Protocol of the Session on June 7, 2012

Liebe Frau Schier, Sie haben Ihren Beitrag damit beendet: Was soll ich denn meinen Leuten dort in Sebnitz sagen? - Ich finde, es ist ganz einfach, was Sie ihnen sagen sollen. Sie sollen so weitermachen wie bisher. Das ist doch eine tolle Arbeit, die sie da geleistet haben. Ich sehe das, was wir heute hier machen, durchaus im Zusammenhang mit dem Thema „Tolerantes Brandenburg“, was wir gestern besprochen haben. Wir haben ja gar nicht vor, Heime zu schließen. Aber wenn die Menschen in Wohnungen untergebracht werden wollen, dann sollen sie auch in Wohnungen untergebracht werden.

(Beifall GRÜNE/B90)

Das ist genauso ihr gutes Recht wie das jedes anderen Einwohners von Brandenburg, der hier lebt. Genau das ist die Intention dessen, was wir Ihnen hier als Ausschuss mit großer Mehrheit vorgelegt haben. Ich bitte Sie also daher: Folgen Sie der Beschlussempfehlung unseres Fachausschusses. - Danke schön.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Der Abgeordnete Büttner spricht für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst ein herzliches Dankeschön an die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die das Thema der Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern im Land Brandenburg im vergangenen Jahr hier ins Parlament eingebracht hat. Gleichzeitig will ich

gestehen, dass ich zum damaligen Zeitpunkt die Dimensionen der Problematik unterschätzt habe. Es ist daher für mich umso wichtiger, wenn ich sehe, dass wir im Fachausschuss wiederholt zu diesem Thema diskutiert haben, sodass wir heute hier zwei Anträge vorliegen haben, über die abzustimmen ist.

Am 14. März hatten wir ein Fachgespräch. Dieses hat deutlich gemacht, dass Flüchtlinge individuelle, besonders aber gesellschaftliche Akzeptanz benötigen, wenn es darum geht, die Grundlage für eine gesicherte Existenz im Land Brandenburg zu schaffen.

Die Kollegen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und meine Fraktion sind sich wohl einig darüber, dass wir einen fundamentalen Wandel im Umgang mit Flüchtlingen und Asylbewerbern benötigen.

(Beifall GRÜNE/B90)

Es sind Bürger, die aufgrund von Flucht und Vertreibung unseres besonderen Schutzes und unserer besonderen Fürsorge bedürfen. Dieses Bewusstsein gilt es nicht nur in der Bevölkerung zu verankern, sondern auch in der einen oder anderen Verwaltung.

Der von der Landesregierung vorgelegte Bericht nebst den darin enthaltenen Empfehlungen weist deshalb auch in die richtige Richtung. Er benennt Defizite und skizziert Handlungsmöglichkeiten für die Akteure auf Kreis- und Landesebene. Das erkennen wir ausdrücklich an. Wir halten die im Bericht der Landesregierung unterbreiteten Vorschläge jedoch für nicht weitgehend genug und insgesamt für zu vage. Deshalb haben wir sowohl im Ausschuss als auch in der heutigen Debatte einen eigenen Antrag vorgelegt.

Unsere Forderungen zielen auf sechs Punkte ab. Um den Flüchtlingen die Möglichkeit zu geben, ihr Leben möglichst eigenverantwortlich zu gestalten, ist der Zugang zum qualifizierten Deutschunterricht grundlegend. Daher möchten wir den Erstaufenthalt in der Erstaufnahmestelle in Eisenhüttenstadt auf drei Monate begrenzen. In dieser Zeit sollen sie auf ein Leben in Selbstständigkeit vorbereitet werden. Die Gegebenheiten in den Gemeinschaftsunterkünften müssen daher so beschaffen sein, dass sie dem Leben in einer Wohnung möglichst nahekommen. Das Leverkusener Modell, das die Flüchtlinge aktiv in die Suche nach einer Wohnung einbindet und ihre Eingliederung in ein neues Lebensumfeld unterstützt, kann hierzu einen großen Beitrag leisten und sollte daher, wo es sinnvoll erscheint, zur Anwendung kommen.

