In Sachen BER war in dieser Wahlperiode alles, was Landesregierung und Flughafengesellschaft mitgeteilt haben, regelmäßig falsch. Ich sagte schon in der letzten Landtagssitzung: Die Regierung hat nicht immer Unrecht, die Opposition hat nicht immer Recht. - Zumindest ist unsere Bestandsaufnahme deutlich klarer und realistischer als Ihre.
Darum, meine Damen und Herren, haben wir den Bürgerinitiativen unsere Meinung vorgetragen. Dieser Landtag hat unseren Antrag, in Brandenburger Eigenregie durch ein Planergänzungsverfahren eine flugfreie Zeit von 23 bis 6 Uhr zu bewirken, an den Fachausschuss überwiesen. Wir werden im März eine Anhörung von Fachleuten durchführen. Unser Antrag und die flugfreien Nachtrandzeiten sind nicht aus der Luft gegriffen, sondern leiten sich aus den aktuellen Flugbewegungen und Flugplänen im Raum Berlin-Brandenburg sowie den rechtlichen Möglichkeiten ab. Das kann jeder nachprüfen. In die Flugpläne muss man nicht nur gucken, wenn man in Urlaub fahren will.
Um dem Flughafen eine wirtschaftliche Perspektive zu eröffnen, ist - das möchte ich in aller Deutlichkeit sagen - die Zeit von 22 bis 23 Uhr wichtig. Die beiden anderen Stunden - am Morgen und am Abend - sind flugtechnisch und betriebswirtschaftlich zu vernachlässigen.
Die Abgeordneten der CDU-Fraktion werden sich in der Abstimmung zum Volksbegehren überwiegend der Stimme enthalten. Wir tun dies zum einen wegen unseres eigenen Vorschlags, vor allem aber deshalb, weil wir wissen, dass die Regierung und die sie tragende Koalition gar nicht die Absicht haben, den Forderungen des Volksbegehrens nachzukommen.
Wer es nicht glaubt, den verweise ich auf die Stellungnahme der Landesregierung, die ich bereits erwähnte, auch auf die aktuelle Stellungnahme des Flughafengeschäftsführers Horst Amann. Der Kollege Görke hat darauf schon reagiert, nach dem Motto: Er soll sich um den Bau kümmern und ansonsten das Maul halten! - Ja, so in etwa hat er das gesagt.
Letzter Satz: Die Realität und die Wahrheit holen auch diesen Landtag ein. Ich bin gespannt, wenn wir im März über unseren Antrag beraten, wie Sie sich dann konkret dazu verhalten, Herr Ministerpräsident.
Bevor wir die Aussprache mit dem Beitrag von Frau Wehlan für die Linksfraktion fortsetzen, möchte ich herzlich Frauen aus Perleberg bei uns begrüßen. Sie kommen von der Begegnungsstätte „Ländliche Erwachsenenbildung“. Herzlich willkommen!
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Erstmals hat ein Volksbegehren die notwendige Zahl an Unterstützerinnen und Unterstützern erreicht. Das große Engagement der Bürgerinnen und Bürger und die deutlichen Signale für Ruhe in der Nacht bewerten wir sehr positiv. Das, Herr Dombrowski, ist gelebte Demokratie. Es war richtig, dass der Landtag Brandenburg im letzten Jahr die Zugangsbedingungen für Volksbegehren verbessert hat.
Die Absicht der Koalition, das Volksbegehren anzunehmen, hat bereits im Vorfeld zu heftigen Reaktionen geführt. Befürworter und Kritiker stehen sich unversöhnlich gegenüber.
Wie die brandenburgische CDU derzeit agiert, ist entlarvend, Herr Dombrowski! Sie hätten gern eine Kampagne, in der Sie alles verrühren können, was sich irgendwie gegen Rot-Rot in Stellung bringen lässt.
Das Letzte, was Sie dabei im Sinn haben, ist die Nachtruhe der Anwohnerinnen und Anwohner, die es zu schützen gilt. Wenn Sie sagen, Sie hätten heute etwas gelernt, kann ich nur sagen: Gelernt ja, aber verstanden haben Sie es nicht!
Sie wissen nicht einmal, dass Exekutive und Legislative heute anders organisiert sind als in der DDR. Das ist nicht alles eins, es gibt ein Grundgesetz und eine Verfassung des Landes Brandenburg.
Herr Senftleben, wo man im Landtag Brandenburg pragmatisch eine Basis für gemeinsames Handeln finden müsste, werden Sie wieder als Blockierer tätig. Diesen Vorwurf müssen Sie sich öffentlich machen lassen.
Das Vakuum der Nichtinbetriebnahme des BER erzeugt einen zusätzlichen Sog, der die Feuer der alten Auseinandersetzung auflodern lässt. Schönefeld im Ballungsraum Berlin ist der falsche Standort für einen Flughafen dieser Größenordnung.
