aber es gibt einen entscheidenden Unterschied zum Sommer 1997: Die Oder-Flut war eine Naturkatastrophe. Sie kam und ging von allein. Anwohner, viele freiwillige Helfer, die Bundeswehr, das Technische Hilfswerk, die Feuerwehren und viele andere haben es gemeinsam und erfolgreich geschafft, größere Schäden zu vermeiden.
Aber, Herr Ministerpräsident, der Pannenflughafen ist keine Naturkatastrophe, sondern eine selbstgemachte Katastrophe, und es ist eine, die von Ihnen mitverschuldet ist.
Sie sind nicht Retter, sondern Mitverursacher. Sie können nicht den Deichgrafen geben, Sie sind hier zukünftig der Master of Disaster.
Es stimmt, dass in der langen Geschichte des Flughafens Berlin-Brandenburg unterschiedliche Verantwortungen festzustellen waren. Jede der heute im Landtag vertretenen Parteien war irgendwann einmal an bestimmten Entscheidungen beteiligt, sei es an der Standortauswahl, an der Finanzierung oder an einzelnen Realisierungsschritten. Aus dieser Verantwortung klammere ich auch die CDU - ich sage das für die nachfolgenden Redner - ausdrücklich nicht aus. Wir stehen zu allen Entscheidungen, die in den zehn Jahren unserer Regierungsverantwortung von 1999 bis 2009 getroffen wurden.
Allerdings: Die Standortentscheidung für Schönefeld wurde 1996 von der SPD-Alleinregierung getroffen. Das ist doch richtig, oder?
Der Bau des Hauptterminals, meine Damen und Herren, begann Mitte 2008. Bauschäden und Probleme mit der Brandschutzanlage konnten zu dieser Zeit gar nicht erkannt werden. Ich sage es mit einem Bild: An einem Pfeiler, der noch nicht gegossen ist, kann man keine Risse erkennen.
Auch wenn vor allem die Linke gebetsmühlenartig vorträgt, dass die CDU von 1999 bis 2009 Regierungsverantwortung getragen hat,
ändert dies nichts an der klaren Verantwortung des Ministerpräsidenten für den aktuellen Misserfolg.
Ich will Ihnen noch etwas an einem Beispiel veranschaulichen. Trotz aller Probleme, die es vielleicht unter einer CDU in Regierungsverantwortung gegeben hätte, hätten wir nicht den Versuch toleriert, die Anwohner um den versprochenen und rechtlich verbrieften Lärmschutz zu bringen.
Herr Ministerpräsident, Sie stellen in diesem Parlament heute die Vertrauensfrage, nicht weil Sie in einer Regierungskrise sind und sich Teile der SPD-Fraktion oder der Linken von Ihnen distanzieren. Nach meiner Kenntnis gibt es keinen Grund, aus dem Sie grundsätzlich überprüfen müssten, ob Sie noch eine Mehrheit in diesem Landtag unterstützt. Sie stellen die Vertrauensfrage, um sich als Aufsichtsratsvorsitzender einen Blankoscheck ausstellen zu lassen. Ja, es ist ein Blankoscheck, denn Sie haben nicht gesagt, was unter Klaus Wowereit falsch gemacht wurde und was Sie anders machen wollen, außer den fünf Punkten - zu denen ich noch komme -, die Sie vielleicht noch untersetzen werden.
Die Punkte, die Sie heute vorgetragen haben, sind weder konkret noch ausreichend. Das haben Sie auch in der gestrigen Fernsehsendung feststellen können: dass die entscheidenden Fragen von Ihnen nicht beantwortet werden konnten.
Meine Damen und Herren, „Wahrheit, Klarheit und Transparenz“, diese Worthülsen müssen reichen, damit Ihnen die Abgeordneten von SPD und Linke einen Freibrief ausstellen - das sage ich an dieser Stelle ganz deutlich - und sich für dieses Desaster damit zukünftig auch mitverantwortlich machen lassen. Die Vertrauensfrage ist eben kein Gesetzentwurf, kein Antrag und keine Kenntnisnahme. Fraktionszwang, Parteidisziplin, Koalitionsverträge oder persönliches Kalkül haben hier nichts zu suchen. Es ist eine Gewissensentscheidung, über die jeder einzelne Abgeordnete für sich allein befinden muss.
Aus diesem Grund wollen wir nicht nur die normale offene, sondern die namentliche Abstimmung. Jeder soll später im Protokoll nachlesen können, wer das bisherige Handeln des Ministerpräsidenten befürwortet und ihm einen Freibrief für sein weiteres Handeln ausstellt.
Meine Damen und Herren, Otto von Bismarck hat einmal gesagt: „Das Vertrauen ist eine zarte Pflanze. Ist es erst einmal zerstört, so kommt es so bald nicht wieder.“
Der Ministerpräsident tut so, als gehe es nur um das, was er vorhat, und nicht um das, was geschehen ist. Aber Vertrauen, meine Damen und Herren, ist doch nicht voraussetzungslos! Vertrauen wächst und entsteht, wenn Erwartungen bestätigt, Versprechen gehalten und Hoffnungen erfüllt werden. In den letzten acht Monaten wurde der Eröffnungstermin viermal verschoben. Das bedeutet, dass im Schnitt jedes Eröffnungsversprechen gerade einmal zwei Monate gehalten hat. Alle diese Termine haben Sie mit angesetzt, verkündet und auch wieder abgesagt. Soll das die Grundlage für Vertrauen sein?
