Protocol of the Session on April 13, 2011

- Natürlich.

Darum halten wir es in der Tat für möglich, dass die Regierungsfraktionen das zweite Interesse vorrangig verfolgen.

(Jürgens [DIE LINKE]: Oh!)

Deshalb haben wir uns entschlossen, dass wir uns heute hier bei der Abstimmung enthalten. Wir verbinden das mit einem Vertrauensvorschuss in Richtung eines gemeinsamen Agierens auf der Bundesebene.

(Jürgens [DIE LINKE]: Hört, hört!)

Aber eines sage ich auch ganz deutlich, Herr Minister Christoffers: Einen Vertrauensvorschuss von Liberalen bekommt man nur einmal. Enttäuschen Sie uns also nicht! - Vielen Dank.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU - Heiterkeit bei SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Beyer. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag des Abgeordneten Vogel von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gegenwärtig sind mehr als 360 km neue Leitungen im Hoch- und Höchstspannungsnetz des Landes Brandenburg im fortgeschrittenen Planungsstadium. Die Bürgerinitiativen rechnen mit insgesamt mehr als 1 000 km neuen Leitungen allein im 110-kV-Hochspannungsnetz. 1 000 km neue Freileitungen würden bedeuten, mehr als 3 300 neue Leitungsmasten in die Landschaft zu pflanzen und damit einen vieltausendfachen Eingriff in das Landschaftsbild vorzunehmen. Dies sind Eingriffe, die hierzulande häufig in sehr hochwertige Landschaftsbilder, deren Qualität an den Kriterien Eigenart, Vielfalt und Schönheit der Landschaft gemessen werden, stattfinden - Qualitätskriterien, die insbesondere den Erholungs- und Wohnwert einer Landschaft ausmachen. Unnötige Eingriffe in diese Landschaftsräume gefährden das touristische Entwicklungspotenzial und beeinträchtigen zugleich die Qualität der betroffenen Landschaften als Siedlungsräume. Wertverluste von Grundstücken sowie Einbußen im Tourismussektor sind die Folge. Besonders eklatant sind diese Folgen bei den 380-kVHöchstspannungsleitungen.

Bei der geplanten Höchstspannungsleitung Bertikow-Neuenhagen sollen das Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin, die Stadt Eberswalde, der Naturpark Barnim von durchschnittlich

50 m hohen Masten durchschnitten werden; in Einzelfällen beträgt die Masthöhe sogar 77 m. Damit wird besonders die hochwertige Landschaft des UNESCO-Biosphärenreservats Schorfheide-Chorin in einem 4 km breiten Korridor - das muss man sich einmal vor Augen halten - in Mitleidenschaft gezogen. 8 % des gesamten Biosphärenreservats, das die Größe des Bundeslandes Berlin hat, werden dadurch negativ berührt. Dass ein solches Vorhaben nicht landschaftsangemessen ist, dürfte sich jedem sofort erschließen. Es handelt sich um Eingriffe, die, wie wir wissen, nicht sein müssen; ein technisches Problem besteht jedenfalls nicht. Heutzutage ist die Erdverkabelung Stand der Technik bei 110-kV-Leitungen; bei 380-kVLeitungen sind wir auf dem Weg dorthin.

Die vom Wirtschaftsminister bisher allein unter Kostengesichtspunkten für die Betreiber geführte Diskussion muss deshalb unseres Erachtens dringend um eine ganzheitliche wirtschaftliche Betrachtung erweitert werden.

Als Bündnisgrüne stehen wir für den erforderlichen Netzausbau in Brandenburg ein. Wir stehen aber genauso aufseiten der Bürgerinitiativen, die sich gegen deren Ausgestaltung als Freileitungen wehren. Dieser unsinnige Konflikt muss gelöst werden. Der hier vorliegende Antrag ist dazu jedoch nur bedingt geeignet.

Im Ergebnis der Anhörung zum grün-gelben Erdkabelgesetz ist es richtig, den Versuch zu unternehmen, die Erdverkabelung der 380-kV-Trassen im Bundesrecht zu verankern. Hier ist Brandenburg bei der Verabschiedung des EnLAG zu spät aufgewacht, aber es gibt 2012 wieder Revisionsmöglichkeiten. Es wäre darüber hinaus auch richtig, dass alle Kosten und nicht nur die Mehrkosten für die Erdverkabelung der 380-kV-Leitungen bundesweit umgelegt werden müssen. Allerdings sind Sie unseres Erachtens ziemlich schief gewickelt bei Ihren Vorschlägen zu den 110-kV-Hochspannungsleitungen. Hier ist unseres Erachtens eine Abschiebung des Regelungsbedarfs auf den Bund nicht erforderlich.

