Protocol of the Session on September 27, 2012

(Allgemeiner Beifall)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin den Vorrednern sehr dankbar, dass sie auf die Herausforderungen eingegangen sind, vor denen wir stehen. Zwei Begriffe dominieren die Diskussion: Erstens ist es die demografische Entwicklung im Land Brandenburg. Diese ist übrigens mit keinem anderen deutschen Bundesland zu vergleichen; denn wir erwarten 30 % Einwohnerzuwachs im berlinnahen Raum, jedoch bis zu 30 % Einwohnerrückgang in berlinfernen Regionen. Diese Divergenz ist einmalig in Deutschland.

Zweitens stehen wir vor finanziellen Herausforderungen. Für die kommunale Ebene stellt sich damit die Frage, welche finanziellen Spielräume die einzelne Gemeinde noch hat. Sind diese nicht mehr vorhanden, kann die Gemeindevertretung bzw. die Stadtverordnetenversammlung ihre politischen Vorhaben nur unzureichend oder ansatzweise umsetzen. Das bedeutet alles andere als eine Stärkung der Demokratie.

Die Herausforderungen sind zwar groß, aber wir sollten uns nicht vor ihnen fürchten. Das Land Brandenburg stand schon vor größeren Herausforderungen und hat diese erfolgreich gemeistert.

Ich komme aus Forst, einer Stadt, die es in der Vergangenheit auch nicht immer einfach hatte. Forst hatte im Jahr 1989 24 000 Einwohner und 12 000 Beschäftigte in den Forster Tuchfabriken, also der Textilindustrie. Nach zwölf Monaten waren von diesen 12 000 Beschäftigten noch ganze 200 übrig. Die Arbeitslosigkeit erreichte weit über 30 %, teilweise über 40 %. Es folgten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Umschulungen und vieles andere mehr. Das war eine riesengroße Herausforderung - nicht nur für die Stadt, sondern auch für die gesamte Gesellschaft. Nicht nur die Stadt Forst war von den Schwierigkeiten, die mit der Wende einhergingen, betroffen; ähnlich erging es Cottbus und vielen Kommunen im Land Brandenburg. Wenn man sich die heutige Situation anschaut, kann man sagen: Wir sind den Herausforderungen, gerade auch denen, die sich an die wirtschaftliche Entwicklung des Landes gestellt haben, erfolgreich begegnet. Wir stehen jetzt, wie es im

Leben häufig der Fall ist, vor neuen Herausforderungen. Aber ich denke, gerade angesichts unserer Erfahrungen brauchen wir uns davor nicht zu fürchten.

Ich bin den Vorrednern sehr dankbar, dass sie Folgendes betont haben - zuletzt Frau Nonnemacher, bevor ich an das Pult durfte -: Es geht nicht nur darum, effektive Verwaltungsstrukturen im Land Brandenburg aufzubauen oder rein technokratisch danach zu schauen, wie viele Verwaltungsangestellte zum Beispiel Grönland für 10 000 Einwohner hat, damit wir uns daran orientieren. Es geht auch um effektive Verwaltung, weil effektive Verwaltung die Spielräume nicht nur der Kommunal-, sondern auch der Landespolitik mitbestimmen wird. Wir haben jedoch auch die Frage zu beantworten, wie wir für die Bürger die Teilhabe an demokratischen Entscheidungsprozessen weiter gewährleisten können. Insoweit bin ich ganz bei Frau Nonnemacher, die vorhin gesagt hat: Diese Teilhabe ist noch besser als bisher auszugestalten. Verwaltungsentscheidungen müssen transparent sein. Es geht auch um Kommunikation: Wie, auf welchen Wegen können die Bürger mit ihren Verwaltungen, aber auch mit ihren gewählten Gremien - Stadtverordnete, Gemeindevertreter, Bürgermeister - kommunizieren? Mittlerweile eröffnet uns der IT-Bereich viele Möglichkeiten; die Diskussion haben wir schon gestern im Hohen Haus geführt. Wir können alle googeln, twittern, facebooken und was weiß ich noch alles.

Es wird nicht gehen, ohne dass die Leute auch zu ihren gewählten Vertretern hingehen können. Dazu ist es notwendig, dass die Abstände und auch die Räume nicht zu groß werden.

(Vereinzelt Beifall SPD sowie GRÜNE/B90)

Ich habe ja nicht gewusst, bis Herr Goetz mich aufgeklärt hat, dass es eine konspirative Runde war; von dieser habe nicht einmal ich etwas gewusst. Trotzdem kann ich dieser konspirativen Runde, Herr Goetz, von dieser Stelle aus nur sehr danken, weil ich meine, es ist mit Sicherheit der richtige Weg, sich auch in einer Enquetekommission im Landtag mit diesen Zukunftsfragen, die für das Land entscheidend sind, zu beschäftigen.

