Protocol of the Session on December 17, 2009

Aufgrund der ökologischen Bedeutung der Gewässer muss dem Privatisierungsgeschehen generell ein Riegel vorgeschoben werden. Daher fordern wir die Landesregierung auf, endlich selbst aktiv zu werden. Sorgen Sie dafür, dass die weitere Privatisierung von Seen untersagt wird, und warten Sie nicht, bis andere dieses Problem für Sie lösen! - Vielen Dank.

(Beifall GRÜNE/B90)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Jungclaus. - Das Wort erhält die Landesregierung, Frau Ministerin Lieske.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eingangs möchte ich einige Bemerkungen zur Gesamtsituation der Gewässer in Brandenburg machen; ich glaube, Sie erlauben mir das.

Ich kann Ihnen von dieser Stelle aus sagen, dass das Land Brandenburg für 5 467 Gewässerflurstücke mit 10 787 ha, die als Gewässer 1. Ordnung eingestuft sind, Vermögenszuordnungsanträge gestellt hat. Davon sind ca. 70 % bereits zugeordnet, der Rest befindet sich in Bearbeitung. Von 6 602 Flurstücken - das sind 2 207 ha Gewässer 2. Ordnung - befinden sich derzeit 1 436 ha in der Zuordnung, der Rest in Bearbeitung also ein ähnliches prozentuales Verhältnis.

Was die Privatisierung von Seen angeht, so haben wir bisher mit der BVVG vereinbart, an erster Stelle den Kommunen ein Kaufangebot zu unterbreiten. Hierbei können natürlich auch die Landkreise hilfreich sein. An zweiter Stelle werden den ansässigen Fischern, soweit sie am Standort vorhanden sind, Kauf- bzw. Pachtverträge angeboten. Erst dann, wenn beides nicht greift, wird ausgeschrieben. Das Land nimmt Einfluss, wenn Probleme auftreten, um Kommunen und Fischern zu helfen. Das ist der gegenwärtige Stand.

Zur Anzahl der Seen, die derzeit bei der BVVG in der Verwaltung sind, und deren unterschiedlichen Größen, hat Herr Luthardt Angaben gemacht; das möchte ich nicht wiederholen.

Ich unterstütze aus ganzem Herzen die Forderung von Bürgerinnen und Bürgern, von Kommunal- und Landespolitikern, die Gewässer, die die BVVG im Auftrag des Bundes privatisiert und verwaltet, unentgeltlich zu übertragen. Im Unterschied zu Mecklenburg-Vorpommern befürworte ich allerdings hauptsächlich eine Übertragung an die Kommunen - das unterscheidet uns - sowie die Nutzung durch Fischer und Angehörige des Anglerverbandes. Erst in zweiter Linie plädiere ich für eine Übertragung vom Bund auf das Land. Auch bin ich in begründeten Fällen, wenn es aus naturschutzfachlichen Belangen ge

boten ist, durchaus für eine Übertragung von Gewässern auch an Naturschutzverbände.

Hinsichtlich meiner weiteren Ausführungen habe ich mich mit Kollegin Tack abgestimmt und möchte unter dem Aspekt des brandenburgischen Naturschutzrechts, das derzeit aus unserer Sicht unzureichend geregelt ist, dafür plädieren, den allgemeinen Zugang zur Natur zu verbessern. § 44 des Brandenburgischen Naturschutzgesetzes ermöglicht zwar das Betretungsrecht in der freien Landschaft; diese Regelung stößt jedoch in Siedlungsbereichen an ihre Grenzen. Das zeigt auch das Beispiel des Griebnitzsees. Im Koalitionsvertrag ist deshalb vereinbart, die gesetzlichen Regelungen zu erweitern, um den Landkreisen die Möglichkeit zu geben, beispielsweise auf Grundstücken, die nicht zur freien Landschaft gehören, für die Allgemeinheit Durchgänge zu den Gewässern zu schaffen. Damit soll den Gemeinden die Möglichkeit gegeben werden, durch Satzungen das Betreten von privaten Wegen und anderen nicht bebauten Grundstücken zu regeln. Zur Sicherung der Nutzung von Ufergrundstücken stehen Gemeinden aber auch die Möglichkeiten des Bebauungsplanes zur Verfügung, die sie bei konkurrierenden Nutzungsansprüchen selbstbewusst zugunsten der Allgemeinheit ausüben sollten.

