Protocol of the Session on December 12, 2012

(Beifall FDP und des Abgeordneten Dombrowski [CDU])

Aber leider - ein Blick in die Finanzplanung macht es sichtbar denken Sie nur bis 2014, dem Wahljahr. Welch Zufall! Schon im Folgejahr tauchen sie wieder auf, die globalen Minderausgaben - man kann sie auch Finanzierungslücken nennen -: 2015 105 Millionen, 2016 151 Millionen. Sie hinterlassen der nächsten Regierung einen ziemlichen Scherbenhaufen.

(Beifall FDP)

Alle Maßnahmen, die einer Konsolidierung dienen würden, verschieben Sie in die Zukunft. Das Land Brandenburg hat in den letzten fünf Jahren durchschnittlich 10 Milliarden Euro ausgegeben. Der Landesregierung ist es nicht gelungen, das Ausgabenniveau zu senken.

Auch der Landesrechnungshof fordert Sie in seinem jüngsten Bericht zum wiederholten Mal dazu auf, ein Handlungskonzept zu entwickeln, das dazu führt, dass nur Aufgaben, die sich auf staatliche Kernkompetenzen beziehen, wahrgenommen werden, also: Weg von der Klientelpolitik hin zu vorausschauender, nachhaltiger Politik!

Trotz gestiegener Steuereinnahmen und einer damit deutlich verbesserten Einnahmesituation gelingt es der rot-roten Landesregierung nicht, einen soliden, generationengerechten Haushalt vorzulegen.

Ich möchte das Ganze mit einem arabischen Zitat abschließen:

„Wer immer ausgibt, ohne zu rechnen was, kommt zuletzt an den Bettelstab, ohne zu wissen wie.“

Ich danke Ihnen.

(Beifall FDP und des Abgeordneten Dombrowski [CDU])

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Vogdt. - Die Aussprache wird nunmehr mit dem Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fortgesetzt. Herr Abgeordneter Vogel hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Gäste! Seit der 1. Lesung des Haushaltsentwurfs am 29. August ist bei meiner Fraktion vollständige Ernüchterung über die Fähigkeit der Landesregierung, eine verlässliche und stichhaltige Haushaltsplanung vorzulegen, eingetreten, und das hat nicht nur etwas mit dem sich im 14-tägigen Rhythmus ändernden Zahlensalat zur Flughafenfinanzierung zu tun.

(Beifall GRÜNE/B90 und vereinzelt bei der CDU)

In den letzten Wochen hat sich nämlich neben dem Flughafen, Frau Geywitz, auch noch eine ganz andere Schlagseite in der Haushaltsplanung aufgetan, über die auch Herr Krause in seiner Art Regierungserklärung geflissentlich hinweggegangen ist. In seinem Haushaltsvoranschlag, in seinen Prognosen geht der Finanzminister von einem jährlich um rund 4 % wachsenden Steueraufkommen aus. Allerdings ist in der Zwischenzeit die jüngste, die Novembersteuerschätzung hereingeflattert, und die setzt ein ernstes Warnzeichen. Gegenüber dem im August eingebrachten Haushaltsentwurf mussten die für 2013 und 2014 angesetzten Steuereinnahmen nämlich um je 10 Millionen Euro nach unten korrigiert werden. Mehreinnahmen in beträchtlicher Höhe - von rund 100 Millionen Euro im Jahr - entstehen ausschließlich durch den Länderfinanzausgleich und durch Bundesergänzungszuweisungen. Das bedeutet - im Gegensatz zu fast allen anderen Bundesländern -: nicht durch Steuermehreinnahmen.

(Vereinzelt Beifall CDU)

Statt durch steigende Steuereinnahmen die Abhängigkeit vom Bund und den Geberländern zu verringern, werden wir immer noch stärker von diesen und damit auch von einer Neuregelung des im Jahr 2019 auslaufenden Länderfinanzausgleichs abhängig. Vor diesem Hintergrund, sehr geehrter Herr Markov, verlässt uns bei dem von Ihnen prognostizierten Anstieg der Steuerquote von jetzt 56,1 % auf 66,6 % bis zum Jahre 2016 der Glaube an Ihre Seriosität.

(Beifall GRÜNE/B90 und vereinzelt bei der CDU)

Die Zahlen weisen zudem darauf hin, dass es mit dem Aufschwung in Brandenburg trotz verbesserter Platzierung im Dynamik-Ranking nicht so weit her ist. Die Einnahmen und damit die Steuerkraft der Geberländer, also im Westen Deutschlands, wachsen deutlich stärker als die Einnahmen hier in Brandenburg. Trotz aller Ankündigungen, dass wir den Westen bald einholen, verlieren wir zunehmend den Anschluss. Das sind die Zahlen, die sich hier ausdrücken.

