Protocol of the Session on February 27, 2013

Ich würde Sie wirklich darum bitten, darüber einmal nachzudenken.

Aus brandenburgischer Sicht ist es schon unglaublich, in welchem Ausmaß sich Berlins Regierender Bürgermeister im Ton vergreift, seit in seinem Nachbarland das erfolgreiche Volksbegehren gegen Fluglärm zum bestimmenden politischen Faktor geworden ist. Nein, Brandenburg ist nicht der Vorhof Berlins, in den man lästige Flughäfen - aber nicht zu fern! - entsorgt und dessen Bürgerinnen und Bürger samt ihrer Landesregierung ansonsten zu kuschen haben. Wer als Aufsichtsratsvorsitzender auf ganzer Linie gescheitert ist, sollte der Öffentlichkeit

und seinem Nachfolger Maßregeln ersparen, wie man Landespolitik und Verantwortung für das Gelingen des BER zusammenbringt.

(Beifall des Abgeordneten Burkardt [CDU])

Und nun kommt noch der Vorwurf, Matthias Platzeck verhalte sich nicht, wie er es als Aufsichtsratsvorsitzender tun müsse, sondern wie ein Landesvater. Hallo? Die Linke war unter anderem deswegen für den Politiker Platzeck an der Spitze des Aufsichtsrats, weil er neben der ökonomischen eben auch seine politische und soziale Kompetenz als unverzichtbar einbringt und wir es auch so unterstützen.

(Beifall DIE LINKE - Zuruf von der CDU: Das glauben Sie doch wohl selbst nicht!)

Ohne ein Mindestmaß an Akzeptanz in seinem Umfeld wird der BER nicht erfolgreich sein.

(Unruhe bei der CDU - Glocke der Präsidentin)

Das ist die gemeinsame Position von SPD und Linken. Herr Bretz, dazu können Sie eine andere Auffassung haben; ich glaube, Ihr Nachbar hat sie nicht. Ich werbe auch um Ihre Zustimmung für diesen Antrag zur Annahme des Volksbegehrens.

(Lebhafter Beifall DIE LINKE und SPD)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Wehlan. - Wir kommen nun zum Beitrag der FDP-Fraktion. Herr Abgeordneter Beyer hat das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt Befassungen in diesem Hohen Hause, die nach ihrem Titel eigentlich klar sind und sich um einen einfachen Beratungsgegenstand drehen, die aber doch die Dimension von staatspolitischen Grundsatzfragen haben. Eine solche Debatte erleben wir heute und hier in diesem Hohen Hause.

Vordergründig geht es hier und heute um den Umgang mit einem erfolgreichen Volksbegehren. Den Initiatoren dieses Volksbegehrens ist natürlich zu gratulieren. Sie haben ihr demokratisches Recht wahrgenommen, und sie hatten Erfolg mit ihrem Anliegen. Es ist daher nicht nur recht und billig, nein, es ist vielmehr unsere Pflicht, uns gemäß dem im Volksabstimmungsgesetz fixierten Verfahren mit der Frage des erfolgreichen Begehrens zu befassen.

Dabei ist unzweifelhaft, dass es sich bei dem Gegenstand unserer Beratungen um das gegenwärtig wichtigste Infrastrukturprojekt des Landes handelt. Und wenn ich sage: „des Landes“, dann meine ich nicht nur das Land Brandenburg, sondern dann meine ich, dass es sich um das wichtigste Infrastrukturprojekt der Bundesrepublik Deutschland handelt.

Man kann es nicht oft genug sagen: Wir reden hier und heute über den Flughafen der deutschen Hauptstadt, der gottlob auf brandenburgischem Boden steht - noch nicht steht, aber fast -, und wir reden über die Frage, ob dieser Flughafen ein kleiner

Provinz-Airport sein soll oder eines der wichtigsten verkehrlichen Drehkreuze unseres Landes. Und wir reden darüber, ob wir diesen Airport rentabel aufstellen oder ob wir ihn dauerhaft an den finanziellen Tropf der Staatshaushalte der Gesellschafter hängen wollen.

Bei aller Uneinigkeit in Detailaspekten dieser so wichtigen Frage für unser Land war bis letzte Woche immer klar, was der Maßstab für Politik sein muss - immer sein muss -: dass die Interessen vieler immer vor den Interessen einzelner rangieren. Genau diesen Maßstab will die Landesregierung nun außer Kraft setzen.

