Protocol of the Session on November 14, 2012

(Zuruf von der CDU)

Jetzt komme ich zur „Schlusslichtdramatik“ und zu dem „Trauerspiel“, Herr Büttner. Klar, schön ist das nicht, wenn einem der Spiegel immer wieder vorgehalten wird. Aber wir sollten

uns bitte nicht treiben lassen. Wer immer wieder nur eine 5 bekommt, wird nicht automatisch besser. Begonnene Maßnahmen brauchen Zeit, um zu wirken. Solche Maßnahmen haben wir ergriffen. Es gibt inzwischen mehr Unterricht in der Grundschule in den Fächern Deutsch und Mathematik. Es ist nicht ewig ausdehnbar, mehr Unterricht zu erteilen. Viel wird nicht viel helfen. Wir müssen an die Qualität heran. Die Lehrkräfte brauchen Unterstützung und Fortbildung, um ihre Arbeit in heterogenen Gruppen besser leisten zu können. Das haben wir auf den Weg gebracht.

Es gibt natürlich eine hohe Erwartungshaltung an Lehrkräfte. Die Arbeitsbelastung hat sich erheblich verstärkt. Die Wertschätzung der Arbeit ist nicht zugleich mitgewachsen. Das muss ich kritisch konstatieren. Die 26. und 28. Stunde gehört eigentlich abgeschafft, damit mehr Kraft für pädagogische Arbeit bleibt.

(Beifall der Abgeordneten Jürgens und Frau Wehlan [DIE LINKE])

Das ist am Ende die versöhnliche gemeinsame Forderung, Herr Hoffmann. Da geht es gar nicht so sehr um mehr Vergütung, sondern um die schlichte Anerkennung dessen, worin der Anteil der Lehrerinnen und Lehrer am Gedeihen in diesem Land besteht. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Zu diesem Beitrag hat die Abgeordnete Blechinger eine Kurzintervention angemeldet. - Bitte, Frau Blechinger.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrte Frau Abgeordnete Große, Sie wissen, dass ich Sie schätze. Aber als Oppositionspolitikerin haben Sie nicht so unter Realitätsverweigerung gelitten wie jetzt.

(Vereinzelt Beifall CDU)

Die CDU hat in diesem Land - und ich sage ausdrücklich: leider - noch nie den Bildungsminister gestellt.

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE: Zum Glück! - Das wäre ja schlimm! - Görke [DIE LINKE]: Zum Glück! - Ja, das ist eine unterschiedliche Wahrnehmung. Aber in den neuen Ländern, in denen die CDU seit über zehn Jahren regiert, sind wir spitze. Das sollten Sie doch auch ein- mal zur Kenntnis nehmen! (Beifall CDU - Bischoff [SPD]: Warum wählt euch denn keiner? - Widerspruch der Abgeordneten Lehmann [SPD])

Diese Länder erhalten nicht mehr Geld über den Länderfinanzausgleich als Brandenburg. Wenn Sie von einem vielgliedrigen Schulsystem mit Abstiegsmöglichkeiten sprechen, sage ich: Bayern hat noch dieses dreigliedrige Schulsystem. Eine unabhängige Studie - die Bertelsmann-Stiftung ist nicht gerade CDU

freundlich, das wissen Sie - hat Ihnen die besten Aufstiegsmöglichkeiten genannt.

(Widerspruch von der SPD - Ness [SPD]: Sie wollen das dreigliedrige Schulsystem einführen! - Görke [DIE LIN- KE]: Sie wollen die Gemeinschaftsschule!)

- Herr Ness, nein. Wir haben in Finnland gesehen, welche Ressourcen wir brauchen, um eine funktionierende Einheitsschule aufzubauen. Aber die Regierungskoalition weigert sich, auch nur eine Verbesserung, die uns in Finnland vor Augen geführt wurde, hier einzuführen.

(Bischoff [SPD]: Herr Präsident!)

Das heißt: Ihre Koalition weigert sich, der Bildung diese Ressourcen zur Verfügung zu stellen, damit eine Einheitsschule funktioniert.

(Vereinzelt Beifall CDU)

Das Lehrer-Schüler-Verhältnis ist nur ein Maßstab. Das Entscheidende ist: Was kommt bei den Schülern an?

(Beifall CDU)

Sie haben zu Recht gesagt, dass das Lernen, das im Unterricht passiert, wichtig ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass bei Ihnen solche Reaktionen, wie ich sie in einer Veranstaltung in Strausberg erlebt habe, nicht ankommen. Dort haben mir Schüler der 10. Klasse gesagt: Zwei Drittel der Schüler haben keinen Bock auf Lernen, und deshalb findet bei uns kein normaler Unterricht statt.

