Protocol of the Session on January 14, 2013

Diejenigen, die nach Ihrem Willen - Sie haben ja regelrecht gefleht - den Ministerpräsidenten nicht in den Aufsichtsrat wählen sollen, sind wahrlich nicht dafür geeignet, dies durchzuführen. Ich dachte, das spricht mal einer an. Am 28. Dezember 2012 meldete „DER SPIEGEL“, der Regierungsflughafen werde nicht fertig. Eigentlich sollte der Grundstein schon 2011 gelegt werden, jetzt 2016. Planungsmängel, Verdoppelung der Kosten auf 311 Millionen Euro - verantwortlich war allein wer? Die Bundesregierung. Also, bleiben Sie uns doch bitte mit Ihrer belehrenden Art vom Leib!

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren von der CDU-Opposition - ich sage jetzt CDU-Opposition, denn ich möchte an dieser Stelle einmal nicht die FDP kritisieren; wir haben bis hin zu den Fragen Lärmschutz und Nachtruhe grundsätzlich eine andere Auffassung als die FDP, aber ich habe Differenzierungen in der Opposition gehört -, es war bei der CDU unüberhörbar und unübersehbar: Es geht Ihnen überhaupt nicht darum, Stärken zu bündeln und einen gesellschaftlichen Konsens für den Betrieb in Schönefeld zu schaffen. Sie sind in der letzten Zeit - in den letzten Monaten und fast schon von Anfang an - keine konstruktive Opposition mehr. Das wird sich rächen, und die Umfragen belegen dies auch.

(Vereinzelt Beifall SPD)

Tatsächlich ist es so, dass zwar alle auf den Aufsichtsrat schauen, ansonsten wird aber nicht tiefgründig nach Verantwortlichkeiten gefragt. Ich bin dem Kollegen Büttner dankbar, dass er die ambitionierte Brandschutzanlage thematisiert hat. Wer hat sie

sich denn ausgedacht? Wer hat die 64 km Kühlleitung nicht isoliert? Oder wer war es, der wider Planung und Baurecht gebaut hat? Und wer hat die Fehler hinter Quadratkilometern Betonund Rigipsplatten versteckt?

(Frau Lehmann [SPD]: Ramsauer!)

Klar, Matthias Platzeck mit Kolonnen von Staatskanzleimitarbeitern aus Brandenburg, beim Subbotnik etwa.

(Beifall DIE LINKE - Heiterkeit SPD)

Wo war denn ein kritisches Wort von Ihnen, Herr Dombrowski, zu den bauausführenden Firmen, zu Bosch und Siemens und zur Verantwortung der Geschäftsführung? Es gab keines.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Ja, meine Damen und Herren, zur politischen Verantwortung gehört, dass Politiker für Fehler geradestehen, die entstanden sind, weil sie anderen vertraut haben, denen sie - noch dazu in einem komplexen Gefüge - vertrauen mussten. Alle haben Grund, Lehren zu ziehen. Wenigstens das sollte uns in Opposition und Koalition noch einen. Vor uns steht nun die gemeinsame Aufgabe, kritisch zu hinterfragen und auszuwerten, warum Fehler und Defizite in diesem Maße auftreten konnten. Die Linke will auf zwei Aspekte eingehen.

Erstens. Was passiert in einem Vergabeverfahren? Die Anbieter mit dem preiswertesten Angebot erhalten den Zuschlag. Das Bauvorhaben scheint somit für die öffentlichen Haushalte - ob nun in der Kommune, im Bund oder im Land - kostengünstig zu sein.

Ist der Zuschlag aber erteilt, kommen in der Bauphase und danach Kosten zum Vorschein, die vorher - das ist meine persönliche Bemerkung - trickreich herausgerechnet wurden. So wurden und werden Vorhaben bis zu 40 % teurer. Hier können und sollten wir wirklich vom privaten Sektor lernen, das wirtschaftlichste und vor allem das nachhaltigste Angebot auszuwählen.

Eine zweite Erfahrung: Meine Partei - das haben wir in der Opposition damals, als Schwarz-Rot regiert hat, auch unterstützt steht für kleine Losgrößen, auch am BER, weil Arbeit und Einkommen in der Region bleiben sollen. Bei einem Großprojekt brauchen diese aber die Form von Arbeitsgemeinschaften, außerdem brauchen sie potente Partner, ein professionelles Management sowie einige Zusammenarbeit und Kontrolle. Das ist unzureichend gelungen, das müssen wir so feststellen.

