Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste! Über die Verlängerung des Standarderprobungsgesetzes zu reden ist ungefähr so, als käme ich vom Markt und müsste meiner Familie beschreiben, wie der Einkaufskorb aussieht, statt darüber zu reden, was darin ist. Also reden wir lieber über den Inhalt, die unterschiedlichen Dinge, die mit dem Standarderprobungsgesetz gemeinsam transportiert werden.
Erstens: Diese Erweiterung auf Fragen der demografischen Entwicklung begrüßen auch wir. Von dem ursprünglich im Korb Enthaltenen hat man die Rosinen schon herausgepickt. Dass mit der parallelen Änderung des Brandenburger Schulgesetzes den Kommunen als Schulträger jetzt per Gesetz Stimmrecht in den Schulkonferenzen eingeräumt wird, ist schlüssig und richtig. Die Erfahrungen mit dieser Abweichung waren durchweg positiv. Erfolgreiche Modelle wie die lokalen Bildungslandschaften zeigen, welche enormen Verbesserungen technisch, organisatorisch, aber auch pädagogisch durch bessere Einbindung kommunaler Akteure zu erreichen sind. Dass Übertragung von Verantwortung Engagement befördert ist eine Binsenweisheit.
Was jetzt im Korb übrig ist, zeigt, dass Äpfel mit Birnen schwer zu vergleichen sind. Ich greife mir zwei mögliche Faulstellen heraus: erstens die Anhebung der Wertgrenzen für beschränkte und freihändige Vergabe. Die Wertgrenzen für Vergabeverfahren wurden festgelegt, um Korruption zu erschweren. Natürlich sind beschränkte oder gar freihändige Vergaben mit weniger Aufwand verbunden. Wer das aber will, sollte zumindest bei begründeter Anhebung der Wertgrenzen gleichzeitig zum Beispiel Vergabeberichte fordern. Vergabe ohne Ausschreibung erspart der Behörde erst einmal Aufwand. Der Kurzsichtige bemisst sein Verhalten am schnellen Erfolg. Dass aber letztendlich so zugunsten der öffentlichen Hand und damit der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler ein Optimum an Qualität und Kosten erreicht werden kann, darf bezweifelt werden.
Zweitens: Naturschutz: Hier waren die Wünsche nach Ausnahmegenehmigungen besonders problematisch. Häufig beantragten Kommunen, Ausgleichsmaßnahmen für den Wegebau erlassen zu bekommen, von Bauverboten an Gewässern abweichen zu dürfen, das Kahlschlagverbot nach § 2 Waldgesetz be
fristet aufheben zu dürfen, die Beteiligung von Naturschutzbeiräten und -verbänden einzuschränken usw. Diese Ansinnen von Gemeinden wurden zum Glück entweder zurückgezogen oder abgelehnt. Aber die Begehrlichkeiten wurden doch sehr deutlich, und wer garantiert uns, dass sie künftig nicht doch genehmigt werden?
Einer der wenigen genehmigten Anträge im Bereich des Naturschutzes ist aus unserer Sicht auch problematisch. Der Landkreis Märkisch-Oderland beantragte die Abschaffung der Genehmigungspflicht für Landschaftsrahmenpläne, hat aber selbst bis heute keinen vorgelegt. Wir wollen keine weitere Erosion der Standards im Naturschutz. Hier macht der vermeintliche Bürokratieabbau aus unserer Sicht wenig Sinn, weil wir Gefahr liefen, die gesellschaftlichen Kosten am Ende zu erhöhen anstatt zu minimieren.
Was sind unsere Konsequenzen daraus? Um Äpfel mit Birnen zu vergleichen, ist Sachverstand nötig, der wurde noch im Januar-Bericht der Landesregierung zur Umsetzung des Standarderprobungsgesetzes angekündigt.