Anders als die Regierungsfraktionen möchten Grüne und FDP die Verweildauer in Gemeinschaftsunterkünften begrenzen. Wir halten es nicht für zielführend, dass Flüchtlinge und Asylbewerber zum Teil mehrere Jahre in Gemeinschaftsunterkünften und nicht selten abgeschnitten vom Lebensumfeld der jeweiligen Aufnahmekommune leben.

(Beifall GRÜNE/B90 und FDP - Frau Lehmann [SPD]: Haben Sie unseren Antrag nicht gelesen oder haben Sie ihn nicht verstanden?)

- Frau Lehmann, das ist doch albern, was Sie hier dazwischenrufen.

Entsprechend fordern wir, die Verweildauer für Personen ohne besonderen Schutzbedarf auf insgesamt zwölf Monate und für besonders schutzbedürftige Personen auf drei Monate ab der Aufnahme in der Erstaufnahmestelle zu begrenzen. Gesellschaftliche Isolation von Flüchtlingen und Asylbewerbern hemmt deren Chance, sich in die Gesellschaft zu integrieren und zur kulturellen Vielfalt in Brandenburg beizutragen. Es gilt mit dieser Praxis Schluss zu machen.

Die Bereitstellung privaten Wohnraums in Form von Wohnungen stellt insbesondere die Vermieter vor besondere Herausforderungen. Das häufig vorgebrachte Argument, durch die Unterbringung in Wohnungen würden die Kosten steigen, kann weder bestätigt noch widerlegt werden.

(Frau Lehmann [SPD]: Da haben Sie Recht!)

Im Zweifel gilt für uns: Es kommt auf den Versuch an. Wichtig wird sein, dass der Übergang von einer Gemeinschaftsunterkunft in eine Wohnung nicht überstürzt, sondern mithilfe eines Stufenplans vollzogen wird, an dessen Erarbeitung und Umsetzung die Landkreise, die Aufnahmekommunen, die Vermieter und die Flüchtlinge beteiligt sind. Für all jene Flüchtlinge und Asylbewerber, bei denen ein Übergang von der Gemeinschaftsunterkunft in eine private Wohnung nach einer entsprechenden Zeit nicht möglich ist, müssen Mindeststandards in den Unterkünften eingeführt werden. Allen voran sollten die Sanitäranlagen abschließbar sein, und für die mitreisenden Kinder sollten innerhalb der Gemeinschaftsunterkünfte auch Spiel- und Hausaufgabenzimmer vorgehalten werden.

Abschließend drängen wir darauf, dass die Arbeit der Beratungs- und Behandlungsstellen für Flüchtlinge langfristig gestärkt werden. In diesem Zusammenhang halten wir eine Konzeption für sinnvoll, die die Arbeit der Stellen im Land Brandenburg unter Einbeziehung aller relevanten Akteure auf eine solide Basis stellt. Es handelt sich bei den aufgestellten Forderungen, bei der Unterbringung in Wohnungen, bei der Forderung nach abschließbaren Sanitäranlagen, Gemeinschaftsunterkünften oder bei der Unterstützung der Flüchtlinge durch Sozialarbeiter, um Mindeststandards, mit denen ihnen ein menschenwürdiges Leben ermöglicht werden soll.

Die in unserem Antrag enthaltenen Punkte stellen Landkreise und Kommunen - anders als gelegentlich dargestellt - nicht vor unüberbrückbare Probleme und sollten daher auch nicht unter Haushaltsvorbehalt gestellt werden.

Noch eine ganz kurze Anmerkung zur Beschlussempfehlung des Fachausschusses. Frau Lehmann, Sie hatten gerade dazwischengerufen, ich hätte ihn nicht gelesen.

(Frau Lehmann [SPD]: Richtig!)

Wenn Sie in der Sitzung des Sozialausschusses in der vergangenen Woche sagen, dass Sie bedauern, dass kein gemeinsamer Antrag von Regierungs- und Oppositionsfraktionen zustande gekommen ist, liegt es nicht daran, dass Grüne oder FDP sich nicht bewegt hätten. Ganz im Gegenteil: Es ist ganz offensichtlich, dass Ihr Antrag erst auf Druck unserer Fraktion in die richtige Richtung gelenkt wurde.

