Protocol of the Session on June 7, 2012

(Zuruf des Abgeordneten Büttner [FDP])

- Natürlich, das habe ich gesagt, unter Zeugen, 200 Personalräte, Schulamt Perleberg.

Das war vor einem Jahr. Wir sind jetzt ein Stück weiter.

Ich bin sehr, sehr irritiert darüber - das sage ich hier als leidenschaftliche Gewerkschafterin, als Mitglied der GEW -, dass die GEW zuerst eine Vereinbarung ausgehandelt hat - Stärkung der Einzelschule, Stärkung der Lehrerräte an den Schulen, zusätzliche Stunden, Qualifizierung der Schulräte für diese Funktion -, aber zwei Wochen danach sagt - meine Lieblingsgewerkschaft! -: Nein, jetzt wollen wir doch alle Schulämter erhalten. Ich bin darüber sehr traurig. Das habe ich gestern Günther Fuchs auch persönlich gesagt. Das halte ich nicht für einen fairen Umgang.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Wenn Sie, Herr Büttner, als Nichtmitglied da draufspringen, dann ist das natürlich Ihre Sache, aber schön ist das nicht.

Die Schulaufsicht soll nach Ihrem Antrag näher an die Träger heran. Sie bieten jetzt die Kreise an. Wollen Sie jetzt wirklich lieber 18 Schulämter in 18 Kreisen haben? Ich komme wie Thomas Günther aus einem Kreis, dessen Landrat das gern will. Er hätte gern das Schulamt in seiner Hand. Ich weiß auch, warum er das will. Na klar wollen die kommunalen Vertreter das!

Auch mich hat - wie Sie, Herr Büttner - die schmale Schulverwaltung in Finnland beeindruckt: 200 Leute bei 5 Millionen Finnen. Der Rest wird dort an die Kommunen herunter gegeben. Die Kommune bzw. der dortige Bildungsausschuss ist zuständig für die Lehrerbedarfe usw.

Darüber kann man auch mit der Linken reden. Ich kann mir gut eine kommunalisierte Schulverwaltung vorstellen. Aber dann bitte mit aller Konsequenz, das heißt, Lehrer müssen dann kommunale Bedienstete sein usw. Da hätten wir noch eine ganze Menge miteinander zu tun.

Träger sind übrigens auch die Kommunen; die aber haben Sie überhaupt nicht erwähnt. Sie haben nicht gesagt, wie Sie sich deren Einbindung vorstellen.

Administrative Aufgaben wollen Sie im MBJS belassen. Ich frage Sie: Wie wollen Sie das dann machen mit dem Schulrat in Ihrer Wohngegend, Herr Büttner, und in Großräschen? Wir sind doch froh, dass wir diese Schulämter haben und dass das Ministerium überhaupt noch dafür sorgt, dass Lehrerinnen und Lehrer auch an diese Orte kommen.

Den neuen Regionalstellen drücken wir eine ganz neue Aufgabe auf: die Lehrerbildung. Insofern ist es logisch, dass man die Aufgabenstrukturen noch einmal umverteilt.

Wir stehen vor drei großen Herausforderungen:

Erstens brauchen wir bessere Qualität und bessere Pädagogik.

Vor die zweite Herausforderung stellt uns die Demografie. Sie wissen, dass wir bis 2030 noch einmal mit einer Halbierung der Schülerzahlen zu rechnen haben, in manchen Regionen sogar mit einem Rückgang um zwei Drittel.

Zudem brauchen wir eine fiskalische Betrachtung des Ganzen. 33 Stellen werden eingespart, es gibt eine Kürzung von 294 auf 261. Das ist jetzt nicht das große Highlight für Herrn Markov. Ich glaube, ihm ist das jetzt auch noch egal. Dieser fiskalische Ansatz stand doch auch gar nicht im Vordergrund. Das ist nicht wahr.

Zugunsten der Schulämter will ich allerdings sagen: Von 2004 bis 2011 haben sie rund 100 Stellen eingespart. Es sind auch Aufgaben abgeschichtet worden. Die abgeschichteten Aufgaben sind, etwa in Form von Arbeitszeit, nicht der Schule gegeben worden, sondern bei den Schulämtern geblieben. Ich nenne Ihnen ein paar von der Sorte: Mehrarbeit, Nebentätigkeiten, dienstliche Beurteilungen, Fortbildung, Personalbudget. Es hat fünf Mal eine Veränderung der DienstvorgesetztenaufgabenÜbertragungsverwaltungsvorschrift DAÜVV gegeben. Immer wieder wurden Aufgaben von den Schulämtern weggenommen; wir hatten ja neben dem Rückgang der Schülerzahlen auch fast eine Halbierung der Lehrerzahlen. Jetzt muss man noch einmal schauen, wie man das in einer vernünftigen Struktur hinbekommt.