„Im Frühjahr 2011 wird die TH Wildau den Abschlussbericht vorlegen, der auch Empfehlungen für das weitere Vorgehen der Landesregierung enthalten wird.“
Warum findet dieser Bericht jetzt nirgends Erwähnung? Auf Nachfrage erfuhren wir in Wildau, der Bericht werde dem Auftraggeber, also jetzt dem Innenministerium, Ende März vorgelegt. Warum also diese Eile mit dem Gesetz? Warum warten wir nicht die Ergebnisse des Abschlussberichts ab, bevor wir hier diskutieren?
Nehmen wir uns selbst nicht ernst? Missachten wir die Arbeit der TH Wildau? Handelt es sich um Markovsches Transparenzgebaren? Sollen wir noch schnell etwas verabschieden, bevor Kritik laut wird? Nein, so groß ist der Zeitdruck nicht. Niemand zwingt uns zu einem solchen Verfahren. Wir sollten den Korb samt Äpfeln und Birnen jetzt zumindest in den Ausschüssen besser begutachten, bevor wir ihn der weiteren Verwendung zuführen.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete von Halem. - Das Wort erhält noch einmal die Landesregierung. - Herr Minister Woidke verzichtet.
Damit sind wir am Ende der Aussprache und kommen zur Abstimmung. Das Präsidium empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs in der Drucksache 5/2904, weitere Flexibilisierung von landesrechtlichen Standards in Kommunen, an den Ausschuss für Inneres - federführend -, an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport und an den Ausschuss für Infrastruktur und Landwirtschaft. Wer dieser Überweisung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Antrag einstimmig an die entsprechenden Ausschüsse überwiesen worden.
Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der einbringenden Fraktion, der FDP. Herr Abgeordneter Tomczak hat das Wort.
Der vorliegende Vorschlag der FDP-Fraktion zur Änderung des Ladenöffnungsgesetzes erscheint mir persönlich so kurz, so einfach und so verständlich, dass wir ihn heute eigentlich beschließen könnten.
Meine Meinung ist, dass es eine dringende Notwendigkeit für die vorgeschlagene Änderung gibt. Das hat gerade die Entwicklung der letzten Wochen gezeigt. Ich erinnere auch an die Übergabe der Unterschriften an den Landtagspräsidenten. Die dahinterstehenden Probleme können mit der Änderung dieses Gesetzes aber heute abgebaut werden.
Die Debatte wird zeigen, wie Sie mit den Problemen der Brandenburger Händler - nicht nur der Potsdamer Händler - umgehen. Wenn es dann Klärungsbedarf gibt, würden wir einer Überweisung in den Wirtschaftsausschuss zustimmen.
Die Begründung des Vorschlages nimmt auf die Regelung in Mecklenburg-Vorpommern Bezug. Dort können Sie sehen, was möglich ist. Im Juli letzten Jahres - nach langen Diskussionen mit den Kirchen und den Gewerkschaften - wurde dort eine Einigung erzielt. Was wir als Änderung vorschlagen, ist dort schon Praxis.
Wir sollten so schnell wie möglich handeln, insbesondere zu Beginn der Tourismussaison. Diese Saison hat mit dem heutigen Wetter sogar schon begonnen. Das gilt nicht nur für Potsdam. Wir sollten den Beteiligten die Möglichkeiten geben, die sie brauchen. Das gilt auch in Bezug auf die Gedanken, die uns beim übernächsten Tagesordnungspunkt beschäftigen werden. Dann reden wir über die Tourismuskonzeption von 2011 bis 2015.
Es gab einige Vorabmeldungen in der Presse. Denen will ich entgegentreten. Die von uns beantragte Änderung ergänzt lediglich die Dezemberänderung. Das ist also kein Ding aus dem
Tollhaus, sondern vielmehr dringend notwendig. Die enge Festlegung des § 5 Abs. 2 Satz 2 im Ladenöffnungsgesetz behindert die gesamte nachfolgende Rechtsprechung. Denn die Anwendung des Brandenburgischen Kurortegesetzes und die Anwendung der Ladenschlussausnahmeverordnung sind nicht möglich, wenn das vorgeordnete Gesetz so starre Festlegungen trifft. So wird der Verkauf auf vier Sortimente festgelegt. Das betrifft Tabakwaren, Blumen, Zeitungen und Sportartikel.
