Protocol of the Session on July 2, 2010

unseres Bundeslandes zu glühenden Befürwortern offener Grenzen für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen aufzuschwingen, berufen Sie sich, meine Damen und Herren von SPD und Linke, auf unbestritten vorhandene Ängste vieler Menschen in unserem Land vor unserem Nachbarland Polen und machen diese zum Ausgangspunkt Ihres Antrags.

(Beifall GRÜNE/B90 sowie des Abgeordneten Büttner [FDP])

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir pflegen gute Kontakte sowie kulturellen und wirtschaftlichen Austausch mit den angrenzenden Woiwodschaften. Beim Lesen Ihres Antrags könnte man jedoch den Eindruck gewinnen, unsere Nachbarn hätten nichts Besseres zu tun, als der Brandenburger Wirtschaft zu schaden. Das ist mitnichten der Fall. Nicht der Fachkräftemangel zieht an Brandenburg vorbei, sondern die mittel- und osteuropäischen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen tun dies. Selbst der DGB hat inzwischen erkannt, dass die Migrationspfade durch Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern in prosperierende Regionen des westlichen Europa führten. So täte es unserem Land gut, in der Arbeitsmarktregion Brandenburg-Westpolen die arbeitsmarktpolitische Integration zu fördern, statt ängstlich zurückzucken.

(Beifall GRÜNE/B90)

Die IHK hat sich von Anfang an in vollem Umfang für die Arbeitnehmerfreizügigkeit ausgesprochen. Denn im Gegensatz zu unseren Regierungsfraktionen sieht die Wirtschaft deutlich die Vorteile eines europäischen Arbeitsmarktes, vor allem im Hinblick auf den erwähnten Fachkräftemangel. Die IHKs haben außerdem mehr Vertrauen in die Stabilität und die Integrationskraft unseres Marktes. Die Angst vor einem Schaden für die Konjunktur und den Arbeitsmarkt können sie jedenfalls nicht teilen. Ein Blick auf die Zahlen macht klar, warum nicht: Trotz sinkender Arbeitslosenquote von immer noch 15 % liegt der Anteil der unbesetzten Fachkräftestellen mittlerweile bei 18 % Tendenz steigend.

Wenn die Zuwanderung von Arbeitnehmern negative Auswirkungen auf Brandenburg hätte, wäre dies schon längst zu spüren gewesen. Wanderungsbewegungen gibt es nämlich trotz der Restriktionen. Der bedeutende Unterschied ist aber, dass die verdeckten Wanderungen Lohndumping und unsichere Arbeitsverhältnisse zur Folge haben, während legale Wanderungen von Arbeitnehmern gestaltet und kontrolliert werden können. Dass ein Land von der Arbeitnehmerfreizügigkeit profitieren kann, haben Großbritannien, Portugal und Irland bewiesen.

Mit Stichworten wie Schwarzarbeit und befürchteten Nachteilen für den Brandenburger Wirtschaftsraum bauen Sie in Ihrem Antrag eine Drohkulisse auf, die es so nicht gibt. In diesem Jahr ist deutlich geworden, dass Brandenburg von der gegenwärtigen Wirtschaftskrise, soweit es den Arbeitsmarkt betrifft, weitgehend verschont geblieben ist. Statt arbeitsaufwendiger Bestandsanalyse und Handlungsempfehlungen, die reichlich kurzfristig kommen, brauchen wir also deutlich mehr europäischen Geist. Statt Angstmacherei zu betreiben, müssen wir den Menschen in unserem Land die Vorteile der europäischen Integration aufzeigen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie sich an diesem warmen Sommertag vom europäischen Geist beseelen und schließen Sie sich dem Antrag von FDP und Grünen an. Recht herzlichen Dank.

(Beifall GRÜNE/B90 und FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Vogel. - Wir setzen mit dem Beitrag der Landesregierung fort. Minister Baaske spricht zu uns.

Herr Kollege Vogel, das wird die Koalition nicht tun; die verschiedenen Gründe werde ich noch darlegen. Zu dem Koalitionsantrag will ich sagen, dass das mit Berichten so eine Sache ist. Sie wissen, dass wir uns in der vergangenen Legislaturperiode darauf verständigt haben, nicht mehr so viele Berichte zu fordern. Ich bitte Sie, insoweit auch in Zukunft zurückhaltend zu sein, weil dafür viel Arbeit und Kraft gebunden wird.

