Protocol of the Session on December 14, 2011

Ich will jetzt nicht darüber spekulieren, warum er schwieg. Es ist schon befremdlich genug, dass er sich nicht zu Wort gemeldet hat in dieser wichtigen Debatte vor dem Hintergrund dessen, was da gesagt wurde. Geschwiegen wurde auch bei dem Votum zu einer Petition, die nach Auffassung des zuständigen Ausschusses - auch nach Empfehlung eines unserer Gerichte einem Mediationsverfahren zugeführt werden sollte.

(Beifall FDP, CDU und GRÜNE/B90)

Es gibt einige Hinweise darauf, dass der Justizminister auch in dem speziellen Falle das von ihm sonst als modellhaft gepriesene Mediationsverfahren für sinnvoll erachtet. Aber er schwieg auch dazu.

(Görke [DIE LINKE]: Wir sind beim Haushalt, Frau Kol- legin!)

Geredet hat ein anderes Mitglied der Landesregierung, offensichtlich bar jeder Sachkunde über solch ein Verfahren. Das war der Finanzminister.

(Beifall FDP, CDU und GRÜNE/B90)

Damit sind wir auch bei den Anmerkungen zum Haushalt. Der Sparhaushalt des Justizressorts ist ein beredtes Zeugnis dafür, dass der Minister zwar so manches Sinnvolle denkt und sagt, tatsächlich aber allzu oft übergangen wird. Es ist ein Zeichen der Schwäche eines Amtsinhabers, der keine Lobby unter den Ministerkollegen und unter den Abgeordneten zu haben scheint, die seinen Regierungschef gewählt haben.

(Zuruf des Abgeordneten Schippel [SPD])

Man merkt diesem Haushalt an, dass er von Beamten geschrieben wurde, die einiges von der Konsolidierung der öffentlichen Finanzen verstehen mögen, weniger aber von den Organen der Rechtspflege. Denn bei den Gerichten, dort, wo für unsere Bürger der Rechtsstaat erlebbar wird, da kann man nicht kürzen wie bei Dienstwagen oder Repräsentationsmitteln, wobei ich glaube, dass bei solchen Haushaltspositionen die Sparanstrengungen eher unterdurchschnittlich ausfallen.

(Beifall FDP und CDU)

Die Landesregierung sollte darauf achten, dass die dritte Gewalt das Notwendige zur Verfügung hat. In Brandenburg sollen von 2010 bis 2015 mindestens 645 Stellen wegfallen. Angesichts der Altersstruktur der Bediensteten ist dann natürlich auch kein Platz für eine vernünftige Nachwuchsgewinnung. Tatsächlich aber findet ein Personalabbau statt, der wenig zu tun hat mit dem Arbeitsanfall unserer Justiz. Es ginge, es geht auch anders. Andere Bundesländer wie Mecklenburg-Vorpommern sind dafür Beispiel.

Wie beim Personal so wird auch bei den Gerichtsbaumaßnahmen willkürlich entschieden. 2012 ist gerade genug Geld für das unzumutbar beherbergte Amtsgericht Königs Wusterhausen da. Luckenwalde, Senftenberg, Zossen oder Eisenhüttenstadt - und dies ist bei weitem nicht die ganze Liste aller dringenden Baumaßnahmen -, diese Gerichtsstandorte werden wohl wieder leer ausgehen. Deswegen auch stellen wir einen Änderungsantrag, der dafür Haushaltsmittel freimacht.

Beim Justizvollzug haben wir jetzt einen Standortvorschlag auf den Tisch bekommen, über den die Abgeordneten diskutieren dürfen, immerhin nach Nachfragen sogar gleichzeitig mit den Gewerkschaften. Ein vollständiges, zumal schriftlich nachlesbares Konzept fehlt leider noch immer, und dies aus gutem Grund.

(Beifall FDP und CDU)

Denn die vom Justizminister erwünschten Qualifizierungen, insbesondere im Bereich des offenen Vollzugs, sind nur schwer

mit den Haushaltsvorstellungen des Finanzministers vereinbar. Aber dieser Konflikt löst sich nicht durch Abwarten in Wohlgefallen auf. Resozialisierung und ein effektiver Strafvollzug erfordern Investitionen.