Die von uns vorgeschlagene Änderung gestattet den gewerblichen Verkauf „eines typischen touristischen Angebots“. Unser Vorschlag greift weder die allgemeinen Ladenöffnungszeiten nach § 3 an, noch ist eine Ausweitung der verkaufsoffenen Sonntage über die sechs Sonntage hinaus vorgesehen. Das, was wir im Dezember beschlossen haben, wird also im Kern nicht in Zweifel gezogen.
Die Änderung des § 5 Abs. 2 schafft an dieser Stelle die Voraussetzung zur Erweiterung der Sortimente eines typisch touristischen Angebots durch Rechtsverordnung. Die Ermächtigung der Landesregierung - hier gehe ich mit Blick auf die Zukunft noch einen Schritt weiter - zur Bestimmung durch Rechtsverordnung könnte künftig auch unter Anwendung des Subsidiaritätsprinzips auf Städte und Gemeinden übertragen werden. Ich meine, das ist ein tragbarer Gedanke, den nicht erst die Enquetekommission mit dem bombastischen Titel „Kommunalund Landesverwaltung: bürgernah, effektiv und zukunftsfest Brandenburg 2020“ empfehlen muss. Bis 2020 ist es nämlich für eine Veränderung der Sortimente für den Tourismus im Land zu spät.
Unter Tagesordnungspunkt 5 haben wir soeben gehört, dass die Flexibilisierung von Landesrechtsstandards in den Kommunen möglich ist, sodass auf dieses Thema nicht zurückgegriffen werden muss.
Die Besucher Brandenburgs - insbesondere die Tagestouristen sind betroffen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wir selber sind Tagestouristen. Wir verlassen unsere Heimatstadt und kommen nach Potsdam. Auch wir besuchen gegebenenfalls die Stadtmauer von Wittstock, fahren in den Spreewald oder an andere Orte. Bei solchen Ausflügen können Sie vielleicht eine Zeitung kaufen, aber keine Schuhe. Vielleicht hat die Gattin aber das Bedürfnis, in einen Schuhladen zu gehen. Das könnte zumindest sein. Ich wollte nur ein Beispiel geben. Das ist dann aber oft - das gilt auch für uns selber - nicht möglich.
Mir geht es aber nicht um uns, sondern insbesondere um die Touristen und den Einzelhandel. Diesbezügliche Verbote bilden einen schlechten Hintergrund für die touristische Entwicklung des Landes. Mit der Tourismuskonzeption werden wir uns nachher unter einem anderen Tagesordnungspunkt ebenfalls noch beschäftigen. Ich empfehle Ihnen, den Analyseteil gründlich zu lesen. Dem können Sie entnehmen, welche Rolle der Einzelhandel beim Tourismus spielt. Das betrifft dann auch wieder die Tagestouristen. Deren Umsätze sind für den Einzelhandel bedeutend. In diesem Zusammenhang ist Folgendes festzustellen: Der Handel - im Zusammenwirken mit der Gastronomie und den Kultur- und Naturangeboten - als Betreiber und Repräsentant dieses Brandenburger Wirtschaftsteils hat absolut kein Verständnis für die bisherige und restriktive Sortimentsbegrenzung.
Das ist aber nicht nur ein Problem der Potsdamer Händler. Auch wenn es so dargestellt wird, es trifft nicht zu. Unter der Erklä
rung von gestern stehen 3 500 Unterschriften - unter anderem von der IHK und dem Handelsverband Berlin-Brandenburg, der Tourismus und Marketing Brandenburg GmbH, DEHOGA, Vertretern der AG Innenstadt Potsdam und aus Babelsberg. Diese Unterschriften wurden gestern dem Landtagspräsidenten überreicht. Eine hervorragende Aktion! Dafür kann ich mich bei den Organisatoren, den Herren Kickinger und Fehrichs, nur bedanken. Die Forderung wird also getragen. Die Stellungnahmen dazu liegen uns vor - unter anderem von der AG Städte mit historischen Stadtkernen und von Bürgermeistern anderer Städte und Gemeinden Brandenburgs sowie von an der Tourismuswirtschaft Beteiligten im ganzen Land.
