Das, was Sie hier eben gesagt haben, stimmt nicht, und das habe ich so auch nicht gesagt. Ich habe nicht kritisiert, dass Sie die 215 Millionen Euro in den Pensionsfonds des Landes überführt haben, und ich habe vor allem nicht die Beamtinnen und Beamten in diesem Land Brandenburg damit diskreditiert, sondern ich habe Ihnen gesagt: Wenn Sie die Nettokreditaufnahme hier mit 450 bzw. 500 Millionen Euro angeben, dann müssen Sie das herausrechnen, was Sie vorher in den Pensionslastenfonds des Landes gelegt haben. Das gehört zur Ehrlichkeit dazu.
Unterstellen Sie mir hier nicht, ich würde die Beamtinnen und Beamten in diesem Land diskreditieren, wenn Sie mir nicht zuhören, Herr Minister Markov!
Die Vorsorgeleistungen für die Pensionen sind nicht aus der Nettokreditaufnahme bezahlt worden; das hat nichts mit der Nettokreditaufnahme zu tun. Sie hätten die Nettokreditaufnahme weder erhöht noch verringert, weil es damit nichts zu tun hat. Das haben Sie jetzt eben wieder behauptet.
(Vereinzelt Beifall DIE LINKE und SPD - Büttner [FDP]: Herr Markov, Ihnen ist ein Rechenfehler unterlaufen!)
Wir setzen jetzt die Aussprache mit dem Redebeitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort. Herr Abgeordneter Vogel wird zu uns sprechen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch Minister Markov kennt das Nonaffektationsprinzip. Es besagt, dass es eine Gesamtdeckung des Haushalts gibt: Alle Ausgaben decken alle Einnahmen. Insofern deckt natürlich auch die Nettokreditaufnahme die 200 Millionen Euro, die in den Pensionsfonds eingestellt wurden.
Kommen wir nun aber zum Grundsätzlichen: Am 21. August dieses Jahres war Earth Overshoot Day, also der Tag, an dem die Menschen das ökologische Budget für das Jahr 2010 verbraucht hatten. An diesem Tag hatte die Menschheit alle Ökosystemleistungen des laufenden Jahres, von der Aufnahmekapazität der CO2-Senken wie Moore und Wälder bis hin zum natürlichen Nahrungs- und Rohstoffangebot, bereits bezogen.
Seitdem leben wir auf Kosten zukünftiger Generationen. Am Ende dieses Jahres wird die Menschheit eineinhalbmal so viel
Ressourcen verbraucht haben, wie unser Planet in diesem Jahr hervorgebracht hat. Wenn sich nichts Wesentliches ändert, wird die Menschheit im Jahr 2030 pro Jahr bereits die natürlichen Ressourcen und CO2-Speicherkapazitäten von zwei Erden benötigen. Da wir aber nur diesen einen Planeten Erde haben und bekanntlich keinen zweiten im Kofferraum, kann dies auf Dauer nicht gutgehen.
Die Auswirkungen dieses überschießenden Verbrauchs werden jeden Tag augenscheinlicher: Der Klimawandel - CO2 und andere Treibhausgase reichern sich schneller in der Atmosphäre an, als Wälder und Meere sie absorbieren können - ist die offensichtlichste und unbestrittenermaßen auch gravierendste Auswirkung, aber es gibt auch noch andere, an denen auch unser Konsumstil hier in Brandenburg seinen Anteil hat: weltweit schrumpfende Waldbestände, Verlust an biologischer Vielfalt oder die Überfischung der Meere, um nur einige zu nennen.
Als Deutsche und Brandenburger tragen wir nicht nur ein Scherflein, sondern einen Riesenbatzen zu dieser Situation bei. Jeder von uns verbraucht die biologische Leistung von 5,1 ha pro Jahr, tatsächlich stehen uns nach den Berechnungen des Global Footprint Network aber nur rund 1,9 ha pro Person an Biokapazität zur Verfügung. Das heißt, wir verbrauchen als Deutsche mehr als das Zweieinhalbfache der auf uns entfallenden natürlichen Ressourcen und Pufferkapazitäten.
Der wissenschaftliche Beirat für globale Umweltveränderungen hatte im vergangenen Jahr errechnet, dass insgesamt noch ein Budget von 750 Milliarden t CO2 bis zum Jahre 2050 zur Verfügung steht, um die Zwei-Grad-Celsius-Schranke einzuhalten.