Ich will hier nicht noch einmal ausführlich auf die Diskussion zur Gerichtsstruktur eingehen. Sie konnten sich in diesem Bereich profilieren, weil jetzt zusammen mit einem früheren Finanz- und Innenminister wenigstens die völlig überzogenen Umbaupläne in den vorgezogenen Ruhestand getreten sind. Sie haben die Amtsgerichte vor Rainer Speer gerettet, das ist gut so, aber kein Grund zum Feiern.

(Beifall FDP und CDU)

Das Ganze wurde dann als Reformprojekt verkauft, obwohl keiner weiß, wie lange es dabei bleibt. Angesichts der Debatte um die Veränderung der Gebietskörperschaften ist sowieso bald wieder alles in der Schwebe. Dass also dieses Projekt tatsächlich die Anstrengungen und damit auch die Haushaltsmittel wert ist, darf bezweifelt werden.

Meine Damen und Herren, es geht heute nicht so sehr um Kreditkarten, sondern um den Kredit, den unsere Justiz genießt, und zwar bei der Landesregierung und bei unserer Bevölkerung. Deshalb möchte ich zum Schluss noch auf etwas hinweisen, das niemanden unbeeindruckt lassen kann, dem unser Rechtsstaat am Herzen liegt. Das Vertrauen in die Gerichte unseres Landes ist bei denen, die sich in einer am Freitag von forsa vorgestellten Meinungsumfrage äußerten, erschreckend gering, deutlich geringer als in der Bundesrepublik insgesamt und auch wesentlich weniger ausgeprägt als in anderen neuen Bundesländern.

Da tröstet es wenig, dass die Brandenburger auch beim Zutrauen zu anderen Institutionen, zu politischen Parteien oder dem Landtag ebenfalls weit hinter den Werten, die sonst in der Republik gemessen werden, zurückbleiben. Wenn aber noch nicht einmal die Hälfte aller, die Angaben gemacht haben, unserer Richterschaft vertraut, so ist dies ein Alarmsignal. Auch deswegen wäre es gut, wenn wir einen Justizminister hätten, der sich nicht so oft genötigt sieht, zu schweigen und andere Kabinettskollegen über relevante Fragen seines Ressorts daherreden zu lassen.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Das Erfreuliche an Herrn Schöneburg ist, dass ich als Oppositionsabgeordnete in so mancher Frage keinen Grund sehe, zu widersprechen, wenn er sich äußert. Das leider Unerfreuliche, vielmehr Inakzeptable ist indes, dass ihm selbst dann noch zu oft aus den eigenen Reihen widersprochen wird, wenn er vernünftige Vorschläge macht. Wir brauchen aber einen Minister, der gelernt hat, die Interessen der Justiz mit dem nötigen Durchsetzungsvermögen zu vertreten. Den haben wir leider nicht. Folgerichtig präsentiert er uns auch einen Haushalt, den meine Fraktion nicht gutheißen kann. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Frau Lehmann [SPD]: Es geht heute um den Haushalt und nicht um Personaldebatten!)

Jetzt hat der Justizminister Gelegenheit, zu reden.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Herr Eichelbaum, Sie haben mich natürlich nicht enttäuscht. Mit Ihrem undifferenzierten Beitrag erinnern Sie mich an ein Gedicht...

(Ooh! bei der CDU)

... von Christian Morgenstern. „Alle Galgenlieder“, eine schöne Ausgabe, erschienen beim Diogenes Verlag. Das Gedicht heißt „Die unmögliche Tatsache“. Sie werden sich vielleicht an die berühmte Zeile daraus erinnern - Sie verfügen ja über eine entsprechende Schulbildung -: „Weil, so schließt er messerscharf, nicht sein kann, was nicht sein darf.“ - Das ist Ihr Programm. Es darf im Plenum nicht sachlich über Justizpolitik geredet werden, sondern hier muss denunziert werden, hier müssen Halbwahrheiten und Unwahrheiten verkauft werden. Ich werde bestimmte Dinge, die Sie verbrochen haben - hätte ich beinahe gesagt -, geraderücken.

Frau Teuteberg, bevor ich es vergesse, einen Punkt: Wir haben das Projekt Mediation ins Leben gerufen.

