Protocol of the Session on May 21, 2012

Gesetzentwurf vorlegen, der ein erweitertes Informations- und Einsichtsrecht auch für die breite Öffentlichkeit ermöglicht.

Zur Funktion des Aufsichtsrats hat Herr Büttner so viel ausgeführt, dass ich mir das sparen kann. Ich verweise nur darauf, dass es einen Corporate Governance Kodex der Landesregierung gibt. Ich empfehle die Lektüre der Ziffer 3.6 - die ist vielleicht etwas erhellend.

Nach den einschlägigen Kommentaren zum Gesellschaftsrecht sind Art, Umfang und Größe des Unternehmens sowie dessen wirtschaftliche Lage für Art und Umfang des notwendigen Arbeitseinsatzes eines Aufsichtsratsmitglieds entscheidend. Da muss doch die Frage gestellt werden, wie die von Brandenburg entsandten Regierungsmitglieder diese Zeit und die erforderliche Fachkompetenz bei einem Vorhaben in dieser Dimension aufbringen wollen. Ich erinnere: 2,4 Milliarden Euro Kreditvolumen; 888 Millionen Euro vom Land Brandenburg verbürgt; 430 Millionen Euro zusätzliches Eigenkapital; rund 3,3 Millionen Euro - die übrigens nicht nur für die Investition zur Verfügung stehen, sondern auch dazu dienen sollten, die Anfangsverluste in der Startphase abzudecken, sodass keine Nachschusspflichten für das Land Brandenburg entstehen, aber inzwischen redet Wowereit ja auch schon davon, dass das durchaus möglich ist, und auch Herr Ramsauer - wie ich der heutigen Zeitung entnehmen konnte - hat da seine Befürchtungen.

Nach den Ausführungen unseres Ministerpräsidenten ist das alles kein Problem, da im Aufsichtsrat Fachkompetenz versammelt sei. Wenn ich die Liste der Aufsichtsratsmitglieder betrachte, kommen mir allerdings erhebliche Zweifel: Von den vier Berliner Aufsichtsratsmitgliedern sind drei Politiker, und einer ist Hotelmanager; von den Brandenburger Aufsichtsratsmitgliedern sind drei Minister und ist einer Bankenvertreter; vom Bund sind es zwei Staatssekretäre und die fünf Arbeitnehmervertreter, die ihre eigenen Interessen vertreten - also zwei ausgewiesene Experten aus der Wirtschaft, die nicht der Politik oder den Gewerkschaften entstammen.

Aber damit nicht genug - das ist nicht das einzige Kontrollproblem -, der Landesrechnungshof hatte bereits im Jahresbericht 2011 dargelegt, dass ein angemessenes Bürgencontrolling nicht existiert, mithin das Land weniger Kontrolle ausübt als eine Hausbank bei der Vergabe von Krediten an einen Handwerksbetrieb. Ein bankenübliches Steuerungs- und Kontrollsystem existiert nicht; Kennzahlen, anhand derer man das spezifische Ausgabenrisiko überwachen kann, existieren nicht; eine nachvollziehbare Auswertung der von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft seit September 2009 gelieferten Berichte existiert erst seit April 2011.

Die Krux ist, dass alle drei Gesellschafter auf Basis derselben Kontrollberichte agieren und von daher - egal wie viele Aufsichtsratsmitglieder hier versammelt sind - immer auf Basis derselben - möglicherweise fehlerhaften Berichte - agiert wird. Das Gleiche gilt für das Controlling des Bauvorhabens, das als internes Controlling von derselben Planungsgruppe bbi gesteuert wird, die auch den Baufortschritt zu verantworten hat.

Jetzt wurde das System der Ampeln eingeführt. Ich nehme an, dass dieses System eingeführt wurde, um für die hochbeanspruchten Aufsichtsratsmitglieder komplexe Sachverhalte in einer hochkomprimierten Art und Weise eingängig zu simplifizieren. Wie bei allen solchen Systemen besteht aber die Gefahr,

dass dabei wertvolle Informationen verlorengehen oder übersehen werden. In Konsequenz hat dies zu dem jetzigen Ergebnis geführt, denn wie ist es zu erklären, dass bei dem Umspringen mehrerer Ampeln von Grün auf Gelb nicht etwa gebremst, sondern in typischer „Bravourfahrermanier“ mit zweifelhaften Provisorien Gas gegeben werden sollte?

