Protocol of the Session on September 26, 2012

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Böhnisch. - Wir setzen mit dem Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNE fort. Die Abgeordnete Nonnemacher hat das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Große Anfrage der CDU-Fraktion gibt uns bereits heute die Möglichkeit, einen Blick auf die Familienpolitik in Brandenburg zu werfen und das Familien- und Kinderpolitische Programm vorab zu bewerten, obwohl wir es erst im Juni 2012 verabschiedet haben und die Evaluation für 2014 geplant ist.

Das Familien- und Kinderpolitische Programm bis 2014 umzusetzen ist, da es sich um eine Querschnittsaufgabe handelt, äußerst ambitioniert. Dazu müssen das Frauenpolitische, das Behindertenpolitische sowie das Seniorenpolitische Maßnahmenprogramm verknüpft und effektiv gestaltet werden. Die Große Anfrage der CDU will nun frühzeitig Licht ins Dunkel bringen. Ich bezweifle jedoch, dass wir aufgrund dieser Auskünfte wesentlich neue Erkenntnisse über Brandenburger Familien gewinnen werden.

Beginnen wir mit den unklaren Familienzahlen und dem unklaren Familienbegriff. Die Landesregierung spricht von Familien, wenn mindestens ein minderjähriges Kind im Haushalt lebt. Das führt zu kuriosen Aussagen. Gesagt wird: In Brandenburg leben 521 900 Kinder. Weiter wird gesagt: Brandenburg hat 225 000 Familien mit 325 000 Kindern unter 18 Jahren. Was ist mit den restlichen Kindern? Leben die im Heim? 196 900 Kinder über 18 Jahre gehören nach der Familiendefinition nicht zur Familie. Ohne einen angemessenen Familienbegriff wird es nicht möglich sein, zu klären, worüber wir reden, wenn wir von Familien in Brandenburg sprechen.

Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist Familie da, wo Kinder leben. Neben klassischen Mutter-Vater-Kind-Familien haben sich vielfältige Formen des Miteinanderlebens mit Kindern gebildet. Das können wir nicht ignorieren. Alleinerziehende und nichteheliche Lebensgemeinschaften bestehen neben katholischen Ehepaaren, lesbisch lebende Frauen mit Kindern treffen auf Patchworkfamilien. Wir setzen uns für diese Definition des Familienbegriffs ein, da er die Lebenswirklichkeit von Familien angemessen abbildet und auf Verantwortungsübernahme und Wahlfreiheit beruht. Damit hätten wir auch die Möglichkeit, Programmgestaltungen für Familien in Brandenburg zielgerichtet zu verbessern und zu bereichern.

Zur Programmgestaltung, über die die Große Anfrage Auskunft gibt, gehören auch die Initiativen der Landesregierung, um die gesellschaftliche Anerkennung der Familienarbeit zu steigern.

Die gesellschaftliche Anerkennung von Familienarbeit wird durch die Servicestelle Arbeitswelt und Elternzeit gefördert, in der Unternehmen und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beraten und Väter ermutigt werden, Elternzeit in Anspruch zu nehmen. Die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Pflege wird berücksichtigt. Die INNOPUNKT-Initiative „Beruf, Familie, Pflegen“ spricht im Unternehmen die Personalverantwortlichen an. Die Anerkennung von Familienarbeit soll auch

in der Verwaltung, den Hochschulen und in den Unternehmen verbessert werden. Deshalb legt die Landesregierung Schwerpunkte ihres Handelns auf Vereinbarkeitslösungen und familien- und gleichstellungsgerechte Arbeitsbedingungen sowie einen Wandel in den Unternehmenskulturen vor. Das ist zweifelsohne gut und richtig. Welchen Vorschlag unterbreitet uns die Landesregierung aber für die Umsetzung? Die Landesregierung sagt:

„Männer müssen stärker in den Blick genommen werden; ihnen ist die Übernahme von Verantwortung für Familienaufgaben zu ermöglichen und dies auch zu honorieren.“

Was will uns die Landesregierung damit sagen? Lobende Worte und Streicheleinheiten haben noch keinen Mann dazu gebracht, seinem Kind die Windeln zu wechseln und die Wäsche zu bügeln.

(Frau Lehmann [SPD]: Nein?! Das ist ja verrückt!)

Das ist genauso wirksam wie die Flexi-Quote von Ministerin Schröder. Sollte mit „honorieren“ eine Bezahlung für Hausmänner gemeint sein, so würde dies die Anerkennung von Familienarbeit auf den Kopf stellen. Von Finanzierungsquellen wollen wir mal gar nicht reden.

Für Brandenburger Familien - zu einer gehöre ich auch - wünsche ich mir bessere und effizientere, familienpolitische Unterstützungsvorschläge.