(Wichmann [CDU]: Sagen Sie nichts Falsches zur Media- tion!)

- Herr Wichmann, zu Ihnen komme ich noch.

(Genilke [CDU]: Das wird wohl eine längere Rede!)

Es läuft seit zwei Jahren mit großem Erfolg und soll auch zur Entlastung der Justiz beitragen. Es ist ein wichtiges Standbein. Leider ist es derzeit so, dass Schwarz-Gelb auf Bundesebene die gerichtsinterne Mediation im Mediationsgesetz zu beerdigen versucht.

(Eichelbaum [CDU]: Es gibt einen einstimmigen Be- schluss im Rechtsausschuss! - Weiterer Zuruf von der CDU: So ein Quatsch!)

Angesichts dessen, was Sie über die hier im Landtag geführten Diskussionen gesagt haben, scheint mir, dass Sie offensichtlich auch nicht verstanden haben, was Mediation bedeutet. Mediation funktioniert nur, wenn beide Teilnehmer Freiwilligkeit an den Tag legen.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Es funktioniert nur, wenn Vertraulichkeit das Gebot ist. Wenn man es auf den Marktplatz bzw. in ein Parlament trägt, ist die Mediation von vornherein gescheitert.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Das ist völlig unabhängig von meiner Position zum konkreten Verfahren.

Nun einige Ausführungen zum Haushalt. Der Haushalt ist natürlich knapp bemessen. Wir befinden uns auf Konsolidierungskurs.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein. - Auch das Justizministerium wird seinen Beitrag zur Konsolidierung leisten. Ich möchte aus dem Justizhaushalt vier Punkt hervorheben und sie kurz skizzieren. Punkt 1, den man bedenken sollte: Wir haben Einnahmen in Höhe von 133 Millionen Euro veranschlagt; der Justizhaushalt wird quasi zu einem Drittel durch eigene Einnahmen gegenfinanziert. Wir werden wieder über 31 Millionen Euro für Rehabilitationsverfahren, zum Beispiel Opferrenten, Kapitalentschädigung, zur Verfügung stellen.

Der problematischste Punkt im Haushalt ist das Personalbudget. De facto erhöht sich das Personalbudget, was jedoch mit dem Besoldungsausgleich zu tun hat. Real bauen wir Stellen ab; das hat Herr Eichelbaum völlig zu Recht gesagt. Es sind von 2010 bis 2014 523 Stellen und dann nochmals 122 Stellen. Dass der Stellenabbau willkürlich erfolge, ist auch wieder eine Schimäre, die Sie hier bedienen. Wir bauen die Stellen entsprechend des Personalschlüssels der Justiz ab. Das richtet sich nach Eingängen und bemisst sich nach einem komplizierten System, genannt PEBB§Y. Danach wird die Personalbedarfsplanung berechnet. Wir sind bei 100 %. In anderen Bundesländern üben die Finanzminister großen Druck aus, dass die Personalausstattung auf 80 oder 75 % des mittels des PEBB§YSystems ermittelten Personalbedarfs sinkt. Wir werden die Ausstattung bei 100 % halten; diese braucht die Justiz, um ihre Aufgaben wahrzunehmen.

(Beifall DIE LINKE)

Der vierte Punkt im Haushalt, bei dem wir die größten Einsparungen erbracht haben, ist der Einzelplan 12 - der Bauhaushalt. Natürlich, Frau von Halem, können Sie von den 50 Millionen Euro reden. Sie betreffen den Bauhaushalt 2004/2005. Aufgrund des Amtsgerichtskonzeptes verfügten das Finanzministerium und das Justizministerium einen Baustopp. Damals war die Finanzlage des Landes eine ganz andere. Derzeit befinden wir uns in der Finanz- und Wirtschaftskrise und wissen nicht, welche Auswirkungen sie haben wird. Wir werden mit diesem Haushalt den Baustopp aufheben und die Amtsgerichte sukzessive - kleine Schritte, kleine Brötchen - sanieren. Wir beginnen mit Königs Wusterhausen, denn dort hat man in 20 Jahren noch keine müde Mark für eine konsequente Sanierung gesehen.