Jetzt haben wir also den Salat, und so, wie der Aufsichtsrat dem Honorarprofessor Schwarz anscheinend die Möglichkeit geben will, die Scharte auszuwetzen, will er auch die Gelegenheit nutzen, sich im Windschatten seiner Bauernopfer Körtgen und pg bbi selbst von jeder Schuld reinzuwaschen - getreu dem Motto: Verantwortlich sind immer die anderen, denen man auch Konsequenzen auferlegt. - Man selbst betrauert das Desaster, geht ein paar Wochen in Sack und Asche, verschafft sich mit der Terminverlegung erst einmal ein paar Monate Zeit und kehrt dann wieder zum Tagesgeschäft zurück. Wir Grüne halten diese Art des Umgangs mit der eigenen politischen Verantwortung für unerträglich.

(Beifall GRÜNE/B90, CDU und FDP)

Das Mindeste wäre gewesen, den eigenen Aufsichtsratsposten für einen Wirtschaftsexperten mit ausreichenden Zeitkapazitäten zur Verfügung zu stellen. Das Beste wäre eine weitgehende Neubesetzung der Aufsichtsratspositionen mit Fachleuten gewesen. Dabei hätte man gleich der von der SPD auf Bundesebene geforderten Frauenquote in Aufsichtsräten Rechnung tragen können.

(Beifall GRÜNE/B90 - Frau Kaiser [DIE LINKE] und Abgeordnete der SPD-Fraktion: Das ist das einzige Argu- ment!)

Wer gedacht hätte, dass Rot-Rot aus dem Scheitern früherer Landesregierungen mit Leuchtturmprojekten vom Lausitzring bis zur Chipfabrik lernt und die Konsequenzen gezogen hat, muss sich nun eines Besseren belehrt sehen.

Ich komme zum Ende: Schönefeld - um die eingangs schwebende Frage zu der Position der Grünen zu beantworten - ist der falsche Standort für ein internationales Luftdrehkreuz. Die Durchsetzung dieses Standorts im Widerspruch zu den Ergebnissen des Raumordnungsverfahrens und gegen den erklärten Willen der damaligen Regierung Brandenburgs

(Holzschuher [SPD]: Warum waren die Grünen gegen Sperenberg?)

war der Geburtsfehler dieses Flughafens - ein Fehler, den wir heute nicht mehr heilen können. Jede Idee, einen weiteren Flughafen an einem neuen Ort zu errichten, sollte sich nach den Erfahrungen mit BER von selbst erledigt haben. Wer glaubt, dass Brandenburg den nächsten Flughafen allein finanzieren, die Bauphase besser stemmen und den Ergänzungsflughafen auch noch wirtschaftlich betreiben kann, betreibt Realitätsverweigerung.

(Beifall GRÜNE/B90 und DIE LINKE)

Ein Blick auf die benachbarten Flughäfen in Leipzig, Dresden und Magdeburg zeigt, wie viele Überkapazitäten bereits vorhanden sind. Unsere Absage an einen weiteren Flughafenneubau heißt aber auch, dass sich der Flughafen BER und sein Be

trieb an der Lage im urbanen Umfeld ausrichten muss. Das heißt: Konsequentes Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr, Umsetzung der Lärmschutzmaßnahmen in dem im Planfeststellungsbeschluss festgelegten Umfang, aber auch Abschied nehmen von überbordenden Wachstumsfantasien und eine positive Begleitung aller Maßnahmen, die den künftigen Flugverkehr reduzieren helfen: von Flugticketabgabe über Kerosinsteuer, gestaffelte Start- und Landegebühren bis hin zum Ausbau der innerdeutschen und mitteleuropäischen ICE-Verbindungen von und nach Berlin als unmittelbare Konkurrenz für den Nahflugverkehr.

Wenn Sie sich diese Position zu eigen machen, Herr Ministerpräsident, können Sie auf unsere Unterstützung zählen. - Recht herzlichen Dank.

