Protocol of the Session on November 14, 2012

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Für die FDP-Fraktion spricht der Abgeordnete Büttner.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich bin der CDU-Fraktion sehr dankbar für die Beantragung dieser Aktuellen Stunde, weil ich es so werte - Kollege Hoffmann hat es auch gesagt -, dass es der erneute Versuch der Opposition ist, Sie, Herr Kollege Günther, und Ihre Koalition darauf aufmerksam zu machen, wie schlecht Ihre Bildungspolitik ist.

(Beifall FDP und CDU)

Meine Damen und Herren, man hat das Gefühl, dass es bei der Landesregierung, bei der Koalition eine Art von Wahrnehmungsstörung gibt. Herr Kollege Günther, Sie haben uns das gerade bewiesen. Es war ein reflexartiges Abwehren, was Sie gemacht haben. Im Übrigen hätte ich mich gefreut, wenn Sie sich einmal so intensiv, wie Sie sich mit dem bayerischen Bildungssystem befasst haben, mit dem brandenburgischen Bildungssystem befassen würden.

(Beifall FDP und CDU)

Dann könnten Sie vielleicht auch einmal die Problemlagen zur Kenntnis nehmen, die wir in diesem Land haben. Es ist nicht die böse Opposition, die hier permanent irgendwelche Schreckensszenarien an die Wand malt. Nein, überhaupt nicht. Wie kämen wir denn auch dazu?! Das würden wir nicht machen. Nein, es sind verschiedene Studien, auf die bereits hingewiesen wurde. Da gibt es den Bildungsmonitor 2012 der Initiative „Neue Soziale Marktwirtschaft“. Ich weiß, die mögen Sie immer nur dann, wenn Sie von ihr gelobt werden. Aber diese Initiative sagt: Brandenburg ist wieder einmal unter den Schlusslichtern: in der Forschungsorientierung 15. Platz, in der Schulqualität 14. Platz und in der beruflichen Bildung 13. Platz, und so geht das weiter. Beim Bildungsbericht Berlin-Brandenburg das müsste Ihnen schon näher stehen - wird das bestätigt, und beim IQB-Ländervergleich zu den Kompetenzen von Schülern in Mathematik und Deutsch und auch zu den sprachlichen Kompetenzen wird alles bestätigt, was im Bildungsbericht Berlin-Brandenburg aus dem Jahr 2010 steht, nämlich dass wir bei der Lesekompetenz auf dem 13. Platz, beim Zuhören in Deutsch auf dem 14. Platz, bei der orthografischen Kompetenz in Deutsch auf dem 15. Platz, beim Leseverstehen in Englisch auf dem 15. Platz und beim Hörverstehen in Englisch auf dem 16. Platz sind. 10 % der Schülerinnen und Schüler in diesem Land verlassen ihre Schule ohne Abschluss. Und diese Realität nehmen Sie nicht mehr zur Kenntnis! Das ist nicht die Opposition, das sind unabhängige Studien, Herr Kollege Günther und liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-Rot. Das müssen Sie doch freundlicherweise zur Kenntnis nehmen. Damit wäre uns schon viel geholfen, meine Damen und Herren.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Herr Hoffmann hat vorhin gesagt: Es sagen so viele Menschen hier im Land, dass das System nicht funktioniert, dass wir ein Problem haben. Damit hat Herr Hoffmann Recht. Das Problem

ist nur: Das sagen nicht nur viele Menschen hier im Land, Sie selbst sagen es. Sie selbst stellen fest, dass wir einen der höchsten Unterrichtsausfälle der letzten zehn Jahre haben. Das sind doch nicht die Zahlen der Opposition. Das sind die Zahlen, die aus dem Bildungsministerium kommen. Und was machen Sie? Sie legen Ihre Hände in den Schoß, und das, meine Damen und Herren, ist ein Trauerspiel, was Sie hier veranstalten. Die Unternehmen in diesem Land klagen seit Jahren darüber, dass selbst Jugendliche mit Schulabschluss kaum ausbildungsfähig sind, dass sie oftmals nicht einmal die Grundkompetenzen Rechnen, Schreiben und Lesen beherrschen.