Herr Ministerpräsident, Sie opfern mit Ihrem Schwenk das Wohl vieler auf dem Altar der Partikularinteressen einzelner.

(Unruhe bei der SPD - Görke [DIE LINKE]: Die Einzi- gen, die hier Partikularinteressen haben, seid doch Ihr, die FDP!)

Sie begehen damit nichts weniger als die staatspolitische Erbsünde schlechthin. Oder einfacher gesagt: Sie versagen in der Stunde der Bewährung, Sie versagen als Ministerpräsident, Sie stehen leider Gottes nicht im Sturm.

(Beifall FDP)

Man kann über Ihre Motivation nur spekulieren. Ich will das hier ganz bewusst nicht tun, obwohl ich dazu natürlich meine persönliche Meinung habe. Aber Sie werden dieser Tage in den Medien mit einem Satz zitiert, in dem Sie Ihre Motivation darlegen: Sie wollen eine mögliche monatelange schädliche Debatte durch einen löblichen Volksentscheid verhindern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es schon so weit gekommen, dass Debatten im Rahmen eines Volksentscheids schädlich sind?

(Bischoff [SPD]: Was machen wir denn gerade?)

Ich dachte - offensichtlich naiverweise -, dass eine Debatte im Rahmen eines Volksentscheids etwas mit Demokratie zu tun hat, ganz einfach. Wenn ich mich recht erinnere, war es ein Sozialdemokrat - noch dazu ein sehr bekannter und übrigens auch von mir verehrter -, von dem ein sehr berühmter Satz stammt:

„Wir wollen mehr Demokratie wagen. Wir wollen eine Gesellschaft, die mehr Freiheit bietet und mehr Mitverantwortung fordert.“

Ist das „mehr Demokratie wagen“, Herr Ministerpräsident? Ist das „mehr Mitverantwortung fordern“? Ich habe davon eine andere Vorstellung. Ich befürchte, dass Sie nicht mehr Demokratie wagen wollen, sondern dass Sie eher die Strategie fahren: Mundtot machen durch Umarmung. - Diese Strategie teile ich nicht.

Was ist das verheerende Signal des heutigen Tages? Die Wirtschaft kann sich ab sofort im Land Brandenburg nicht mehr auf höchstrichterlich festgestellte Planfeststellungsbeschlüsse verlassen. Darauf soll es ja wohl hinauslaufen!

(Unruhe bei der SPD - Holzschuher [SPD]: Sie haben nicht zugehört!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich werde dieses Volksbegehren aus tiefster innerer Überzeugung ablehnen. Erstens, weil ich es inhaltlich nicht teile, und zweitens, weil ich glaube, dass die Entscheidung darüber ausschließlich in die Hand des Souveräns gehört.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist heute kein guter Tag kein guter Tag für die Brandenburgerinnen und Brandenburger, kein guter Tag für dieses Parlament, kein guter Tag für dieses Land. Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist ein Tag, der nach politischen Veränderungen ruft. - Vielen Dank.

(Beifall FDP und CDU - Oh! bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Beyer. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort. Herr Abgeordneter Jungclaus hat das Wort.

Frau Vizepräsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Wie sicherlich für die meisten kam auch für unsere Fraktion der Sinneswandel des Ministerpräsidenten beim Nachtflugverbot aus heiterem Himmel. Eine beachtliche Kehrtwende für den frischgebackenen Aufsichtsratschef. Und nun stehen wir hier und rätseln, ob wir lediglich eine weitere Folge der Satire „Pleiten, Pech und Pannen“ am BER geboten bekommen oder ob der Ministerpräsident es tatsächlich ernst meint.

Es wäre schön, wenn das Volksbegehren und der drohende Volksentscheid so starken Druck auf die Landesregierung ausgeübt haben, dass sie sich diesem nun beugt und eine echte Kehrtwende vollzieht. Aber ist das tatsächlich so? Der vorliegende Entschließungsantrag von Rot-Rot gibt erheblichen Anlass zu Zweifeln. Sie negieren mit diesem Papier alles, was Sie vorgeben, mit der Annahme des Volksbegehrens umsetzen zu wollen.