(Beifall GRÜNE/B90 und FDP)

Vielen Dank, Herr Vogel. - Zum Schluss der Rednerliste erhält für fünf Minuten der fraktionslose Abgeordnete Schulze das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man könnte jetzt mit dem guten alten Spruch von Cato kommen: „Ceterum censeo Carthaginem delendam esse“. Das möchte ich aber nicht.

Vielmehr möchte ich an dieser Stelle erklären, dass mich die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten nicht überzeugt hat. Ich habe einiges vermisst. Aber die Diskussion läuft ja auch ganz gut für den Ministerpräsidenten.

Frau Kaiser hat „Versachlichung“ eingefordert. Ich finde, sachlicher als so, wie die Debatte heute verlaufen ist, geht es doch gar nicht. Und warum? Weil im Wesentlichen alle bis zum Hals mit drinstecken. Ich finde es schade, dass man es nicht schafft, sich davon zu distanzieren: von den eigenen Problemen, die man selbst erzeugt hat.

Die spannende Frage ist doch: War das Projekt Schönefeld schicksalhaft diesem Ergebnis ausgeliefert? Wenn man diese Frage mit Ja beantwortet, dann hätte man ohnehin schon vor Jahren etwas tun müssen. Wenn man dagegen sagt, schicksalhaft sei das nicht, dann muss man fragen, wer denn für dieses Schicksal gesorgt hat. Auf diese Frage habe ich heute noch nicht einmal ansatzweise eine Antwort gehört, übrigens auch nicht auf viele Fragen der Kolleginnen und Kollegen.

Ich möchte hier nicht den großen Knüppel herausholen und dreinschlagen. Es geht mir an dieser Stelle darum, noch einmal bestimmte Dinge einzufordern. Wir wissen alle noch nicht, was das Ganze kosten wird, werden aber nicht daran vorbeikommen, es zu bezahlen. Ich erinnere aber daran, dass es zahlreiche Menschen gibt, die - nach bisherigem Stand - „abgespeist“ werden sollen. Hier ist mehrfach von „Schallschutz“ gesprochen worden; einige Leute haben sich hier gebrüstet, wie toll man doch sei.

Wenn Sie die Zuschriften an den Landtag aufmerksam verfolgen - 50 dürften es mittlerweile sein; mehr werden es werden -,

wissen Sie, dass Ihnen die Bürger darin haarklein aufschreiben, wie es wirklich läuft. Daher sage ich: Von dieser Debatte muss angesichts der neuen Situation ein Signal ausgehen. Es darf nicht nur Geld dafür da sein, um die Löcher, die das Missmanagement gerissen hat, zu stopfen, sondern es muss auch ausreichend Geld vorhanden sein für die Bürgerinnen und Bürger, die das aushalten müssen, was viele als Standort-Fehlentscheidung bezeichnen, die man aber - vielleicht - nicht mehr rückgängig machen kann. Wie dem auch sei: Die Diskussion um den Standort findet letztlich verspätet statt; sie war am 16. März 2006 abgeschlossen.

Die spannende Frage lautet: Was ist seitdem passiert? Zugesagt waren 150 Millionen Euro an Schallschutzmitteln. Davon sind ganze 6 Millionen Euro abgeflossen, wie Sie den Antworten auf verschiedene Kleine Anfragen entnehmen können - wenn Sie sie denn lesen. Ich wiederhole: Von 150 Millionen Euro, davon sind 6 Millionen Euro abgeflossen. Wenn man das Ganze hochrechnet, fragt man sich: Wie sollen 150 Millionen Euro reichen? Ich sage: Wenn Geld da ist, um all die anderen Probleme auszubügeln - das heißt, zu bezahlen, was an Kosten durch Missmanagement produziert worden ist -, dann muss auch ausreichend Geld da sein, um den Menschen, die das Ganze dann aushalten müssen, Pflaster auf die Wunden zu kleben. Die haben vielleicht noch eine Galgenfrist bis zum nächsten Jahr. Aber das ist letztlich egal; denn dann geht es voll los.

