Ich weiß nicht, ob dem Kabinett bei seiner Tagung in Berlin bekannt war, was es damit anrichtet. Wenn es ihm nicht bekannt war, ist es peinlich. Wenn es das jedoch nüchtern und in Kenntnis der daraus resultierenden Folgen getan hat, dann ist es auch peinlich und zudem erschreckend, wie man sozial so kalt reagieren kann. Das verstehe ich nicht. Insofern muss das hier auch angeprangert werden.
In der vergangenen Woche nahm ich an der Jugend- und Familienministerkonferenz in Schwerin teil und habe - aufgrund einer Äußerung vonseiten einiger Regierungsvertreter des Saarlandes - dort einen Antrag gestellt. Vom Ministerpräsidenten, Herrn Müller, und von der Sozialministerin des Saarlandes wurde mehrfach die Aussage getroffen, dass das geplante Paket unausgewogen sei. Am Tag vor dieser Jugend- und Familienministerkonferenz schlug die saarländische Sozialministerin vor, das Elterngeld für Hartz-IV-Empfänger bei 300 Euro zu belassen und dafür in anderen Bereichen zu kürzen. Dies befürwortete ich, weshalb ich gesagt habe: Wunderbar, verehrte Kollegin, stellen wir einen diese Punkte enthaltenden Antrag und legen diesen auf der Jugend- und Familienministerkonferenz als Aufforderung an den Bund, noch einmal über den Punkt nachzudenken, vor.
Wissen Sie, was geschehen ist, nachdem ich diesen Antrag gestellt habe? - Die CDU- und FDP-Kollegen stimmten dagegen, und selbst das Saarland hat sich der Stimme enthalten. Insofern ist das schon Ihre Linie, meine Damen und Herren von der CDU- und FDP-Fraktion, auch wenn Sie hier sagen, Sie hätten diesen und jenen Vorschlag noch zu unterbreiten. Das ist Ihre Linie, weshalb Sie sich auch nicht herauszureden brauchen.
Der Punkt Arbeitsförderung wurde bereits von Frau Wöllert und Frau Lehmann angesprochen. Diesbezüglich sollen 16,5 Milliarden Euro herausfallen. Dies wird die Job-center, die wir derzeit qualitativ gut aufbauen wollen und bei denen wir nun die Vermittlung aus einer Hand sichergestellt haben, zurückwerfen. Gewiss wird die Vermittlung weiterhin aus einer Hand stattfinden, jedoch wird diese Hand weitestgehend leer sein. Das sage ich in Ihre Richtung, meine Damen und Herren von der CDU- und FDP-Fraktion. Schließlich klagen Sie uns immer wieder dafür an, wir würden das Programm „Arbeit für Brandenburg“ insofern nutzen, indem wir Menschen, die auf dem ersten Arbeitsmarkt keine Chance mehr haben, in den zweiten oder dritten Arbeitsmarkt vermitteln. Dazu lautet Ihre Aufforderung: Fördert mehr die Qualifizierung! - Eines Tages werden wir einmal nachsehen, in welchem Umfang Ihre geplanten Kürzungen zur Reduzierung der durchgeführten Qualifizierungsmaßnahmen in diesem Land und
zur Verringerung der Qualifizierung der Arbeitslosen am Ende dieses Sparpaketes geführt haben. Dies läuft darauf hinaus, dass
Vor kurzem haben wir eine Fachkräftestudie herausgegeben. Wir wissen, dass wir hinsichtlich der Qualifizierung der Langzeitarbeitslosen, aber auch hinsichtlich der Beschäftigungspolitik - ich beziehe mich insbesondere auf das Programm „Arbeit für Brandenburg“ - besser werden wollen. Dies wollen wir mit der Qualifizierung verknüpfen, was jedoch einen wesentlichen Strich durch die Rechnung zieht, die wir in der Vergangenheit aufgestellt haben. Das ist vollkommen richtig.
In dem Zusammenhang möchte ich noch - schließlich äußerten Sie sich in den vergangenen Tagen mehrfach dahin gehend, ich würde bemängeln, dass der Bund seine Mittel für die Eingliederungshilfe zurückführt und deswegen das Programm „Arbeit für Brandenburg“ nicht so gut laufen kann - Folgendes sagen: Natürlich haben wir darauf gesetzt, dass der Bund seinen Eingliederungstitel so belässt wie in den vergangenen Jahren; denn die Menschen haben einen Anspruch auf Vermittlung in den ersten oder zweiten Arbeitsmarkt. Das ist im SGB II und SGB III so festgeschrieben. Aus den darin enthaltenen Pflichtleistungen wollen Sie nun Ermessensleistungen machen. Das führt zwangsläufig zu einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die Sozialgerichte und dazu, dass wir mit dem Programm „Arbeit für Brandenburg“ in diesem Land weniger arbeiten können.
Jedoch handelt es sich dabei nicht um Ihr Geld, Frau Schier und Herr Büttner, das wir diesbezüglich ausgeben wollten, sondern um Geld der Beitragszahler und Steuerzahler, das für Pflichtleistungen nach dem SGB II und SGB III ausgegeben werden soll.