(Beifall DIE LINKE)

Der Erfinder der Gewaltenteilung, Marquis de Montesquieu - wer Jura studiert hat, dem wird er aus der rechtsphilosophischen Ausbildung bekannt sein -, hat im Geist der Gesetze geschrieben, dass alles verloren sei, wenn die drei Gewalten in eine gegossen würden. Damit meinte er die klare Trennung der gesetzgebenden, ausführenden und rechtsprechenden Gewalt. Daraus leitet sich der Verfassungsgrundsatz der Gewaltenteilung und der Unabhängigkeit der Justiz ab. Natürlich - Herr Eichelbaum, da haben Sie Recht - müssen wir uns am Grundsatz der Gewaltenteilung, wonach dem Bürger das Recht auf effektiven Rechtsschutz, Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz, und auf ein zügiges und faires Verfahren, Artikel 52 Abs. 4 der Landesverfassung, gewährleistet werden muss, messen lassen; dass er seine Berechtigung hat, ergibt sich auch aus der leidvollen Geschichte der Justiz in der DDR. Da gibt es Probleme. Sie sind jedoch nicht so einfach zu lösen, wie Sie es dargestellt haben. Ich frage mich, ob Sie im Rechtsausschuss, als der Präsident des Oberverwaltungsgerichts Jürgen Kipp zu Gast war, lediglich körperlich anwesend waren.

Die Verwaltungsgerichtsbarkeit - dazu komme ich als erstes ist im Kontext der Gewaltenteilung immens wichtig. Verwaltungsentscheidungen, also staatliche Entscheidungen, werden durch die Justiz überprüft. Das subjektive Recht des Bürgers steht zur Diskussion. Effektiver Rechtsschutz heißt, dass unabhängige Gerichte darüber entscheiden - das ist in Brandenburg gewährleistet -, und zwar in angemessener Zeit. Ich sage Ihnen, wie es bei meinem Amtsantritt gewesen ist. Die Verfahrenslaufzeiten betrugen in der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Durchschnitt 32 Monate. Das Landesverfassungsgericht hat gesagt, dass das letztlich verfassungswidrig ist.

Wir haben ein Programm aufgelegt und 15 Proberichter eingestellt, die später in die ordentliche Gerichtsbarkeit wechseln sollen, aber derzeit versuchen, die Altbestände abzubauen. Das Problem stellt sich etwas anders dar. In der Verwaltungsgerichtsbarkeit verzeichnen wir sinkende Eingangszahlen, was bedeutet, dass das Personal mittel- oder langfristig möglicherweise nicht ausgelastet ist, aber wir schieben große Altbestände vor uns her. Man muss einen Weg finden, die Altbestände abzubauen, ohne Personal auf Dauer einzustellen, was man aufgrund der Trennung der verschiedenen Gerichtsbarkeiten - salopp gesagt - nicht mehr los wird oder nicht umsetzen kann. Daher haben wir das Modell mit den 15 Proberichtern, die die Verwaltungsgerichtsbarkeit zwei, drei Jahre unterstützen, eingeführt. Das Resultat ist erstens, dass die Verfahrenslaufzeiten derzeit 24,2 Monate betragen. Das ist kein riesiger Schritt, aber es ist schon einmal ein Schritt. Viel wichtiger ist - zweitens das, was Oberverwaltungsgerichtspräsident Kipp im Rechtsausschuss gesagt hat. Er sagte, wir hatten Anfang des Jahres, als das System installiert wurde, 1 500 Altverfahren - das sind Verfahren, die drei Jahre und länger bei den Gerichten liegen -, und haben nunmehr nur noch 1 000 Altverfahren. Wortwörtlich sagte er, es sei eine grandiose Kraftanstrengung des Justizministeriums gewesen.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Meine Staatssekretärin, die von der Opposition entsprechend bemüht worden ist, hat gerade eine Reise zu allen drei Verwaltungsgerichten des Landes unternommen. Die Präsidenten haben gesagt, dass sie davon ausgehen, dass das Problem in ein oder zwei Jahren gelöst sein wird. Dann werden wir in der Verwaltungsgerichtsbarkeit vernünftige Verfahrenslaufzeiten haben und dem Grundsatz der Gewaltenteilung und Artikel 19 Abs. 4 des Grundgesetzes gerecht werden.