Protocol of the Session on April 13, 2011

Obwohl diese Menschen immer wieder von der Politik, insbesondere von dieser Landesregierung, hören, es gäbe genug Mediziner, spüren sie jetzt schon den Mangel auf dem Land, wenn sie einen Termin beim Fach- oder Hausarzt haben möchten. Deshalb ist es an der Zeit, dass wir über eine flächendeckende - so habe ich jedenfalls Ihren Antrag verstanden - medizinische Versorgung in diesem Land diskutieren - und nicht nur diskutieren, sondern endlich handeln. Dazu fordere ich die Landesregierung auf.

(Beifall CDU und FDP)

Wir als CDU stehen bei den Menschen, wir nehmen auf, was diese Menschen zu Recht spüren.

(Lachen der Abgeordneten Lehmann [SPD] - Zuruf des Abgeordneten Bischoff [SPD] sowie von der Fraktion DIE LINKE)

Wir wollen mit allen Beteiligten und Akteuren im Gesundheitswesen, mit den Patienten, den Krankenkassen und Krankenhäusern, den Ärzten, den Pflegerinnen und Pflegern sowie den Schwestern fair umgehen. Wir zielen auf der einen Seite auf eine ganzheitliche Versorgung ab, die allein auf das Wohl des Patienten gerichtet ist. Auf der anderen Seite ist es kein Gegensatz, wenn wir uns auch um die Bedürfnisse derjenigen kümmern, die aktiv im Gesundheitswesen arbeiten; ihr medizinischer Sach- und Fachverstand ist in unserem Gesundheitssystem unerlässlich. Es geht nur miteinander und nicht gegeneinander.

Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat bereits im Februar ein Eckpunktepapier mit 14 Vorschlägen zur Reform der gesundheitlichen Versorgung auf dem Land vorgelegt. Darin sind erstmalig konkret Maßnahmen aufgezeigt worden, wie die Attraktivität für Mediziner im Land gesteigert werden kann. Die Bund-Länder-Kommission hat sich in der letzten Woche auf bestimmte Eckwerte geeinigt, aber die entscheidenden und durchaus diskutierbaren und diskutierwürdigen Ergebnisse der Union finden sich im Eckpunktepapier der

Bundesregierung zum Bundesversorgungsgesetz von voriger Woche wieder.

(Zuruf der Abgeordneten Lehmann [SPD])

Da gibt es viele Handlungsfelder, über die man gern diskutieren kann. Ich nenne nur einige Punkte, da ich aufgrund der Kürze der Zeit nicht alle aufzählen kann. Wir stehen für eine kleinräumige und flexible Bedarfsplanung vor Ort, damit sich Ärzte nach dem Versorgungsbedarf der Patienten gleichmäßig in diesem Land ansiedeln können, damit ambulante und stationäre Versorgung sektorenübergreifend betrachtet werden können und es für den Patienten keine Brüche zwischen ambulanter und stationärer Versorgung gibt.

Wir sind aber auch für die Unterstützung von Ärzten, die sich auf dem Land niederlassen wollen. Dabei geht es natürlich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und nicht eben nur um eine Aufgabe von Ärzten - da ist die ganze Gesellschaft gefordert -, da geht es natürlich um Geld, da geht es um Investitionskosten, da geht es um Stipendien für Medizinstudenten, die sich auf dem Land niederlassen wollen,

(Beifall CDU)

da geht es um eine gute Infrastruktur im kulturellen Bereich, auch im sozialen Bereich - dafür ist die Landesregierung verantwortlich -, da geht es um einen guten öffentlichen Personennahverkehr, damit alte Menschen auch zu den Ärzten gelangen. Das ist Landesaufgabe, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU)

Da geht es auch um eine angemessene und verlässliche Honorierung der Mediziner, Schwestern und vor allen Dingen der Pflegedienste in diesem Land.

(Zurufe der Abgeordneten Dr. Scharfenberg und Frau Wöllert [DIE LINKE])

- Wir können über den Pflegedienst gern diskutieren; die Bezahlung ist eine Katastrophe in diesem Land.

Meine Damen und Herren! Wir stehen auch bundesweit für die Erhöhung der Medizinstudienplätze. Da wir in Brandenburg keine eigene medizinische Fakultät haben, stehe ich für eine enge Kooperation mit der Charité. Die CDU ist für die Einführung einer Landärztequote für die Brandenburger Medizinstudenten.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)

Dazu muss man natürlich die Bedarfe in diesem Land erst einmal festlegen, sie sind bisher noch nicht festgelegt. Es geht auch um Veränderungen der Zugangsbedingungen zum Medizinstudium, um die Wichtung der Abiturnote zusätzlich zur sozialen Kompetenz und zur Motivation junger Medizinstudenten in diesem Land.

Es geht auch um den Bürokratieabbau.

Meine Damen und Herren, anders als die Landesregierung steht die Union für den freien Arztberuf.