„Ausgewogen gekürzt“, das ist - Herr Dombrowski, nehmen Sie es mir nicht übel - ein Stück weit lächerlich. Insofern möchte ich aus der Zeitung „Märkische Allgemeine“ vom 22.06.2010 zitieren: Das Sparpaket sei ausgewogen. - So werden Sie, Herr Dombrowski, zitiert. Auch wenn es in der Zeitung nicht mit Anführungszeichen versehen ist, glaube ich, dass Sie das gesagt haben. Der Sozialetat, der mehr als die Hälfte des Bundeshaushalts umfasse, könne beim Sparen nicht ausgenommen werden. Der darauf folgende Satz ist mit Anführungszeichen versehen. Vorsichtshalber fragte ich gestern den Journalisten, der diesen Artikel verfasst hat, ob Sie, Herr Dombrowski, das tatsächlich gesagt haben. Meine Frage wurde bejaht.
„,Probleme haben wir in Deutschland nicht mit Unter-, sondern mit Überernährung‘, gab er zu bedenken.“
Herr Dombrowski, was heißt denn das? Was soll das jetzt heißen? Soll das heißen, die Hartz-IV-Empfänger hätten zu viel Geld und seien deshalb zu dick?
Mit Verlaub: Wenn Ihre Logik stimmen würde, müssten einigen Abgeordneten die Diäten gekürzt werden. Entschuldigung. So etwas zu behaupten ist eine Beleidigung für die Menschen in einem solchen Zustand.
Das kann doch wohl nicht wahr sein. Sie wissen genau, dass eine gesunde Ernährung mit Ballaststoffen, Vitaminen und Eiweiß wesentlich teurer ist als Bockwurst und Bulette.
So ist es eben. Deshalb können sich viele Menschen keine gesunde Ernährung leisten und müssen sich vielfach von Bockwurst und Buletten ernähren.
Als Sarrazin so etwas behauptet hat, war mir das sehr peinlich. Ich höre aus Ihrer Richtung jedoch nichts in der Form, dass jemandem von Ihnen die Aussage von Herrn Dombrowski peinlich ist.
Das Streichkonzert des Bundes lässt nichts aus. Ich will nun noch den befristeten Zuschlag erwähnen. Diesen erhalten derzeit Menschen, die vom ALG I ins ALG II rutschen, als Abfederung: 160 Euro für einen Erwachsenen, demzufolge 320 Euro für ein Paar und jeweils 60 Euro für ein Kind. Die Streichung trifft die davon berührten 7 800 Menschen in Brandenburg sehr hart.
Nun möchte ich noch etwas zur Rentenversicherungspflicht sagen. Herr Burkardt ist der Meinung, es mache nicht so viel aus, wenn man diese bei den betroffenen Menschen herausnimmt. Herr Burkardt, Sie verkennen diesbezüglich ein wenig die Tatsachen. Bei 20-jähriger Arbeitslosigkeit sind das - bei 2,09 Euro pro Jahr - nicht nur 40 Euro, sondern etwa 42 Euro. Es geht nicht nur darum, dass die Menschen dann weniger Rente hätten das wäre schon sehr bitter für sie -, sondern auch darum, dass sie in die Grundsicherung rücken. Zudem ist Fakt: Der Bund spart an dieser Stelle, und die Grundsicherung zahlen die Kommunen.
Um diesen Punkt geht es dabei. Das darf man nicht verkennen. Meines Erachtens muss dort angesetzt werden. Insofern hat man mit Sicht auf den Bundeshaushalt relativ einseitig gedacht. Ich hoffe nur - schließlich ist dies einer der wenigen Punkte, die im Bundesrat der Zustimmung bedürfen -, dass Ihre sogenannten B-Ministerpräsidentenkollegen sagen: Einen solchen Unsinn machen wir nicht mit. Wir sehen nicht ein, dass die Haushalte der Kommunen bzw. der Länder mit diesem Punkt belastet werden. Wir werden uns dagegen wehren.
Natürlich hat das auch etwas mit Altersarmut zu tun. Dazu muss ich aber jetzt, glaube ich, nicht allzu viel sagen. Ich würde mich freuen, wenn die Fraktionen von CDU und FDP ihren Einfluss geltend machen und versuchen, die geplanten Änderungen in Berlin zu verhindern. - Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Baaske, Sie haben mir eine Steilvorlage geboten und Frau von der Leyen zitiert. In der Tat befinden sich die Menschen in Schwierigkeiten. Das sehen wir auch, jedoch haben wir eine andere Herangehensweise.
Zunächst möchte ich etwas zum öffentlich geförderten Beschäftigungssektor sagen. Dies wurde von Ihnen in der Presse vorgestellt. Wenn man diesbezüglich gefragt wird, weiß man überhaupt nicht mehr recht zu antworten. Bei den Linken waren es einmal 15 000 Stellen.
(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Worauf bezieht sich Ihre Kurzintervention? - Zuruf der Abgeordneten Wöllert [DIE LINKE] - Krause [DIE LINKE]: Das ist doch nicht Gegenstand gewesen!)