Da bin ich bei Ihnen, Herr Hoffmann. Sie waren auch der Meinung, dass das passieren muss. Herr Büttner, deswegen bin ich ganz erschrocken darüber, was Sie hier machen. Wir wollen doch die Einzelschule innerhalb einer lokalen Bildungslandschaft stärken. Wir wollen die Stärkung der Beratung und Unterstützung der Schulämter. Das war schwer in den letzten Jahren, auch mit deren Qualifikation. Darauf sind sie gar nicht vorbereitet. Ich wünschte mir nicht, dass die Schulräte, die ich kenne, jetzt in die Schule gehen und beraten. Die nimmt da niemand ernst. Sie müssen dafür qualifiziert werden.

Wir brauchen auch arbeitsfähige Größen. Da sind wir bei Ihrem Angebot mit den 18 Schulämtern. Ein Qualitätsmanagement auf 18 Schulämter verteilt, kann doch nicht ernsthaft Ihre zukunftsfähige Konzeption sein. Die EVA-Gruppe hat eine sehr gute Analyse erstellt. Herr Rudlick sitzt hier im Saal. Die Gruppe hat diese unterschiedlich von unten gewachsenen Aufgaben aufgenommen. Das MBJS hätte überlegen müssen - da richte ich Kritik an alle, die dafür zuständig sind -, wie man das standardisiert und wie man die Aufgaben so gestaltet, dass alle sechs Schulämter die gleichen Aufgaben haben. Das ist nicht ausreichend passiert. Da gibt es Kritik auch von unserer Seite am Ministerium. Aber jetzt sollen neue Aufgaben kommen, die da heißen: Es müssen Zielvereinbarungen geschlossen werden. Es müssen datengestützte Qualitätsgespräche geführt werden. ZENSOS, BUSS, Schulvisitationen, Schulporträts - all das hängt doch jetzt auch an den Schulämtern. Dafür müssen sie qualifiziert und neu aufgestellt werden. Da gehört einiges auf den Prüfstand.

Ich war keine Fanatikerin zugunsten der Einrichtung einer neuen Behörde in Form einer Landesschulagentur. Ich habe aber inzwischen die Überzeugung gewonnen, dass wir diese Aufgabenwahrnehmung in den künftigen Regionalstellen nur hinbekommen, wenn es eine zentrale, und wie wir inzwischen wissen, sehr schlanke Steuerungsgruppe gibt, die aus nur wenigen Menschen besteht.

Zum Schluss meiner Ausführungen komme ich auf Eberswalde zu sprechen. Da bin ich bei den Beschäftigten von Eberswalde insbesondere bei ihnen. Meiner Auffassung nach sollten wir nicht Schulämter einrichten, damit Lehrer und Eltern kurze Wege haben. Das werden wir gar nicht mehr gewährleisten können. Das ist gar nicht mein Fokus. Mein Fokus sind die Beschäftigten und das Amt, das im Übrigen immer ein gutes Schulamt war. Eberswalde hat immer ein sehr gutes Personalmanagement betrieben.

(Beifall des Abgeordneten Bischoff [SPD] und des Abge- ordneten Jürgens [DIE LINKE])

Es hat mit Frau Reuscher als Schulrätin sehr gut funktioniert und sehr eng mit den Schulen gearbeitet. Es tut mir sehr leid, dass die Strukturentscheidung so gefallen ist. Ich denke dennoch, dass es für die Beschäftigten eine Möglichkeit geben wird. Auch bin ich der Meinung, dass nicht die Wege das Entscheidende sind. Ich bin da ganz bei Thomas Günther. Fragen Sie einfach die Lehrer Ihrer Kinder, wie oft sie in das Schulamt gehen. Sie haben mit den Schulämtern so nichts zu tun. Wir entwickeln uns zudem in eine Richtung, in der wir ganz anders mit Technik umgehen können und vieles auf einem anderen Weg gelöst werden kann.

Ich möchte die Schulräte vielmehr in den Schulen haben. Dafür müssen sie gestärkt werden. Sie sind in den letzten Jahren mit Aufgaben vollgepfropft worden. Sie sind am Ende dessen, was sie leisten können. Deswegen muss neu sortiert werden.

