Protocol of the Session on December 4, 2009

der kein gesteigertes Interesse an einer Durchleuchtung seiner Blockparteifunktionäre hatte.

(Frau Prof. Dr. Heppener [SPD]: Demokratisch gewählt!)

Ich glaube, das sind die Gründe, die dazu führten, dass hier auf Überprüfungen verzichtet wurde.

Wenn der Ministerpräsident auf die Gründungsgeschichte der Parteien nach der Wende hingewiesen hat, dann können wir das unter dem Titel „Die Stasi stand Pate“ zusammenfassen. Bei allen ostdeutschen Parteineugründungen - da nehme ich auch die Grünen in der DDR nicht aus - war die Stasi mit von der Partie, egal ob in der Partei unserer heutigen Bundeskanzlerin, dem Demokratischen Aufbruch, der SPD, dem BÜNDNIS 90 oder auch der Grünen in der DDR. Republikweit gesehen waren alle Führungsgremien mit Stasi-Zuträgern durchsetzt.

(Zuruf von der CDU: Na klar!)

Wolfgang Schnur und Ibrahim Böhme waren die prominentesten und nur die Spitzel-Spitzen des Eisbergs. In die Führungskader der später mit CDU und FDP verschmolzenen vier Blockparteien waren die Kameraden vom MfS vermutlich schon lange vorher implantiert gewesen.

(Zuruf von der CDU: Richtig!)

Angesichts dieser enttarnten Stasi-Paten hätte man davon ausgehen können, dass alle Parteien in Brandenburg auch auf allergeringste Stasiverbindungen ihres Führungspersonals allergisch reagiert und sich sofort - ohne viel Federlesens von belasteten Abgeordneten getrennt hätten. Keine Rede davon!

Jetzt wird auf die Ehrenkommission Bezug genommen. Diese sogenannte Ehrenkommission, die aus zwei Kirchenvertretern bestand, dokumentiert doch nur, dass die damaligen Fraktionen

sich nicht trauten, selbst ein Urteil und eine Bewertung abzugeben.

(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)

Die einzigen, die selbstständig ein Urteil gefällt und auch alle Stasiakten veröffentlich haben, war Ihre Fraktion, Herr Platzeck, war BÜNDNIS 90, wo auch Ihre eigene Stasiakte - die keine ist - enthalten ist.

Ich denke, das ist der Maßstab, an dem man sich auch heute noch ausrichten kann, und ich denke, es sollten auch alle StasiUnterlagen veröffentlicht werden.

(Beifall GRÜNE/B90 und vereinzelt CDU)

Diese beiden Kirchenvertreter waren im Übrigen mitnichten vom Landtag, sondern von den Fraktionsvorsitzenden gebeten worden, die Bescheide der Stasi-Unterlagen-Behörde zu bewerten, und sie berichteten auch nicht dem Landtag, sondern dem damaligen Landtagspräsidenten und einem kleinen Kreis von Personen.

Von diesem Duo wurde damals ein ausgesprochen weichherziger Umgang mit den Belasteten an den Tag gelegt. Lediglich den beiden Vertretern der Bürgerrechtsbewegung, die ihre Mandate bereits auf Druck ihrer Fraktion zurückgegeben hatten, wurde der längst vollzogene Rücktritt nahegelegt. Alle anderen zehn wurden allein wegen fehlender Unterlagen als „Grenzfälle“ eingestuft.

Im Lichte später auftretender Beweise, wie im Fall des CDUAbgeordneten Klaus Häßler, erwies sich die damalige Einstufung als „Grenzfall“ als vorschnell. Interessant wäre, sich die auf den heutigen Stand gebrachten Akten aller damaligen „Grenzfälle“, also auch der ausgeschiedenen MdLs, noch einmal vorzunehmen. Ich glaube, man würde Bauklötze staunen.

