Protocol of the Session on August 21, 2012

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 59. Sitzung des Landtages Brandenburg und habe die Bitte an Sie, sich zu einer Gedenkminute für unsere am 25. Juli 2012 verstorbene Kollegin Irene Wolff-Molorciuc zu erheben.

(Die Abgeordneten erheben sich zu einer Gedenkminute von den Plätzen.)

- Ich danke Ihnen.

Meine Damen und Herren! Der Landeswahlleiter hat mitgeteilt, dass Herr Matthias Loehr mit Wirkung vom 31. Juli 2012 Mitglied des Landtages Brandenburg geworden ist. Er gehört der Linksfraktion an. Herzlich willkommen, Herr Loehr!

(Loehr [DIE LINKE]: Danke! - Beifall)

Des Weiteren informiere ich Sie darüber, dass die Fraktion DIE LINKE am 20.08.2012 den Abgeordneten Görke als Vorsitzenden, die Abgeordneten Wehlan und Mächtig als stellvertretende Vorsitzende sowie den Abgeordneten Domres als Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktion gewählt hat. Als weitere Mitglieder des Fraktionsvorstandes wurden die Abgeordneten Büchel, Große, Dr. Scharfenberg und Wöllert gewählt. Damit haben wir eine neue Mannschaft bei der Linksfraktion. Vertragt euch gut!

(Heiterkeit bei der Fraktion DIE LINKE - Gelächter bei der CDU)

Entschuldigung, ich bin zu Beginn der Sitzung ermahnt worden, heute nicht ironisch zu sein. Ich gebe mir ab sofort Mühe.

(Jürgens [DIE LINKE]: Ich dachte, das war ein ernst ge- meinter Wunsch!)

Gibt es Bemerkungen zum Entwurf der Tagesordnung? - Da dies nicht der Fall ist, bitte ich um Zustimmung zur Tagesordnung. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Beides ist nicht der Fall, sodass wir in die Tagesordnung zu folgendem Beratungsgegenstand eintreten können:

„Chaos am Flughafen Willy Brandt gefährdet Sicherheit und Zukunft Brandenburgs“

Antrag von 19 Abgeordneten gemäß § 17 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Landtages

Des Weiteren liegt Ihnen ein Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor.

Als erster Redner erhält für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Dombrowski das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir, die Abgeordneten des Landtages Brandenburg, sind die gewählte Vertretung des Volkes. Wir wurden gewählt, um uns für die Interessen und Belange der Bürger des Landes einzusetzen. Und weil

das wichtigste, größte und teuerste Infrastrukturprojekt des Landes, ja sogar der neuen Länder aus der Kontrolle geraten ist, haben wir als CDU-Fraktion diese Sondersitzung beantragt. Wir wissen, dass wir mit einer Sitzung nicht das Problem aus der Welt schaffen, aber die Bürgerinnen und Bürger, für die wir hier sitzen, diskutieren und entscheiden, haben Anspruch darauf zu wissen: Was funktioniert, was funktioniert nicht, und wer trägt die Verantwortung?

(Beifall CDU und GRÜNE/B90)

Es kann nicht sein, meine Damen und Herren, dass sich Politiker wählen lassen, um dann in Regierungsverantwortung zu erklären: „Wir können uns nicht im Detail kümmern“, „Ich kann als Aufsichtsrat doch nicht die Arbeit der Geschäftsführung machen“, „Ich kann als Aufsichtsrat doch nicht in jeden Kabelschacht kriechen“, „Ich kann das gar nicht beurteilen; ich bin doch auf die Informationen der Geschäftsführung angewiesen.“ - Ja, meine Damen und Herren, so muss man argumentieren, wenn man möchte, dass die Bürgerinnen und Bürger den letzten Glauben an die Politik und damit an unser Demokratiemodell verlieren. Man kann verstehen, wenn Bürger zu dem Ergebnis kommen, dass unsere Demokratie nichts wert ist, wenn sie sich nicht mehr an der Fähigkeit zur Übernahme von Verantwortung messen lassen will.

(Beifall CDU und GRÜNE/B90)

Meine Damen und Herren! Äußerungen aus diesem Landtag heraus machen auch die Bemerkung notwendig, dass es nicht die Aufgabe der Opposition ist, der Regierung zuzujubeln oder ihr beim Verdunkeln und Vernebeln von kritikwürdigen Vorgängen zu helfen.

Der Anlass der heutigen Sitzung ist ein islamistischer Gefährder, der für die Zugangskontrolle auf der Flughafenbaustelle zuständig war. Er hat dort schwarz gearbeitet. Beides wurde von der Landesregierung noch vor wenigen Wochen als unmögliches Szenario dargestellt.

Die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten ist die allererste und wichtigste Aufgabe jeder Regierung. Dass der Ministerpräsident dann mitteilen lässt, dass er das Problem mal im nächsten Aufsichtsrat - sozusagen bei Tee und Gebäck - besprechen möchte, zeigt offensichtlich, wie sehr die Fähigkeit, Probleme als Probleme zu erkennen, zu bezeichnen und dann zu lösen, beim Ministerpräsidenten verloren gegangen ist.