Das bedeutet, dass für jeden Brandenburger bis zum Jahr 2050 noch eine Pufferkapazität von 100 t CO2 zur Verfügung steht. Aufgrund der exzessiven Braunkohleverstromung und der dadurch verheerenden Pro-Kopf-Bilanz in Brandenburg würden wir mit dem uns zur Verfügung stehenden Budget gerade einmal bis zum Jahre 2014 kommen. Für die verbleibenden Jahre bis 2050 würden uns dann noch genau null Tonnen zustehen, wenn wir Gerechtigkeit auf dieser Erde walten ließen - Zeit also, dass wir uns ernsthaft Gedanken machen.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir von Ökologie sprechen, sprechen wir zugleich immer von Ökonomie. Beide Worte haben den gleichen griechischen Wortstamm: Oikos das Haus. In beiden Fällen geht es um Haushalte, einmal um Naturhaushalt, zum anderen um Menschenhaushalt, wobei sich beide Haushalte vielfältig überschneiden. Die Tatsache, dass wir unser natürliches Kapital schneller verbrauchen, als es sich erneuert, dass wir mit unserem überhöhten Verbrauch die Zukunftschancen zukünftiger Menschengenerationen gefährden, wenn nicht sogar vernichten, ist mit der Situation kontinuierlich überhöhter Ausgaben bei zu niedrigen Einnahmen in unseren privaten Haushalten und Staatshaushalten vergleichbar.
Die Aufgabe, vor der wir als Menschen und wir als Brandenburger Politikerinnen und Politiker stehen, ist jedes Mal die gleiche: Die Ideen der Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit in allen Politikfeldern zum zentralen Leitmotiv un
seres Handels zu machen und wirksam werden zu lassen. Nachhaltigkeit ist dabei mehr, als nur Einnahmen und Ausgaben ins Gleichgewicht zu bringen. Das Leitmotiv der nachhaltigen Entwicklung steht für die Gewährleistung von wirtschaftlicher Entwicklung, sozialer Gerechtigkeit und den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen, den verantwortlichen Umgang mit finanziellen Ressourcen und öffentlichen Gütern. Dabei sehen wir uns nicht nur in der Verantwortung für die nachfolgenden Generationen, sondern auch für die Menschen anderswo auf dieser Welt.
Nachhaltigkeit als Grundprinzip erfordert dabei eine völlige Abkehr vom bisherigen Wachstumsdenken bei allen Parteien, bei allen Menschen, und leider, muss ich sagen, habe ich da heute auch bei der CDU noch einen hohen Weiterbildungsbedarf festgestellt.
Wir benötigen aber auch eine radikale Umstellung im bisherigen Regierungshandeln. Lassen Sie mich dies am Beispiel des Großflughafens BBI verdeutlichen: Die aktuelle Fluglärmdiskussion verweist auf das grundsätzliche Problem der Belastung von Mensch, Natur und Umwelt durch den Flugverkehr. Nachhaltige Politik wäre es, all diese Belastungen so gering wie möglich zu halten. So wenig Flugverkehr wie möglich - das wäre ein Grundanliegen nachhaltiger Politik gewesen. Da Berlin als Hauptstadt einer Industrienation unzweifelhaft einen Flughafen benötigt, wäre es unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten angesagt gewesen, die Dimensionen des Flughafens nicht auf maximales Wachstum auszulegen, sondern auf das notwendige Maß zu beschränken:
Anpassung des Betriebskonzeptes für den Flughafen an die Lage inmitten des Speckgürtels, rigoroses Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr, keine parallel geführten Starts und Landungen, Absprache mit den bereits bestehenden ostdeutschen Flughäfen in Leipzig und Dresden zur Arbeitsteilung bei Charter- und Luftfrachtverkehr. Stattdessen: Unverdrossen Festhalten an der Illusion eines internationalen Luftdrehkreuzes BBI, weitreichende Genehmigung von Tagesrandverbindungen, Ablehnung der Luftticketabgabe im Bundesrat, die hoffentlich zu einer Verringerung des innerdeutschen Flugverkehrs führt, demnächst vermutlich Kampf gegen Kerosinbesteuerung. Mit vorsorgender nachhaltiger Politik hat das alles nichts zu tun.
