Protocol of the Session on May 7, 2010

Natürlich ist es grundsätzlich verständlich, wenn in den Bundesländern die Einnahmesituation des Staates beklagt wird und Möglichkeiten einer Einnahmeverbesserung gesucht werden. Allerdings erschließt sich dieses Klagen für Brandenburg nur bedingt.

Im Gegensatz zu dem nach Einwohnern vergleichbaren finanzschwachen westdeutschen Bundesland Schleswig-Holstein, dessen Etat rund 8 Milliarden Euro umfasst, erhält Brandenburg mit seinen 10,5 Milliarden Euro Haushalt wie auch die anderen neuen Bundesländer bis 2019 noch Solidarpaktmittel des Bundes in einer Größenordnung zusammen mit dem Länderfinanzausgleich von 2,4 Miliarden Euro. Dieser Betrag wird auch bis 2013 kaum zurückgehen. Von daher haben wir in Brandenburg - das haben auch verschiedene Redner angesprochen - kein Einnahmeproblem, sondern ein Ausgabeproblem, das wir dringend lösen müssen.

Die Einnahmen gehen also nicht schlagartig zurück, sondern in einem maßvollen Tempo. Vor diesem Hintergrund ist es unbegreiflich, dass sich die Regierung außer Stande sieht, die Neuverschuldung schneller auf null herunterzukürzen. Meine Fraktion hat in den Haushaltsberatungen Vorschläge gemacht und aufgezeigt, wie bereits im laufenden Haushaltsjahr Ausgabekürzungen um 205 Millionen Euro möglich wären, ohne dass dies mit spürbaren Konsequenzen für die Landesverwaltung und die politische Handlungsfähigkeit des Landes verbunden wäre. Verbunden mit dem Verzicht auf die in der aktuellen Finanzmarktsituation geradezu widersinnige Einzahlung von 200 Millionen Euro in den Pensionsfonds könnten so 450 Millionen Euro im Haushalt 2010 eingespart werden. Kollege Woidke ist gerade nicht anwesend; ich sehe ihn zumindest nicht. Das hat er anscheinend nicht richtig verstanden. Hier hat niemand gefordert, dass der existierende Pensionsfonds für die Beamten, die nach dem 1. Januar 2009 verbeamtet wurden, aufgelöst wird.

(Beifall GRÜNE/B90)

Frau Kaiser, zu den Personalausgaben: Die globale Minderausgabe beinhaltete lediglich eine Anpassung der Haushaltszahlen an den aktuellen Bedarf. Nun werden sie, denke ich, im Haushaltsvollzug erwirtschaftet werden. Das ist nicht unbedingt ein

Schaden. Der Finanzminister hatte selber in der Vorstellung seiner Finanzplanung für 2011 dargelegt, dass er aufgrund des verantwortungsvollen Wirtschaftens der Ministerien im Personalbereich keine Probleme sieht, im Jahr 2011 auf Ansätze in Höhe von 40 Millionen Euro zu verzichten, die bisher geplant waren.

(Minister Dr. Markov: 45!)

- 45 Millionen Euro, noch besser! - Ich denke, das wird sich bereits im Haushaltsvollzug dieses Jahr niederschlagen. Unser Ansatz war, dass die Haushaltsansätze mit dem tatsächlichen Bedarf in Einklang gebracht werden.

Bei der Personalplanung - das haben wir hier mehrfach deutlich gemacht - ging es uns zu keinem Zeitpunkt darum, Personalkürzungen auszuschließen, sondern es ging uns immer um einen aufgabenkritischen Prozess, in dessen Verlauf sich herausstellt, wie viel Personal in welchem Bereich mit welcher Dotierung wir benötigen.

18 Milliarden Euro Schulden, jährlich über 700 Millionen Euro Zinszahlungen bei einem Gesamtetat von 10 Milliarden Euro, von dem lediglich rund 5 Millarden Euro aus Steuereinnahmen gedeckt sind, 650 Millionen Euro Nettoneuverschuldung in diesem Jahr und dann zaghafte Kürzungen

(Görke [DIE LINKE]: Augenmaß, nicht zaghaft!)

um 150 Millionen Euro pro Jahr, das sind die Zahlen, die in dieser Debatte zwar oft genannt, aber wohl noch nicht oft genug wiederholt wurden, um auch dem Letzten hier im Saale deutlich zu machen, dass es so nicht weitergehen kann. Wenn wir berücksichtigen, dass sich die wesentlichen Einnahmeausfälle aus den Kürzungen der Bundesergänzungszuweisungen erst zwischen 2013 und 2019 abspielen werden, dann reicht es nicht, bis 2014 einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen, dann müssen wir bereits jetzt die Voraussetzungen dafür schaffen, um die Einnahmeausfälle, die dann Jahr für Jahr um rund 200 Millionen Euro ansteigen werden, verkraften zu können. Jeder von uns weiß doch aus eigener Erfahrung, dass die ersten Einsparungen am leichtesten fallen und jeder weitere Euro Einsparsumme immer schwerer wird.

Mit ihrem Haushalt und ihrer mittelfristigen Finanzplanung dokumentiert diese Regierung unzweideutig, dass sie über das Ende dieser Legislaturperiode nicht hinausdenkt. So kann man keine zukunftsfähige Finanzpolitik gestalten.

(Beifall GRÜNE/B90)

Ich bin allerdings nicht so blauäugig zu glauben, dass die aktuelle Einnahmesituation des Staates das Nonplusultra darstellt. Natürlich müssen die größeren Vermögen und Finanzmarktspekulanten verstärkt zur Finanzierung unserer Staatsaufgaben herangezogen werden.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Werden sie aber nicht!)