(Beifall GRÜNE/B90 und vereinzelt bei der CDU)

Wenn wir schon beim Vergleichen sind, sollte auch einmal herausgestellt werden, dass die Einnahmen in Brandenburg dank der Solidarität des Bundes und der westdeutschen Länder gegenwärtig bei 4 366 Euro pro Einwohner im Vergleich zu den westdeutschen Flächenländern liegen, die 3 464 Euro Einnah

men haben. 870 Euro pro Einwohner werden uns zugeschossen.

Bei den Ausgaben liegen wir jetzt bei 4 257 Euro pro Einwohner, während in den westdeutschen Flächenländern lediglich 3 630 Euro zur Verfügung stehen. Das heißt, wir geben 620 Euro mehr aus als Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen. Das belegt doch aufs Neue: Dieses Land ist eine Transfergesellschaft. Ich will das nicht verurteilen, denn das ist geschichtlich bedingt. Aber das macht doch den Konsolidierungsdruck deutlich, den wir bis 2019 haben. Wir müssen runter von diesen Zahlen, diesen Ausgaben, und müssen unsere Einnahmen verbessern. Aber durch die Kombination von ausbleibenden Steuermehreinnahmen und Flughafenfinanzierung geraten wir gewaltig unter Druck.

Damit bin ich bei der Flughafenfinanzierung, wo das Land Brandenburg plötzlich scheinbar Hunderte Millionen Euro, insgesamt 444 Millionen Euro, aus dem Ärmel schüttelt, während es sonst an allen Ecken und Enden knapsen muss. Ich denke, wir müssen genau an dieser Stelle über den Flughafen reden, weil jeder von uns bei Diskussionen im Lande - egal, ob wir mit Feuerwehr, Polizei, Lehrerinnen und Lehrern oder Studierenden oder auch - in Neustadt (Dosse) - mit dem Landesstallmeister reden -, ganz schnell mit einer Aussage konfrontiert wird: „Aber für den Flughafen ist plötzlich Geld da!“ Und keiner will mehr einsehen, warum für seinen Bereich kein Geld zur Verfügung gestellt werden kann.

(Beifall GRÜNE/B90 und des Abgeordneten Goetz [FDP])

Ehrlich gesagt: Angesichts von 100 Millionen Euro, die mal hierhin und mal dorthin geschoben werden, müssen doch auch wir Abgeordneten uns ein Stück weit lächerlich gemacht fühlen, wenn wir versuchen, irgendwo im Haushalt 140 000 Euro für eine verbesserte Stellenausstattung der Landesdatenschutzbeauftragten zusammenzukratzen.

(Beifall GRÜNE/B90, CDU und FDP)

Richtig ist, dass das Geld für den Flughafen eigentlich nicht da ist, dass wir die Mehreinnahmen aus dem Länderfinanzausgleich für die Rückführung der Neuverschuldung auf null bereits im Jahr 2013, für Bildung und Hochschulen, Kultur und Umwelt viel dringender benötigten. Geld, das ich einmal ausgebe, kann ich nicht für andere Zwecke verwenden; das ist trivial. Aber das ist nur eines der Probleme, die am Beispiel des Flughafens deutlich werden.

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Landesregierung allen Transparenzbeteuerungen zum Trotz ihre Karten zu keinem Zeitpunkt aufgedeckt hat. Dem Landtag wird zugemutet, bei der Finanzierung des größten Infrastrukturvorhabens des Landes im Herbstnebel nicht einmal auf Sicht zu fliegen, sondern im völligen Blindflug auf Zuruf reagieren zu müssen.

(Beifall GRÜNE/B90 sowie vereinzelt bei der CDU)

Beschämend ist, dass die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen dies mit sich geschehen lassen, ohne Widerstand zu leisten.

Unser Antrag, die zusätzlichen 444 Millionen Euro für den Flughafen erst dann freizugeben, wenn eine vollständige Finanzierungsübersicht und ein geprüfter Businessplan vorgelegt werden können, wurde im Haushaltsausschuss abgelehnt.

Die Bereitstellung immer neuer Mittel für den Flughafen Willy Brandt gilt als alternativlos, weil ansonsten noch schlimmere Folgen für den Landeshaushalt zu befürchten wären. Aber Alternativlosigkeit ist der Feind jeder Demokratie, weil es nichts mehr zu entscheiden, sondern nur noch Folgen früherer Entscheidungen zu bewältigen gibt, weil der Vollzug an die Stelle von Gestaltung tritt. Und dass ausgerechnet Willy Brandt - „Mehr Demokratie wagen!“ - als Namensgeber eines Projektes dienen muss, mit dem die demokratischen Grundprinzipien ausgehebelt werden, kann da nur noch als Tragödie bezeichnet werden.

(Beifall GRÜNE/B90 sowie vereinzelt CDU)

Ich will, liebe Kollegen, den Zahlensalat nicht vertiefen, muss aber Folgendes einmal in Erinnerung rufen - auch, weil Herr Krause es angesprochen hat -: Im August ging die Landesregierung - siehe § 2 Haushaltsgesetzentwurf - davon aus, dass man 600 Millionen Mehrkosten für Lärmschutzmaßnahmen benötige. Jetzt geht die Flughafengesellschaft davon aus, dass von 1,2 Milliarden Euro Mehrkosten rund 307 Millionen für den Lärmschutz vorgesehen sind.