Natürlich müssen wir die Karten offenlegen: Das Flughafenprojekt wird mit weiteren Belastungen für die öffentliche Hand verbunden sein, die wir nicht eingeplant hatten und nicht voraussehen konnten. Das Wort Nachtragshaushalt machte schon die Runde; möglicherweise kommen wir nicht darum herum. Aber es ist offen. Wir werden, wenn es zu einem Nachtragshaushalt kommt, unserem Prinzip treu bleiben, die Mehraufwendungen für den Flughafen nicht zulasten der anderen Politikfelder gehen zu lassen. Herr Dombrowski, es war ein peinlicher Versuch wie schon bei der Haushaltsberatung -, die 440 Millionen Euro, die wir bereitgestellt haben - davon sind 220 Millionen für den Schallschutz - gegen Lehrer und gegen Straßen aufzurechnen. Das ist unseriös und bezeichnend für Ihre Art.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Zur Wahrheit gehört auch, dass es durch das solide Arbeiten dieser Regierung und vor allem dieses linken Finanzministers gelungen ist, dass wir im Jahr 2011, obwohl wir 440 Millionen Euro Kredit hätten aufnehmen können, eine Null und einen Überschuss erreicht haben; und wenn ich es richtig verstanden habe, haben wir für das Jahr 2012 ebenfalls einen positiven Abschluss hinbekommen und werden eine schwarze Zahl schreiben.

(Zuruf von der CDU)

Dadurch ist es gelungen, Rücklagen zu bilden: 375 Millionen Euro. Also, meine Damen und Herren, zumindest die Brandenburger Seite ist für Risiken, auch für das Risiko BER, gewappnet.

(Frau Wöllert [DIE LINKE]: Das ist auch gut so!)

Was ich nicht verstehen und schon gar nicht billigen kann, ist der Wettlauf nach höheren Zahlen.

Glauben Sie ernsthaft - Sie haben es vorhin schon deutlich gemacht, Herr Dombrowski -, dass Ihr politisches Gewicht mit der Höhe der Panikzahlen wächst, die Sie hier in Umlauf bringen? Hilft es irgendjemandem, wenn Sie die Zahlen eines Worst-case-Szenarios der Zeitung mit den vier Buchstaben noch verdoppeln und in Umlauf bringen? Das hilft niemandem. So schaffen wir bestimmt kein Vertrauen in die Perspektive des BER, und im Moment kann niemand beziffern, was auf uns zukommt. Umso wichtiger ist eine gewissenhafte, umfassende fachliche Prüfung der Lage - und das nicht hektisch, aber zügig.

(Zuruf von der CDU)

Vor diesem Hintergrund begrüßen wir als Fraktion die Entscheidung des Finanzministers außerordentlich, die bedingungslose und pauschale Auszahlung von Geldern in Höhe von 120 Millionen Euro an die FBB vorerst zu stoppen - das Lärmschutzprogramm ausgenommen.

Erst wenn wir wissen, wann die Eröffnung des Flughafens realistisch ist und was bis dahin zu leisten ist, werden wir seriös schätzen können, was wir - und damit bedauerlicherweise der Steuerzahler - noch zu leisten haben. Klar ist: Eine Insolvenz des Flughafens ist überhaupt keine Option. Im Gegenteil, sie würde für Brandenburg und Berlin jeweils 888 Millionen und für den Bund 600 Millionen Euro bedeuten, und den notwendigen Flughafen hätten wir dann immer noch nicht.

Nach allen Erfahrungen werden wir jetzt nicht nur zweimal hinsehen, wenn wir einen Euro an die FBB geben, sondern drei- oder viermal. Unser Finanzminister hat, wie bereits erwähnt, eindeutig gezeigt, was das bedeutet. Niemand sollte davon ausgehen, dass die öffentliche Hand unendlich gemolken werden kann. Es gibt Grenzen. Eine Grenze haben wir uns selbst gesetzt: Ab 2014 nimmt Brandenburg planmäßig keine neuen Kredite mehr auf. Eine andere Grenze könnte durch die EU-Kommission gesetzt werden, indem weitere Beihilfen überhaupt nicht oder nur unter Auflagen bewilligt werden. Die Befürchtung steht im Raum, dass Brüssel auf diesem Weg möglicherweise sogar die Privatisierung oder Teile der Privatisierung der FBB anstrebt. Die Linke ist keine Freundin der Privatisierung von Infrastruktur und Daseinsvorsorge. Bekanntlich ist aber auch beim BER schon zweimal eine Privatisierung fehlgeschlagen. Wir werden deshalb alles daransetzen, dass der

Finanzrahmen so gestaltet wird, dass wir um Privatisierungsauflagen herumkommen.