(Beifall CDU und FDP)

Die hohe Verantwortung bei der Ausübung dieses Berufes bedarf dieser Freiheit. Es bedarf der Freiheit der Therapie. Es bedarf der Freiheit der Diagnose. Es bedarf der Freiheit der Arztwahl. Am Ende tragen nur der Arzt und der Patient die Konsequenzen aus dieser Verantwortung, nicht aber eine Leitlinie oder ein Gesetz bzw. eine Landesregierung.

(Beifall CDU und FDP)

Ich wende mich deshalb entschieden gegen die Auffassung der Gesundheitsministerin Tack, die in der vorigen Woche das Ende der niedergelassenen Kollegen hier im Land verkündet hat. Sie hat das hohe Lied für das MVZ in diesem Land verkündet. Meine Damen und Herren, 2 847 niedergelassenen Ärzten in diesem Land, die das Rückgrat der medizinischen Versorgung in diesem Land sind, wird so vor den Kopf gestoßen.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, in diesem Stil werden Sie das Vertrauen der Ärzte, der Mediziner in diesem Land nicht erhalten. Wir als Union stehen hingegen für ein partnerschaftliches Miteinander, damit alle miteinander diskutieren können. Wir stehen für den freien Arztberuf.

Meine Damen und Herren, ich sehe es - im Gegensatz zu der Vorrednerin - als sehr kritisch an, wenn die Bundesländer umfangreiche Beteiligungsrechte gegenüber dem jeweiligen Landesausschuss bekommen.

(Widerspruch DIE LINKE)

Meines Erachtens greifen Sie zu stark in die Rechte der Selbstverwaltung, den Versorgungsauftrag und den Sicherstellungsauftrag der Ärzte und der Krankenkassen ein.

(Bischoff [SPD]: Was wollen Sie jetzt?)

Mein Kritikpunkt lautet: Die Landesregierung kann nach diesem Gesetz ohne finanzielle Untersetzung Ersatzvornahmen, also Zwangsmaßnahmen, durchsetzen, ohne dass sie eine Verantwortung übernehmen muss. Dies wird breite Konflikte mit den Ärzten, den Patienten und den Krankenkassen hervorrufen. Wenn die Landesregierung mehr Rechte erhält, dann wird sie auch für die medizinische Versorgung voll verantwortlich. Das mag Sie im ersten Moment vielleicht erfreuen, aber das wird Sie auch fordern. Das, was Sie bisher für die medizinische Versorgung in diesem Land geleistet haben, ist herzlich wenig. Man merkt das überall.

(Beifall CDU und FDP - Krause [DIE LINKE]: Wer hatte denn zehn Jahre Zeit?)

Sie könnten jetzt schon mehr tun. Das machen Sie aber nicht. Sie werden das auch in Zukunft nicht tun; da bin ich mir sicher. Ich erwarte deshalb von der Landesregierung heute Auskunft darüber, was sie in Zukunft in der Gesundheitsversorgung in Brandenburg machen will. Das muss mehr sein, als dieses Papier aus dem Gesundheitsministerium zur medizinischen Versorgung hergibt, denn darin steht nichts Konkretes. Ich bin auf die Diskussion mit der Ministerin gespannt. - Danke schön.

(Anhaltender Beifall CDU und FDP)

Die Abgeordnete Lehmann setzt die Debatte für die SPD-Fraktion fort.

(Zurufe von der CDU: Frau Lehmann! Frau Lehmann ist die Expertin! - Zurufe DIE LINKE: Ekelig! Typisch Mann!)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Die Zurufe der CDU können wir ignorieren. So dumm sollte man nicht reden. Deshalb muss man darauf gar nicht antworten.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Herr Prof. Dr. Schierack, Sie haben deutlich gemacht, welche Pirouetten Sie hier drehen mussten. Das war richtig große Aufregung. Aber nur so konnten Sie überhaupt Kritikpunkte finden. Schauen wir einmal, was die Landesregierung in diesem Lande bisher in der Frage der Gesundheitsversorgung getan hat.

(Zuruf von der CDU: Nichts!)

Meine Damen und Herren, an der Aktualität des heutigen Themas gibt es wohl keine Zweifel, denn die Sicherstellung der gesundheitlichen Versorgung in Brandenburg ist ein sich ständig entwickelnder Prozess und somit immer aktuell. Im Fachausschuss haben wir uns damit mehrfach befasst, und auch der Koalitionsarbeitskreis hat sich auf seiner Klausurtagung am 11. März 2011 sehr ausführlich dieser Thematik gewidmet. Wir meinen, dass dieser Bereich noch sehr viel breiter und auch öffentlicher diskutiert werden muss; denn die Gesundheitsversorgung ist in Brandenburg nicht nur ein gesundheitspolitisches Ziel, sondern auch ein wesentlicher Standortfaktor. Die Aktuelle Stunde heute hier im Landtag ist ein guter Rahmen dafür.

Die demografische Entwicklung und die Morbiditätsentwicklung sowie die begrenzten finanziellen Ressourcen lassen die künftige Sicherstellung der gesundheitlichen Versorgung als Herkulesaufgabe erscheinen. Andererseits sind die medizinischen Möglichkeiten, die technische Entwicklung und der unbedingte Zwang, Antworten auf diese drängenden Versorgungsaufgaben zu finden, unsere große Chance.

