Protocol of the Session on September 27, 2012

Es gab - das gebe ich zu - eine große Diskussion innerhalb der CDU, die dazu geführt hat, dass die Landesfachausschüsse und der Bundesparteitag einen Beschluss gefasst haben: Ja, die CDU in Brandenburg und auch die Bundes-CDU sind für einen Mindestlohn oder die Festlegung von Lohnuntergrenzen. Allerdings unterscheidet uns die Herangehensweise gravierend. Sie streiten seit Jahren für einen gesetzlichen Mindestlohn, der für alle Branchen und alle Regionen gelten soll. Damit machen Sie zum Beispiel die Tarifpartner entbehrlich. Und was noch hinzu kommt: Sie bestellen etwas, was andere bezahlen sollen.

(Beifall CDU - Frau Lehmann [SPD]: Das zahlen wir!)

Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, machen wir nicht mit! Wir haben die Finanz- und Wirtschaftskrise so gut überstanden, weil wir viele kleine und mittelständische Unternehmen in unserem Land haben und darüber hinaus die arbeitsrechtlichen Möglichkeiten genutzt haben. Die kleinen und mittelständischen Unternehmen sind das Rückgrat unserer Wirtschaft.

(Beifall CDU und FDP)

Diesen Unternehmen will die Politik, wollen Sie jetzt vorschreiben, dass sie 7, 8, 9 oder 10 Euro Stundenlohn zu zahlen haben - egal ob für qualifizierte, gut geschulte Beschäftigte oder Ungelernte und Hilfsarbeiter. Haben Sie einmal daran gedacht, dass Sie damit unser wirtschaftliches Rückgrat brechen könnten?

(Zurufe von der SPD: Ach!)

Reden Sie mit Kleinstunternehmen,

(Görke [DIE LINKE]: Jetzt wissen wir, wo das steht!)

von denen wir ja viele haben, die keine Rücklagen haben und die über schlechte Zahlungsmoral klagen, die gar nicht in der Lage sind, höhere Löhne als gegenwärtig zu zahlen. Die Unternehmer bezahlen zuerst ihre Angestellten und nehmen dann, was in der Kasse ist. Solche Unternehmen gibt es in Brandenburg zuhauf.

Ich bin sehr wohl der Meinung, dass ein guter Lohn für geleistete Arbeit steht, für Teilhabe am Leben,

(Zuruf von der SPD: Aber?)

Vorsorge gegen Altersarmut und eine Wertschätzung der Arbeitskraft.

(Beifall CDU und FDP)

In diesem Zusammenhang müssen sich die Gewerkschaften aber auch fragen lassen, warum es ihnen teilweise nicht gelungen ist, bessere Löhne zu erstreiten, und warum die Tarifbindung immer mehr abnimmt. Ganz nebenbei gesagt: Keine Tarifbindung heißt nicht automatisch schlechte Löhne. Der Arbeitsmarkt ist in ständiger Bewegung. Das Ringen um Lehrlinge und gute Fachkräfte hat längst begonnen. Das spiegelt sich auch in der Entlohnung wider. Das trifft übrigens auch für die Zeitarbeitsfirmen zu, in denen es schon oft keine Fachkräfte mehr gibt. Die Firmen sorgen deshalb dafür, dass ihre Zeitarbeiter gut entlohnt werden - sie zahlen mehr als den ausgehandelten Mindestlohn -, um sie in ihrer Firma zu halten.

Meine sehr geehrten Kollegen, ich will es ganz deutlich sagen: Wir sagen Nein zu einem gesetzlichen Mindestlohn

(Bischoff [SPD]: Um Gottes willen!)

und damit Nein zu einem Wettlauf der Parteien nach dem Motto: Wer bietet mehr?

(Beifall CDU und FDP - Unruhe bei der SPD - Frau Leh- mann [SPD]: Das ist eine klare Aussage!)

Warum sind Sie eigentlich so aufgeregt, Kollegin Lehmann?

(Unruhe bei der SPD)

Wir sagen Ja zu einem Mindestlohn, der durch eine Kommission der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände festgelegt wird, der überall dort gilt, wo es heute keine Tarifabschlüsse gibt.

(Beifall CDU und FDP)

Wir wollen einen branchenspezifischen Mindestlohn, der den unterschiedlichen Anforderungen gerecht wird, und - das gehört auch zur Debatte - wir brauchen ein Bildungs- und Ausbildungssystem, das unsere jungen Menschen für den Arbeitsmarkt fit macht.

(Frau Lehmann [SPD]: Aber das können die Arbeitgeber gar nicht bezahlen!)

Die gut Qualifizierten haben die größten Chancen, in gut bezahlten Jobs zu arbeiten.

(Beifall CDU)

Zum Schluss will ich auf die reißerische Überschrift der heutigen Aktuellen Stunde zu sprechen kommen und Bezug auf die gestrige nehmen. Wir sind es gewohnt, dass Sie ganz schnell mit dem Finger nach Berlin und damit auf die Bundesregierung zeigen.

(Senftleben [CDU]: Etwas anderes könnt ihr ja nicht!)

