Dennoch, meine Damen und Herren - ich versuche, ein wenig den Ton zu dämpfen, aber es ärgert mich eben, dass ständig auf das Gesundheitssystem eingeschlagen wird -: Gesundheit taugt nicht für diese Art Debatte und Aktuelle Stunde, wie Sie sie hier immer vorführen. Das ist Parteipolitik, und das ist Ideologie.
Es geht um die Herausforderungen der Gesundheitsvorsorge und darum, wie wir die Solidargemeinschaft im Gesundheitswesen sichern und dafür sorgen,
dass das Gesundheitssystem in ausreichendem finanziellen Fahrwasser bleibt, damit Schwestern, Ärzte, aber auch Apotheker in Ruhe für die Patienten sorgen können.
Meine Damen und Herren, gehen wir einmal in uns. Lassen Sie uns doch einmal parteiübergreifend und gemeinsam dieser Sache dienen. Ich appelliere an die Menschen - auch in Ihren Parteien -, die durchaus wertbeständig sind, für die es Dinge gibt, die nicht in jedem Jahr und an jedem Tag infrage gestellt werden: Wir müssen akzeptieren, dass das Gesundheitssystem in unserem Land in eine Schieflage geraten ist, manche meinen sogar, in eine Sackgasse. Die Tatsache ist nicht zu verkennen, dass es in den vergangenen Jahren - dies meine ich aus Überzeugung - im zwischenmenschlichen Bereich zur Ökonomisierung und vermehrten Bürokratisierung gekommen ist; und das
Das Verhältnis von Arzt, Pfleger und Patient leidet zunehmend unter diesem Primat im Gesundheitssystem. Man hört es immer wieder: Plötzlich sind es Manager und Lobbyisten,
und wir akzeptieren, ohne zu diskutieren, dass immer mehr Technokraten, Ökonomen und Medizinmanager in unserem Gesundheitssystem existieren, und nehmen billigend das Aussterben von Ärzten, Schwestern und Pflegenden in Kauf, die tatsächlich den Patienten helfen wollen.
Wir sind aber auf dem Holzweg, wenn wir meinen, das ArztPatienten-Verhältnis sei ein rein monetäres Verhältnis. Meine Damen und Herren, Sie werden sich wundern, aber der Wettbewerb im Gesundheitswesen kann nur begrenzt wirken,
denn ob jemand krank oder gesund ist, bestimmt nicht der Wettbewerb. Die Wenigsten entscheiden sich für die Krankheit, und im Ernstfall sind sie auf einen guten Arzt angewiesen, denn sie haben nicht die Möglichkeit, im Ernstfall alle medizinischen Alternativen auf dem Markt abzuklopfen.
Das, meine Damen und Herren, wäre lohnend, in der heutigen Aktuellen Stunde diskutiert zu werden, und nicht Ihr populistisches Thema.
Aber nun zum Reformgesetz. Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass der GKV im nächsten Jahr 11 Milliarden Euro fehlen werden.
Ich hätte mir natürlich eine tiefgreifende Reform gewünscht, die langfristig wirkt; aber im Kreis aller Agierenden, auch der SPD und der Linkspartei, ist das nicht denkbar gewesen, weil man ja gern den Mythen des Gesundheitssystems nachhängt und immer wieder seine eigenen Vorurteile pflegt. So müssen wieder altbekannte und kurzfristig wirkende Sparmaßnahmen das Gesundheitssystem stabilisieren, sonst gerät es in eine Schieflage. Das müssen Sie doch bitte akzeptieren.
Aber es gibt durchaus auch neue Komponenten, zum Beispiel einen Sozialausgleich ohne zusätzliche Antragstellung und eine erste wirksame Begrenzung für Preise sogenannter innovativer Arzneimittel. Das gab es unter der SPD noch nie. Nun wird auch die Pharmaindustrie mit ins Boot geholt.
Nun zu den Zusatzbeiträgen, die Sie hier beklagen, die sozial ausgeglichen werden sollen. Mir erschließt sich generell nicht, was Sie gegen einen sozialen Ausgleich im Steuersystem
haben. 20 % der Spitzenverdiener in Deutschland zahlen zwei Drittel der Steuern. Also werden, meine ich, die Leistungsfähigen stärker zur Begleichung der Kosten der Gesundheitsreform und der Gesundheit herangezogen als die Ärmeren.
Ihre Vorstellung von der Bürgerversicherung - Sie wissen es doch - ist höchst bürokratisch und teuer, und es wäre viel unproblematischer in einem Steuersystem zu lösen.
Selbst Bert Rürup, der nun wirklich kein CDU-Anhänger ist, lehnt die Bürgerversicherung ab. Ich zitiere ihn gern:
„Ich kenne keinen Ökonomen, der von Pauschalprämien in der Krankenversicherung nicht einen positiven Beschäftigungseffekt erwartet. Um die Arbeitslosigkeit zu senken, brauchen wir eine Entkopplung der Sozialabgaben von den Löhnen. Und das gelingt mit der Bürgerversicherung definitiv nicht.