(Beifall CDU)

Ich frage mich, meine Damen und Herren, seit wann in unserem Land privatrechtliche Gesellschaften für zentrale Fragen der öffentlichen Sicherheit zuständig sind. Muss es uns jetzt ausreichen, dass der Geschäftsführer des Flughafens verspricht, dass so etwas nicht mehr vorkommen werde? Muss es reichen, dass Herr Schwarz ausschließt, dass es schon früher ähnliche Fälle gegeben habe? Mir reicht das nicht und den Bürgerinnen und Bürger im Lande auch nicht.

Ihnen, Herr Ministerpräsident, scheint die Brisanz des Skandals nicht bewusst zu sein. Es geht hier nicht um den bürokratischen Fehler eines Subunternehmers. Es geht um die Sicherheit eines Flughafens, der von über 20 Millionen Fluggästen ge

nutzt werden soll. Es geht um die Sicherheit Brandenburgs, um die Sicherheit unseres Landes.

(Beifall CDU)

In Anbetracht der eklatanten Sicherheitsdefizite und Schlampereien ist es nämlich völlig unklar, wer in den letzten Monaten und Jahren alles auf der Baustelle des Flughafens Willy Brandt tätig war und beispielsweise Baupläne, Tunnelsysteme, unterirdische Betankungsanlagen oder ähnliche Sicherheitssysteme hätte einsehen bzw. ausspionieren können.

Herr Ministerpräsident, Sie haben am 7. November 2009 in diesem Saal Ihren Amtseid geleistet. Sie haben geschworen, Schaden vom Lande abzuwenden und sich zum Wohle unseres Landes, für die Bürgerinnen und Bürger einzusetzen. Herr Ministerpräsident, ohne Zweifel haben Sie in Ihrem Wirken für das Land nicht nur Fehler gemacht. Aber Chef einer Regierung zu sein bedeutet eben nicht nur, sich und andere in die Sonne zu stellen. Es bedeutet auch, Verantwortung zu übernehmen, wenn die Dinge nicht funktionieren.

(Beifall CDU und des Abgeordneten Vogel [GRÜNE/ B90])

Im Zusammenhang mit dem Flughafen sagen Sie: „Ich gehöre nicht zu denen, die kneifen.“ Das hört sich gut an. Tatsache ist aber, dass sich die Bürgerinnen und Bürger bei all den Nachrichten, die vom Flughafen in die Öffentlichkeit gelangen, regelmäßig irgendwohin kneifen, um festzustellen, ob sie wach sind oder sich in einem bösen Traum befinden. Vielleicht, Herr Ministerpräsident, sollten auch Sie sich einmal irgendwo kneifen, um wach zu werden.

Herr Ministerpräsident, Sie sind als einziger Brandenburger seit 2002 ununterbrochen Mitglied dieses Aufsichtsrates. Sie haben als stellvertretender Vorsitzender dieses Aufsichtsrates auch noch eine herausgehobene Funktion. Der Flughafen wird in Brandenburg gebaut, nicht in Berlin. Alle behördlichen Fragen - mit Ausnahme der Flugrouten - sind in alleiniger Verantwortung der in Brandenburg Zuständigen zu treffen. Sie, Herr Ministerpräsident, sind sehr gern zuständig und verantwortlich für das Wunder von Mühlberg und Ähnliches, wollen aber nicht zuständig sein für die Entwicklungen am Flughafen Willy Brandt, sondern sind darüber stocksauer. Sie sind sozusagen die personifizierte Nichtzuständigkeit, wenn die Dinge schieflaufen, und Sie versuchen, die katastrophale Entwicklung am Flughafen Willy Brandt als eine Art höhere Gewalt oder als durch Andere verursacht darzustellen. Sie versuchen, Ihre unmittelbare Zuständigkeit wie auch die Zuständigkeit der Landesverwaltung - und natürlich auch dieses Parlaments - zu leugnen. Aber es gelingt Ihnen nicht, und das ist gut so.

Herr Ministerpräsident, wenn es nur das wäre, dass der Flughafen teurer wird! Dafür können durchaus in begrenztem Umfang Erklärungen gegeben werden. Aber das ist es ja nicht allein. Festzustellen bleibt, Herr Ministerpräsident, dass Sie es fertigbringen, den Brandenburgern, die betroffen sind, den planfestgestellten Anspruch auf Lärmschutz streitig zu machen. Und nicht nur das: Sie haben im Aufsichtsrat zugestimmt, mit juristischen Mitteln gegen ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts vorzugehen, das den betroffenen Bürgern eben diesen Lärmschutz richterlich bestätigt hat.

(Beifall CDU und GRÜNE/B90)

Es ist schön für Sie, Herr Ministerpräsident, dass Sie einen Moment lang glauben konnten, Sie könnten sich für Ihren vermeintlichen Lärmschutzkompromiss feiern lassen. Übrig bleibt aber erstens, dass der Ministerpräsident unseres Landes mit seiner Fachverwaltung zugelassen hat, dass die Flughafengesellschaft den vorgeschriebenen Lärmschutz nicht realisiert.