Ein Mindestlohn muss nicht automatisch Altersarmut verhindern. Die Absenkung des Rentenniveaus von 51 % auf 43 % haben Sie in der Zeit der rot-grünen Bundesregierung zu verantworten, und die gleicht auch ein Mindestlohn nicht aus.

(Beifall SPD und DIE LINKE - Jürgens [DIE LINKE]: Warum machen Sie das nicht rückgängig? - Frau Leh- mann [SPD]: Und deswegen machen Sie es weiter!)

- Herr Jürgens, Sie fragen: Warum machen Sie es nicht rück

gängig? - Wir haben gestern das Thema Asylbewerber behandelt, und da wurde mir gesagt: Die rot-grüne Bundesregierung konnte sich ja einmal irren. - Sie sagen heute: Die rot-grüne Bundesregierung hat sich in dem Punkt Rentenniveau geirrt.

(Zuruf des Abgeordneten Jürgens [DIE LINKE])

Sind rot-grüne Bundesregierungen grundsätzlich ein Irrtum, oder wie darf ich das verstehen?

(Zurufe von der SPD und der Fraktion DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, ein wenig mehr Vorbildwirkung in Sachen Disziplin wäre gut!

(Beifall CDU)

- Vielen Dank, Herr Präsident.

Die CDU-Fraktion bedankt sich bei allen Menschen, die ihrer Arbeit - oft auch in Verbindung mit der Zurücklegung langer Arbeitswege - nachgehen.

Liebe Kollegen, wir brauchen keine neue Mindestlohndebatte über den Umweg Bundesrat. Unser historisch gewachsenes und funktionierendes sozialpartnerschaftliches System gewährt eine staatsferne Lohnfindung, und das ist gut so. Denn nur so sichern wir einen flexiblen Arbeitsmarkt, Erwerbschancen für die Schwächeren in der Gesellschaft und allgemeinen Wohlstand. - Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Der Abgeordnete Bernig setzt für die Linksfraktion fort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben bereits über Rentenniveau und seine Bedeutung für die Altersarmut debattiert. Heute steht die Frage, wie bereits im aktiven Arbeitsleben Armut und damit auch Altersarmut verhindert werden kann, auf der Tagesordnung. Dabei steht der Mindestlohn im Mittelpunkt.

Frau Schier, ich muss Ihnen sagen: Mit Ihren Darstellungen schieben Sie die Verantwortung für ein menschenwürdiges Leben allein den Betroffenen zu!

(Beifall DIE LINKE sowie vereinzelt SPD)

Unserer Ansicht nach ist es noch so, dass nicht die Menschen für die Wirtschaft verantwortlich sind, sondern die Wirtschaft für die Menschen. In diesem Sinne haben wir auch eine andere Sicht auf den Mindestlohn.

Ich erinnere an dieser Stelle daran, dass der Abbau bis dahin geltender sozialer Standards in der Bundesrepublik bereits in den 90er-Jahren begann. Daraufhin hat die damalige PDS im

Oktober 2003 zuerst die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns gefordert, während andere die Agenda 2010 auf den Weg gebracht haben. Dass Links wirkt, zeigt sich daran, dass zunächst die meisten Gewerkschaften ihren Widerstand aufgaben und außer der FDP - Herr Goetz ist im Moment leider nicht anwesend; er hat mich gestern bei dem Besuch einer Schülergruppe richtigerweise korrigiert und sehr schön deutlich gemacht, worin der Unterschied zwischen FDP und DIE LINKE besteht: Die FDP ist gegen den Mindestlohn und DIE LINKE dafür - inzwischen auch alle anderen demokratischen Parteien für einen Mindestlohn eintreten. Ob da immer drin ist, was draufsteht, bleibt dahingestellt - das haben wir eben auch bei Frau Schier gehört.

Allerdings muss man konstatieren, dass diese Wandlung der Positionen auch mit den einschneidenden negativen Veränderungen zu tun hat, die die Agenda 2010 bei der Deregulierung des Arbeitsmarktes, des Arbeitsrechts und bei der Veränderung der sozialen Sicherungssysteme zulasten der abhängig Beschäftigten gebracht hat.

Die Feststellung aus dem Antrag der SPD-Fraktion zur Aktuellen Stunde zeigt den Erkenntnisgewinn:

„Denn obwohl der Arbeitsmarkt in Deutschland im vergangenen Jahrzehnt vom Wirtschaftsaufschwung profitierte, hat die Niedriglohnbeschäftigung deutlich zugenommen. Trotz wachsender Erwerbstätigenzahlen stieg das gesamtwirtschaftliche Arbeitsvolumen kaum an. Die Segmentierung des Arbeitsmarktes verschärfte sich. Es stiegen die Zahl der Leiharbeiter, die Zahl der befristet Beschäftigten, die Zahl der geringfügig Beschäftigten und die Zahl der unfreiwillig in Teilzeit Beschäftigten. Atypische Beschäftigungsformen haben zu Lasten des klassischen Normalarbeitsverhältnisses an Bedeutung gewonnen.“