Hierzu greife ich einmal Ihr Beispiel aus Bayern auf, Herr Günther. Was hat denn, bitte schön, der Brandenburger Schüler für einen Vorteil? Wenn er die Kompetenzen nicht hat, dann bekommt er auch keinen Job, meine Damen und Herren. Es geht doch darum, die Kompetenzen zu stärken,

(Beifall FDP und CDU)

und dann machen wir weiter.

Natürlich ist der Vorschlag der CDU in Ordnung, zu sagen: Wir wollen die Kontingentstundentafel in den Bereichen Mathematik und Deutsch erhöhen. Aber auch völlig richtig ist, was Herr Hoffmann sagt: Der Unterricht muss stattfinden. Aber er findet nicht statt. Was machen Sie denn gegen den Unterrichtsausfall? Sie nehmen ihn ja offensichtlich nicht einmal zur Kenntnis.

(Zuruf der Abgeordneten Große [DIE LINKE])

- Frau Große, Sie sind ja nach mir an der Reihe. Sie können gleich Ihre Meinung zum Besten geben.

Eines möchte ich Ihnen noch auf den Weg mitgeben. Es ist nicht die Opposition, die das Problem an die Wand malt. Es geht um die Lehrerausstattung. Sie erzählen uns - die Frau Ministerin hat das in einer der letzten Diskussionen auch gemacht -, die Lehrerausstattung in diesem Land sei gut. Aber das Staatliche Schulamt Eberswalde teilt mit: In nicht einer einzigen Schule im Bereich des Staatlichen Schulamts Eberswalde ist die Lehrerausstattung so, wie sie vorgesehen ist. Und da wollen Sie uns erzählen, dass wir eine ausreichende Lehrerausstattung haben, meine Damen und Herren? Es ist ein Trauerspiel, das Sie hier veranstalten. Es ist falsch, was Sie uns sagen. Es ist nicht die böse Opposition, es ist Ihre nachgeordnete Behörde, Frau Ministerin, die das feststellt.

Es ist notwendig, dass wir endlich die Probleme bei der Wurzel anpacken. Es ist richtig: Wir müssen in die frühkindliche Bildung investieren, wir müssen uns um den Unterrichtsausfall kümmern, und wir brauchen mehr Lehrer in diesem Land. Sie gehen das nicht an, und das, meine Damen und Herren, ist eine Bankrotterklärung dieser Koalition in der Bildungspolitik. - Vielen Dank.

(Beifall FDP, CDU sowie GRÜNE/B90)

Die Abgeordnete Große spricht für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Kolleginnen und Kollegen aus der CDU! Ein schönes Thema!

Herzlich willkommen auch den Redakteuren der Schülerzeitungen! Das ist ja gut promotet worden. Sie können also live erleben, was wir hier aus einem so wichtigen Thema machen. Wir sind immer dankbar dafür, dass Bildungspolitik in diesem Hause thematisiert wird. Ich würde euch jetzt, wenn ich dürfte, fragen, ob ihr gern mehr Unterricht haben möchtet, wie dieser Vorschlag es suggeriert. Ich darf euch nicht fragen, aber die Antwort kenne ich. Ich meine, wir sind uns einig darüber, dass es nicht um mehr Unterricht, sondern um eine bessere Qualität von Lernen geht und um alles, was dazu notwendig ist.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Die CDU hat hier zu einem Rundumschlag nach dem einfachen Muster ausgeholt: Rot-Rot alles miserabel, Schwarz hat das Erfolgsrezept, zumindest in der Anklage. - Herr Hoffmann hat das dann ein bisschen heruntergehängt. Aber, Herr Kollege Hoffmann, ich muss Sie, auch wenn Sie sich dank der Gnade Ihrer späten Geburt nicht verantwortlich fühlen mögen und auch wenn Sie es immer nicht hören wollen, wieder einmal daran erinnern, dass in die zehn Jahre lange Mitregierungsverantwortung Ihrer Partei die Schließung von 200 Grundschulen, von 200 weiterführenden Schulen, die Stellenstreichung von über 10 000 Lehrerinnen und Lehrern sowie Versetzungs- und Umsetzungskarusselle ohne Ende gehören. Ich möchte Sie daran erinnern, dass wir in zehn Jahren Ihrer Mitregierungsverantwortung 17 Schulgesetznovellen hatten, dass wir einen jämmerlichen Einstellungskorridor von 150 Lehrerinnen und Lehrern hatten. Jetzt erzählen Sie mir bitte nicht - und waschen Sie nicht Ihre Hände wie Pontius Pilatus in Unschuld! -, dass Sie dafür nicht irgendwo auch zuständig waren.