- Doch. Darauf komme ich zurück, weil Herr Baaske das Programm „Arbeit für Brandenburg“ angesprochen hat. Die diesbezüglich im Haushalt eingestellten Zahlen reichen mitnichten; denn multipliziert man 6 500 Stellen mit 250 Euro und die sich daraus ergebende Summe mit 36 Monaten, ergeben sich nicht 40 Millionen, sondern 58 Millionen.
Nach den gestern veröffentlichten Arbeitslosenzahlen liegt die Arbeitslosenquote in Brandenburg unter 11 %. In der Lausitz das ist meine Heimat - lag die Arbeitslosenquote bei 30 %, und nun liegt sie bei 14,8 %. Insofern ist unsere Intention, wenn wir über Armut, Sparpaket, Arbeitslose - insbesondere über Langzeitarbeitslose, deren Anzahl nur geringfügig sinkt - sprechen: Qualifizierung und Ausbildung unserer jungen Menschen. Diese Intention verfolgt die CDU-Fraktion.
Herr Minister, die Geschäftsordnung räumt Ihnen die Möglichkeit ein, hierauf zu reagieren, wenn Sie Bedarf haben.
Die nutze ich sehr gern. Verehrte Kollegin, Sie wissen ganz genau, dass 42 % unseres Etats im Wesentlichen in die Qualifizierung von Köpfen geht. Was wir vom ESF und an Landesmitteln ausgeben, geht zum allergrößten Teil gerade in diese Qualifizierungsschiene, und zwar unternehmensnah, aber - genauso wie bei Bildungsgutscheinen - auch direkt an diejenigen, die Lust haben, sich zu qualifizieren.
Das andere ist Ihre Rechnung bezüglich der zweieinhalb Jahre. Ich weiß nicht, woher Sie die haben. Wir haben mit zwei Jahren gerechnet, denken, dass manche - wie es die Richtlinie auch vorsieht - vorher vermittelt werden, gehen aber davon aus, dass einige die Chance ergreifen, drei Jahre daran teilzuhaben. Wenn Sie die Rechnung so vollziehen, kommen Sie auf genau 40 Millionen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Burkardt, ich möchte zunächst noch einmal auf Ihre Rede zur Deutschen Einheit eingehen. Ich finde, wenn man von hier vorn aus an einer Stelle zwei Zusammenhänge herstellt, muss man sich gut überlegen, was rhetorisch am besten dazu passt.
Wenn diese Bundesregierung den größten Schuldenhaushalt seit Kriegsende in diesem Land beschlossen hat und gleichzeitig großen Hotelketten die Steuern senkt, dann sollte man mit der Feststellung, dass wir jahrelang über unsere Verhältnisse gelebt hätten, vorsichtiger sein. Seien Sie damit in Zukunft ein bisschen vorsichtiger.
Noch eine kleine Bemerkung, lieber Kollege Burkardt: Wenn Sie im Parlament länger reden möchten, dann verbessern Sie einfach Ihr Wahlergebnis. Dann klappt das wieder.
Dieses Sparpaket der Bundesregierung, meine Damen und Herren, ist nicht nur unsozial, verehrte FDP, es ist auch eine sprichwörtliche Ansammlung von Luftbuchungen. Ich nenne nur einige, es wären noch mehr zu nennen: Brennelementesteuer, Luftverkehrsabgabe, Bankenabgabe, Finanztransaktionssteuer. Ob diese Erwartungen jemals erfüllt werden, steht weitestgehend in den Sternen.
Gesellschaftspolitisch allerdings ist dieses Sparpaket ein großer Schritt in die falsche Richtung. Es ist nicht nur ein Beitrag zu mehr Ungerechtigkeit in unserer Gesellschaft, es ist auch Sparen am falschen Ende. Ich sage das ganz bewusst, meine Damen und Herren: Sie sparen bei denjenigen, die ohnehin wenig haben, lassen aber diejenigen ungeschoren, die viel haben. Das ist Politik für die oberen 5 % in unserer Gesellschaft. Das ist keine Politik für die Menschen in Brandenburg, und - mit Verlaub - ich bin erstaunt: Sie als CDU und FDP haben den Kontakt zu Ihrer eigenen Klientel, den sogenannten Besserverdienenden, offenbar völlig verloren.
Eine Umfrage des Managermagazins enthüllt, dass 54 % der Führungskräfte bereit wären, durch eine Vermögensteuer oder eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes ihren Beitrag zur Krisenbewältigung zu leisten. Hier sind Leute, die zum Wohl aller von ihrem Geld etwas abgeben wollen und - ich sage es bewusst - in dieser Zeit Führung und auch Verantwortungsgefühl zeigen. Sie wissen, dass nicht nur die Kleinen, sondern auch die Leistungsfähigen einen Beitrag zur Krisenbewältigung leisten müssen. Aber Frau Merkel greift dieses Angebot nicht auf. Das ist unchristlich, wie ich finde. Das ist auch in Anbetracht des Namens CDU unchristlich.