Wenn jetzt argumentiert wird, der Zuwachs an Arbeitsplätzen bei den erneuerbaren Energien würde die wegfallenden Arbeitsplätze bei den konventionellen mehr als kompensieren, dann mag das in der Theorie stimmen. Noch deutet die Praxis allerdings nicht darauf hin, dass wir mehr und vor allem mehr gute Arbeitsplätze bekommen. Immer noch kritisieren Betriebsräte und Gewerkschaften die viel zu hohen Leiharbeitsquoten und die oftmals untertarifliche Entlohnung bei Unternehmen der erneuerbaren Energien.
Wir spüren gerade in diesen Wochen, dass die zunehmende Konkurrenz aus China den Druck erhöht, hier überhaupt noch Arbeitsplätze zu halten. Mit dem Blick auf die Braunkohleindustrie sage ich deshalb: Gut, dass wir dieses Pfund in Brandenburg haben, und dieses opfern wir nicht unrealistischen Träumereien.
Konventionelle Energie systematisch durch erneuerbare Energie zu ersetzen, das ist und bleibt die zentrale Stellschraube auf dem Weg in die klimaverträgliche Energiezukunft; aber es ist bei Weitem nicht die einzige. Deshalb sieht unsere Energiestrategie zwei weitere Handlungsfelder vor:
Erstens. Wir müssen die Klimaverträglichkeit der konventionellen Energieträger klar verbessern. In dieser Hinsicht - auch dies hat Herr Oettinger deutlich gemacht - bleibt CCS europaweit eine wichtige Option. Das von der Bundesregierung vorgelegte und vom Bundestag beschlossene CCS-Gesetz lehnen wir jedoch ganz klar wegen der darin enthaltenen Länderklausel ab, und dabei bleibt es.
Vor dem Hintergrund des Gesetzentwurfs ist in Deutschland die Erfahrung gemacht worden, dass die Speicherung von abgeschiedenem CO2 hier momentan nicht zu realisieren ist. Deshalb ruhen erhebliche Hoffnungen auf einer gesamteuropäischen Infrastruktur. Der Koalitionsvertrag gibt auch vor, dass die CO2-Speicherung so erfolgen muss, dass Menschen und ihr Eigentum nicht gefährdet sowie die persönliche und wirtschaftliche Nutzung von Grundstücken und die natürlichen Lebensgrundlagen von Tieren und Pflanzen nicht beeinträchtigt werden.
Meine Damen und Herren! Wir werden deshalb in Zukunft eine intensive Kooperation bei der Forschung zur Abscheidung, zum Transport und zur Speicherung von CO2 erreichen müssen, insbesondere unter unbewohnten Gebieten, zum Beispiel unter Ost- und Nordseefeldern.
Zweitens. Wir müssen unseren Energieverbrauch senken. Die ökologischste, auch die kostengünstigste Energie ist diejenige, die wir gar nicht erst verbrauchen. Deshalb formuliert die Energiestrategie ein ambitioniertes Ziel. Ausgehend vom Referenzjahr 2007 soll der Endenergieverbrauch bis 2030 um 23 % und der Primärenergieverbrauch um 20 % gesenkt werden. Damit haben wir die Ziele der bisherigen Energiestrategie 2020 noch einmal nach oben korrigiert.
Das Potenzial zur Einsparung von Energie in Brandenburg ist hoch. Wir werden hier insbesondere die Verkehrsinfrastruktur des Landes in den Blick nehmen. Im Bereich der Landesförderung gehen wir den bereits beschrittenen Weg zu Ende, sprich: Wir führen überall dort Energieeffizienzkriterien ein, wo es zielführend ist.
Ein besonders hohes Einsparpotenzial liegt auf regionaler sowie auf kommunaler Ebene. Integrierte Energiekonzepte sind heute nötiger denn je, deshalb unterstützt die Landesregierung die Regionalen Planungsgemeinschaften auch bei der Erarbeitung von Energiekonzepten. Wir unterstützen auch die Kommunen auf ihrem Weg zu CO2-armen Stadtteilen und einem funktionierenden Energiemanagement. Aber klar ist auch: Die Umsetzung selbst können am Ende nur die Akteure vor Ort leisten. Wir wissen alle: Das größte Einsparpotenzial liegt im Verbraucherverhalten, und viele unserer Maßnahmen fördern deshalb auch den bewussten Umgang mit Energie.
