Protocol of the Session on September 27, 2012

Lassen Sie mich über die politischen Rahmenbedingungen sprechen. In der SPD gibt es eine Einigkeit. Wenn hier jemand von den Genossen sagt, bei Schönbohm sind wir damals zu kurz gesprungen, dann klatscht ihr. Dann klatscht die SPD. Wenn es aber darum geht, Vorschläge zu machen, dann kann sich jeder etwas heraussuchen. Der Fraktionsvorsitzende will die Landkreise abschaffen. Herr Schubert möchte fünf, sechs oder sieben Landkreise. Und die jetzt eben angesprochenen Einzelmeinungen, die es immerhin in die großen Zeitungen des Landes geschafft haben, wollen elf Landkreise. Das ist doch für eine Regierungspartei, die sich ewig an der Regierung in Brandenburg wähnt, ein bemerkenswertes Chaos.

(Holzschuher [SPD]: Wir sind offen für Diskussionen!)

Es gibt noch eines der vielen bemerkenswerten Staatsgeheimnisse in Brandenburg. Das ist die Frage: Was eigentlich will unser Kommunalminister? Herr Dr. Woidke, nehmen Sie heute die Gelegenheit wahr, uns endlich einmal zu sagen: Wo steht denn das Kommunalministerium in der Zukunftsfrage?

(Zuruf von der SPD: Immer vorn!)

Lassen Sie mich zur Linken kommen!

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Bleiben Sie einmal bei der Sache!)

Dr. Scharfenberg, Sie wissen um meine Meinung, dass Menschen mit einer solchen Belastung aus der SED-Zeit weder auf der Regierungsbank - das ist die Meinung des Ministerpräsidenten - noch hier im Landtag etwas zu suchen haben.

(Zuruf von der SPD: Wie lange denn noch? - Oh! Oh! bei der Fraktion DIE LINKE)

Dass aber die Linke in dieser Zukunftsfrage gerade Sie zum Wortführer in der Enquetekommission gemacht hat, ist schon sehr bemerkenswert. Ich komme gleich dazu, welche Rolle Sie dort spielen.

(Domres [DIE LINKE]: Reden Sie zum Thema!)

Ihre Partei ist gefangen zwischen Lafontaine und Frau Enkelmann an der Spitze, zwischen dem Wahlergebnis in Berlin, wo Sie es durch Ihren Absturz nach rot-roter Zeit nicht einmal mehr geschafft haben, eine gemeinsame Regierung mit der SPD hinzubekommen.

(Frau Stark [SPD]: Kommen Sie zum Thema! - Frau Mächtig [DIE LINKE]: Sie meinen, das hat etwas mit dem Thema Kommunen zu tun?)

- Das hat damit nichts zu tun.

(Zuruf: Nein! - Zurufe von der CDU)

Deswegen haben Sie Angst vor jeder Veränderung. Um das einmal deutlich zu machen: Herr Dr. Scharfenberg sitzt einen Meter von mir entfernt. Es ging um die Frage der Hauptamtlichkeit, der Ehrenamtlichkeit und all diese Dinge. Da sagte er zu mir: Sehen Sie, Herr Petke, in der DDR hatte jede Gemeinde einen hauptamtlichen Bürgermeister. - Ist das denn das Bild, das wir in Brandenburg 2020 oder 2030 haben wollen?

(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Nein!)

Warum hatte denn die SED in jeder Gemeinde einen Bürgermeister der SED und der Blockparteien installiert? Doch nicht, um zu helfen, wenn es um die Frage ging: Wie bekomme ich meinen Trabi schneller? Doch nicht um zu helfen, wenn die Stasi einmal einen weggefangen hatte!

(Unmut und Zurufe bei der Fraktion DIE LINKE)

Nein, es ging um die Kontrolle der Menschen! Und das wird in Brandenburg nicht unser Modell sein.

(Beifall CDU - Unmut bei der Fraktion DIE LINKE - Frau Mächtig [DIE LINKE]: Am Thema vorbei, würde ich an der Stelle sagen!)

Was brauchen wir?

Kollegin Mächtig, Sie haben es ja nicht in die Enquetekommission geschafft! Wir hätten uns gewünscht,

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE: Ah!)

dass Sie sogar an der Spitze der Enquetekommission stehen, aber Ihre Fraktion hat ja leider anders entschieden.