(Zuruf von der CDU: Doch noch?)

Wenn Sie also hier vom planfestgestellten Lärmschutz reden, dann reden Sie nicht von dem Lärmschutz, der vom OVG festgelegt wurde, nämlich null Mal Überschreitung der 55 Dezibel in den Tagstunden, sondern Sie reden offenkundig von den 0,49 Mal Überschreitungen, also an 89 Tagen von 180 Tagen Überschreitung, so wie es das Infrastrukturministerium in seinem Bescheid festgelegt hat. Sie wissen, dass das beklagt ist, und Sie wissen genauso, dass, wenn sich das OVG-Urteil bestätigt - null Mal ist null -,

(Frau Wehlan [DIE LINKE]: Das ist kein Urteil, das ist ein Beschluss!)

der OVG-Beschluss bestätigt - null Mal ist null und nicht eine krumme Null mit 0,49 -, dann diese 600 Millionen Euro Mehrausgaben fällig werden, und dann ist plötzlich ein Loch von 250 Millionen Euro im Haushalt des Flughafens.

(Frau Wehlan [DIE LINKE]: Wo ist denn Ihr Antrag zum Lärmschutz? Es gibt doch gar keinen Antrag!)

Das heißt natürlich, dass dieses Geld zusätzlich zur Verfügung gestellt werden muss. In dem im August besprochenen Haushaltsentwurf ging die Landesregierung noch davon aus, dass man insgesamt 222 Millionen Euro mehr im Jahr 2013 benötigen würde und 30 Millionen Euro im Jahr 2014. Nach der Gesellschafterversammlung am 1. November wurde der Mehrbedarf mit 1,2 Milliarden Euro beziffert, wobei der Landesanteil in Höhe von 444 Millionen Euro im Jahr 2013 fällig werden sollte. Am 23. November - das ist noch gar nicht so lange her erhielten wir im Haushaltsausschuss die Regierungsvorlage mit einer Aufteilung dieser 444 Millionen Euro auf drei Jahresraten von 2013 bis 2015. Heute liegt ein Antrag auf Vorziehen von 90,6 Millionen Euro aus 2014 und 2015 auf das nächste Jahr vor. Frau Geywitz hat dies dankenswerterweise dargelegt und auch bedauert, dass es dazu gekommen ist.

Die Begründung liegt zwar nicht schriftlich vor, ist jedoch ziemlich eindeutig: Die Flughafengesellschaft droht in die Insolvenz abzugleiten, wenn die Eigentümer nicht sehr schnell die finanzielle Schieflage ausgleichen. Dazu möchte ich erwäh

nen: Das ist natürlich daran gebunden, dass die Europäische Union dem Ganzen zustimmt.

Der Bund geht wesentlich offener damit um und formuliert es auch so. Ich zitiere nun auszugsweise aus der Vorlage des Bundesfinanzministeriums an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags vom 06.12.2012, mit dem der Antrag auf Mittelfreigabe begründet wurde:

„Die Liquidität der FBB ist nach Angaben der Geschäftsleitung der FBB bis Januar 2013 gesichert. Hieraus ergibt sich, dass sich die FBB bereits jetzt aufgrund des erheblichen Nachfinanzierungsbedarfs und der zurzeit noch nicht vollständig gesicherten Deckung des Mittelbedarfs in einer ernsthaften Krise im Sinne des Insolvenzrechtes befindet. Es besteht nach Einschätzung des Ressorts“

- des Bundesfinanzministeriums -

„die erhebliche Gefahr, dass bereits nach Anfang Januar aufgrund der dann bestehenden Liquiditätssituation ein Eröffnungsgrund für ein Insolvenzverfahren vorliegt, der die Geschäftsführer der FBB vor dem Hintergrund insolvenzrechtlicher Strafandrohungen zur Handlung zwingt.“

Offene Worte, die wir von unserem Ministerpräsidenten vermutlich nie zu hören bekämen, da so etwas hierzulande als Nestbeschmutzung oder Herbeireden einer Self Fulfilling Prophecy gewertet würde.

(Beifall GRÜNE/B90, CDU sowie des Abgeordneten Goetz [FDP])

Offene Worte, die allerdings die Dramatik der Flughafenfinanzierung verdeutlichen. Sie machen ebenfalls deutlich, dass sich der Haushalt in Geiselhaft des Flughafens befindet: entweder zahlen oder untergehen. Hier klingt die vorhin angesprochene Alternativlosigkeit an.

Es tut mir leid, Herr Ministerpräsident bzw. Herr Finanzminister, aber die Erfolgsgeschichte Flughafen nehmen wir ihnen genauso wenig ab wie die Erfolgsgeschichten Lausitzring, Chipfabrik oder Waldstadt Wünsdorf.

(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)