(Beifall CDU)

Frau Große hat die Möglichkeit, darauf zu reagieren. Die Möglichkeit nimmt sie natürlich auch wahr.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch von mir: geschätzte Kollegin Blechinger, Bertelsmann ist im Übrigen auch kein Freund der Linken. Das haben wir gemeinsam.

(Frau Lehmann [SPD]: Von uns auch nicht!)

Natürlich kenne ich Lehrerinnen und Lehrer, die sagen, dass Schüler keinen Bock haben und dass sie in diesem Alltag zu kämpfen haben. Und Schüler, die keinen Bock haben, kenne ich auch, na klar. Woran liegt das?

Ich habe vorhin über Qualität und über die Möglichkeiten von Lehrerinnen und Lehrern gesprochen, sich zu qualifizieren und, bezogen auf die anders gewordenen Kinder, einen anderen Unterricht und andere Lernangebote zu machen. Wir alle müssen uns damit beschäftigen. Da bin ich bei Ihnen. Nur bin ich nicht der Meinung, dass in den CDU-regierten Ländern das Ergebnis deshalb gut ist, weil die CDU dort regiert. Sie müssen auch immer fragen: Um welchen Preis passiert das dort? Kollege Günther hat versucht, das am Beispiel Bayerns deutlich zu machen.

Wir haben uns hier anders entschieden, übrigens auch Sie damals, als Sie in Regierungsverantwortung waren. Wir wollen viele Schüler mit einem Abitur haben. Wir wollen zudem eine gute Qualität leisten. Wir wollen die Unterrichtsausstattung so gestalten, dass sie besser wird. Haben Sie vergessen, dass RotRot es in dieser bisher kurzen Legislaturperiode geschafft hat, die VV-Unterrichtsorganisation so zu verändern, dass in allen neu eingerichteten Klassen nur 23 Kinder je Klasse sind? Das ist ein Riesenschritt.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Vorher waren 30er, 28er Grundschulklassen üblich. Das sind wir angegangen, das frisst Ressourcen, und das frisst sie zu Recht. Und: Haben Sie vergessen, dass die Lehrerinnen und Lehrer, die das leisten müssen, auch noch kräftig genug sein müssen, um das leisten zu können? Sie haben mit unserem Wohlwollen ein Altersteilzeitmodell auf den Weg gebracht, durch das Lehrerinnen und Lehrer in Würde ausscheiden können, wenn sie nicht mehr genug Kraft haben. Das kostet uns sehr viel Geld, aber das sind wir bereit, im Interesse dieser Qualität zu bezahlen.

Frau Kollegin Blechinger, ich habe den Blick für das, was noch zu lösen ist, auf keinen Fall verloren. Da müssen Sie sich gar keine Sorgen machen.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Wir setzen mit dem Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort. Die Abgeordnete von Halem spricht.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste! Es ist schön, wenn ein Antrag vorliegt, dessen Fokus so unklar ist, dass er uns eine ganz allgemeine Debatte über Bildungspolitik erlaubt. Das Bildungsthema ist immer brandaktuell. Überlegen Sie, wie verhältnismäßig kurz die Schulzeit eines Kindes ist - die gesamte Grundschulzeit ist gerade einmal ein Jahr länger als eine Legislaturperiode -, wie viele Chancen bei Kindern verspielt werden, wie viel Zeit für Kinder vergeht, die das ganze Leben prägt, während eine Regierung in einer Legislaturperiode nur einmal ihre Hausaufgaben nicht so gut macht, wie sie es eigentlich machen könnte.

Die CDU-Fraktion hat Recht: Unsere Landesergebnisse sind immer wieder schlecht; das Schulsystem ist eher nach unten als nach oben durchlässig; die demografische Rendite geht verloren; die Zahl der sogenannten Neueinstellungen deckt nicht die der Ausscheidenden. Die Gesamtzahl der Lehrkräfte sinkt. Ob die Schüler-Lehrer-Relation tatsächlich bis zum Ende der Legislaturperiode gehalten werden kann, steht noch in den Sternen. Dass sie besser ist als in manch einem Westbundesland, liegt - das wissen Sie alle sehr genau - vor allem an unseren ländlichen Regionen und den kleinen Schulen, die wir uns leisten und auch leisten wollen.