Ich denke, das sollte für uns Anregung genug sein, so schnell wie möglich zu handeln. Die Obengenannten wollen eine schnelle Lösung dieses Problems; denn es drohen Gefahren. Die jetzige Situation wird zu Ladenschließungen führen. Es wird gescheiterte Existenzen geben. Auch Abwanderungen wird es geben. Die touristischen Zentren werden leiden. Die Zunahme von Leerstand in Innenstadtbereichen wird sich zeigen.
Mit anderen Förderprogrammen bemühen wir uns, die Innenstädte zu entwickeln, hier aber übersehen wir, dass sich das Ladenöffnungsgesetz negativ auf die Innenstadtentwicklung auswirkt. Ein lohnendes Ziel für die Tourismusentwicklung ist die einfache Fassung des Ladenöffnungsgesetzes. Diese Änderung - darauf möchte ich besonders hinweisen - ist eine Maßnahme direkter Wirtschaftsförderung. Das gilt insbesondere für die, die im Handel und in der touristischen Kreativwirtschaft tätig sind. Das betrifft gerade den Bereich der Kleinst- und Kleinunternehmen.
Die Förderung der großen Unternehmen, die wir bei der Novellierung des Ladenöffnungsgesetzes im Dezember im Auge hatten, ist hier ausdrücklich ausgeschlossen. Es gibt also keine Förderung auf der grünen Wiese. Es geht ausschließlich um die touristischen Zentren. Es geht um die Angebote für die Touristen. Es kostet uns nichts. Es wird uns auch künftig nichts kosten, kann aber viel bewirken. So stellen wir Liberale uns unbürokratische und sofortige Förderung des Mittelstandes vor. Das ist Hilfe zur Selbsthilfe.
Aus diesem Grunde bitte ich Sie, dass Sie dem vorliegenden Antrag der FDP-Fraktion zur Änderung des Brandenburgischen Ladenöffnungsgesetzes zustimmen. - Danke schön.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Tomczak. - Bevor wir die Aussprache mit dem Beitrag des Abgeordneten Baer von der SPD-Fraktion fortsetzen, begrüße ich sehr herzlich Lehrerinnen und Lehrer des Oberstufenzentrums Friesack; sie sind hier offensichtlich zur Fortbildung.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Brandenburgische Ladenöffnungsgesetz ist seit dem 1. Januar 2011 in Kraft nach den Beratungen in den Ausschüssen, der Anhörung der Experten und den Lesungen im Parlament.
Das Gesetz ist noch keine drei Monate in Kraft. Gesetze müssen aber einen verlässlichen Rahmen bilden, und zwar für Ladenbesitzer, für die Kunden und für die Beschäftigten im Einzelhandel.
Verehrter Herr Kollege Tomczak, wenn Sie in Ihrem Entwurf, den Sie jetzt vorgelegt haben, unter dem Absatz „Rechtsfolgeabschätzung/Erforderlichkeit“ schreiben, „durch die Änderung wird die bestehende Rechtsunsicherheit beseitigt“, kann ich Ihnen nur sagen: Es gibt keine Rechtsunsicherheit. Das Gesetz ist klar und deutlich formuliert.
Unsicherheit erzeugen Sie dagegen mit Ihrem Vorschlag. Ich verweise unter anderem auf die Problemerörterung zu Ihrem Antrag, in dem es heißt, dass durch die Sonntagsöffnung zum Beispiel plötzlich auftretenden witterungsbedingten Bedürfnissen Rechnung getragen werden könne.