Meine Damen und Herren! Immer mehr Menschen tun dies bereits und gehen sehr bewusst mit dem Thema Energie um. In manchen Fällen wächst aber auch das, was wir persönliche Betroffenheit nennen, was als persönliche Betroffenheit beim Thema Energie empfunden wird. Was aber heißt das eigentlich: Betroffenheit? Natürlich ist man betroffen, wenn in der Nähe des eigenen Hauses eine Windkraftanlage entsteht. Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Aber eines muss uns - das gehört zur Ehrlichkeit dazu - auch klar sein: Weitaus betroffener wären wir alle gemeinsam, wenn die Energiepolitik, die Energieversorgung und die Energiewende scheiterten, wenn der Strom immer teurer würde und Betriebe sowie Arbeitgeber abwanderten. Ich glaube, dass wir bereit sind, uns manchmal einer gewissen Selbsttäuschung hinzugeben. Ich sage mit allem Ernst: Die Sicherung unserer Arbeitsplätze, der Wertschöpfung in Deutschland, des Wohlstandes, unserer Renten und Pensionen ist bereits eine solch große Herausforderung. Dies zu bewahren und zu sichern wird im weltweiten Wettbewerb Tag für Tag schwieriger. Der globale Wettbewerb - auch um unseren Wohlstand - wird härter. Wir sollten alles vermeiden, was uns zu Hause, bei Dingen, die wir selbst beeinflussen können - wie die Energieversorgung -, zusätzlich Wettbewerbsnachteile erzeugt. Wir sind alle Teil einer Gesellschaft. Jeder Einzelne muss ein Bewusstsein für die Probleme entwickeln, die unsere Gesellschaft insgesamt betreffen, sonst werden diese Probleme irgendwann für jeden Einzelnen zu seinen eigenen.
Deshalb verstehen wir die Energiewende als gesamtgesellschaftliche und generationenübergreifende Herausforderung. Wir gehen damit einen neuen Weg. Wir ermöglichen Beteili
gung, und wir begreifen Akzeptanz ausdrücklich als eines unserer vier übergeordneten energiepolitischen Ziele. Wir wollen bei den Bürgerinnen und Bürgern ein Bewusstsein für die gesamte komplexe Bandbreite der Energiepolitik schaffen. Am Ende können wir damit zweierlei erreichen:
Zum einen erhält der einzelne Bürger ein klareres, differenzierteres Bild und Verhältnis zu seiner eigenen Betroffenheit. Zum anderen bekommt aber auch die schweigende Mehrheit eine Stimme. Infratest zufolge befürworten nach der jüngsten Umfrage zum Beispiel fast 70 % der Menschen in Brandenburg den weiteren Ausbau der Windkraft.
Unsere Energiestrategie verkündet keine Dogmen. Sie zeichnet ein politisches Leitbild und dient allen Beteiligten als Richtschnur. Außerdem trägt sie der Tatsache Rechnung, dass sich die energiepolitische Welt in den letzten Jahren schneller gedreht hat als jemals zuvor. Niemand kann ernsthaft behaupten, er würde vorhersehen, was 2030 passiert und wie Energiepolitik dann aussieht. Genau deshalb müssen und werden wir verschiedene Optionen offenhalten. Wer in dieser schnelllebigen Welt Politik nach dem Motto macht: „Wir haben das einmal beschlossen, und das gilt jetzt 10 oder 20 Jahre“, versündigt sich. Wir werden Politik zunehmend als einen Prozess begreifen müssen, der nach vorne offen ist, und deshalb Optionen offenhalten müssen.
Brandenburg ist von den Entwicklungen im nationalen, europäischen und globalen Kontext abhängig sowie selbstverständlich auch von der weiteren technologischen Entwicklung. Mit der interministeriellen Arbeitsgruppe und der ZukunftsAgentur des Landes verfügen wir über bewährte Instrumente, um die Verwirklichung unserer Energiestrategie kontinuierlich zu begleiten. Auf dieser Grundlage werden wir uns in fünf Jahren verantwortungsvoll der Frage stellen, welches Nachsteuern erforderlich ist.
So mancher, meine Damen und Herren, hat bereits Kritik geübt, dass die Energiestrategie zu wenig konkret sei und sich zu wenig festlege. Ich sage nochmals: Es ist ein Gebot verantwortungsvoller Politik, sich vor dem Verkünden absoluter Wahrheiten zu hüten. Auf der Grundlage dessen, was wir heute über die Zukunft wissen, bin ich sicher: Wir haben einen ausgewogenen und verantwortungsbewussten Weg eingeschlagen. - Ich danke Ihnen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Brandenburger! Sehr geehrter Ministerpräsident! Wir haben zugehört. Wir haben mit den Brandenburgern geredet und erfahren, was den Leuten in den Städten und Dörfern unter den Nägeln brennt. Es sind die Hersteller, die Leidtragenden, die Nutznießer und die Verbraucher der Energie, mit denen wir gesprochen haben.
Wir haben verstanden. Wir leben in einem Energieland. Brandenburger brauchen Strom, Brandenburger machen Strom. Und weil wir mehr Strom machen, als wir selbst verbrauchen, verkaufen wir die Hälfte der hier gewonnenen Energie an andere weiter. Wir sind ein Energieland: Wir holen Energie aus Braunkohle, aus Wind und Sonnenlicht genauso wie aus Erdwärme oder Algen. Damit sind wir in Sachen Energievielfalt deutschlandweit ganz vorn mit dabei. Weil Energie so wichtig für uns ist, forschen wir in Brandenburg in diesem Bereich. Wie können wir uns besser, billiger, umweltfreundlicher versorgen? Das sind Fragen, an deren Antworten in unseren Hochschulen und Unis, in unserem Land, gearbeitet wird.