(Beifall der Abgeordneten Schier [CDU])

Ein anderer Punkt: Herr Vogel, Schwarzarbeit ist ein Thema. Allerdings stellt sich die Frage, was wir landespolitisch dagegen tun können. Zuständig sind die Zollbehörden, die aber dem Bundesfinanzminister unterstellt sind. Ein Thema ist Schwarzarbeit jedoch allemal. Man muss sich anschauen, was in diesem Land passiert. Ich halte das nicht für eine Drohkulisse, sondern für einen Aspekt, den man auch in den nächsten Jahren noch beobachten sollte.

Herr Kollege Bernig, auch mit der Beratungsstelle in Berlin ist das so eine Sache. In Berlin mag das funktionieren. Aber wo soll bitte schön die Beratungsstelle in Brandenburg angesiedelt werden? In Potsdam hat sie wenig Sinn, weil die Menschen in Eisenhüttenstadt, Cottbus, Frankfurt (Oder) oder in Schwedt arbeiten, aber nicht unbedingt hier. Aber darüber kann man sicherlich später noch reden. Die Situation in Berlin ist insoweit durchaus anders.

Frau Schier, Sie haben vollkommen Recht, wenn Sie sagen, dass es schwierig sein dürfte, eine Prognose darüber abzugeben, wie der Arbeitsmarkt 2011 aussieht. Sie können sich darauf verlassen: Ich werde keine Prozentzahl hineinschreiben. Grundlage der Darstellung wird vielmehr ein Szenario sein, nach dem Motto: „Wenn dieses oder jenes eintritt, dann sollte man so oder so darauf reagieren“. Mehr werden wir nicht tun können. Das ist sicherlich jedem klar. Man sollte im Übrigen durchaus zuversichtlich sein, dass es nicht allzu schlimm wird. Auf der anderen Seite muss man auch vorsichtig sein, damit man sich nicht verrennt und Prognosen abgibt, deren Nachprüfung ergibt, dass man etwas Falsches gesagt hat.

Ich will noch etwas zu dem Antrag der FDP-Fraktion und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sagen; alles andere kam in den Beiträgen der Kollegen Baer und Bernig schon gut rüber. Herr Kollege Vogel und Herr Kollege Büttner, wenn Sie im Zusammenhang mit dem Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt einzig und allein auf den Fachkräfteaspekt abstellen, dann ist mir das zu eng gefasst. Ich halte Ihren Ansatz für wenig geeignet. Er entspricht auch nicht der politischen Zielstellung des Antrags, den die Koalitionsfraktionen dazu eingebracht haben. Es geht darum, dass wir tatsächlich ein Miteinander zwischen Polen und Deutschen hinbekommen. Schon deshalb ist Ihre Forderung, wir sollten Fachkräfte abwerben, zumindest politisch nicht zielführend. Auch in Polen gibt es inzwischen ein Fachkräfteproblem. Wenn wir, der Landtag, beschließen würden, aus Polen Fachkräfte abzuwerben, dann wäre das diplomatisch sehr ungeschickt. Das sollte man möglichst vermeiden.

Frau Schier - das sage ich aber auch Herrn Büttner und Herrn Vogel, weil sie die Antragsteller sind -, zur Fachkräftesituation liegt uns die Prognos-Studie vor. Wir wissen, wo wir stehen und was wir tun müssen, um das aufgezeigte negative Szenario zunächst 273 000, dann 360 000 und 2030 schließlich 460 000 fehlende Fachkräfte - abzuwenden. In der Studie ist auch nachzulesen, welche Branchen und welche Regionen besonders betroffen sein werden. Auch Sie haben vielleicht gelesen, dass die Zuwanderung von Arbeitnehmern lediglich ein Aspekt ist, um dem Problem begegnen zu können.

Frau Schier und Herr Büttner, das arbeitspolitische Programm legt den Schwerpunkt eindeutig auf die Erhöhung der Qualifikation von Menschen, die sich freiwillig aus- und weiterbilden wollen, auch in Unternehmen. Wir sind auch schon tätig geworden, insbesondere im Hinblick darauf, dass wir ab dem nächsten Jahr mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit umgehen wollen und sollen. Tun Sie bitte nicht so, als wüssten Sie das nicht! Wir reagieren durchaus auf die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit ab Mai nächsten Jahres.

Wenn Sie von FDP und Grünen in diesem Zusammenhang auf den ESF verweisen, dann entgegne ich, dass das nicht funktionieren kann. Die Mittel des Europäischen Sozialfonds können nur in Brandenburg, aber keinesfalls in Polen ausgegeben werden. Für Polen gibt es einen eigenen Sozialfonds. Ich weiß, dass der eine oder andere Bildungsträger aus Brandenburg schon in Polen aktiv ist. Die Förderung muss dann aber aus Mitteln des für Polen aufgelegten Sozialfonds erfolgen.