Das BUSS-System wird umgebaut, für das BUSS-System werden sinnvolle Dinge hinzuerfunden und -addiert, aber immer auf Kosten anderer sinnvoller Dinge. Das ist das bekannte

„Linke-Tasche-rechte Tasche“-Spielchen: Unterm Strich bleibt kein Plus. - Die Struktur der Schulämter wird mit zweifelhaftem Gewinn für die Beratungsleistung gegenüber den Schulen verändert, und für lächerlich geringe Einsparsummen verscherzt es sich die Landesregierung mit den hunderten engagierter Eltern und Trägervereinen der Schulen in freier Trägerschaft. Das ist fürwahr eine traurige Bilanz.

Ja, wir brauchen eine Verbesserung der Lernsituation und eine Verbesserung der Lehrersituation. Wir brauchen ein Lehrerbildungsgesetz, bei dem Kostenneutralität nicht das Maß aller Dinge ist. Wir brauchen mehr junge Lehrerinnen und Lehrer ja, das ist richtig -, aber wir wissen auch, dass diese rar sind und ihr Anteil in den Schulen auf lange Zeit sehr gering bleiben wird. Deshalb brauchen wir vor allem mehr Fortbildung für die amtierenden Lehrerinnen und Lehrer, mehr Beratung und mehr Unterstützung für die Schulen bei der Weiterentwicklung. Hier könnte die Landesregierung noch eine deutliche Schippe zulegen.

(Beifall GRÜNE/B90)

Wir haben auch dieses Jahr wieder entsprechende Haushaltsanträge gestellt und sind damit auch dieses Jahr gegen die Wand gelaufen. Dafür hat diese Landesregierung leider kein Geld. Das ist besonders interessant, weil dieses Jahr 440 Millionen Euro an Mehrbedarf - und nun vielleicht noch mehr - ohne größere Diskussionen für den Flughafen aus dem Ärmel geschüttelt werden können,

(Burkardt [CDU]: Arbeitsplätze!)

weil die SPD im Aufsichtsrat nicht aufgepasst hat - für einen überdimensionierten Flughafen, der den Landeshaushalt noch auf Jahrzehnte belasten wird. Für wie viele Schülergenerationen könnte man mit diesem Geld die Bildungssituation verbessern? Welche Kohorten - „Arbeitsplätze“ wurde mir gerade zugerufen - von Lehrkräften könnten hier Arbeit finden? Die Brandenburger Wirtschaft würde auch davon profitieren.

440 Millionen Euro - das ist nur der Mehrbedarf. Damit könnten knapp 9 000 zusätzliche Lehrkräfte bezahlt werden. Das ist weit mehr als die Hälfte der jetzt tätigen gut 16 000 Lehrkräfte. Es könnten tausende von Fortbildungen bezahlt, Schulpsychologen eingestellt werden usw. Ich weiß, diese Summe gilt nur einmalig, aber sie macht doch die Relationen deutlich: Hier agieren eine SPD, deren wahres Herz für infrastrukturelle Großprojekte schlägt, für Bildung dagegen nur auf Wahlplakaten, und eine Linke, die so froh ist, endlich an der Macht zu sein, dass sie schluckt, was die SPD ihr vorkaut.

(Oh! bei SPD und DIE LINKE - Frau Lehmann [SPD]: Das ist wirklich Quatsch, was Sie jetzt erzählen!)

Es ist auch klar, warum die 440 Millionen Euro in der Debatte kein großes Problem darstellen: weil man nämlich sonst darüber reden müsste, wer die Verantwortung dafür trägt.

(Frau Blechinger [CDU]: Genau! - Frau Lehmann [SPD]: Bleiben Sie einmal beim Thema!)

Bildungsmisere statt Bildungserfolge - das wird hier sicherlich noch die ganze Legislaturperiode lang aktuell sein. Leider.

(Beifall GRÜNE/B90)

Das Wort erhält die Landesregierung. Frau Ministerin Münch spricht zu uns.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Schülerinnen und Schüler! Ich freue mich, dass uns der Antrag der CDU-Fraktion zum Thema Bildung die Möglichkeit gibt, hier noch einmal einiges klar- und richtigzustellen. Aber ausgesprochen bedauerlich finde ich, dass die Basis dieses Antrags auf einer Summe von falschen Analysen, Halbwahrheiten und Falschheiten beruht, sodass ich mich angesichts der Schülerinnen und Schüler fast schon ein wenig für die Einstellung schäme, die offensichtlich viele Politiker gegenüber den Schulen und Schülern in unserem Land haben.