren. Dies gilt natürlich nur, wenn Erkenntnis und Korrektur auf wirklicher Einsicht und ehrlicher Absicht beruhen. Aber gerade hier ist ein großes Fragezeichen zu setzen. Warum? In der Anhörung zum Volksbegehren am 21. Februar im Infrastrukturausschuss haben die Vertreter der Bürgerinitiativen - sie sind heute anwesend - und zwei Sachverständige ihre Meinungen und Argumente vorgetragen. Insbesondere die Fachanwältin Frau Heß hat die Rechtsgrundlage erläutert, nach der - die CDUFraktion teilt diese Auffassung, wie Sie wissen - die Landesregierung auch im Alleingang in einem Planergänzungsverfahren die nachtflugfreie Zeit verändern kann.

(Beifall CDU und B90/GRÜNE)

Der anwesende Flughafenstaatssekretär Bretschneider schüttelte bei diesen Anmerkungen beständig den Kopf.

Mit Datum vom 22. Februar ist die Stellungnahme der Landesregierung zum Volksbegehren als Landtagsdrucksache eingegangen; sie liegt Ihnen vor. In Kurzfassung steht darin: Alles, was bisher gelaufen ist, ist rechtswirksam und alternativlos. Weitere Änderungen am bisherigen Verfahrensstand sind nicht möglich.

Ich wiederhole: Am 19. Februar findet die Pressekonferenz statt; die Landesregierung und die Regierungsfraktionen stimmen dem Volksbegehren zu. Am 21. Februar findet im Infrastrukturausschuss die Anhörung statt; die Regierungsfraktionen stimmen dem Volksbegehren zu. Am 22. Februar begründet die Landesregierung in der schriftlichen Stellungnahme zum Volksbegehren, warum alles seine Ordnung habe und nichts geändert werden könne. Wie ist das jetzt mit den Versprechen, die man nicht geben darf, wenn man sie nicht halten kann und auch gar nicht halten will?

(Beifall CDU und B90/GRÜNE)

Der Bürgerverein Berlin-Brandenburg e. V. hat am 23. Februar das Agieren der Landesregierung, insbesondere den mittlerweile vorliegenden Antrag des Landes Brandenburg im Bundesrat zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes, folgendermaßen bewertet:

„Der Wortlaut des Antrags könnte auch direkt aus der Feder der Luftverkehrslobby stammen.“

(Beifall CDU)

Und weiter: Das Agieren des Ministerpräsidenten wird grundsätzlich als „Fortsetzung einer verlogenen Politik“ bezeichnet.

(Unruhe bei der SPD)

- Das ist nicht von mir, sondern ein Zitat aus einer Erklärung des Bürgervereins; tut mir leid. Wer will es dem Bürgerverein verdenken, in dieser Lage zu dieser Einschätzung zu kommen?

Die Stellungnahme der Landesregierung vom 22. Februar bedeutet nichts anderes, als dass die Landesregierung das Volksbegehren für nicht umsetzbar, also für unzulässig hält. Es gibt Regelungen in der Verfassung, wie damit umzugehen wäre.

(Bischoff [SPD]: So ein Quatsch!)

Sie bewerten das Volksbegehren eigentlich als Beschäftigungstherapie. Sie meinten, dass nur ein Bruchteil der Bevölkerung Interesse daran habe, und lenken erst ein, nachdem der Druck im Kessel zu hoch geworden war. Sie versuchen mit Tricks und Kniffen, einen Volksentscheid zu verhindern - nichts anderes.

(Beifall CDU - Holzschuher [SPD]: Das ist falsch, Herr Dombrowski!)

Nein, Herr Ministerpräsident, Ihre Wendung kommt nicht aus Einsicht in die Berechtigung des Anliegens der Volksinitiative. Ihr Einlenken zeugt nicht von Einsicht, sondern von der Angst vor dem Ansehensverlust - vielleicht sogar vor dem schleichenden politischen Machtverlust.

(Beifall CDU)

Die jüngsten Umfragen Ihrer SPD und der Linken haben Ihnen wohl klargemacht, dass die von Ihnen aufgestellte Behauptung, ein Großteil der Bürger im Lande interessiere sich für dieses Thema überhaupt nicht, absurd ist.

Meine Damen und Herren, diese Landesregierung hat sich bei der Behandlung der Interessen der von den Auswirkungen des Flughafen BER betroffenen Bürgerinnen und Bürger jämmerlich verhalten. Über die finanziellen Auswirkungen der desaströsen Abläufe auf dem Flughafen BER hat unsere Landesregierung das Parlament immer im Unklaren gelassen und erst dann, wenn es nicht mehr anders ging, eine - vermeintliche Lösung präsentiert. Das Muster ist auch auf den Umgang von Rot-Rot mit dem Volksbegehren anzuwenden.

(Beifall CDU)

Auch jetzt, nachdem der Ministerpräsident gemeinsam mit den Vorsitzenden der Koalitionsfraktionen den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern Hoffnungen gemacht hat, weigert er sich, wirklich zuständig zu sein; auch das kommt mir bekannt vor. Sie erklären, guten Willens zu sein, wenn nur die anderen mitmachen würden, führen gemeinsam mit Ihrem Parteifreund Wowereit einen lautstarken Showkampf auf und versuchen, Berlin und Brandenburg gegeneinander auszuspielen, wie Sie auch vorher versucht haben, die Bürgerinnen und Bürger im Lande gegeneinander auszuspielen.

Das Land hat mit der Widerrufsklausel im Planfeststellungsbeschluss die Möglichkeit, im Interesse der Betroffenen, das heißt, im Interesse des Landes und seiner Bürgerinnen und Bürger, durch einen eigenen Planergänzungsbeschluss neue Tatsachen zu schaffen, wenn die anderen Beteiligten nicht wollen.

(Holzschuher [SPD]: Man kann das nicht politisch wün- schen!)

Wir leben in einem Rechtsstaat; natürlich kann jede Entscheidung...

(Holzschuher [SPD]: Ganz genau!)

- Sie sind doch Jurist; das steht jedenfalls im Handbuch.

Wir leben in einem Rechtsstaat; natürlich kann jede Entscheidung infrage gestellt und beklagt werden. „Na und?“, frage ich. Die Bürgerinnen und Bürger haben sich den planfestgestellten Lärmschutz, um den diese Landesregierung sie betrügen wollte, auch durch Gerichtsentscheid erstritten.

(Beifall CDU und B90/GRÜNE)

Herr Ministerpräsident, Sie müssten heute eigentlich erklären, wie Sie mit den originalen Forderungen des Volksbegehrens 22 Uhr bis 6 Uhr flugfreie Zeit - umgehen wollen. Das heißt, an welchen Standorten wollen Sie weitere Flugverkehre außerhalb des BER abwickeln? Die Antwort werden Sie mir nicht geben, weil Sie diese gar nicht geben wollen. Sie sind kein Treiber für Brandenburger Interessen, Sie sind ein Getriebener, der sich auf seinen vielen Brandenburger Wegen verlaufen hat.

(Beifall CDU und B90/GRÜNE)

Meine Damen und Herren! Die CDU-Fraktion vertritt seit langer Zeit andere - auch grundsätzlich andere - Auffassungen, als

sie von der jetzigen Landesregierung in dieser Angelegenheit formuliert werden.