Meine Damen und Herren, es ist völlig richtig: Das Projekt BER ist von der alten Geschäftsführung an die Wand gefahren worden. Es braucht jetzt in jeder Hinsicht einen konsequenten Neustart. Der Ministerpräsident sieht das genauso. Er hat uns bereits die Grundzüge dieses Neustarts erläutert. Ich möchte nur darlegen, was aus unserer Sicht, aus Sicht der Linken, zu diesem Neustart gehört. Zu Kosten und Fragen der Finanzierung habe ich mich eben geäußert.

Erstens. Die Linke erwartet mehr Transparenz und Berechenbarkeit. Dieses Großprojekt muss ab Mittwoch ehrlicher gemacht werden und benötigt vor allem Akzeptanz in der Flughafenregion. Dazu gehört einerseits ein Mehr an Nachtruhe; deshalb begrüße ich die betreffende Passage in der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten außerordentlich.

(Beifall DIE LINKE)

Zum anderen müssen wir die Zeit bis zur Eröffnung des Flughafens nutzen, um den Schallschutz - dafür stehen mehrere Hundert Millionen Euro zur Verfügung - vor Ort zu realisieren. Und dass das jetzt Chefsache ist, ist heute noch einmal dokumentiert worden.

Damit der Neustart nicht nur eine Ankündigung bleibt, muss zweitens eine geeignete Geschäftsführung berufen und konstituiert werden. Das heißt aus unserer Sicht: Es braucht neues, geeignetes Personal und zugleich geeignete Strukturen, in denen dieses arbeitet. Auch diese Aussagen wurden heute getroffen. Jetzt muss Schluss sein mit dem Nebeneinander, teilweise dem Gegeneinander von Geschäftsführern. Wir brauchen eine klare Spitze in der Geschäftsführung, eine Führungspersönlichkeit, die die Fachleute, auch externe, zusammenführt und starkmacht. Sie muss entscheidungsstark, aber auch entscheidungsbefugt sein. Sie muss nach außen, gegenüber den Umlandgemeinden, den Anwohnerinnen und Anwohnern, den Bürgerinitiativen, Fluggesellschaften und Interessenverbänden und vor allem gegenüber dem Parlament dialogfähig und dialogwillig sein. Das haben wir bei Prof. Schwarz immer vermisst.

Drittens. Für die Einzelhandelseinrichtungen und deren Beschäftigte, die ihre Planungen und Investitionen auf den nunmehr neu verschobenen Eröffnungstermin ausgerichtet haben und nun in ihrer Existenz bedroht sind, muss schnelle und unbürokratische Hilfe geleistet werden.

Viertens erwartet unsere Fraktion, dass unverzüglich ein Beweissicherungsverfahren eingeleitet wird, auf dessen Basis festgestellt wird, wer für den Zustand des Baus verantwortlich zeichnet und wer diesen Pfusch am Bau zu verantworten hat und dafür in Regress zu nehmen ist. Das Bauen ohne Baugenehmigung muss strafrechtliche Verantwortung nach sich ziehen.

(Beifall DIE LINKE)

Fünftens. Für die Dauer bis zur BER-Eröffnung müssen die beiden Flughäfen Tegel und Schönefeld-Alt stabilisiert und ertüchtigt werden. Auch hierzu sind heute die entsprechenden Aussagen durch den Ministerpräsidenten getätigt worden.

Sechstens. Wir brauchen einen belastbaren Konsens in der Schicksalsfrage dieses Bauwerks. Der BER muss technisch fertiggestellt und notfalls auch umgebaut werden, damit dieser Flughafen baldmöglichst betriebs- und planungssicher sowie effizient seinen Dienst aufnehmen kann. Das mag banal klingen, aber in Anbetracht des Verlaufs der heutigen Debatte bin ich mir nicht so sicher, dass in diesem Haus dieser Konsens wirklich ohne Wenn und Aber von allen akzeptiert wird.