Günter Nooke - heute CDU-Mitglied, damals Fraktionschef von BÜNDNIS 90 - erinnert sich in den „Potsdamer Neuesten Nachrichten“ vom 01.12., über die Verdachtsfälle, zu denen schon 1991 auch Gerlinde Stobrawa gehörte, „sei nie wirklich debattiert worden, und im Zuge der Kontroverse um Regierungs- und SPD-Chef Manfred Stolpe, alias IM-Sekretär, seien auch die damaligen offenen Fragen in den Hintergrund gerückt“.

Herr Ministerpräsident! Sie wissen so gut wie ich: Zur Übernahme von Verantwortung gehört, dass man auf dem Deich steht, wenn die Flut heranrollt, und klare Handlungsanweisungen gibt und nicht allein über Sendboten aus dem vermeintlich sicheren Hinterland mit der erschreckten Bevölkerung kommuniziert.

(Lachen und Beifall GRÜNE/B90)

Wer einen Deich verteidigen will, muss Sickerwasser von Qualmwasser unterscheiden können, wenn er nicht unnötige oder falsche Verteidigungsmaßnahmen ergreifen und mitsamt seinem durchweichten Deich weggespült werden will.

(Lachen des Abgeordneten Burkardt [CDU])

Fragen wir uns: Haben Sie in diesem Fall immer die richtigen Maßnahmen ergriffen? Haben die Spitzen der Regierungskoalition einwandfrei gehandelt? Ich will gar nicht groß auf das ta

gelange Schweigen nach den Enthüllungen im Fall Hoffmann eingehen, der von Ihnen lange nur als ein Problem der Linken angesehen wurde, ein Problem, das diese schon allein lösen würden. Schlimm genug!

Gehen wir doch einmal den Fall von Frau Stobrawa chronologisch durch, ein Name, der direkt hörbar ausgespart wurde.

(Heiterkeit GRÜNE/B90)

Rufen wir uns in Erinnerung: Am Tag der Bambi-Verleihung, am Donnerstag, dem 26.11., wird bekannt, dass die Parlamentsvizepräsidentin Frau Stobrawa als IM für das MfS tätig gewesen sein soll.

Zu dem Zeitpunkt, als der Landtagspräsident, der SPD-Fraktionsvorsitzende und die ehemaligen Minister Dellmann und Frau Wanka gegenüber der Presse erklären, rein gar nichts von einem Wirken Frau Stobrawas für das MfS gewusst zu haben, sagt der Ministerpräsident bereits, die Vorgänge seien doch schon seit 1991 bekannt und hätten keinen Neuigkeitswert. Frau Stobrawa sei von einer Landtagskommission überprüft worden und diese habe keine Empfehlung zur Mandatsniederlegung ausgesprochen. Es sei nicht erkennbar, ob es Erkenntnisse gibt, die 1991 nicht in die Bewertung einfließen konnten.

Dazu sagt Herr Nooke:

„Der hat damals die Debatten sehr genau mitverfolgt.“

Gemeint war der Ministerpräsident.

„Bei der Wahl von Stobrawa zur Parlamentsvizepräsidentin seien dem heutigen Regierungschef dann aber offenbar die seit 18 Jahren unbeantworteten Fragen in dem Fall nicht mehr präsent gewesen.“

Unter dem Druck der Medien und der Landtagsopposition erklärte Frau Stobrawa dann einen Tag später, ihre Tätigkeit als Landtagsvizepräsidentin ruhen zu lassen. Der Ministerpräsident findet der Presse gegenüber am selben Tag diese Reaktion „angemessen“ und bestätigt, dass die SPD erst nach einer Anhörung in der Fraktion über einen nötigen Rückzug Frau Stobrawas entscheiden wird.

Am 30.11. tritt Frau Stobrawa dann als Landtagsvizepräsidentin zurück, nachdem ihrem Parteivorsitzenden Thomas Nord nach Einsichtnahme in die Unterlagen arge Zweifel an der bisherigen Darstellung gekommen sind.