(Unmut bei der Fraktion DIE LINKE - Zuruf von der Fraktion [DIE LINKE]: Der hat ja nichts zum Thema zu sagen!)

Was brauchen wir? Wir haben im Zwischenbericht auf Ihre Intervention hin sage und schreibe einen mageren und mickrigen Satz, dass Brandenburg Veränderung braucht. Das ist nach den ganzen Sitzungen, nach den vielen Stunden der Anhörung einfach zu wenig. Es liegt an der Linken - ich höre es von den anderen Kolleginnen und Kollegen, aber es ist nun einmal eine Tatsache: Sie bremsen schon jetzt, weil Sie befürchten, dass Ihre Wählerinnen und Wähler - Kollege Schippel hat es hier angesprochen - Ihnen 2014 die Quittung dafür geben, dass Sie all das, was Sie vor 2009 versprochen haben, in den fünf Jahren Regierung aufgegeben haben.

(Unmut bei der Fraktion [DIE LINKE])

Wir brauchen den Mut zur Veränderung und wir brauchen insbesondere den Mut zu weniger Landkarten. Wir haben Landkarten in den Zeitungen, wir haben Landkarten in der SPD, wir haben Landkarten in der Diskussion. - Wo führt das hin? Es verwirrt die Menschen vor der Kommunalwahl am 6. Juni 2014. Es geht bei dieser Reform nicht darum, was 2014 passiert. Es geht um die Frage: Was passiert 2020 oder 2030?

Die Menschen sind mit der Situation auf der Verwaltungsebene insgesamt zufrieden. Trotzdem liegt es in unserer Verantwortung, ihnen deutlich zu machen, dass es aufgrund des demografischen Wandels und natürlich der finanziellen Veränderungen den Mut zu Änderungen braucht. Wir brauchen vor allem den Mut, Aufgaben zu übertragen - von oben nach unten, aber da wo es Sinn macht, auch von unten nach oben. Diesen Mut vermisse ich - auch in der Diskussion in der Enquetekommission sowohl auf der Landesebene als durchaus auch auf der kommunalen Ebene.

Wir brauchen eine tatsächliche Lösung für das Problem des wirtschaftlichen Auseinanderfallens von berlinnahen und berlinfernen Regionen. Diese Entwicklung wird sich durch die demografische Entwicklung verschlimmern. Wir brauchen dazu eine ehrliche und offene Diskussion und vor allem zukunftsfeste Antworten. Wir brauchen eine bürgernahe, qualifizierte und zugleich kostengünstige Verwaltung.

Ich darf es auf den Punkt bringen: Wir diskutieren in Brandenburg über den Lehrermangel, über den Ärztemangel und in Ansätzen - in Zukunft auch verstärkt - über den Mangel an qualifiziertem Personal in unseren Verwaltungen. Die Dinge in den Verwaltungen werden in Zukunft nicht einfacher, sie werden eher komplizierter, und deswegen braucht man Frauen und Männer, die entsprechend qualifiziert sind - die werden wir nur finden, wenn wir in den Verwaltungen auch die entsprechenden Gehälter zahlen können.

Wir brauchen - auch das ist eine Tatsache - die Bereitschaft zu Investitionen in die Informationstechnik. Jeder, der so tut, als ob E-Government für nichts zu haben ist, macht den Menschen etwas vor. Das wird Geld kosten, auf der kommunalen und auf der Landesebene - der Landtag hat hierzu aufgrund eines CDU-Antrags gestern entsprechend diskutiert. Und wir brauchen die Bereitschaft, die besondere Situation in unserem Land anzuerkennen, denn die gibt es. Ich glaube nicht, dass wir - wie damals in der Großen Koalition - noch einmal den Weg gehen werden, uns starr an Einwohnergrenzen zu halten. Ich glaube nicht, dass wir mit Leitlinien wie den damaligen und ihren engen Grenzen in Zukunft Erfolg haben werden. Wir brauchen auch die Einsicht, nach Lösungen zu suchen, die der besonderen Situation vor Ort Rechnung tragen.

Die Menschen erwarten von uns den politischen Willen und nicht Populismus. Und sie erwarten nicht - das sage ich, weil die Linke immer so belustigt ist - das Bremsen durch eine Regierungsfraktion, die offensichtlich in großen Teilen in der Regierung noch immer nicht angekommen ist.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Eijeijei!)