Alle drei damaligen Entscheidungsträger - Bund, Berlin und Brandenburg; Herr Dombrowski, Sie waren nicht unbeteiligt werden heute mit aller Kraft daran erinnert: Ja, bei der Standortentscheidung haben sich die Interessen des Bundes und des Landes Berlin gegen die damalige Meinung, auch gegen die Bedenken des Landes Brandenburg durchgesetzt. Jetzt zeigt sich, welche Kraft hinter den Bedenken der brandenburgischen Politik damals stand und heute steht. Das Volksbegehren ist ein deutliches Signal für die Ausweitung des Nachtflugverbots auf die gesetzlich definierte Nachtzeit von 22 bis 6 Uhr und für einen umfassenden Schutz vor Lärm. Es ist auch eine starke Stimme für eine neue volkswirtschaftliche Bewertung von Gesundheit im Verhältnis zu Wirtschafts- und Wachstumsfragen.
Die Forderungen - vor allem aus Berlin - an die brandenburgische Koalition laufen darauf hinaus, das zu ignorieren. Das ist nicht hinnehmbar und wird so auch nicht funktionieren. Alle Anschuldigungen und die Polemik gegen Brandenburg, gegen den Ministerpräsidenten
sind nicht mehr und nicht weniger, Herr Dombrowski, als der Versuch, sich selbst aus der Mitverantwortung für die entstandene Situation zu nehmen. Das werden die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr zulassen, da bin ich mir ganz sicher. Sie haben der brandenburgischen Landesregierung klar den Auftrag zu Verhandlungen mit Berlin gegeben.
(Senftleben [CDU]: Sagen Sie mal, was dabei heraus- kommen wird! - Weiterer Zuruf von der CDU: Geht es konkreter?)
Letzten Endes geht es nicht nur um die Perspektive des BER, sondern auch um die Fähigkeit unseres demokratischen Systems, mit Konflikten um Großprojekte und mit Fehlern, die dabei gemacht wurden, Herr Senftleben, umzugehen. Es geht darum, gemeinsam eine Lösung zu finden. Zu reden ist natürlich auch über Maßstäbe für vermeintliche Fehler und ihre Bewältigung. Schönefeld ist - in seiner Größe und seiner Nähe zur Stadt ein problematischer Standort. Und weil das so ist, fordert das Umweltbundesamt das Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr.
Sie haben die Stellungnahme des Umweltbundesamts vernommen. Es hat die brandenburgische Entscheidung bejaht und unsere Position damit gestärkt. Für das Umweltbundesamt steht ein weiterer oder anderer Standort nicht in Rede. Es geht um die Benennung der Kriterien für den Flughafenbetrieb in Schönefeld:
„Ergebnisse der Lärmwirkungsforschung belegen, dass insbesondere nächtlicher Lärm belastend für die Betroffenen ist und zu Gesundheitsschädigungen führen kann. Das Umweltbundesamt empfiehlt grundsätzlich für stadtnahe Flughäfen ein Ruhen des regulären Flugbetriebes von 22 Uhr bis 6 Uhr. Dies gilt auch für den Flughafen BER. Dabei würde durch ein solches Ruhefenster auch dem Umstand Rechnung getragen, dass viele Bürgerinnen und Bürger nach den Unterlagen der Planfeststellung davon ausgegangen sind, dass sie nicht durch Fluglärm des Flughafens BER betroffen sein werden.“
Diese beiden Punkte eröffnen eine neue Qualität und zwingen uns, uns mit diesen Fragen zu beschäftigen. Die Gesundheit der Anwohner ist an diesem stadtnahen Flughafen mit dem Nachtflugverbot zu schützen!
Und es geht um das Wiederlangen von Vertrauen in Politik und Verwaltungshandeln, von Vertrauen der betroffenen Bürgerinnen und Bürger nämlich, die nach dem Beschluss zur Planfeststellung erst aus der Flugroutendiskussion ihre Betroffenheit vermittelt bekommen haben. Aus diesen übergeordneten Erwägungen erfolgt die Annahme des Volksbegehrens. Darum geht es auch den Vertretern des Volksbegehrens - das haben unsere Gespräche mit ihnen und die vertrauensbildenden Maßnahmen der Grünen für eine Kompromisslösung deutlich gezeigt. Dafür gilt Ihnen, Herr Vogel, unser Dank. Auch dadurch ist es der Linken möglich, zuzustimmen.
Der Beschluss des Landtags, den Bau einer dritten Start- und Landebahn in Schönefeld abzulehnen, unterstützt dieses Anliegen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Rot-Rot in Brandenburg hat sich klar entschieden - und das in dem Wissen, dass die Bürgerinnen und Bürger im Land wie auch die eigenen Anhängerinnen und Anhänger bei den Abwägungen um Fluglärm und notwendiger Nachtruhe durchaus zerrissen sind. Schon deswegen erweisen sich Ihre schrillen Populismusvorwürfe, Herr Dombrowski, als ziemlich unsinnig, und sie offenbaren: Wer den Respekt vor der freien und demokratischen Willensbildung von Menschen als Populismus denunziert, stellt seine eigene demokratische Reputation infrage.