(Frau Lehmann [SPD]: Falsche Wahrnehmung!)

Leider waren es aber SPD und Linke, die am Schluss doch nicht den Mut aufgebracht haben, mit den überholten Strukturen im Umgang mit Flüchtlingen zu brechen. Sie haben stattdessen wohl eher Rücksicht auf das MASF genommen, zwei Gänge zurückgeschaltet und sich aus den Verhandlungen mit uns verabschiedet. Das haben wir bedauert. Wir werden uns bei der Abstimmung der Beschlussempfehlung deshalb enthalten. Vielen Dank.

(Beifall FDP und GRÜNE/B90)

Minister Baaske hat das Schlusswort in dieser Debatte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir sind alle der festen und sicheren Überzeugung, dass dieser Bericht nicht am grünen Tisch geschrieben wurde. Das ist er auch nicht. Es fanden tatsächlich vor Ort Begehungen statt. Ich weiß, dass viele der Ausschussmitglieder auch in ihrem Wahlkreis einmal in so einem Heim waren und wissen, wie es sich dort lebt. Wer von uns Soldat war und einmal anderthalb oder sogar drei Jahre auf Stube gelebt hat oder wer als Student im Wohnheim war, der weiß, dass es schon sehr bedrückend sein kann, wenn man in der Woche nur noch auf einer Studentenbude sitzt. Aber da weiß man, dass es endlich ist.

Viele von unseren Asylbewerbern wissen eben nicht, ob sie zum Beispiel nach einem, zwei oder drei Jahren aus dem Wohnheim herauskommen und in eine Wohnung ziehen können. Das führt dazu, dass man auf solchen Stuben regelrecht krank werden kann. Genau deshalb ist die Intention auch richtig, die Zeit in solchen Wohnheimen zu begrenzen.

Frau Nonnenmacher - sie ist gerade nicht da - hat heute Morgen eine Kleine Anfrage gehabt, die ich dann nicht mehr beantworten konnte, in der es um den Vorrang von Sachleistungen vor Geldleistungen ging. Ich hätte gern noch hinzugefügt - das sage ich ihr nachher noch -, dass wir durchaus auf dem Schirm haben müssen, wenn das Asylbewerberleistungsgesetz angefasst wird, dass der Vorrang der Gemeinschaftsunterkunft vor der Wohnung herausgenommen wird. Da kann ich einmal in Richtung von Herrn Büttner gucken, der vielleicht das eine oder andere Signal an seine Bundespartei senden kann. Wenn wir das Gesetz anfassen - sagen Sie bitte Herrn Boch Bescheid -, dann hätten wir gern auch diesen Vorrang Gemeinschaftsunterkunft vor Wohnung, der im Leistungsgesetz steht, entfernt. Der steht momentan darin. Das macht es einigen Kommunen und uns schwer, richtig dagegen anzustinken, dass es so ist, wie es ist. Aber wir sollten es tatsächlich aufgreifen.

Jetzt komme ich zu dem Dissens, den es hier zwischen Koalition und Opposition gibt. Ich will versuchen zu vermitteln. Ich finde nicht, dass die Bemerkung von Sylvia Lehmann albern war, denn die Situation im Land ist nicht homogen, sondern sehr heterogen.

(Büttner [FDP]: Sie hat gesagt, ich hätte es nicht gelesen!)

Leverkusen und Schwedt zum Beispiel sind durchaus in der Lage, Wohnungen für Asylbewerber anzubieten. Aber gucken Sie sich das zum Beispiel in Potsdam an, dort ist es ungleich

schwieriger. Wenn wir ins Gesetz hineinschreiben würden, dass die Kommunen nach einem bestimmten Zeitraum Wohnungen für Asylbewerber anbieten müssen, dann könnte Potsdam uns die Rechnung über Mieten schicken, die wir für diesen Personenkreis wahrscheinlich nicht bezahlen wollen. Da finde ich es besser, dass Potsdam sich ein wirklich schickes neues Heim geleistet hat, eine richtig gute Unterkunft, die sich sehen lassen kann, in die man, glaube ich, abends ganz gern zurückkehrt. Sicherlich ist man irgendwann trotzdem froh, dass es vorbei ist. Aber Potsdam wird es nicht so leicht haben, Wohnungen zur Verfügung zu stellen.