Fragen Sie doch die Brandenburger, wie es mit deren Vertrauen in Sie bestellt ist. Fragen Sie die Taxifahrer, die Hotelangestell
ten, die Ladenmieter oder die Fluglinienmitarbeiter, wie groß das Vertrauen in Ihre Kompetenz ist, Herr Ministerpräsident. Sie haben Ihr Schicksal an die Entwicklung des Flughafens geknüpft. Hätten Sie einfach Ihre Arbeit gemacht, für die Sie gewählt wurden und im Übrigen auch bezahlt werden, dann müssten Sie jetzt nicht solche dramatisch klingenden Aussagen machen und auf die Mitleidstour setzen.
Woran, Herr Ministerpräsident, knüpfen Sie Ihr Schicksal eigentlich konkret? Treten Sie zurück, wenn der nächste Eröffnungstermin nicht gehalten wird, der Haushalt 2014 nicht schuldenfrei sein sollte oder Teile des Flughafens abgerissen werden müssen, Kapazitätserweiterungen sofort notwendig sein sollten, der Betrieb in Tegel und Schönefeld wegen Überlastung nicht mehr vernünftig funktioniert, der Lärmschutz weiterhin am geltenden Recht vorbeigeht oder der Volksentscheid erfolgreich ist? Sie sagen Lärmschutz. Welchen Lärmschutz meinen Sie eigentlich? Das ist doch vor Gericht noch anhängig, meine Damen und Herren.
Woran, Herr Ministerpräsident, hängt Ihr Schicksal? Sagen Sie es uns! Ohne eine verbindliche Antwort auf diese Fragen ist Ihr Schicksalsversprechen überhaupt nichts wert.
Im Gegensatz zu Ihrem ganz persönlichen politischen Schicksal ist vielmehr das Schicksal der betroffenen Bürger entscheidend, das Schicksal von Menschen, die für eine unternehmerische oder berufliche Zukunft am neuen Flughafen in Vorleistung gegangen sind, das Schicksal derjenigen, die jetzt um ihre Existenz fürchten müssen oder längst pleitegegangen sind, weil sie ihre Hoffnung in den Flughafen gesetzt haben. Auch dafür gab es gestern im Fernsehen zur Genüge Beispiele. Weitere ließen sich anführen.
Fragen Sie die Bürger, deren Schicksal wirklich vom Flughafen abhängt, wie es um das Vertrauen in Sie bestellt ist, oder fragen Sie die vielen Anwohner, die sich um ihren Lärmschutz betrogen fühlen - und das, wie wir als CDU-Fraktion meinen, zu Recht.
Sie werden heute für Ihre Vertrauensfrage schon die notwendigen Stimmen Ihrer Koalition bekommen. Was bleibt ihr auch anderes übrig?! Aber haben Sie die Umfrageergebnisse in der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“ gesehen? Dort meinen fast 90 %, dass Sie der Falsche für den Vorsitz des Aufsichtsrates sind. Diese Einschätzung teilen wir. Die einzig vernünftige Wahl wäre ein unabhängiger Experte mit entsprechenden Kenntnissen und Erfahrungen bei der Realisierung eines solchen Projekts.
Herr Ministerpräsident, Sie hatten als stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates, als Ministerpräsident zehn Jahre Zeit, und Sie haben zehn Jahre lang gepatzt. Ich frage Sie von der SPD und den Linken: Von wem wurden Sie über die Eröff
Über keinerlei Informationswege wurden Sie über die wahren Verhältnisse am Flughafen in Kenntnis gesetzt. Wir jedenfalls haben das immer nur über die Presse erfahren. Denn Sie, Herr Ministerpräsident, haben dieses Parlament nie selbstständig oder unaufgefordert informiert. Immer gab es Geheimniskrämerei statt Transparenz.
- Ja, Herr Holzschuher, mit Ihnen an der Seite muss sich der Ministerpräsident keine Sorgen machen; denn Sie haben letztens erklärt: „Geld haben wir genug, das können wir uns leisten.“
Im Hauptausschuss soll der Ministerpräsident die Abgeordneten eigentlich über den Stand und die Entwicklungsperspektiven des Flughafens informieren. So war es vereinbart, so hat er es versprochen. Wie kann es dann sein, dass man beim Plaudern auf Empfängen und Abendveranstaltungen Dinge erfährt, die Sie uns zwingend im Ausschuss hätten sagen müssen?
Letzte Woche konnte man beispielsweise auf dem Neujahrsempfang des Bauindustrieverbands hier in Potsdam von Herrn Wowereit hören, dass in der Dezembersitzung des Aufsichtsrates eigentlich über notwendige Erweiterungen des Flughafens gesprochen werden sollte. Diese wichtige Information haben Sie uns im Hauptausschuss sogar auf Nachfrage verschwiegen, Herr Ministerpräsident.