Mein Fazit ist: Ihr Entschließungsantrag bietet leider nichts Zukunftsfähiges. Ich hoffe sehr, Sie sagen dazu noch etwas, Herr Büttner. Dann würde ich mich gern mit Ihren Zukunftsangeboten auseinandersetzen. Wie gesagt, irgendwann im nächsten Leben werden wir vielleicht finnische Verhältnisse haben. Ich würde das auch schön finden. Aber noch sind wir nicht so weit.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Hierzu hat Frau Mächtig eine Kurzintervention angemeldet.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mich macht dieses Thema aus einem anderen Grunde außerordentlich unruhig. Wir konterkarieren uns gegenseitig, und zwar der Landtag als Gesamtgremium.

Ich darf Sie an den Beschluss des Landtages Brandenburg zur Einsetzung einer Enquetekommission „Kommunal- und Landesverwaltung“ erinnern. Unter Punkt 2 heißt es:

„Die derzeitige vertikale und horizontale Aufgabenverteilung zwischen Land, Landkreisen und Kommunen und die dabei eingesetzten Personal- und Finanzmittel sind systematisch zu erfassen und vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und den sich ändernden finanziellen Rahmenbedingungen zu bewerten. Zur Sicherung der Daseinsvorsorge sind die Leistungen kritisch zu beurteilen.“

Unter Punkt 3 haben wir uns zur Aufgabe gestellt:

„Die Struktur der Aufgabenverteilung auf allen Ebenen ist kritisch zu bewerten. Es ist zu überprüfen, an welcher Stelle diese Aufgaben bürgerfreundlich, am effizientesten und kostengünstigsten erbracht werden können...“

Was jetzt geschieht, ist, dass sich ein Ausschuss, ein Ministerium, aus dem Gesamtprozess der Evaluierung der Verwaltungsstrukturen im Land Brandenburg

(Hoffmann [CDU]: Nicht der Ausschuss!)

- Entschuldigung, es begleitet der Fachausschuss, Herr Hoffmann, wir gehen immer in Kollektivhaftung -,

(Burkardt [CDU]: Aha!)

- aus dieser Aufgabe der Gesamtevaluierung der Landesstrukturen herausnimmt. Das halte ich für eine nicht konstruktive Atmosphäre innerhalb der Landesregierung wie auch

(Beifall CDU und GRÜNE/B90)

innerhalb des Parlamentes, weil wir unsere Positionen nicht abgleichen konnten. Ich würde mir sehr wünschen, wenn das Ministerium das täte, was die anderen offensichtlich auch tun, nämlich gemeinsam mit der Enquetekommission die Aufgaben zu beraten.

(Anhaltender Beifall CDU und Beifall GRÜNE/B90, FDP und des Abgeordneten Dr. Luthardt [DIE LINKE])

Frau Große, Sie haben noch einmal Redezeit. Oder wollen Sie jetzt auf die Kurzintervention reagieren?

(Frau Große [DIE LINKE]: Nein, das klären wir! - Oh, oh! bei der CDU)

Dann setzen wir mit dem Beitrag der Kollegin von Halem, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, fort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste! Sehr geehrte Frau Mächtig, vielen Dank für Ihren Beitrag.

Ich begrüße diese Häutung der FDP-Fraktion, die doch noch im Landtagswahlkampf und früher dafür angetreten war, die Schulämter völlig abzuschaffen.

(Zuruf von der FDP)

- Sie reden nachher noch einmal. - Jetzt wollen Sie, liebe Kollegen von der FDP-Fraktion und von der CDU-Fraktion, die Aussetzung des ganzen Verfahrens, wie wir im Entschließungsantrag endlich lesen können. Ich finde das gut. Wir unterstützen das.

Um auf die Vorredner zu sprechen zu kommen, möchte ich betonen: Ich habe den Entschließungsantrag mitnichten so verstanden, dass er eine Rückkehr zur Struktur der 18 Schulämter bedeutet. Das sehe ich überhaupt nicht.

Ich habe aber nie so richtig verstanden, warum wir die Reform der Schulämter jetzt brauchen. Zur Begründung hat es vom Ministerium geheißen, es habe Probleme mit Absprachen und Koordinierung gegeben. Jedes Schulamt arbeite für sich mit unterschiedlichen Verfahren, zum Beispiel bei der Einstellung von Lehrkräften, bei der Genehmigung und Begleitung der Schulen in freier Trägerschaft. Diese Begründung für die Reform der Schulamtsstruktur konnte man nicht nur vom Ministerium hören, sondern auch von verschiedenen anderen Seiten.

Diese Frage zu lösen wäre allerdings originäre Leitungsaufgabe des Ministeriums gewesen.

(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)