Länder und Kommunen haben nach der grundsätzlichen Zuständigkeit und nach Länderrecht bereits gegenwärtig umfangreiche Regelungskompetenzen im Bereich von Wasser- und Naturschutz. Dem folgend ist die Eigentumsübertragung der bundeseigenen Seen aus unserer Sicht nur sachgerecht. Bei Abwägung der Interessen aller Beteiligten ist die entgeltfreie Übertragung des Eigentumsrechts auf die neuen Bundesländer aus unserer Sicht gerechtfertigt. Deshalb hat die Landesregierung auf ihrer Sitzung am 15. Dezember beschlossen, dem Bundesratsantrag - der noch einmal geändert worden ist, wie Frau Gregor-Ness hier schon ausführte - des Landes Mecklenburg-Vorpommern, der die unentgeltliche Übertragung der Seen einfordert, beizutreten. Am Freitag wird im Bundesrat darüber abgestimmt.

Mitteilen kann ich Ihnen von dieser Stelle auch, dass entgegen bisherigen Verlautbarungen am Montag überraschend mitgeteilt worden ist, dass auf die Ausschreibung des Verkaufs von Seen durch die BVVG über das Jahresende hinaus bis auf Weiteres verzichtet wird.

(Einzelbeifall SPD)

Das heißt, das Moratorium wird fortgesetzt, bis wir in weitere Verhandlungen eingetreten sind.

Ich bedanke mich recht herzlich für die Unterstützung von der politischen Ebene und gehe davon aus, dass sie trotz unterschiedlicher Sichtweisen weitestgehend einmütig ist. - Vielen Dank.

(Beifall SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Das Wort erhält noch einmal, wenn gewünscht, die CDU-Fraktion. Es sind noch drei Minuten und zwei Sekunden, in denen Sie, Herr Abgeordneter Petke, reagieren können.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin der Ministerin außerordentlich dankbar dafür, dass sie auf die landesgesetzlichen Möglichkeiten hingewiesen hat. Darauf möchte ich kurz eingehen.

Lassen Sie mich zunächst sagen, dass die BVVG zurzeit 292 Seen in ihrem Bestand hat, davon 246 im Land Brandenburg und lediglich 43 in Mecklenburg-Vorpommern. Dass die BVVG keine Gewässer in Sachsen verwaltet, hat damit zu tun, dass der Freistaat Sachsen anders als das Land Brandenburg Mitte der 90er Jahre eine andere Möglichkeit genutzt hat, in den Besitz dieser Gewässer zu kommen. Der damalige Umweltminister und heutige Ministerpräsident hat diese Chance verstreichen lassen. Vielleicht nimmt er ja deswegen an dieser Debatte im Landtag Brandenburg nicht teil.

Es geht also um 246 Seen in Brandenburg. Hier ist viel davon gesprochen worden, wie die Diskussion in der Politik verlaufen ist. Es war schon sehr erstaunlich, dass vier Wochen vor der Bundestags- und der Landtagswahl Spitzenpolitiker der SPD dieses Thema entdeckt haben. Ich finde es gut, dass viele Abgeordnete vor Ort und an anderer Stelle dieses Thema weit im Vorfeld entdeckt und sich hierbei nach ihren Möglichkeiten auch eingesetzt hatten.

Wir hätten uns auch gewünscht, dass die Anträge zusammengeführt werden. Das ist aus für mich nicht nachvollziehbaren Gründen nicht geschehen. Aber es ist wichtig - Kollege Dombrowski hat darauf hingewiesen -, dass von hier aus ein klares Signal an den Bund geht.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Da haben Sie dazugelernt!)

Ich möchte zum Zweiten vor der Annahme warnen - damit kommen wir zur Landesverantwortung -, dass es hier allein darum gehe, diese Gewässer auf das Land bzw. die Kommunen zu übertragen, und dann seien die Probleme gelöst. Das sind sie mitnichten. Am Beispiel des Wandlitzsees wird das Versagen des Landes deutlich. Der Wandlitzsee ist von der BVVG mit ausdrücklicher Zustimmung des Landes Brandenburg privatisiert, das heißt verkauft worden. Hätte Brandenburg damals anders geprüft, was zum Beispiel die Uferfläche betrifft, und Einspruch eingelegt, dann wäre vor Ort nicht die schizophrene Situation eingetreten, dass jemand privat kaufen kann, die Gemeinde nicht zum Zuge kommt, weil ihr von der Kommunalaufsicht untersagt wird zu kaufen, und dann unsere Bürgerinnen und Bürger für das, was sie seit Jahrzehnten nutzen, mit ihrem privaten Geld zahlen müssen.