Darum werden wir am Ende des Tages keine Konzeption vorgeben, schon gar nicht per Gesetz, in der wir sagen: Ihr Kommunen müsst nach einem bestimmten Zeitraum die Asylbewerber in Wohnungen unterbringen. - Das werden wir nicht tun. Eine Konzeption werden wir machen; das ist vollkommen richtig, dies tut auch not. Aber insbesondere, wenn es um Beschaffung von Wohnraum geht, wenn man vor Ort gucken muss, wo man Asylbewerber unterbringen kann, bitte ich Sie ganz konkret, in den Kreistagen und den Stadtverordnetenversammlungen, aber auch im Wahlkreis selbst nach Möglichkeiten zu schauen, die sich da anbieten, den betroffenen Leuten zu helfen.

Denn in der Tat müssen wir reagieren. Die Asylbewerberzahlen werden in den nächsten Monaten wieder steigen. Damit ist zu rechnen. Sie steigen jetzt schon. Ich glaube, wir alle sind uns einig, dass das Blödeste, was wir machen könnten, wäre, neue Heime zu bauen. Hier muss man wirklich darauf achten, dass man Leute in Einrichtungen oder Wohnungen unterbringt, um zu verhindern, dass der Bau von Gemeinschaftsunterkünften notwendig wird.

Eines müssen wir uns bundespolitisch ansehen, das mich sehr stört. Das tritt insbesondere bei Gesprächen zutage, die ich in Krankenhäusern oder mit Ärzten führe. Derzeit dürfen Flüchtlinge eigentlich nur dann gesundheitlich versorgt werden, wenn sie akute Schmerzen haben. Wir wissen alle, dass das keine Herangehensweise an Krankheiten ist. Das hat nichts mit Vorsorge oder Ähnlichem zu tun. Wir müssen damit leben, dass 70 % der Flüchtlinge, die Deutschland erreichen, am Ende hierbleiben. Da macht es keinen Sinn, so zu tun, als wäre das, was da an akuten Schmerzen auftritt oder sich als Krankheit andeutet, in zwei Wochen ohnehin vorbei und dass der Betroffene dann nicht mehr da sei. Ganz im Gegenteil: Er wird hier sein, die Krankheit wird sich verschlimmert haben, und die Kosten, die dann anstehen, sind wesentlich höher. Ich glaube, dass es ein Gebot der Menschlichkeit ist, dass wir Flüchtlingen den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung anheimstellen, damit sie auch so entsprechend versorgt werden können.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Ich kann zusichern, dass wir bis zum Herbst 2013 ein neues Unterbringungskonzept und ein Integrationskonzept haben werden. Es kann sein, dass es später wird, weil wir nicht die einzigen Akteure sind. Wir werden sehr wohl - das wurde auch im Redebeitrag von Frau Schier sehr deutlich - mit den Kommunen abzustimmen haben, was da passiert und was vor Ort geht. Insofern sind wir nicht die einzig Handelnden. Wir wollen eine breite Beteiligung, wir wollen, dass es im Konsens im Land passiert. Wir wollen deshalb den Herbst nächsten Jahres

ins Auge fassen. Aber da müssen auch alle mitmachen. - Schönen Dank fürs Zuhören.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Damit kommen wir zu den Abstimmungen. Ihnen liegt die Beschlussempfehlung des Ausschusses in der Drucksache 5/5420 vor. Wer ihr Folge leisten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? Mehrheitlich ist dieser Beschlussempfehlung gefolgt worden.

Wir kommen zweitens zum Entschließungsantrag, Drucksache 5/5448, von FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer diesem Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Ohne Enthaltungen mehrheitlich abgelehnt.

Wir schließen damit den Tagesordnungspunkt 9, und ich rufe Tagesordnungspunkt 10 auf:

Erster Tätigkeitsbericht der Beauftragten des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur (Berichtszeitraum: 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2011)

Drucksache 5/4940

Beschlussempfehlung und Bericht des Hauptausschusses

Drucksache 5/5429

Des Weiteren liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der CDU, Drucksache 5/5461, vor.