Protocol of the Session on August 29, 2012

(Beifall FDP, SPD und CDU - Frau Lehmann [SPD]: Ih- nen auch, Herr Büttner!)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Büttner. - Wir setzen mit dem Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort. Frau Abgeordnete Nonnemacher hat das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Koalitionsfraktionen haben mit dem Antrag „Flächendeckende und kontinuierliche Unterstützungsangebote für pflegende Familien entwickeln und aufbauen“ einen wunderbaren Antrag vorgelegt, den ich als sehr wichtig empfinde und sehr unterstütze.

(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)

Ich finde es allerdings ausgesprochen bedauerlich, dass unter dem Druck des anstehenden Parlamentarischen Abends und durch die ungünstige Gestaltung der Tagesordnung dieser extrem wichtige Antrag

(Beifall GRÜNE/B90 und CDU - Frau Lehmann [SPD]: Richtig!)

überhaupt nicht die Beachtung findet, die ihm gebührt, und auch nicht die Diskussion, die ihm gebührt. Ich bedauere es auch ein wenig, Frau Kollegin Lehmann, dass Sie selbst sich als eine der Antragstellerinnen so verkürzt geäußert haben. Ich finde, dieses Modellprojekt ist unglaublich wichtig und sehr, sehr vielschichtig und hätte viel mehr Aufmerksamkeit verdient.

Nun sind die Verhältnisse hier so, wie sie sind. Ich kann aber sagen, dass ich das Modellprojekt ausgesprochen begrüße. Es ist eine sehr wichtige Angelegenheit. Dem Antrag stimmen wir selbstverständlich zu. Dem Änderungsantrag der FDP werden wir nicht zustimmen, denn die familiale Pflege ist, aus den Erziehungswissenschaften abgeleitet, ein wichtiges Unterstützungssystem für die Familie und nicht primär ein Versorgungsangebot, das ins Pflegegesetz aufgenommen werden müsste. Das kann man sich vielleicht später, nach vielen Jahren, wenn man es evaluiert und betrachtet hat, nochmals anschauen, aber bestimmt nicht im Moment. Das geht an der Idee und der Intention vorbei.

Ein wunderschöner Antrag; ich wünschte, ich hätte ihn selbst stellen können. Wir freuen uns, dass Sie das getan haben.

(Beifall GRÜNE/B90, SPD, DIE LINKE und CDU)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Nonnemacher. - Für die Landesregierung ergreift Minister Baaske das Wort.

(Zuruf SPD: Das kannst du doch nicht machen!)

- Doch, muss ich. Ich muss insbesondere die Kritik von Frau Nonnemacher unterstreichen, dass dieser Antrag leider in der Aufmerksamkeit nicht den ihm zustehenden Stellenwert erhält.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist offensichtlich vielen im Raum noch nicht klar, dass demografische Ent

wicklung in der Pflege potenziert Probleme aufwerfen wird. Wenn wir weniger junge Leute haben, die Autos reparieren, dann würden wir sagen: Na gut, dann wird sich irgendjemand finden, und wenn es die Polen machen, dann machen die es, und wenn nicht, dann bleibt das Auto eben eine Weile kaputt. Wenn wir wissen, dass der Bäcker keine Lehrlinge mehr hat, dann werden wir uns die Brötchen eben im Supermarkt kaufen und selbst aufbacken, das würde auch irgendwie funktionieren.

Aber gerade bei der Pflege rasen die beiden Züge aufeinander zu. Wir haben auf der einen Seite wesentlich weniger junge Leute, die später überhaupt noch in der Lage sind und da sind, um zu pflegen. Wir haben auf der anderen Seite aber eine massiv wachsende, größere Bevölkerungszahl von Menschen, die gepflegt werden müssen. Wir haben derzeit in Brandenburg 90 000 Menschen, die gepflegt werden. Dies tun derzeit 27 000 Profis, hauptamtliche Pfleger. Wir sind mit einer häuslichen Pflegequote von 75 % richtig gut. Länder wie Schleswig-Holstein haben 60 oder 65 %. Das hat auch etwas damit zu tun, dass bei uns viele Frauen arbeitslos sind und ihre Eltern, Schwiegereltern oder Großeltern pflegen.