(Beifall CDU)

Zweitens bleibt übrig, dass der Ministerpräsident dieses Landes bereit war, mit juristischen Mitteln gegen die berechtigten Interessen der eigenen Bürger vorzugehen. Und wenn, meine Damen und Herren, in der weiteren Diskussion Regierungsmitglieder oder Kollegen wieder kommen und sagen: Ja, aber die CDU war doch früher auch dabei, und heute ist sie auch - mit Herrn Henkel und Herrn Bomba - dabei“, dann sage ich: Ja, Sie haben Recht - aber Sie verweisen wieder einmal auf andere. Das habe ich vorhin als personifizierte Nichtverantwortung des Ministerpräsidenten bezeichnet.

(Beifall CDU und GRÜNE/B90)

Und wenn Sie, Herr Ministerpräsident, der CDU vorwerfen lassen, mit Dreck zu werfen - nur weil sie sich für den Lärmschutz engagiert -, dann sage ich, dass wir als CDU nichts anderes tun, als unserer Mitverantwortung für den Planfeststellungsbeschluss von 2004 nachzukommen, der sozusagen auch unsere Unterschrift trägt, den wir den Bürgerinnen und Bürgern, die betroffen sind, nicht aus Gnade zusprechen, sondern als ihr verbrieftes Recht ansehen.

(Beifall CDU und der Abgeordneten Nonnemacher [GRÜ- NE/B90])

Wir werden diesen Bürgern bedingungslos helfen, genau das zu bekommen, was Sie, Herr Ministerpräsident, den Bürgern nach 2009 haben streitig machen wollen, denn das ist unsere Verantwortung als Opposition in der Kontinuität ehemals aus Regierungsverantwortung bis heute.

Herr Ministerpräsident, Sie sind verantwortlich als Chef einer Regierung. Nicht umsonst spricht der Volksmund: Wie der Herr, so‘s Gescherr!

Ich verstehe, dass alle, die Ihnen politisch sehr nahe stehen und in ihren eigenen Gestaltungsvorstellungen mit Ihnen verbunden sind, Sie zu schützen versuchen und auf andere, vermeintlich Verantwortliche - im Zweifelsfalle immer die CDU verweisen. Herr Ministerpräsident, meine Damen und Herren, Sie irren - nein, Sie irren nicht, Sie sagen einfach nur nicht die Wahrheit, wenn Sie behaupten, dass die CDU den Flughafen unverantwortlicherweise schlecht rede. Herr Ministerpräsident, Ihre Regierung hat auf unsere Kleine Anfrage geantwortet:

„Wirtschafts- und Ertragslage der Flughafengesellschaft lassen keine weiteren Kredite zu.“

Wir sind nur dafür verantwortlich, dass wir die Frage gestellt haben. Und wir stellen weiterhin Fragen, meine Damen und Herren, Herr Ministerpräsident, denn dafür sind wir gewählt. Die Aufgabe der Kontrolle der Regierungsarbeit ist bei der Opposition in besonderer Weise gut aufgehoben.

(Beifall CDU)

Dabei ist völlig unerheblich, wer in welchem Land in welchem Farbenspiel regiert oder opponiert. Es ist wichtig und erfordert Verantwortungsgefühl, dass der Ministerpräsident dies schätzt oder - zumindest - erträgt.

Was haben Sie, Herr Ministerpräsident, am größten Investitionsprojekt Ostdeutschlands bisher tatsächlich zustande gebracht? Im Juli 2008 haben Sie mit Freude medienwirksam den ersten Spatenstich für den Terminal zelebriert. Auch beim Richtfest - ein paar Jahre später - trugen Sie gern die Feierverantwortung. Im Juli 2010 wurde dann die für November 2011 geplante Eröffnung des Flughafens um ein Jahr verschoben. Schuld waren natürlich andere.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätten Sie misstrauisch werden müssen. Stattdessen bescherten Sie unserem Land Brandenburg vor rund drei Monaten die größte Blamage seiner Geschichte. Vier Wochen vor dem Termin wurde die Eröffnung erneut abgesagt, die Gäste wurden wieder ausgeladen - in dieser Form bundesweit einmalig. Sie kündigten dann auf der Pressekonferenz am 8. Mai eine Eröffnung für August 2012 an. Sie wussten nichts oder zu wenig über die tatsächlichen baulichen Missstände, aber genug, um einen Augusttermin ins Gespräch zu bringen.

(Beifall CDU und FDP)

Auch die Einhaltung des vierten von Ihnen angekündigten Termins - des 17. März 2013 - ist mittlerweile mehr als fraglich. Wenn es erst der Expertise des neuen Technikchefs bedarf, einen verbindlichen Termin festzulegen, der auch gehalten werden kann, sagt das alles über den Wert Ihrer Ankündigungspolitik.