Noch einen Satz dazu: Verwaltung ist eben nicht nur ein Kostenfaktor. Ich bin dagegen, dies so darzustellen und so zu diskutieren. Verwaltung hat mit vielen Mitarbeitern dieses Land zu dem gemacht, was es heute ist: ein erfolgreiches Bundesland auch im Ländervergleich. Viele Daten sprechen mittlerweile für Brandenburg. Brandenburg hat andere Länder überholt. Diese Erfolge hätten wir nicht erzielt, wenn nicht Verwaltungsmitarbeiter auf den verschiedenen Ebenen ihre Arbeit sehr gewissenhaft zum Wohle des Landes ausgeführt hätten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Bericht, der jetzt auf dem Tisch liegt, der Zwischenbericht der Enquetekommission, nimmt keine Bewertung vor. Er fasst den Stand der bisherigen Diskussion zusammen. Es ist eine Reihe von Expertenanhörungen - die Vorredner sind darauf eingegangen - durchgeführt worden. Es wurde die Gemeindegebietsreform von 2003 evaluiert. Es geht in der kommenden Phase, die im Sommer 2013 abgeschlossen werden soll, für die Enquetekommission darum: Welche konkreten Empfehlungen wird es für den Landtag Brandenburg geben?

Dazu möchte ich einige konzeptionelle Anmerkungen machen.

Erstens: Im Hinblick auf die großen finanziellen und demografischen Herausforderungen halte ich es für richtig, wenn stärker zwischen den Gemeinden kooperiert wird. Sie kennen das: Drei Gemeinden machen ein gemeinsames Bauamt, zwei Gemeinden machen ein gemeinsames Standesamt. Das ist gut und richtig. Aber diese Kooperationen werden eine Verwaltungsstrukturreform in Brandenburg nicht ersetzen.

Zweitens, das Verhältnis von Funktionalreform und Verwaltungsstrukturreform: Es gibt Leute - so etwas soll es auch im Landtag geben -, die sagen: Wir machen eine Funktionalreform, aber eine Verwaltungsstrukturreform finden wir nicht so chic. Und es gibt andere Leute, die sagen: Wir machen eine Verwaltungsstrukturreform, aber eine Funktionalreform stellen wir einmal ein bisschen hintenan. - Das wird so nicht funktionieren. Funktionalreform wird nicht ohne Verwaltungsstrukturreform gehen, zumindest in großen Teilen nicht, genauso wenig wie eine Verwaltungsstrukturreform ohne eine Funktionalreform funktionieren kann. Beides gehört zusammen, beides muss gemeinsam beraten werden. Am Ende müssen auch die verschiedenen Teile - Landesverwaltung, Landkreise und Kommunalverwaltung - miteinander harmonieren. Am Ende geht es darum, dass der Bürger und die Wirtschaft eine qualitativ hochwertige Verwaltungsdienstleistung erhalten. Das ist der Anspruch, vor dem wir hier stehen.

Drittens plädiere ich bei amtsfreien Gemeinden und Ämtern für eine Diskussion über Maßstäbe. Der Maßstab, den wir im Moment benutzen, ist der Einwohnerrichtwert. Allerdings ist es so, dass 20 000 Einwohner im Berliner Umland sich anders darstellen als 20 000 Einwohner beispielsweise im Landkreis Elbe-Elster. Deswegen müssen wir darüber reden, ob wir neben den Einwohnerrichtwerten weitere Kriterien zugrunde legen, beispielsweise die Unterscheidung zwischen berlinnäheren und berlinferneren Räumen oder aber auch die flächenmäßige Ausdehnung von Gemeinden; denn das wird aus meiner Sicht notwendig sein. Hierüber sollte die Enquetekommission diskutieren.

Natürlich muss es die Strategie von Landtag und Landesregierung sein, die Reform der Kommunalstrukturen und die Reform der Verwaltungsstrukturen des Landes, nämlich die Reform der Landesverwaltung, miteinander abzustimmen und miteinander abgestimmt zu diskutieren. Diese Prozesse hängen sachlich und auch funktional eng miteinander zusammen. Es ist im Moment noch Zeit, darüber nachzudenken. Wenn man hingeht und sagt: „Das ist erst in der nächsten Legislaturperiode, ungefähr 2016/2017 wird es wohl etwas genauer kommen“, dann könnte man sich heute zurücklehnen und sagen: Müssen wir denn heute schon darüber reden? Ich meine, die Zeit ist relativ kurz. Vier oder fünf Jahre vergehen schnell. Wenn man die Herausforderungen betrachtet, vor denen wir stehen, und die Erwartungen der Bürger, aber auch die Erwartungen der Verwaltungsmitarbeiter in diese Prozesse einbeziehen will - ich denke, das sollten und müssen wir tun -, dann ist die Zeit schon wieder gar nicht kurz, sondern es ist wichtig, hier zielgerichtet zu arbeiten.