Das wird jedoch in Zukunft nicht mehr so sein, und wir werden die Zahlen sind sonnenklar - im Jahr 2030 - ist gar nicht mehr so lange hin - eben nicht mehr 90 000, sondern 160 000 Menschen haben, die gepflegt werden wollen. Aber wir haben dann nur noch 10 000 Geburten. Das heißt also, wir müssten eigentlich, um die 160 000 Menschen zu pflegen, nicht mehr 27 000, sondern 56 000 Menschen haben. Wir müssten in den nächsten 18 Jahren theoretisch also in jedem Jahr 2 000 Menschen ausbilden und in die Pflege geben. Bei 10 000 Geburten - oder jetzt noch 15 000 - wissen Sie selbst: Das wird niemals funktionieren. Wir werden nicht jeden Fünften oder jeden Siebten, der aus der Schule kommt, dafür begeistern können, in der Pflege zu arbeiten.

Was bleibt also? Wir brauchen erstens die Frage an die Menschen, die hier in diesem Saal sitzen: Wie wollt ihr alt werden? Herr Eichelbaum, wir sprechen auch über Ihre Pflege, wir sprechen über die Pflege all der Menschen, die hier sitzen, denn Sie alle werden womöglich in der Situation sein, in 20 Jahren jemanden zu benötigen, der Ihnen den Hintern abwischt, weil Sie es allein nicht mehr hinbekommen. Dafür müssen wir nach neuen Konzepten suchen. Das heißt also, es muss die Möglichkeit geben, dass wir Familien darin stärken, eine häusliche Pflege abzusichern.

Nun wissen wir, dass viele Familien leider überfordert sind. Die Entscheidung, häusliche Pflege oder nicht, muss in der Regel innerhalb von ein bis zwei Wochen fallen. Das bedeutet also: Es gibt einen Schlaganfall oder eine Operation, man stellt fest, Oma oder Opa kommt nicht mehr so nach Hause, wie er bzw. sie ins Krankenhaus gekommen ist, und wir müssen jetzt etwas tun. Wenn die Familie in dieser Zeit nicht fitgemacht wird, zu Hause dafür zu sorgen, dass gepflegt werden kann, dann bedeutet das in der Regel stationäre Einweisung, ein doppelter oder dreifacher Personalbedarf usw.

Genau darum ist dieser Antrag so toll, genau darum ist das, was die Uni Bielefeld gemacht hat, so toll: Familien darin zu stärken, dass sie das in den Griff bekommen, dass zu Hause gepflegt werden kann. An dieser Front müssen wir noch besser werden und Familien stärken. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf muss gewährleistet werden. All diese Dinge spielen eine Rolle.

Einen wichtigen Punkt greift dieser Antrag auf: Dass wir Familien qualifizieren müssen, damit sie dies leisten können. Die verschiedenen Aspekte wurden hier genannt. Meine dringende Bitte ist, diesem Antrag zuzustimmen. Ich freue mich, dass so viele dabei mitmachen.

Herr Büttner, Ihnen sage ich: Wenn wir merken, dass wir gesetzlich etwas ändern müssen, um diesen Punkt hinzubekommen, dann werden wir das tun, das kann ich Ihnen versprechen. Insofern können Sie diesem Antrag ruhig zustimmen. - Danke schön.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Minister Baaske. - Frau Abgeordnete Lehmann, wünschen Sie einen weiteren Redebeitrag?

(Abgeordnete Lehmann [SPD] verneint.)

- Sie verzichtet. Damit sind wir am Ende der Aussprache angelangt und kommen zur Abstimmung. Es wird zuerst über den

Änderungsantrag in Drucksache 5/5904, eingebracht durch die FDP-Fraktion, Einfügung eines Anstrichs, abgestimmt. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Bei einer deutlichen Anzahl von Enthaltungen ist dieser Antrag dann auch abgelehnt.

Wir kommen zur zweiten Abstimmung, und zwar stimmen wir ab über den Antrag in Drucksache 5/5854, Antrag der SPDFraktion und der Fraktion DIE LINKE, „Flächendeckende und kontinuierliche Unterstützungsangebote für pflegende Familien entwickeln und aufbauen“. Wer diesem Antrag Folge leisten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? Enthaltungen? - Einstimmig. Am Ende des schönen Tages ein einstimmig angenommener Antrag.

(Beifall)

Ich schließe Tagesordnungspunkt 13, schließe die heutige Sitzung und wünsche Ihnen viel Vergnügen mit der Feuerwehr.

Ende der Sitzung: 19.36 Uhr