Herr Vogel, noch eine Anmerkung zum Mindestlohn. In der ersten Legislaturperiode von Rot-Grün im Bund war Fritz Kuhn arbeitsmarktpolitischer Sprecher der Grünen.

(Beifall der Abgeordneten Hackenschmidt [SPD])

Er war kein großer Verfechter einer Mindestlohnregelung. Auch die Gewerkschaften waren damals nicht dafür; sie übten sich vielmehr in großer Zurückhaltung, weil sie um die Tarifautonomie fürchteten. Es war also keinesfalls so, wie Sie es dargestellt haben, Herr Vogel. In der nächsten - rot-schwarzen Koalition auf Bundesebene waren es die Schwarzen, die wiederum eine Mindestlohnregelung verhindert haben. Herr Vogel, Ihr Beitrag war ein bisschen heuchlerisch. Ich glaube, Ihnen ist klar, dass das von unserer Seite nicht anders ging.

Es steht immer noch 1 : 0 für Brasilien. Ich wünsche Ihnen ausgezeichnete Sommerferien und alles, alles Gute. Bleiben Sie gesund und munter!

(Beifall SPD)

Vielen Dank, Herr Minister - Herr Dr. Bernig hat die Gelegenheit, noch eine Minute zu sprechen.

Ich versuche, es ganz kurz zu machen. Das Spiel ist auch noch nicht vorbei. Schade, dass du den Hinweis auf das 1 : 0 vorweggenommen hast; das sollte mein letzter Satz sein.

Ich finde es erstaunlich, welch große Übereinstimmung es zwischen CDU und FDP in der Bewertung der negativen Folgen der Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit gibt. Frau Schier, Ihnen will ich sagen - das gilt auch für den Minister -: Entscheidend ist nicht die Frage, ob die Verwaltung beschäftigt wird; entscheidend ist vielmehr, was in dem Bericht steht. Es geht um eine Bestandsanalyse und um Handlungsempfehlungen, damit wir mit unseren Partnern in die richtige Richtung marschieren. Deswegen denken wir, dass unser Antrag richtig ist.

Herr Büttner, Sie haben Herrn Görke zitiert. Den von Ihnen konstruierten Zusammenhang zwischen den vier Grundfreiheiten in der EU und dem Mindestlohn habe ich nicht verstanden. Das mag an mir liegen, aber ich weiß, dass die Grundfreiheiten auch in Großbritannien gelten, wo es einen Mindeslohn gibt. Dorthin sind nach dem Beitritt der Ostländer 447 000 Menschen zum Arbeiten gegangen. Also kann der von Ihnen genannte Zusammenhang nicht bestehen.

Herr Vogel, ich verstehe nicht, warum Sie so draufhauen. Warum werfen Sie der SPD vor, dass sie dazugelernt hat? Im Übrigen haben Sie es versäumt, in Ihrem Antrag den Mindestlohn zu fordern. Das ist durchaus ein wichtiger Punkt.

(Beifall DIE LINKE sowie vereinzelt SPD)

Herr Dr. Bernig, Ihre Redezeit ist beendet.

Ich bitte noch einmal um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall DIE LINKE)

Wir kommen zur Abstimmung.

Zuerst stimmen wir über den von der SPD-Fraktion und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Antrag in der Drucksache 5/1481 ab. Er trägt den Titel: „Vorbereitung auf die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit ab 1. Mai 2011 - wirksame Schritte hin zu einem gemeinsamen deutsch-polnischen Arbeitsmarkt an Oder und Neiße“. Wer diesem Antrag folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Stimmenenthaltungen? - Ich sehe keine Stimmenenthaltungen. Dieser Antrag ist angenommen worden.

Wir kommen zu dem Entschließungsantrag der FDP-Fraktion und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 5/1592. Er bezieht sich auf den Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion DIE LINKE, über den wir soeben abgestimmt haben. Wer möchte diesem Entschließungsantrag folgen? - Wer ist dagegen? - Stimmenenthaltungen? - Bei einer großen Anzahl von Stimmenenthaltungen ist dieser Antrag dennoch abgelehnt worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 9 und damit die heutige Sitzung. Kommen Sie gut über den Sommer und im September frisch an Kräften zurück.

Ende der Sitzung: 17.23 Uhr