Ohne der Enquetekommission vorgreifen zu wollen, möchte ich kurz zu einigen konkreten Reformansätzen kommen. Wir haben - Frau Nonnemacher ist auf das Gutachten der Grünen eingegangen, das ich auch sehr intensiv gelesen habe

(Beifall der Abgeordneten Nonnemacher [GRÜNE/B90])

als Innenministerium im Auftrag der Enquetekommission ebenfalls ein Gutachten anfertigen lassen; es liegt der Enquetekommission vor. Ich möchte mich hier ganz kurz auf zentrale Punkte des Gutachtens beschränken.

Erstens kommt das Gutachten zu dem Ergebnis, dass neben Einheitsgemeinden auch Ämter weiterhin Bestand haben können und sollen. Diese im Grundsatz gerade für kleine Gemeinden im ländlichen Raum sehr gemeindefreundliche Form der Verwaltung hat sich im Großen und Ganzen bewährt. Aber sie muss - darüber bin ich auch mit Frau Nonnemacher einig weiterentwickelt werden, um die Übertragung kommunaler pflichtiger Selbstverwaltungsaufgaben in Zukunft auch jenseits aller Risiken möglich zu machen.

Für den ländlichen Raum könnte - das schlägt der Gutachter vor - neben der Einheitsgemeinde und dem Ämtermodell, ein mögliches drittes Modell einer Verwaltungsstruktur - gerade für die ländlichen Räume - eine Rolle spielen: das bereits in Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt existierende Verbandsgemeindemodell. Anstelle von indirekt legitimiertem Amtsausschuss und Amtsdirektor hätte die Verbandsgemeinde eine direkt gewählte Verbandsgemeindevertretung und einen direkt gewählten Verbandsgemeindebürgermeister. Dies hätte den Vorteil, dass wir diese zweite Gemeindeebene umfangreicher mit Aufgaben ausstatten könnten.

Der Gutachter sieht einen flexiblen und dynamischen Übergang vom Ämtermodell zum Verbandsgemeindemodell als möglich an. Es gibt aber auch Stimmen, die sagen, dass ein radikaler Wechsel hier stärker in die Betrachtung einbezogen werden sollte.

Die Entscheidung für bestimmte Modellvarianten und deren Ausgestaltung auf der Basis der Gutachten, auf der Basis auch des Datenmaterials, das wird die Herausforderung sein, meine Damen und Herren, vor der die Enquetekommission in den nächsten Monaten stehen wird.

Die Verantwortung der Mitglieder der Enquetekommission, lieber Vorsitzender Stefan Ludwig, ist sehr groß. Es ist und wird die erste Meinungsäußerung des Gesetzgebers im Land Brandenburg zur anstehenden, aus meiner Sicht dringend notwendigen Kommunalstrukturreform sein. Diese Meinungsäußerung wird nicht nur dringend erwartet, sie wird in den Monaten danach auch schon die Diskussion in den Kommunalstrukturen prägen. Das, was ich heute von den Rednern gehört habe, zumindest zum größten Teil, ist, dass man über Parteigrenzen hinweg in dieser Enquetekommission sehr konstruktiv miteinander arbeitet. Ich meine, das ist gerade das, was wir im Sinne der Bürger für diese Arbeit der Enquetekommission auch weiter brauchen.

Ich wünsche den Mitgliedern der Enquetekommission viel Erfolg und freue mich auf die konkreten Vorschläge, die wir im Sommer nächsten Jahres hier diskutieren werden. - Herzlichen Dank.

(Beifall SPD, DIE LINKE sowie GRÜNE/B90)

Vielen Dank, Herr Minister. - Herr Minister Dr. Woidke hat die Redezeit um 2:22 Minuten überschritten. Gibt es bei den Fraktionen den Bedarf, diese Redezeit noch zu nutzen? - Das ist nicht der Fall.

Damit ist die Aussprache beendet. Der Zwischenbericht der Enquetekommission 5/2 ist hiermit zur Kenntnis genommen worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 3 und rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

Wahl eines Mitgliedes des Präsidiums

Antrag mit Wahlvorschlag der CDU-Fraktion

Drucksache 5/6024

Es wurde vereinbart, keine Debatte zu führen. Wer dem Antrag in Drucksache 5/6024 zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist Herr Abgeordneter Dombrowski einstimmig als Mitglied des Präsidiums gewählt worden.

(Beifall)

Ich schließe Tagesordnungspunkt 4 und rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Wahl eines Mitgliedes des Präsidiums

Antrag mit Wahlvorschlag der Fraktion DIE LINKE

Drucksache 5/6021

Es wurde vereinbart, keine Debatte zu führen. Ich komme zur Abstimmung des Antrages in Drucksache 5/6021. Wer diesem Antrag Folge leisten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist auch der Abgeordnete Domres als Mitglied des Präsidiums einstimmig gewählt worden.

(Beifall)

Ich schließe Tagesordnungspunkt 5 und wünsche Ihnen noch einen sonnigen, goldenen Herbst und zwei Wochen sitzungsfrei. Danach sehen wir uns fröhlich wieder. Auf Wiedersehen!

Ende der Sitzung: 14.22 Uhr