(Beifall CDU und GRÜNE/B90)

Brandenburg hat damals nicht hingeschaut. Deswegen sind wir in diese spezielle Situation gekommen.

Ich spreche mich dafür aus, dass wir auch den Gemeingebrauch nach unseren landesgesetzlichen Möglichkeiten stärker regeln. Das gilt insbesondere für Gewässer, die schon in privater Hand sind. Wir dürfen nicht allein schauen, was der Bund tun kann und welche Forderungen wir an ihn stellen können, sondern wir müssen unserer Verantwortung im Land, hier im Landtag, aber natürlich vor allem in der Landesregierung gerecht werden.

Ich bin ganz zuversichtlich. Wenn wir in dieser Frage gemeinsam im Bund Druck machen und vor allen Dingen hier im Land nicht den Kopf in den Sand stecken, wie wir es heute an verschiedenen Stellen bei der Koalition gesehen haben, dann können wir das Problem zu einer vernünftigen Lösung führen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU sowie vereinzelt FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Petke. - Ich schließe damit die Liste der Rednerinnen und Redner.

Wir kommen zur Abstimmung. Ihnen liegt in der Drucksache 5/121 der Antrag der Fraktion der CDU unter dem Titel „BVVG-Gewässer unentgeltlich in Landeseigentum übertragen“ vor. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? -

(Die Mitglieder der SPD-Fraktion und der Fraktion DIE LINKE votieren gegen den Antrag - Ah! bei der CDU)

Stimmenthaltungen? - Ich denke, eine Mehrheit der ablehnenden Stimmen erkannt zu haben. Schriftführer? - Ja. Damit ist der Antrag abgelehnt.

(Unruhe bei der CDU und der FDP - Goetz [FDP]: Aus- zählen!)

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag in der Drucksache 5/131, eingebracht von der Fraktion der SPD und der Fraktion DIE LINKE. Er trägt den Titel „Privatisierung von Brandenburger Seen stoppen und öffentliche Zugänglichkeit sichern“. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Stimmenthaltungen? - Bei einer Gegenstimme und einigen Stimmenthaltungen ist dieser Antrag mit deutlicher Mehrheit angenommen worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 10 und rufe Tagesordnungspunkt 11 auf:

Reform der Organisationsstrukturen im SGB II - Für eine gemeinsame Aufgabenwahrnehmung in der Grundsicherung für Arbeitsuchende

Antrag der Fraktion der SPD der Fraktion DIE LINKE

Drucksache 5/123

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält für die Fraktion der SPD Herr Abgeordneter Baer.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Anlass unseres Antrags ist ein Urteil, das fast auf den Tag genau vor zwei Jahren ergangen ist. Am 20.12.2007 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die seit Jahren mit Erfolg arbeitenden Arbeitsgemeinschaften nicht mit der Verfassung in Einklang stehen. Die Arbeitsgemeinschaften sind ein Hilfsangebot zweier Leistungsträger der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Das

zugrundeliegende Prinzip heißt allgemein „Hilfe aus einer Hand“. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird diese Form einer Mischverwaltung dem Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung nicht gerecht; denn der zuständige Verwaltungsträger ist verpflichtet, seine Aufgaben grundsätzlich durch jeweils eigene Verwaltungseinrichtungen wahrzunehmen. Bis Ende 2010 kann die bisherige Form der gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung durch Arbeitsgemeinschaften noch fortgesetzt werden. Danach sind sämtliche Arbeitsgemeinschaften aufzulösen.

Was nach dem Urteil folgte, waren - mittlerweile fast zwei Jahre andauernde - zähe Verhandlungen und ein Ringen um Positionen, was aber letztlich auf dem Rücken der Beschäftigten in den ARGEn und nicht zuletzt auf dem Rücken der betroffenen Langzeitarbeitslosen ausgetragen wurde.

(Zuruf von der CDU: Das stimmt doch gar nicht!)