(Beifall B90/GRÜNE)

Der Ministerpräsident nannte als Motiv für den Sinneswandel, er wolle die Spaltung der Gesellschaft vermeiden. Aber in keiner der gewundenen Erklärungsversuche des Ministerpräsidenten konnte ich ein Plädoyer für den Gesundheitsschutz vernehmen; auch zum Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr gibt es kein klares Bekenntnis.

(Zuruf von der SPD: Man kann was dagegen haben!)

Ministerpräsident Platzeck spricht lediglich von „Nachtruhe“ und vermeidet, einen klaren Zeitraum zu benennen. Also doch alles nur Taktik?

Wie halbherzig die Landesregierung hier bisher agiert, wird auch an ihrer Bundesratsinitiative deutlich. Statt sich der Initiative von Rheinland-Pfalz anzuschließen - wie es Rot-Rot ja noch vor kurzem angekündigt hatte -, kommt nun ein verwässerter eigener Vorschlag, der im Grunde Nachtflüge als gegeben festschreibt. Schon lange haben wir darauf gewartet, dass die Landesregierung ihrer Forderung nach einer bundeseinheitlichen Regelung für den Nachtflug endlich Taten folgen lässt und eine Bundesratsinitiative vorlegt.

(Görke [DIE LINKE]: Das könnt Ihr im Oktober machen!)

Dass es aber eine so butterweiche Initiative sein würde, hätten wir uns nicht träumen lassen.

Die Landesregierung geht mit einer Initiative in die Verhandlung, die sogar dazu führen könnte, dass weitergehende Nachtflugeinschränkungen verhindert werden. Denn Details zur Rücksichtnahme auf die Nachtruhe sollen durch eine Rechtsverordnung des Bundesverkehrsministeriums geregelt werden.

Mit diesem Freibrief könnte der Bundesminister gegebenenfalls sogar bestehende Nachtflugregelungen an Flughäfen angreifen. Schließlich ist das Bundesverkehrsministerium in der Vergangenheit nicht gerade häufig damit aufgefallen, dass es seine Politik an dem Ziel nachhaltiger Mobilität ausrichtet.

Da die Landesregierung die Bundesratsinitiative vor dem Sinneswandel des Ministerpräsidenten vorgelegt hat, hatten wir bis zur Stunde noch die Hoffnung, sie werde diesen Entwurf zurückziehen. Offenbar hat sie das jedoch nicht vor. Wieder stehen wir da und fragen uns: Was will die Landesregierung eigentlich? Schließlich wäre die logische Konsequenz aus der Annahme des Volksbegehens eine Bundesratsinitiative, die sich für ein bundesweites Nachtflugverbot von 22 Uhr bis 6 Uhr einsetzt.

(Zuruf von der CDU: Bravo!)

Das Festhalten an der Bundesratsinitiative in der vorliegenden Form macht uns daher noch skeptischer und gibt dem Verdacht weiter Nahrung, der Ministerpräsident wolle den Bürgerinitiativen das Instrument des Volksentscheids aus der Hand schlagen. Sogar die Linke aus Hessen sah sich dazu veranlasst, ihre Brandenburger Genossen öffentlich dazu aufzurufen, diese Initiative zurückzunehmen.

Ich kann mich dieser Forderung nur anschließen. Die Linke reklamiert ja für sich, dass der Sinneswandel der Brandenburger SPD in Sachen Nachtflug auch auf ihren Druck zurückzuführen sei. Liebe Genossinnen und Genossen, dann sorgen Sie doch jetzt mit Ihrem Druck auch dafür, dass die Forderung des Volksbegehrens nicht nur angenommen, sondern auch umgesetzt wird!

(Beifall B90/GRÜNE, CDU und FDP)

Das Mindeste, was wir in der aktuellen Situation von der Landesregierung erwarten können, ist die Unterstützung der Bundesratsinitiative aus dem ebenfalls SPD-geführten RheinlandPfalz. In dieser Initiative wird zwar auch kein Nachtflugverbot von 22 Uhr bis 6 Uhr gefordert; sie ist aber in einigen Punkten deutlich besser zu bewerten als die Brandenburger Initiative.

So bleibt Brandenburg bei der Beteiligung der Öffentlichkeit hinter dem Vorschlag von Rheinland-Pfalz zurück, da nicht das Verwaltungsverfahrensgesetz gelten, sondern Näheres per Rechtsverordnung festgelegt werden soll. Ein „angemessenes Maß“ ist vorgesehen, soll aber erst noch definiert werden.