Die rot-rote Landesregierung nutzt diese Chance sehr engagiert und sehr beherzt, Herr Prof. Dr. Schierack. So konnte uns Anfang des Jahres ein entsprechendes Papier im Fachausschuss vorgelegt werden. Für die künftige Sicherstellung der gesundheitlichen Versorgung in Brandenburg wurden acht Handlungsfelder beschrieben, Umsetzungsempfehlungen aufgezeigt und bereits eingeleitete Maßnahmen dargelegt. Dieses Papier zeigt ganz deutlich: Alle Beteiligten, die Kassenärztliche Vereinigung, die Krankenkassen, die Kommunen und die Landesregierung, verfolgen ein gemeinsames Ziel, nämlich die Beantwortung der Frage, wie die flächendeckende Versorgung des Landes auch künftig gesichert werden kann.

Die Landesregierung bringt die Partner im Gesundheitswesen zusammen und fördert systematisch den Erfahrungsaustausch.

Dem Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz ist es zu verdanken, dass wir hier endlich eine gute Gesprächskultur haben. Die Informations- und Imagekampagne www.arztinbrandenburg.de wird derzeit aktualisiert und weiterentwickelt. Sie soll künftig unter Einbeziehung weiterer Arztgruppen noch besser informieren, aufklären und werben. Sie ist als konzertierte Aktion aller Beteiligten angelegt. Auf ihr sollen alle Partner vernetzt arbeiten. Damit gewährleisten wir in Brandenburg einen besonderen Service für Ärzte, die sich hier bei uns niederlassen möchten.

Brandenburg besitzt keine medizinische Fakultät, wie Herr Prof. Dr. Schierack völlig richtig festgestellt hat. Wir haben immer gesagt und sagen das auch nach wie vor: Daran kann man die ärztliche Nachwuchsgewinnung nicht festmachen. Viel wichtiger ist doch, wie wir Brandenburger mit der Charité in Berlin kooperieren und wie es uns gelingt, auf Studierende zuzugehen, um sie für unser Land zu begeistern. Auch hier sind wir in den letzten 15 Monaten einen guten Weg gegangen. Seit Anfang 2010 gibt es zwischen dem Fachministerium und der Charité einen regen und kontinuierlichen Gesprächsaustausch über verstärkte Kooperationsmöglichkeiten zwischen den brandenburgischen Krankenhäusern und der Charité.

Es geht um Verabredungen, wie Medizinstudenten der Charité bereits während ihrer Ausbildung Gelegenheit erhalten, das Land Brandenburg und die hiesigen Beschäftigungsmöglichkeiten sowie die Rahmenbedingungen kennenzulernen. Es gibt derzeit elf akademische Lehrkrankenhäuser der Charité Berlin in Brandenburg, und von 600 Studierenden absolvieren jährlich mindestens 160 ein Trimester in Brandenburg im Praktikum. Die Tendenz ist hier steigend. Die Zusammenarbeit mit Brandenburger Krankenhäusern hat sich auch nach Einschätzung des Charité-Vorstandes seit 2010 weiter positiv entwickelt.

Seit diesem Wintersemester ist auch die Kassenärztliche Vereinigung Brandenburg regelmäßig mit Studierenden im Gespräch, um frühzeitig für den Arztberuf zu werben. Das betrifft selbstverständlich auch die Niederlassung. Die demografische Entwicklung sowie die begrenzten personellen und finanziellen Möglichkeiten zwingen die Akteure im Gesundheitsbereich zu neuen Überlegungen. IGiB - Innovative Gesundheitsversorgung in Brandenburg - ist eine Arbeitsgemeinschaft zwischen der KV Brandenburg, der AOK Nordost und der BARMER Ersatzkasse. Hier werden Kooperationsmöglichkeiten entwickelt, die helfen sollen, alte und konfliktbeladene Denkstrukturen zwischen Krankenkassen und der Ärzteschaft, aber auch zwischen stationärer und ambulanter Versorgung, aufzubrechen. Diese Art der Zusammenarbeit ist bundesweit bislang einmalig und innovativ.

AGnES 2 ist das jüngste Projekt dieser innovativen Zusammenarbeit. AGnES 2 soll die Patienten effizient durch die Gesundheitsbereiche lotsen. AGnES 2 ist also die Fallmanagerin in der Arztpraxis, im MVZ oder auch im Ärztehaus. Damit soll der Arzt entlastet werden.

Das ist aber nicht zu verwechseln mit der AGnES, die wir in Brandenburg bereits vor vielen Jahren entwickelt und aufgebaut haben. Hier erfolgt die Entlastung des Arztes durch die Delegation ärztlicher Leistungen auf entsprechend qualifizierte, nicht ärztliche Fachkräfte. Die AGnES-Fachkraft führt die delegierten ärztlichen Leistungen in der Häuslichkeit der Patientinnen und Patienten durch.