Stattdessen werden wir in den nächsten Jahren mit horrenden dreistelligen jährlichen Millionenverlusten des überdimensionierten BBI und dem Ruf nach deren Deckung aus der Landeskasse konfrontiert sein, von den irgendwann fälligen Landesbürgschaften in Höhe von 888 Millionen Euro einmal ganz zu schweigen, oder, wie ein aktueller Buchtitel es beschreibt: BBI entspricht in seiner Dimension einem Berlin-Brandenburger Bankenskandal,
Von all diesen Risiken und drohenden Verlusten lesen wir in diesem Haushalt natürlich noch nichts. Das ist auch kein Wunder, da die Technik der Haushaltsaufstellung sich hierzulande in den letzten 20 Jahren kaum verändert hat. Während andere Bundesländer wie Bremen, Hamburg und Hessen bereits die doppelte Buchführung eingeführt haben und wie Unternehmen bilanzieren, hinkt Brandenburg noch weit hinterher. Die kameralistischen Haushaltspläne sind immer Momentaufnahmen, blind für Vergangenheit und Zukunft. Im kameralen Haushalt 2011 spielen Bürgschaftsverpflichtungen und künftige Pensionslasten keine große Rolle. In den Eröffnungsbilanzen der drei genannten Bundesländer spielen sie dagegen eine wichtige Rolle. „Die doppische Betrachtung hilft politische Entscheidungen in ihrer gesamten Tragweite zu beurteilen. Die betriebswirtschaftliche Betrachtung des Haushalts schärft den Blick für den Ressourcenverbrauch und die Belastung künftiger Generationen, sie ist Baustein einer nachhaltigen und transparenten Finanzpolitik“ - so die grüne Finanzsenatorin Karoline Linnert bei der Vorlage des Geschäftsberichts des Bundeslandes Bremen.
Das Ergebnis der Eröffnungsbilanzen dieser drei Länder verdeutlicht aber auch die brisante finanzielle Lage dieser Länder. Land und Stadtgemeinde Bremen weisen zum Stichtag 01.01.2010 ein negatives Eigenkapital in Höhe von rund 12,7 Milliarden Euro aus. Selbst vermeintlich reiche Länder wie Hamburg mit minus 1,2 Milliarden Euro und Hessen mit minus 64,8 Milliarden Euro ziehen eine negative Bilanz. In Brandenburg drückt man sich bisher vor diesem Kassensturz. Diesen Zustand sollten wir aber über alle Fraktionen hinweg so schnell wie möglich beenden. Messen wir diesen Haushalt an den vorliegenden Zahlen und damit zugleich die Regierungspolitik am Leitbild der Nachhaltigkeit: Die 440 Millionen Euro Nettokreditaufnahme bei 10 Milliarden Euro Haushaltsvolumen sehen zunächst einmal harmlos aus. Berücksichtigt man aber, dass die SPD-geführten Vorgängerregierungen, egal in welcher Farbkombination,
in den letzten 20 Jahren über 18 Milliarden Euro Schulden aufgehäuft hatten und die jährlichen Zinsausgaben für mehr als 700 Millionen Euro die Nettokreditaufnahme bei weitem übersteigen, zeigt sich hier schon, dass dieses Land allein neue Schulden machen muss, um seine Zinsen auf die bisher schon aufgenommenen Schulden zu bezahlen. So weit, dass wir unsere Schulden tilgen könnten, sind wir noch lange nicht. Dabei drohen die veranschlagten 742 Millionen Euro durch die Zinsentwicklung auf den Geldmärkten drastisch überschritten zu werden. So hat sich die Umlaufrendite in den letzten drei Monaten um rund 25 % erhöht, sind die Zinsen für 10-jährige Bundesanleihen von 2,2 auf über 3 % geklettert.
Bei den Haushaltsberatungen im Mai war gerade das Beispiel Griechenland aktuell, zur Zeit ist es Irland, nächstes Mal sind es vielleicht Portugal oder Spanien. Griechenland und Irland zeigen, dass man dem internationalen Finanzkapital ganz schnell hilflos ausgeliefert ist, wenn Rating-Agenturen erst einmal auf die Idee kommen, da könnte vielleicht jemand theoretisch seine Schulden nicht zurückzahlen. Diese Theorie zeitigt dann ganz schnell praktische Wirkungen: Zinsen im zweistelligen Bereich für Umschuldungen, Sparauflagen der EU und des IWF, radikale Einschnitte in den Sozialsystemen und im öffentlichen Dienst - Erscheinungen, die wir alle nicht erleben wollen; aber
dieses Über-die-Verhältnisse-Leben ist nicht nur auf die genannten Länder begrenzt, sondern wird auch von der Landesregierung immer noch praktiziert.
Wie von mir schon in der Debatte zur 1. Lesung des Haushaltsentwurfs ausgeführt, akzeptieren wir die in der Folge der Wirtschaftskrise 2009 eingetretene Notlage und begrüßten es, dass die Landesregierung den Haushaltsentwurf zunächst auf Grundlage der niedrigen Mai-Steuerschätzung aufgestellt hatte. Inzwischen liegen aber die Zahlen der November-Steuerschätzung vor, und entgegen meiner im Oktober geäußerten Hoffnung nutzt die Regierung diese Mehreinnahmen jedoch nicht vollständig zur Haushaltskonsolidierung, sondern sie will wieder einmal einen Fonds auffüllen.