Fast alle Rechtsgelehrten haben bei der Anhörung Spielräume für einschlägige Landesregelungen gesehen und sich positiv dazu verhalten. Hätte Frau Tackmann ihre Antwort im Bundestag nicht vom Bundeswirtschaftsminister, sondern vom Bundesumweltminister eingefordert, hätte sie vermutlich auch eine andere Antwort bekommen. Im Gegensatz zur Intention Ihres Antrags geht es auch nicht darum, Hindernisse abzubauen und Kriterien für die Ermöglichung der 110-kV-Erdkabel zu formulieren. Damit würde es weiterhin den Netzbetreibern überlassen, zu entscheiden, ob und wie sie erdverkabeln wollen. Wir wollen den Netzbetreibern die Erdverkabelung im Hochspannungsnetz generell vorschreiben.

Erdverkabelung von 110-kV-Leitungen ist nicht nur Stand der Technik, sondern diese sind auch in den leichten Böden Brandenburgs relativ einfach und ohne aufwendige Schachtarbeiten einzubringen. Die Forderung, Mehrkosten bei 110-kV-Leitungen bundesweit umzulegen und das auch als Voraussetzung dafür zu machen, dass 110-kV-Leitungen bei uns erdverkabelt werden, ist vermutlich sogar kontraproduktiv, da demnächst viel größere Flächenländer ihr 110-kV-Netz ebenfalls ausbauen werden. Nordrhein-Westfalen will seine Windenergieleistung jetzt kurzfristig verfünffachen; in Baden-Württemberg steht Ähnliches zu erwarten. Dort sind die Leitungen vermutlich länger, die Verlegekosten teurer und die Mehrkosten entspre

chend höher als bei uns, sodass im Ergebnis von Rechnung und Gegenrechnung Brandenburg am Ende mehr bezahlen muss, als wenn es bei einer Verteilung der Kosten im Gebiet des Netzbetreibers bleibt.

Um sich die Dimension deutlich zu machen: Wir reden bei 1 000 km neuen Erdleitungen von Mehrkosten in Höhe von 17 Cent pro Haushalt, bei einer durchschnittlichen Stromrechnung von 829,20 Euro pro Jahr. Wir fürchten, dass hier ein bürokratisches Verrechnungsmonster eingeführt zu werden droht, das außer einiger Stellen in der Buchhaltung nichts bringt.

Unsere Forderung ist daher klar, nämlich die 110-kV-Erdverkabelung nicht auf die lange Bank zu schieben und hierfür eine landesrechtliche Regelung zu schaffen. In Bezug auf das 380-kV-Netz unterstützen wir die Forderung, an den Bund heranzutreten. Deshalb werden wir uns bei der Abstimmung über den vorliegenden Antrag der Stimme enthalten. - Recht herzlichen Dank.

(Beifall GRÜNE/B90 sowie vereinzelt CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Vogel. - Es geht weiter mit dem Beitrag der Landesregierung. Herr Minister Christoffers hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Schöne an solchen Debatten ist immer, dass man seine Redemanuskripte weglegen kann. Gestatten Sie mir, auf einige Ihrer Bemerkungen einzugehen.

Herr Beyer, wenn schon eine Enthaltung seitens der Liberalen ein Vertrauensvorschuss sein soll, dann sollten Sie einmal Ihre Werteskala überprüfen! Das muss ich einmal ganz ehrlich sagen. Das mit dem Vertrauensvorschuss ist so eine Sache.

Herr Vogel, Ihre Rede hat mich enttäuscht. Es ist zwar sicherlich irrelevant, ob ich enttäuscht bin oder nicht, aber Sie haben hier Behauptungen aufgestellt, die schlicht und ergreifend falsch sind. Wie können Sie der Landesregierung unterstellen, dass sie die Debatte mit den Netzbetreibern nur in Bezug auf die Kosten für die Netzbetreiber führt? Was wir anstreben, ist eine bundesweite Umlegung. Denn die Kosten der Netzbetreiber sind Kosten für die Verbraucher; diese sind belastet. Wenn wir diese hinbekommen, verhindern wir die Belastung - entgegen Ihrer Rede, Herr Vogel. Die Gegenrechnung ist nicht so einfach aufzumachen, wie Sie es hier getan haben. Ihre Kostensätze - nehmen Sie es mir bitte nicht übel - stimmen einfach nicht.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE und SPD)

Wenn wir angesichts unserer Situation, ca. 1 000 km 110-kVLeitungen bauen zu müssen, keine bundesweite Umlage dieser Kosten hinbekommen, dann haben wir in fünf bis sechs Jahren einen sozialen und wirtschaftsstrukturellen Nachteil erster Ordnung, was den Strompreis betrifft.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE und SPD)

Manchmal sollte man die eigenen Rechnungen, die man immer wieder in die politische Debatte einbringt, überprüfen lassen. Ich lade Sie jetzt zum zweiten Mal ein: Wir fahren beide in die BTU Cottbus. Möglicherweise können wir uns darauf einigen, dass diese Einrichtung nicht von Vattenfall und nicht von E.ON edis gekauft ist. Dann können wir uns möglicherweise wirklich mit den Experten hinsetzen und die Kostenvergleiche einmal zur Kenntnis nehmen.