Frau Kaiser erklärt laut „PNN“ vom 02.12., dass sie mit einem hochrangigen Vertreter der SPD unmittelbar vor der Wahl Stobrawas über diese Angelegenheit und eben die bekannten Hinweise auf eine frühere IM-Registrierung Stobrawas gesprochen habe. Allerdings kann sie sich nicht mehr genau erinnern, wer diese Person aus der SPD-Spitze gewesen sein soll.

(Lachen bei der CDU)

Ich will hier nicht raten, mit welchem SPD-Spitzenfunktionär sie gesprochen zu haben scheint. Aber selbst wenn Ihr Gedächtnis trügen sollte...

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Warum haben Sie mich nicht gefragt?)

- Ich habe jetzt erst einmal vorausgesetzt, dass das, was hier als Zitat in der Zeitung stand, stimmt.

(Bischoff [SPD]: 100 %!)

Aber selbst wenn Ihr Gedächtnis trügen und das falsch sein sollte: Ist das die versprochene Transparenz und Aufklärungsarbeit? Ist dies der offene und kritische Umgang mit früheren Fehlern? Entspricht „dieses Vorgehen der Linkspartei diesem Koalitionsvertrag“, wie es in der Pressemitteilung des Ministerpräsidenten vom 30.11. nach tagelangem Schweigen in wörtlicher Rede heißt? Urteilen Sie selbst!

Wäre es nicht das Selbstverständlichste auf der Welt gewesen, angesichts der wochenlang immer gleichen vier in der Presse kursierenden Namen ehemaliger Stasi-IMs in der Linksfraktion seitens der Linken oder der SPD - wenn sie es denn gewusst hätte - einfach einmal zu erwähnen, dass Frau Stobrawa in dieser Aufzählung fehlt? Wäre es nicht notwendig gewesen, daran zu erinnern, dass es 1991 die Ehrenkommission gegeben hat, und die damals bekanntgewordenen Ergebnisse öffentlich zu machen, sodass sich die Landtagsabgeordneten aller Fraktionen ein Bild der Kandidatin hätten machen können?

(Beifall GRÜNE/B90, CDU und FDP)

Ich möchte in Erinnerung rufen, dass die Oppositionsfraktionen Frau Stobrawa bei der Wahl zur Vizepräsidentin nicht als Person, nicht wegen ihrer Vergangenheit nicht mitgewählt haben, sondern weil wir aus unserem grundsätzlich anderen Demokratieverständnis dieses Amt für die stärkste Oppositionsfraktion eingefordert haben. Es ist klar: Hätte die Mehrheit dieses Hauses der Schaffung eines zweiten Vizepräsidentenamtes zugestimmt, hätten auch wir aufgrund unzureichender Informationen Frau Stobrawa gewählt.

Es war dieses Hinter-dem-Berg-halten mit Informationen durch die Linke vor der Wahl der Vizepräsidentin, die Frau Stobrawa in diesem Amt unhaltbar gemacht hat, und zwar völlig unabhängig von den Erkenntnissen der Birthler-Behörde.

(Beifall GRÜNE/B90, CDU und FDP)

Die neuen Informationen sind dann nur noch das Tüpfelchen auf dem i gewesen. In der bereits zitierten Pressemitteilung vom 30.11. - überschrieben mit „Zu neuerlichen Erkenntnissen über eine frühere Stasimitarbeit von Abgeordneten der Linksfraktion“ - erklärt Ministerpräsident Matthias Platzeck:

„Diese Nachrichten sind Ausdruck eines schmerzlichen, aber notwendigen Prozesses. Dieser Prozess ist Bestandteil des zwischen beiden Regierungsparteien geschlossenen Koalitionsvertrages.“

Soll ich jetzt lachen oder weinen?

(Lachen bei der CDU)

Diese Nachrichten sind mitnichten Ergebnisse des Koalitionsvertrages. Sie sind ein Ergebnis - und ich sage bewusst nicht „Erfolg“, weil es Erfolge gibt, auf die man lieber verzichtet hätte -,