Dabei wäre die Senkung der Nettokreditaufnahme bitter nötig, da wir unseren Landeshaushalt unverändert nur zu rund 50 % aus Steuereinnahmen finanzieren und der Kostgänger des Bundes und der anderen Länder sind. Die uns von dort vorgegebenen Rahmenbedingungen sind bekannt und brauchen nicht weiter vertieft zu werden: Schuldenbremse, auslaufende Solidarpaktmittel bis 2019, Neuregelung des Länderfinanzausgleichs. Hinzu kommt bereits vorher, im Jahr 2014, das Auslaufen der bisherigen Form der EU-Förderung. Berücksichtigen wir noch den demografischen Wandel, so kommen wir nach MdF-Berechnungen im Jahr 2020 auf eigene Einnahmen des Landes von 7,5 Milliarden Euro.
Das Finanzministerium hat auf dieser Basis das sehr lesenswerte Handlungskonzept für die Brandenburger Finanzpolitik für das Jahr 2020 aufgestellt. Ergebnis: Selbst unter der Voraussetzung eines Personalabbaus auf 40 000 Beschäftigte, eines Rückgangs der Investitionen auf die Hälfte und einer unveränderten Verbundquote für den kommunalen Finanzausgleich von 20 % wird die bereits jetzt in der mittelfristigen Finanzplanung veranschlagte Deckungslücke von 380 Millionen Euro auf rund eine Milliarde Euro im Jahr 2020 pro Jahr anwachsen.
Auf Kosten der Kommunen wird sich diese Deckungslücke kaum schließen lassen. Die bekannten 50 % der Gemeinden, die unter Haushaltssicherung leiden, machen das deutlich. Mit ein bisschen Herumdoktern an den Behördenstrukturen des Landes und den Gemeindestrukturen wird es nicht getan sein. Um vor den Herausforderungen des demografischen Wandels, der auslaufenden Solidarpaktmittel und der extremen Schuldenbelastung zu bestehen, müssen alle öffentlichen Verwaltungen modernisiert und damit zukunftsfest gemacht werden. Wir müssen neu bestimmen, welche Leistungen die öffentliche Hand in Zukunft erbringen soll und kann und wie die Aufgaben zwischen Land, Kreis und Kommunen verteilt werden.
Ein Hinweis hierzu: In den Kommunen des Landes sind im Jahr 2009 40 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt gewesen. Das sind genauso viel wie im Jahr 2003. Die Rationalisierung, die im Land vorgenommen wurde, wurde von den Kommunen offenkundig nicht mitvollzogen. Das heißt, wir haben hier tatsächlich auch Abstimmungsbedarf. Hier gilt es, wirklich tragfähige Verwaltungsstrukturen zu erreichen. Hier und da ein paar Fördermittel für Gemeindezusammenschlüsse auszureichen, das reicht wohl nicht als Konzept. Es macht eben keinen Sinn, überlebte Strukturen dauerhaft mit viel Geld am Leben zu erhalten. Unabhängig von der grundlegenden Funktional- und Verwaltungsreform, die auch Herr Holzschuher an
gemahnt hat, halten wir es für sinnvoll, dass die kreisfreien Städte bald mit ihren Umlandkreisen fusionieren. Wir brauchen eine Verwaltungsreform 2020. Da bin ich zehn Jahre früher als Sie, Herr Holzschuher. Aber wir nehmen Ihr Angebot zur Zusammenarbeit gern an. Sie erhalten hier ausdrücklich unsere Unterstützung.
Aber die Ausgabensituation des Landes erfordert mehr als nur einzelne Aufgabenreduzierungen und Verwaltungsstrukturreformen. Wir benötigen eine ausschließliche Ausrichtung der Haushaltspolitik an Nachhaltigkeitskriterien. Aber wie soll das funktionieren? Auch wenn es anders als im amerikanischen im deutschen Haushaltsrecht keine Unterscheidung zwischen gebundenen und disponiblen Ausgaben gibt, weiß doch jeder, was gemeint ist. Ein immer größerer Anteil der Ausgaben ist aufgrund früherer Entscheidungen auf Jahre, wenn nicht Jahrzehnte hinaus festgelegt und steht für politische Entscheidungen nicht mehr oder nur noch sehr eingeschränkt zur Verfügung. Im Bundeshaushalt gelten inzwischen rund 93 % der Ausgaben als indisponibel. Musterbeispiel für die von uns zu tragenden Folgen früherer politischer Entscheidungen sind die Zinsbelastungen als Ergebnis früherer Verschuldungspolitik, sind aber auch die Ausgaben für das gegenwärtig beschäftigte Personal oder die künftigen Pensionszahlungen.