(Beifall GRÜNE/B90)

Nein, der Erkenntnisgewinn aus den Antworten auf diese Große Anfrage konvergiert gegen null. Noch haben wir zwei Jahre Zeit und geben die Hoffnung nicht gänzlich auf, dass die Landesregierung die Querschnittsaufgabe, Familienpolitik für Brandenburg zu entwickeln, auch meistern kann.

(Beifall GRÜNE/B90)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Nonnemacher. - Das Wort erhält die Landesregierung. Herr Minister Baaske wird die Aussprache bereichern.

Frau Vizepräsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin eben wirklich ganz unruhig geworden auf meinem Platz. Frau Nonnemacher, ich habe heute Morgen schon zweimal die Windeln gewechselt und wurde mit einem Lächeln meiner Tochter belohnt. Ich mache es gerne, wenn es denn sein muss.

(Zurufe - Beifall CDU)

Aber, wie gesagt, ich glaube schon, dass Männer sich auch darüber freuen, wenn sie dafür einmal gelobt werden; das darf man ruhig einmal machen.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Zu Frau Schulz-Höpfner: Verehrte Frau Schulz-Höpfner, ich

habe hier oben zu stehen: Als erstes Dank an die CDU für die Anfrage. Das sage ich jetzt aber nicht.

(Frau Lehmann [SPD]: Nein, würde ich auch nicht!)

Nach dem, was Sie hier vorhin über die Große Anfrage gesagt haben, wir hätten kein Konzept, wir hätten kein familienpolitisches Ziel usw. usf., darf ich vielleicht einmal Ihre Fragestellung ganz grob skizzieren. Die erste Seite, Bestandsaufnahme, jede Frage beginnt mit wie viele oder welche. Der nächste Punkt heißt: wie hoch, wie hoch, wie hoch. Weiter geht es dann im dritten Komplex: welche, mit welchen, welche, welche, wie viele, wie viele, welche, wie hoch usw. Im nächsten Komplex wieder: inwieweit, wie, wie fördert, welche Belange, wie viele, in wie vielen Fällen. Dann geht es weiter: wie hoch, wie viele usw. Das sind Ihre Fragen. Das Wort „Konzept“, meine Liebe, kommt in Ihrer ganzen Fragestellung nicht ein einziges Mal vor.

(Vereinzelt Beifall SPD)

Dann werfen Sie uns vor, wir würden mit dieser Fragestellung kein Konzept nachweisen. Aber Sie haben vollkommen Recht, das müssen wir gar nicht, wir haben nämlich ein familienpolitisches Programm beschlossen, und wir haben ein umfangreiches Maßnahmenpaket, das - Frau Nonnemacher sagte es - bis 2014 evaluiert wird. Im Herbst 2014, meine Liebe, werden auch bei uns in Brandenburg die Küken gezählt.

Sie haben selbst den Satz gesagt: Es gibt keine dummen Fragen. Meine Liebe, damit haben Sie den Beweis erbracht, dass es sehr wohl welche gibt. Das muss man einmal deutlich sagen. Sie haben die Fragestellung am Thema vorbei geführt, weil Sie das hören wollten, was Sie uns unterstellt haben, was wir nicht hätten. Wie gesagt, Sie hätten ganz anders fragen müssen.

Sie haben gesagt, viele Antworten seien von anderen Dingen oder aus anderen Antworten übernommen worden. Ja, na klar. Auch ich habe mich gefragt, warum Sie diese Frage stellen, die wir längst beantwortet haben. Das habe ich nicht verstanden. Aber die Frage stand nun einmal da, und natürlich werden wir die Antwort aus alten Antworten übernehmen, wenn es dazu keine neuen Regularien gibt.

Die Frage zur Querschnittsaufgabe hat, glaube ich, Sylvia Lehmann schon sehr gut beantwortet.

Wenn Sie sagen, wir sollten uns wichtige familienpolitische Dinge ansehen, zum Beispiel Thema Rente, da kann ich nur sagen: Herrje, wer regiert denn jetzt in Berlin? Dann machen Sie es doch! Dann sehen Sie zu, dass daraus etwas wird!

Zu Herrn Büttner nur noch ganz kurz zum Thema Arbeitsförderung: Wir sollten also eine Arbeitsförderung machen, die sich an den Familien in Brandenburg orientiert. Das kann doch nur ein Witz sein, oder? Arbeitsförderung ist doch für Ihre FDP-Bundespolitiker Teufelskram! Sie haben doch den Titel so weit zusammengestrichen, dass für Arbeitsförderung gar nichts mehr übrig bleibt. Das habe ich beim besten Willen nicht verstanden. Wer hat Ihnen das aufgeschrieben?

(Zuruf des Abgeordneten Büttner [FDP])

Das, was Sie hier erzählen, passt doch hinten und vorne nicht.