Die Kehrseite hingegen ist: Viele Brandenburger fühlen sich zunehmend in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt. In Welzow in der Lausitz kann man die Bagger am Horizont sehen; in Wallmow in der Uckermark hat man, wenn man aus dem Wohnzimmerfenster schaut, 18 Windräder direkt vor der Nase. Die Bereitschaft, eigene Interessen zurückzustecken und Zumutungen hinzunehmen, sinkt rapide. Nein, die Brandenburger sind nicht egoistisch, sie sind nicht gegen Klimaschutz, und sie haben auch ein Umweltbewusstsein. Die Brandenburger haben aber das Gefühl, dass hier in der Energiepolitik falsche Schwerpunkte gesetzt werden,
dass Fehler gemacht werden und sie in ihrer Gemeinde ausbaden müssen, was von der Landesregierung falsch entschieden wird.
Wir meinen: Eine gute Energiepolitik für Brandenburg muss die Interessen aller Märker mit den Zumutungen für den Einzelnen in einen vernünftigen Ausgleich bringen.
Meine Damen und Herren, bei uns in der Mark leben Tausende Bürger von der Energieerzeugung selbst, während im gleichen Moment Tausende darunter leiden. Daher kann es nicht nur wichtig sein, dass es möglichst viele Gewinner der Energiewende gibt. Wichtig ist, dass es möglichst keine Brandenburger gibt, die sich nur als Verlierer fühlen müssen.
Wir wollen, dass die Energiepolitik hier in Brandenburg endlich brandenburgverträglich wird. Was bedeutet brandenburgverträglich?
In unseren Augen ist „brandenburgverträglich“ ein Qualitätssiegel. Dieses Qualitätssiegel verdient Politik dann, wenn sie verträglich ist für unser Land Brandenburg, wenn sie verträglich ist für unsere Bürger und wenn sie verträglich ist für unsere märkische Natur.
Natürlich muss brandenburgverträgliche Politik alle Interessen in diesem Land abwägen, und sie muss den bestmöglichen Ausgleich zwischen Notwendigkeit und Zumutbarkeit finden. Brandenburgverträgliche Politik fängt damit an, dass alle Diskussions- und Planungsprozesse von Anfang an und dauerhaft transparent gestaltet werden. Dazu gehört, dass sämtliche Informationen jedermann zugänglich sind. Wir Politiker müssen dem Bürger ehrlich ins Gesicht sagen, was auf ihn zukommt und was ihm im Interesse der Allgemeinheit abverlangt wird.
Wir müssen dem Bürger aber auch zuhören. Wir müssen erkennen, wenn berechtigter Unmut aufkommt, und wir müssen bereit sein, ernsthaft über unterschiedliche Lösungen nachzudenken. Wir müssen nachvollziehbar erklären, warum wir zu welcher Entscheidung gekommen sind, und wir müssen erläutern, was der Einzelne davon hat. Dann, meine Damen und Herren, und nur dann können wir darauf bauen, dass unsere Entscheidungen von den Bürgern akzeptiert werden.
Ich sage Ihnen: So, wie die Landesregierung derzeit vorgeht, kann sie nicht mit breiter Zustimmung der Brandenburger rechnen. Ihre Politik wird den Brandenburgern nicht gerecht. Auch die CDU hat da nicht immer alles richtig gemacht.
Aber wir haben unsere Lektion in Brandenburg gelernt. Die märkische Union hat zugehört, und wir haben verstanden. Wir waren unterwegs, wir sind über das Land gefahren, wir haben Vorschläge formuliert, und wir haben Fragen gestellt. Wir haben uns Meinungen angehört, Entgegnungen aufgenommen und neue Ideen entwickelt.
Wir reden niemandem zum Munde, aber wir nehmen die Argumente ernst und wägen ab. Wir wollen unterschiedliche Interessen erkennen, verstehen und brandenburgverträglich entscheiden. Deswegen haben wir unser Konzept auch erst aufgeschrieben, nachdem wir mit den Bürgern gesprochen haben. Und das, meine Damen und Herren, ist der wesentliche Unterschied zu denen, die sich im Ministerium hinsetzen, etwas aufschreiben, das dann für verbindlich erklären und dem Volk von oben herab verkünden.
Wir erheben nicht den Anspruch, eine fertige und abgeschlossene Strategie vorgelegt zu haben. Vielmehr haben wir zusammengefasst, was aus unserer Sicht wichtig für Brandenburg, wichtig für unsere Bürger und wichtig für die märkische Natur ist.
Unser Konzept ist für uns der erste Schritt auf dem Weg zu einer brandenburgverträglichen Energiepolitik.
Forschung, Erdwärme, Braunkohle, Windenergie und Netzausbau. Stichwort eins: Forschung. Die angestrebte Energiewende kann nur gelingen, wenn wir uns öffnen und eingefahrene ideologisch belastete Pfade verlassen. Wir dürfen den Blick nicht auf Windkraft und Solarenergie verengen. Wir brauchen den Mut, uns breiter aufzustellen und auch in anderen Feldern nach neuen Lösungen zu suchen. Eine leistungsfähige Wissenschaft mit breit aufgestellter Forschung kann uns in Brandenburg auf der Suche nach alternativen Formen der Energieerzeugung und -verbreitung unterstützen.