Die Menschen erwarten auch nicht, dass wir eine Reform um der Reform willen machen. Ich glaube, die CDU tut gut daran, ihre Vorschläge einzubringen unter dem Motto: Wir machen etwas besser, wo es etwas besser zu machen gibt. In diesem Sinne freue ich mich auf die weitere Diskussion.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Wir auch!)

Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Petke. - Bevor wir mit dem Beitrag des Abgeordneten Dr. Scharfenberg fortsetzen, begrüße ich recht herzlich als Gast Hans Modrow.

(Allgemeiner Beifall)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zur Halbzeit legt die Enquetekommission den von ihr erwarteten Zwischenbericht vor. Ich denke, für die Darstellung der bisher vorwiegend analytischen Arbeit ist ein gutes Maß gefunden worden.

Mit der Kommission verbinden sich hohe Erwartungen, denn wir sollen Vorschläge dafür erarbeiten, wie nicht nur die Kommunalverwaltungen - ich weiß nicht, ob Ihnen auch schon aufgefallen ist, dass eigentlich im Kern immer nur über die Kommunalebene geredet wird -, sondern auch die Landesverwaltung im Jahr 2020 bürgernah, effektiv und zukunftsfest aufgestellt sein kann. Diese Arbeit liegt noch vor uns.

Wir sind uns dabei einig, dass es vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und der befürchteten Verschlechterung der Finanzsituation erheblichen Handlungsbedarf gibt, um auch in Zukunft gleichwertige Lebensbedingungen im ganzen Land zu sichern - das ist der Anspruch. Wir wollen in einer breiten öffentlichen Diskussion langfristig und präventiv agieren, um eine erfolgreiche Entwicklung unseres Landes zu sichern, und dabei sind zweifellos noch dicke Bretter zu bohren.

Die Form der Enquetekommission ist dafür sehr geeignet und, Herr Petke, dafür gebührt Ihnen Dank. Den Vorschlag haben Sie damals gemacht. Das war aber auch schon alles, denn seitdem sind Sie auf Tauchstation gegangen: Sie nehmen nur an einem Teil der Sitzungen teil; wenn Sie dabei sind, erledigen Sie Ihre Post, lieber Herr Petke,

(Heiterkeit und Beifall bei der Fraktion DIE LINKE - Frau Lehmann [SPD]: Kriegt er trotzdem Geld?)

und ich finde, aus dem Wenigen haben Sie in Ihrem Vortrag

wortreich sehr viel gemacht, aber es ist überhaupt nicht sachdienlich.

(Beifall und Heiterkeit bei der Fraktion DIE LINKE)

Die Kommission hat ihre Arbeit mit dem erklärten Anspruch begonnen, ergebnisoffen zu sein. Das widerspiegelt sich in den formulierten Zielen, in denen nichts vorweggenommen wird. Die Linke hat sich erfolgreich dafür eingesetzt, dass die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände mit Sitz und Stimme in der Kommission vertreten sind. Für uns ist das eine Selbstverständlichkeit, denn Reformen können nur gelingen und von dauerhafter Wirkung sein, wenn die Beteiligten gleichberechtigt am Tisch sitzen - auch wenn du den Kopf schüttelst, Werner-Siegwart, ich stehe dazu -, denn man muss gemeinsam nach Lösungen suchen, auch wenn es manchmal etwas länger dauert.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE)

Zu einer der ersten Anhörungen waren Vertreter von Ortsteilen, amtsangehörigen und amtsfreien Gemeinden, Ämtern und Landkreisen als Beteiligte bereits durchgeführter Kommunalreformen eingeladen. Diese Anhörung hat gezeigt, dass sich die Kommunen mit den Erfordernissen des demografischen Wandels und der zu erwartenden Verknappung der Kommunalfinanzen auseinandersetzen. Übergreifend ist die Bereitschaft und das Interesse für eine verstärkte interkommunale Zusammenarbeit bis hin zu festen Kooperationen geäußert worden, während ein Ruf nach einer erneuten landesweiten Gebietsreform nicht zu vernehmen war. Der Grundsatz, sich in kommunaler Eigenverantwortung den Problemen zu stellen und vor Ort nach Lösungen zu suchen, schließt für uns umgekehrt ein, Vertrauen in die Kraft der kommunalen Selbstverwaltung zu haben. Deshalb sprechen wir uns für einen Reformprozess von unten aus, für eine breite demokratische Beteiligung und ein hohes Maß an Eigenverantwortung.