Wie Sie wissen, gelangte der frühere Bundesarbeitsminister Olaf Scholz mit den Ministerpräsidenten Beck und Rüttgers Anfang 2009 zu einer Verständigung. Der damals gefundene Kompromiss sah vor, „Zentren für Arbeit und Grundsicherung“ einzurichten. Dieser Vorschlag berücksichtigte die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Die Fortsetzung der Arbeitsgemeinschaften unter verbesserten Rahmenbedingungen auf der Grundlage einer Verfassungsänderung wäre so ermöglicht worden. Das bürgerfreundliche Modell „Hilfe aus einer Hand“ hätte damit fortgesetzt werden können.

Dieser parteiübergreifende Kompromiss wurde aufgekündigt. Die CDU/CSU-Fraktion des Bundestages stellte sich damit nicht nur gegen ein seinerzeit faktisch von allen Bundesländern unterstütztes Konzept, welches sowohl die Fortführung der ARGEn bzw. Jobcenter als auch den Erhalt der Optionskommunen ermöglicht hätte. Sie stellte sich mit dieser Haltung auch gegen die Mehrheit der kommunalen Spitzenverbände, zum Beispiel des Städte- und Gemeindebundes, sowie gegen die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege, die dieses Modell als praktikabel ansahen und immer noch ansehen.

Leider lehnt die jetzige Bundesregierung den ausgehandelten Vorschlag nach wie vor ab. Mit dieser Verweigerung einer Grundgesetzänderung gefährdet die Bundesregierung nach Auffassung der Mehrheit der Rechtsexperten übrigens auch das Fortbestehen der Optionskommunen.

Die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende in den Arbeitsgemeinschaften hat sich in den vergangenen Jahren grundsätzlich bewährt. Beide zuständigen Leistungsträger können dabei ihre Kompetenzen bei der Wahrnehmung der gemeinsamen Aufgaben einbringen. Die Zusammenarbeit mit Arbeitsagenturen und Kommunen gewährleistet, dass die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen von einer Hand betreut werden und somit auch Leistungen aus einer Hand beziehen. Dieser konzeptionelle Ansatz der Arbeitsmarktreformen war und bleibt richtig. Der Weg zu dieser gemeinsamen Struktur war in den vergangenen Jahren schwierig genug. Wenn diese nun innerhalb eines Jahres wieder komplett auf den Kopf gestellt werden soll, sind die Probleme vorprogrammiert.

Die am 11. Dezember dieses Jahres vorgestellten Eckpunkte der Bundesregierung zur Neuorganisation des SGB II werfen leider mehr Fragen auf, als sie beantworten. Ein bewährtes und

entwicklungsfähiges Verwaltungsmodell, das die Kompetenzen der BA und der Kommunen für ein qualitativ hochwertiges Leistungsangebot für Langzeitarbeitslose zusammenführt, wird damit mutwillig zerstört. Mehr Bürokratie wird entstehen. Arbeitsuchende haben es zukünftig mit zwei Behörden zu tun. Mehr Bescheide, mehr Widersprüche, mehr Klagen vor den Verwaltungsgerichten - das sind die zu erwartenden Folgen.

Eine Vielzahl von praktischen Problemen bleibt dabei ungelöst. Es gibt noch keine Lösung für den Datenaustausch zwischen den Leistungsträgern. Insbesondere ist unklar, welche IT-Verfahren zum Einsatz kommen sollen. Die geplante Änderung des Datenschutzrechts löst noch nicht das Problem der praktischen Umsetzung. Problematisch ist auch, dass die Leistungsträger nicht zur Zusammenarbeit verpflichtet sind. Es ist bisher nicht im Ansatz erkennbar, wie das Antragsverfahren bei zwei auch nach außen hin getrennten Leistungsträgern ablaufen soll. Kommen die Leistungsträger in Fragen der Leistungsvoraussetzungen, zum Beispiel Erwerbsfähigkeit oder Hilfebedürftigkeit der Antragsteller, zu unterschiedlichen Einschätzungen, ist unklar, ob es künftig noch eine gemeinsame Einigungsstelle zur Klärung geben wird und wie diese Stelle agieren soll.

Es ist auch mehr als fraglich, ob die BA, wie das Eckpunktepapier es vorsieht, diese Fragen verbindlich für die Kommunen entscheiden kann.