Ich hatte gehofft, bei Ihrem Blick zurück - Sie haben ja einen Blick zurück angekündigt -, würde das irgendwo wenigstens in Sachen Verantwortung eine Rolle spielen. Das hat es nicht getan.

Im Übrigen - zur Kita sage ich heute nicht zum 100. Mal das Gleiche -: Packen Sie Ihre Bundesregierung einmal bei den Hörnern und sagen Sie: Wir wollen das Geld, das für das Betreuungsgeld eingesetzt wird, hier gern haben für genau das, was Sie fordern.

(Beifall DIE LINKE, SPD sowie GRÜNE/B90)

Frau Große, möchten Sie Zwischenfragen beantworten?

Nein, erst einmal nicht.

Ich gebe zu, dass ich ab und zu gerne in der Opposition wäre. Wenn man in der Opposition ist, ist das Ganze bequemer. Aber ich sage Ihnen ehrlich: Wir waren das auch 20 Jahre lang, aber solche undifferenzierten und platten Anträge und Reden haben wir uns hier nicht geleistet.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Es beginnt schon mit der Begriffdefinition. Ich stelle voran und muss dann nicht jedes Mal erklären, dass die Definition dessen, was Bildungserfolg ist, bei uns eine andere ist. Daher sind wir auch in unterschiedlichen „Bildungsparteien“, und das ist gut so.

Ich möchte mich hier mit einigen Thesen auseinandersetzen, die Sie aufgestellt haben. Erste These, von Ihnen in diesem Antrag formuliert: Maßstab für Bildungserfolg kann nicht die hohe Abiturquote sein. Das behaupten Sie. Und die Linke sagt: Doch, genau das ist sie, die hohe Abiturquote ist ein Maßstab für Erfolg.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Wir erledigen das im Übrigen auch gern für Bayern mit. Man nimmt in Bayern unsere Abiturientinnen und Abiturienten mit der Hochschulzugangsberechtigung und führt sie dort zu einem erfolgreichen Hochschulstudium. Im Übrigen entspricht unsere Abiturquote dem Bundesdurchschnitt, sie liegt sogar noch leicht darunter. Ich bin sehr froh - übrigens hat das damals in Ihrer Mitregierungsverantwortung begonnen -, dass wir jetzt bei dieser hohen Quote sind. Es könnte etwas mehr Fachabitur darunter sein, aber daran arbeiten wir noch. Die Linke will ganz ausdrücklich, dass möglichst viele junge Menschen eine Hochschulzugangsberechtigung erwerben. Das muss weder sofort noch überhaupt in einem Hochschulstudium enden. Es ist einfach so, dass wir die Wege für später offenhalten wollen. Das hat etwas mit Partizipation an Kultur, am Gemeinwesen zu tun. Der Taxifahrer, der mehrere Fremdsprachen spricht, ist ein Wert an sich. Das gilt auch für die Verkäuferin, die Bücher schreibt - so eine kenne ich zum Beispiel -, und all diejenigen, die sich im kommunalen Bereich tummeln und komplexe Zusammenhänge lösen müssen.

Im Übrigen hat uns die Friedrich-Ebert-Stiftung gerade erst präsentiert, dass Bildung hilft, Fremdes nicht als Bedrohung wahrzunehmen. Fremdenfeindlichkeit kommt bei Menschen mit hohem Bildungsstatus signifikant seltener vor.

Zweite These: Auf- und Absteiger. Sie beklagen hier das schlechte Verhältnis und schauen nach Bayern: ein Aufstieg im Verhältnis zu 2,5 Abstiegen. Ich finde das auch nicht gerade schön, aber mir kommen fast die Tränen. Nicht, dass ich das nicht problematisch finde, aber wessen Bildungsphilosophie ist es denn? Wer wollte Querversetzung aus den Gymnasien? Wer wollte ein möglichst viergliedriges Schulsystem in diesem Lande mit all seinen Abstiegsmöglichkeiten manifestieren?

(Zuruf des Abgeordneten Görke [DIE LINKE])

Wer hält Sitzenbleiben, Kopfnoten und die Identität von Note und Leistung für das Nonplusultra? Die Linke ist es nicht! In allen Vergleichen über Schulleistungen in unserem Land wurde uns die geringste Korrelation zwischen Bildungsbeteiligung und Erfolg und sozialem Status bestätigt.