Daraus resultiert meine Bitte an Sie, mein Plädoyer, aus dieser Situation heraus einen Neuanfang zu wagen und zu erkennen: Okay, wir haben einen Fehler gemacht, nicht nur im Aufsichtsrat, was die Kontrolle betrifft - darüber könnte man lang und breit reden -, sondern auch im Umgang mit den Bürgerinnen und Bürgern. Ich glaube, Herr Dombrowski war es, der als Einziger den Aspekt der Akzeptanz angesprochen hat. Es geht darum, die Menschen mitzunehmen.

Damit bin ich beim nächsten großen Problem, das Ihnen, meine Herren, droht: Die betroffenen Bürgerinnen und Bürger haben alle Rechte dieser Welt. Vom Bundesverfassungsgericht ist erst im vergangenen Jahr festgestellt worden, dass man auch im Flughafengebäude demonstrieren darf. Wenn man dem Flughafen für die Zeit nach der Eröffnung und die weitere Zukunft nicht weitere Probleme ins Bett legen will, dann muss man jetzt anfangen, mit den Menschen zu reden. Das ist bisher nicht der Fall gewesen. Ich weiß nicht, in welcher Welt derjenige lebt, der hier etwas anderes sagt; vor Ort war er ganz bestimmt nicht.

Wir wissen, dass die Geschichte des Flughafens BER gepflastert ist mit Bagatellisierungen, Vertuschungen und auch mit „Schwierigkeiten mit der Wahrheit“. Einige Punkte sind heute angesprochen worden. Wir sollten uns den Fragen stellen und auch selbst kritisch nachfragen.

Ein Grundproblem liegt darin, dass die Leute, die in der Vergangenheit Kritik geübt oder auch nur Fragen gestellt haben, immer gleich in eine Ecke gestellt worden sind: „Du bist ja sowieso dagegen“, „Nestbeschmutzer“, „Ewiggestriger“. Auch das ist Teil des Problems. Es geht auch um die Frage: Wie organisiert man Kontrolle?

Herr Holzschuher, über Ihren Redebeitrag konnte ich wirklich nur schmunzeln.

(Beifall CDU und GRÜNE/B90)

Der war von Optimismus und Fröhlichkeit geprägt; die soll man ja auch haben. Aber zu behaupten, der Aufsichtsrat könne nichts tun, er müsse zwanghaft dem glauben, was die Geschäftsführung ihm erzähle, ist einfach nicht wahr. Jeder Aufsichtsrat hat das Recht, Sondergutachten anzufordern, die unabhängig von denjenigen sind, die einem gerade irgendwelche Berichte liefern. Das ist auch das Wesen von Kontrolle: Wem glaube ich etwas? Wem stelle ich Fragen? Wie sind die Fragen beantwortet worden? Stimmt das mit der Realität überein?

Ich frage mich schon, warum nach der Verschiebung am 30. Oktober - als Begründung wurden sicherheitsrelevante Probleme genannt - nicht die Alarmglocke geläutet hat. Wie konnte man den Berichten weiterhin glauben? Ich frage mich auch, ob all die anderen beteiligten Aufsichtsbehörden nicht entsprechend Bericht erstattet haben.

Die Landesregierung steckt in allen Facetten dieser Problematik tief mit drin. Ist von den Genehmigungsbehörden nichts bis zum Ministerpräsidenten bzw. bis zum Aufsichtsrat durchgedrungen? Wenn dem so sein sollte, spricht das keine gute Sprache.

Last, but not least meine Bitte: Nutzen wir die Sache - nicht, um uns gegenseitig die Köpfe einzuschlagen, sondern dazu, in wesentlichen Punkten Kurskorrekturen vorzunehmen. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, GRÜNE/B90 und des Abgeordneten Goetz [FDP])

Meine Damen und Herren! Nach diesem Beitrag sind wir am Ende der Rednerliste angelangt. Ich schließe die Aussprache. Sie haben die Regierungserklärung hiermit zur Kenntnis genommen.

Gleichzeitig schließe ich die Sondersitzung des Landtages Brandenburg am heutigen Tag. Ich wünsche Ihnen noch einen erfolgreichen Abend.

Ende der Sitzung: 15.06 Uhr