... Die Bürgerversicherung soll wie eine zweite Einkommensteuer Abgaben auf alle Einkunftsarten erheben.... Das bedeutet de facto eine Strafsteuer für Kleinsparer.“
Das ist doch klar und deutlich, und Sie merken: Ihre Antworten auf den Ausgleich und auf die Einnahmenschwäche der GKV sind keine, die das Problem lösen, sondern sie werden neue Probleme in das System bringen.
Meine Damen und Herren, viele Akteure haben in den vergangenen Monaten darauf hingewirkt, dass bei der Morbi-Struktur Ost die Finanzierung des Defizites des Gesundheitsfonds nicht zulasten der GKV der ostdeutschen Länder geht. Dies ist nun Gott sei Dank - im Sinne der ostdeutschen Länder geregelt. Es wird also keine Regionalisierung des Morbi-RSA geben. Das ist etwas Positives.
Es gibt vielleicht noch drei Ostspezifika, die ich explizit ansprechen möchte, die noch nicht geregelt sind und auf die wir vielleicht gemeinsam einwirken könnten. Erstens: die Korrektur der Honorarreform. Dabei geht es nicht um die Höhe der Honorare, sondern um die Verteilung. Die Korrekturen bei der morbiditätsorientierten Gesamtvergütung sind für den Osten problematisch. Sie hatte sich gerade in den letzten Jahren entsprechend der Morbi-Struktur in den ostdeutschen Ländern gut bewährt und soll nun wieder verlassen werden. Deshalb gehört der neue § 87 d, die asymmetrische Verteilung, abgeschafft. Richtig!
Zweitens: Es gibt das Problem der Ost-West-Angleichung unserer Zahnärzte. Wegen der Sparmaßnahmen wird die Angleichung der Honorare unserer Zahnärzte gegenwärtig so ziemlich zunichtegemacht.
Drittens: Es ist durchaus positiv, dass der § 105, die Förderung der vertragsrechtlichen Versorgung, wieder stärker in das Blickfeld gerät. Das ist gut. Meines Erachtens wäre es noch ein
Vorteil, wenn es zu einer paritätischen Finanzierung zwischen der GKV und der Kassenärztlichen Vereinigung kommen würde.
Meine Damen und Herren, Sie hören, es gibt durchaus landesspezifische Themen, die wir hier diskutieren können. Nutzen Sie bitte die Aktuellen Stunden für solche Themen und nicht für Stimmungsmache, wie Sie sie heute wieder fabriziert haben. - Danke.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Prof. Schierack, im März haben Sie uns vorgeworfen, wir führten eine Phantomdiskussion. Inzwischen ist das Phantom Realität geworden, das heißt: Zusatzbeitrag und Entsolidarisierung. Dieses Phantom ist also real vorhanden. Ein Kampffeld müssen wir aufbauen. Der DGB hat eine schöne Aktion: „Köpfe gegen Kopfpauschale“, und wir sollten uns von solchen Reden, in deren Kern Wahres steckt, die Köpfe auch weiterhin nicht vernebeln lassen, sondern sie zum Denken benutzen.
Als wir uns im März dieses Jahres hier schon einmal trafen, haben Sie uns auch Angstschürerei vorgeworfen. Mit dem jetzigen Kabinettsbeschluss, der dem Bundestag vorgelegt wurde und in die 1. Lesung kam, ist die Katze aus dem Sack; und es kommt noch schlimmer, als wir befürchtet haben.
Dieses Gesetz hat direkte Auswirkungen auf die Bürgerinnen und Bürger in Brandenburg, und nun tun Sie nicht so, als würden wir nicht zur Bundesrepublik Deutschland gehören und nicht in diesem Gesundheitssystem zu Hause sein!
Das können Sie im Übrigen auch dem vorgelegten Entschließungsantrag entnehmen. Darin ist klar und unmissverständlich von uns als Koalition gesagt: Was die schwarz-gelbe Bundesregierung vorhat, ist unsozial, ungerecht und zu allem Überfluss auch noch bürokratischer Murks, und dazu wird Brandenburg Nein sagen.
Ich spare mir, noch einmal zu den Beitragssatzerhöhungen auszuführen. Dies alles hat meine Kollegin vorhin bereits erläutert. Ich denke, das kann ich sein lassen.
Was ist denn der Kernpunkt dieser Reform? Der Wettbewerb soll gesteigert werden. Die gesetzliche Krankenversicherung soll wettbewerbsfreundlicher werden, Preissignale sollen ausgesendet werden. Als ob - Sie haben es doch gesagt - vom Wettbewerb schon mal ein Mensch gesund geworden wäre!