Ich will noch einmal ganz kurz auf zwei Dinge eingehen, die mir wichtig sind und die man in der Tat aus dieser Anfrage ersehen kann. Es gibt 38 000 Bedarfsgemeinschaften in diesem Land, in denen Kinder leben, und die Hälfte von denen bezieht ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt. Das ist in der Tat eine wichtige Frage, über die können wir morgen früh noch einmal diskutieren, wenn es um den Mindestlohn geht, weil das ein Thema ist, das sich die CDU und auch die FDP einmal anschauen müssen. Ich glaube, dass wir viele von den Bedarfsgemeinschaften, die zusätzliche Leistungen vom Amt beziehen, aus dieser Bedarfsgemeinschaft, aus dieser Notlage herausziehen könnten, wenn wir in Brandenburg einen Mindestlohn hätten, der den Namen verdient.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Dafür können Sie etwas leisten und weniger wir.

Wir haben im Koalitionsvertrag den Kinderschutz. Das wurde schon klargestellt, das wird dann in Angriff genommen, wenn wir es evaluiert haben, und vor allen Dingen, wenn das, was der Bund macht, nicht reicht.

Wir wollen im Übrigen familienfreundlichstes Bundesland werden. Ich glaube, dass wir dabei auf einem sehr guten Weg sind. Frau Schulz-Höpfner, Sie haben vollkommen richtig festgestellt, dass dafür auch die Kommunen etwas leisten müssen. Das machen sie vielfach. Es gibt da tolle Ansätze. Es gibt einen Kinderbegrüßungsdienst, es gibt einen Babydienst, es werden Bäume für die Kinder gepflanzt usw. Da gibt es wirklich inzwischen eine Kultur, die deutlich macht: Wir sind in Brandenburg keinesfalls kinderfeindlich, vielleicht nicht immer so kinderfreundlich, wie wir es sein müssten, aber auch da passiert eine ganze Menge. Da sind wir sehr erfolgreich und die Kommunen machen mit, weil sie erkannt haben, dass gute Familienpolitik bei weitem kein weicher, sondern ein knallharter Standortvorteil ist. Die Bündnisse, die wir haben, sorgen dafür, dass das vor Ort ganz gut funktioniert. Ich glaube, dass unsere Antworten das untermauern. Aber, wie gesagt, wir werden die entscheidenden Antworten bei der Evaluierung des Programms im Jahr 2014 haben.

Wenn Sie uns und unsere Abteilungen mit dieser Großen Anfrage vielleicht davon abhalten wollten, dass wir arbeiten können, kann ich Ihnen sagen: Das ist Ihnen nicht gelungen. Vielfach haben wir Zahlen vom Statistischen Amt bekommen müssen. Vielfach hatten wir die Zahlen auch da. Aber trotzdem war es, denke ich, für alle beteiligten Ressorts dieser Landesregierung eine Fleißarbeit. Dafür darf ich mich bei den Kollegen ganz herzlich bedanken.

Wie gesagt, abgerechnet wird 2014 mit der Evaluierung des ganzen Pakets. - Danke schön.

(Beifall SPD)

Vielen Dank, Herr Minister Baaske. - Es gibt den Wunsch nach einer Kurzintervention. Frau Abgeordnete Schulz-Höpfner hat das Wort.

Sehr verehrter Herr Minister, ich bin natürlich schon etwas irritiert über die Art und Weise Ihres Vortrags, das muss ich ehrlich zugeben. Ich gebe auch ganz selbstkritisch zu: Sie haben Recht, ich habe die Fragen so gestellt. Deswegen habe ich schon in meinem Vortrag - das war mir selbst aufgefallen ganz klar gesagt: Es könnte sein, dass ich die Fragen vielleicht nicht richtig gestellt habe.

Ich bin aber davon ausgegangen, dass die Fragen in dieser Art und Weise dann auch nicht beantwortet werden, sondern dass es tatsächlich darum geht, auch auf die Ergebnisse und die Konzepte einzugehen.

(Frau Lehmann [SPD]: Monika, wie lange bist du im Landtag!?)

Mir war nicht klar, dass ich bei jeder Frage eben diese Fragestellung noch einmal mit anfügen muss. Es ist für mich noch einmal eine Lehre: Sie können damit rechnen, dass ich in Zukunft, wenn ich Fragen stelle, dies immer noch einmal anfüge, so wie bei vielen anderen Anfragen. Aber bei einer so wichtigen Frage wie der der Familienpolitik hätte ich es einfach nicht für möglich gehalten, dass man tatsächlich nur die Textpassagen aus Berichten nimmt und uns das dann hier als familienpolitisches Konzept des Landes auf den Tisch legt.

(Beifall CDU)

Herr Minister Baaske, es gibt die Möglichkeit, darauf zu reagieren.

Frau Schulz-Höpfner, mit Verlaub, Sie haben im Vorwort der Großen Anfrage, in diesen zehn Zeilen, lediglich gesagt, dass Sie ein paar Zahlen haben wollen. Das steht so drin, Entschuldigung. Sie haben nicht gesagt, dass Sie tatsächlich eine umfangreiche Antwort bezüglich eines Konzepts haben wollen.