(Zuruf von der CDU: Nehmen Sie uns auch mit?)

Ich bedanke mich außerordentlich für den Antrag der Koalitionsfraktionen, weil uns ein Beschluss des Landtags bei Gesprächen und Verhandlungen mit dem Bund und den Bundesländern doch ein anderes politisches Gewicht gibt. Das ist ein übliches, normales Verfahren, das in allen Bundesländern angewandt wird, nur möglicherweise von Teilen dieses Hauses nicht akzeptiert werden kann. Das sehe ich als etwas schwierig an.

Herr Minister, lassen Sie eine Frage des Abgeordneten Bretz zu?

Nein, lieber Kollege Bretz, ich möchte meine Rede jetzt einmal zu Ende bringen dürfen.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE)

Sie fragen, was wir konkret machen. Wir reden mit allen betroffenen Ländern. Das sind Sachsen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und SchleswigHolstein. Wir haben alle das gleiche Problem. Im Mai wird der Entwurf des Energiewirtschaftsgesetzes vorgelegt. Dann beginnen die Verhandlungen zwischen den Ländern und dem Bund, was die endgültige Formulierung betrifft. Mit einem derartigen Beschluss des Landtages im Rücken können wir politisch agieren und entsprechend auftreten.

Es bleibt bei unserer Forderung: Wir brauchen in erster Linie das ist einer der zentralen Punkte - nicht 16 Ländergesetze zur Erdverkabelung. Wir brauchen, um die Synchronisation und Abstimmung des Netzausbaus forcieren zu können, eine bundeseinheitliche Regelung. Erst dann, wenn das nicht gelingt, stimme ich Ihnen zu, Herr Vogel.

Es stimmt nicht, dass die Anhörung zweifelsfrei erbracht hat, dass das Land eine eigene Gesetzgebungskompetenz hat. Aber es wurde die juristische Auffassung dargelegt, nach der es

möglich ist, dass das Land Brandenburg eine Rechtskompetenz wahrnimmt. Darüber werden wir reden, streiten und diskutieren, wenn unser Ansatz, auf Bundesebene eine einheitliche Regelung herbeizuführen, misslingt.

Ich finde es bemerkenswert, wie in einigen Beiträgen und auch öffentlichen Darstellungen die Kostenexplosion des Netzausbaus einfach nicht mehr zur Kenntnis genommen, sondern nur noch auf einen möglichen Rechtsrahmen, den ich ausfüllen kann, Bezug genommen wird. Ich will Ihnen offen sagen: Sollte die Situation eintreten, dass wir ein eigenständiges Landesgesetz erlassen müssen, werden wir sehr intensiv darüber beraten, ob und inwieweit wir zusätzliche Kosten überwälzen können. Das wird auch für die Auswahl der Kriterien, wann und wo Erdverkabelung stattfindet, mitentscheidend sein. In städtischen Gebieten werden wir mit großer Sicherheit erdverkabeln müssen. Darüber sind sich auch alle Experten einig.

Ich sage Ihnen noch einmal: Wir werden den Weg des Antrags gehen, wir gehen diesen Weg bereits. Ich bitte um Ihre Zustimmung zum Antrag, weil er uns helfen würde, das politische Gewicht Brandenburgs in dieser Auseinandersetzung weiter zu erhöhen. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Vielen Dank, Herr Minister Christoffers. - Der Abgeordnete Domres hat aus energetischen Gründen auf den Rest der Redezeit verzichtet.

Damit sind wir am Ende der Debatte angelangt und kommen zur Abstimmung über den Antrag in Drucksache 5/3015, eingebracht von der Fraktion der SPD und der Fraktion DIE LINKE, „Netzausbau notwendig - verstärkt Möglichkeiten für Erdverkabelungen schaffen“. Wer diesem Antrag Folge leisten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen und einer gewissen Anzahl von Gegenstimmen wurde dieser Antrag angenommen.

Meine Damen und Herren, bevor ich Sie in die wohlverdiente Abendruhe verabschiede, möchte ich darauf hinweisen, dass ab 18.30 Uhr der Parlamentarische Abend des Erzbistums BerlinBrandenburg stattfindet, und zwar im Landesausschuss für Innere Mission. Ich hoffe, wir sehen uns dort noch. Ansonsten wünsche ich Ihnen einen schönen Abend.

Ich schließe die Sitzung.

Ende der Sitzung: 18.04 Uhr