Siebentens, zum Sonderausschuss - Herr Kollege Büttner, das ist kein Plagiatsvorwurf, aber Sie wissen, wie es im Ausschuss für Infrastruktur und Landwirtschaft war: Frau Wehlan hat diesen Ansatz formuliert. Ich habe auch gesehen, dass die FDP sofort Sympathie zeigte, und deshalb ist es auch gut, dass wir heute als Koalitionsfraktion mit Ihnen gemeinsam diesen Sonderausschuss als geeignetes Mittel auf den Weg bringen, das Projekt nach vorn zu begleiten und nicht nur die Nabelschau nach hinten in den Vordergrund zu stellen, was wahrscheinlich einige Fraktionen machen werden. Wir wollen diesen Ausschuss benutzen, um die Karre aus dem Dreck zu ziehen und den BER ans Netz zu bringen.

(Beifall DIE LINKE und der Abgeordneten Holzschuher und Bischoff [SPD])

Für meine Fraktion kann ich sagen: Ja, das wollen wir. Wir wollen, dass der BER vernünftig in den Dienst geht. Darauf bin ich bereits eingegangen und ich wiederhole es gern: Wir wollen das, obwohl wir uns früher in der Standortfrage anders artikuliert und festgelegt hatten und weniger Flugverkehr wollten. Aber wir finden das Prinzip nach wie vor richtig, für das wir damals standen. Wir wollen aus Respekt vor den inzwischen aufgewendeten Ressourcen keine Investruine. Deshalb können wir auch nicht nachvollziehen - das will ich deutlich sagen -, dass einige Vertreter - nicht alle - des Volksbegehrens eine Verlagerung und den Bau eines neuen Flughafens außerhalb der Hauptstadtregion - aber da beginnt die Grenze schon in einem noch zum Land gehörenden Landkreis - ins Spiel bringen. Ich halte das für unverantwortlich.

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe bereits eingangs gesagt, wir Brandenburger haben eine besondere Verantwortung für das Gelingen des Vorhabens BER. Die Debatte zeigt, dass es nicht allen leichtfällt, sich dieser Verantwortung zu stellen. Aber man kann in diesem überschaubaren Land auch nicht so einfach entwischen, Herr Dombrowski, und das ist auch gut so.

Deshalb will ich zum Abschluss einen ernsten Appell an den Bund richten. Herr Ramsauer, Herr Schäuble, dieser Flughafen ist ein gemeinsames Projekt von Ihnen und uns.

(Beifall der Abgeordneten Lehmann [SPD])

Auch für Sie gilt: Der BER ist kein Wahlkampfinstrument. Hören Sie damit auf, an der Seite zu stehen. Beenden Sie endlich die Distanz zu diesem Vorhaben und verstehen Sie sich nicht als möglichen Sachwalter einer Konkurrenz von München. Übernehmen Sie Verantwortung! Matthias Platzeck wird diese neue Führungsstruktur schaffen. Tragen Sie darin Verantwortung, sonst wird das Projekt scheitern!

Meine Damen und Herren, meine Fraktion vertraut Matthias Platzeck als Ministerpräsidenten unseres Landes und künftigem Aufsichtsratsvorsitzenden. Wir werben bei den Brandenburgerinnen und Brandenburgern sowie bei den Partnerinnen und Partnern des Flughafenprojektes für Vertrauen. Nur so hat das Projekt BER eine Chance. - Vielen Dank.

(Frau Lehmann [SPD]: Sehr gut! - Beifall DIE LINKE, SPD und von der Regierungsbank)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Görke. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort. Herr Abgeordneter Vogel erhält das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach der Regierungserklärung „Vertrauen zurückgewinnen - Glaubwürdigkeit beweisen“ vom 21. Mai 2012 lautet die heutige Losung von Rot-Rot: „Den Flughafen Berlin Brandenburg Willy Brandt betriebsbereit machen - Neues Vertrauen in den BER schaffen!“.

(Frau Lehmann [SPD]: Richtig wiedergegeben!)

Zugleich bittet der Ministerpräsident, ihm aufgrund des aktuellen politischen Geschehens im Zusammenhang mit dem Flughafen Berlin Brandenburg und seiner Absicht, den Vorsitz im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft zu übernehmen, nach Artikel 87 der Verfassung des Landes Brandenburg das Vertrauen auszusprechen. Vertrauen in den BER und Vertrauen in den Ministerpräsidenten verschmelzen so zu einem Tagesordnungspunkt - welche Symbolik.