Aber, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der CDU, das ist doch auch Ihr Erfolg. Das haben doch auch Sie angefangen. Warum wollen Sie denn nicht einmal mehr Ihre Erfolge wahrhaben, wenn Sie schon nicht auf die Misserfolge zurückgucken? Darüber können Sie sich doch einmal ein bisschen freuen. Auch wenn Sie das Schüler-BAföG immer als nur sozialpolitische Maßnahme geißeln - Sie wissen, ich bin da auch nicht euphorisch -, aber ein kleiner Beitrag dazu, dass ein Abstieg aufgehalten wird, ist dieses Schüler-BAföG, und deswegen stehen wir auch dazu.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Das stimmt! - Bei- fall DIE LINKE und SPD)

Sie schauen nach Bayern, wo es mehr Aufstiege gibt, aber um den Preis der Klassenwiederholung.

Diese Bertelsmann-Untersuchung, die man immer skeptisch betrachten muss - das sollten Sie sich merken, man muss Untersuchungen immer auch mit einer gewissen Skepsis betrachten -,

(Zuruf: Danke für den Hinweis!)

hat Auf- und Abstiege von Förderschulen gar nicht betrachtet. Im Übrigen sind die Aufstiege in einen höheren Bildungsgang an Gesamtschulen innerhalb der Schulform nicht betrachtet worden. Schauen Sie sich die Evaluation der Gemeinschaftsschule in Berlin an: Dort finden Aufstiege überproportional oft statt. Aber diese Schulform ist ja für Sie Teufelszeug.

Drittens: Unterrichtsausfall. Auch wenn Sie das Märchen immer wieder erzählen, bleibt es ein Märchen. Es ist falsch. Seit 2007, seit auch Ihrer Regierungsverantwortung - ich muss Ihnen alles, was Sie gut gemacht haben, immer auch noch erzählen -, liegt der Unterrichtsausfall unter 2 %. Bei den Grundschulen liegt der Unterrichtsausfall übrigens bei 1,1 %. Bei der Klassengröße, die wir dort haben und die Sie hier immer geißeln, kann man gar keine Stillbeschäftigung machen und keine Klassen zusammenlegen. Im Übrigen, auch wenn Förderstunden wegfallen, was ich sehr bedauere, findet Unterricht statt. Sie können doch nicht alle zur Vertretung anfallenden Stunden immer als Ausfall zählen. Das ist falsch.

Trotz alledem ist es so, dass wir punktuelle Erfolge haben: Immerhin haben es die Lehrerinnen und Lehrer an den Grundschulen bei einer Verpflichtung zu einem Unterrichtsdeputat von 28 Stunden geschafft, dass so gut wie kein Unterricht ausfällt. Das verdient Respekt und nicht nur eine Bestärkung in dieser Angelegenheit.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Sie behaupten zum Vierten, es würden weniger Lehrkräfte eingestellt, als die Schulen verlassen. Ja, was die Anzahl der Personen betrifft, ist das richtig, weil Lehrkräfte mit unterschiedlicher Unterrichtsverpflichtung weggehen. Gemessen an den Dimensionen von Stelleneinsparungen - 1990 hatten wir 40 000 Lehrer, jetzt haben wir 16 800 Lehrer - ist das marginal. Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart: Wir halten ein Schüler-Lehrer-Verhältnis von 15,4 zu 1 aufrecht.

Bitte, kein altes Bundesland hat ein solches Lehrer-SchülerVerhältnis. Nirgendwo werden Sie das finden. Die ostdeutschen Länder sind ein bisschen besser. Ich hätte natürlich auch gern ein besseres Lehrer-Schüler-Verhältnis. Dass wir aber 2 000 Lehrer einstellen, um das jetzige Lehrer-Schüler-Verhältnis zu halten, halte ich schon für einen Erfolg. Über die 260 Stunden, die wir unter Rot-Rot erstmals für langzeiterkrankte Lehrer zur Verfügung gestellt haben, hat der Kollege Günther zu Recht gesprochen. Wir haben die Pilotschulen Inklusion personell und finanziell besser ausgestattet. Der Blick nach Bayern ist hier wirklich gar nicht hilfreich.

(Zuruf von der CDU)