Natürlich muss der Faktor Arbeit entlastet und der Ressourcenverbrauch zukünftig stärker belastet werden. Aber egal, ob Vermögensabgabe oder Finanztransaktionssteuer, Reform der Einkommensteuer oder verstärkte Ressourcenbesteuerung, immer ist der Bund zuständig, und ist er nicht willig, dann sind die

Länder schwach. Die Möglichkeiten des Landes, zusätzliche Steuern zu erheben oder den Kommunen das Recht auf Einführung neuer Verbrauchsteuern einzuräumen, sind beschränkt und darüber hinaus innerhalb des föderalen Systems geeignet, Standortnachteile hervorzurufen. Dies gilt auch und insbesondere für die Vorschläge aus den Reihen der FDP, die Gewerbesteuer abzuschaffen und stattdessen den Kommunen einen eigenständigen Hebesatz auf die Einkommensteuer einzuräumen. Dagegen sollten alle Länder gemeinsam aufstehen.

(Beifall GRÜNE/B90 und des Abgeordneten Bischoff [SPD])

Bevor nach der Erhöhung der Grunderwerbssteuer gerufen wird, wäre es zunächst angesagt, einmal die Einnahmen zu realisieren, auf deren Erhebung man bislang sträflich verzichtet hat und die zudem keine Armen treffen. Dies habe ich gestern in der Beratung zum Einzelplan 20 bereits ausgeführt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nachhaltig und generationengerecht ist eine Politik nur dann, wenn die Nutzung aller notwendigen öffentlichen Güter aus den laufenden Einnahmen ohne neue Schulden finanziert werden kann. Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere ist, dass die Ausgaben einen geeigneten Beitrag zur Lösung der Zukunftsprobleme des Landes und der Menschheit leisten. Dabei wird die aktuelle Finanzkrise nur eine kleine Randnotiz in den großen Krisen unserer Zeit bleiben, wenn es uns nicht gelingt, endlich das Steuer herumzuwerfen. Die drei großen Menschheitskrisen heute sind die Klimakrise, der Verlust der biologischen Vielfalt und die globale Gerechtigkeitskrise bei der Verteilung von Chancen und Ressourcen.

(Beifall GRÜNE/B90)

All diese Krisen sind zumeist von den Industrienationen, also auch von uns verursacht und können nur mit unserer Hilfe behoben werden. Was für die Verschuldung des Landes und die heranrollenden Einnahmeverluste gilt, gilt auch hier. Wegschauen hilft nicht. Am Ende bricht alles noch schlimmer über uns herein.

Die Daten zur Klimakrise sind bekannt. Wenn es der Weltgemeinschaft nicht gelingt, den Trend zu immer weiter steigenden Treibhausgasemissionen zu stoppen und umzukehren, dann wird die Begrenzung der Klimaerwärmung auf weniger als 2 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau verunmöglicht. Gegenwärtig ist der Globus eher auf dem Pfad zu einer Klimaerwärmung um 6 °C. Die dramatischen Folgen in den natürlichen Systemen wie die absehbaren weltweiten Fluchtbewegungen will ich Ihnen jetzt nicht ausmalen. Verheerend werden aber auch die Folgen für unser Wirtschaftssystem sein, die der Ökonom Nick Stern mit Schäden in unvorstellbaren 20 % des globalen Bruttosozialprodukts berechnet. Also, aller Grund zu handeln und alle Kräfte einzusetzen, nicht nur, um so schnell wie möglich aus der zentralistischen Energieproduktion auf Basis fossiler Energieträger - zu deutsch und für Brandenburg: aus der Braunkohle - auszusteigen, sondern auch die Weichen hin zu einem ressourcenschonenden und kohlenstoffarmen Konsummodell umzustellen. Hierbei kann das Land nicht nur, es muss mit gutem Beispiel vorangehen. Aber wie ist die Realität?

Fast Jahr für Jahr beklagt der Landesrechnungshof Energieverschwendungen in öffentlichen Gebäuden. Der Landtag ist seit

vier Legislaturperioden in diesem Gebäude untergebracht, ohne dass jemals eine grundlegende energetische Sanierung stattgefunden hätte.

(Vereinzelt Beifall CDU)

Und das mit dem Hinweis darauf - das ist auch symptomatisch für die gesamte Debatte um Zukunftsthemen in Brandenburg -, dass später alles besser wird.

(Beifall GRÜNE/B90)

Umstellung der Energieversorgung der Landesbehörden auf Ökostrom - kein Thema. Gravierende Verkleinerung des Fuhrparks und vollständige Umrüstung der Kfz-Flotte auf CO2-arme Fahrzeuge - kein Thema. Absenkung der Normen und Standards im Straßenbau und damit einhergehende Haushaltskürzungen - kein schlechtes Thema, aber nicht erkennbar.

(Zuruf des Abgeordneten Schippel [SPD])

Über die Vorbildwirkung des Landes hinaus erforderte eine aktive und aktivierende Klimaschutzpolitik aber auch, dass Fördermittel des Landes nur nach vorherigem Klima- und Nachhaltigkeitscheck ausgereicht werden, dass Klimaschutz selbstverständlicher Bestandteil aller Handlungen der Landesregierung wird.

Aber betrachten wir dazu einmal den diesjährigen Handlungsschwerpunkt unseres Wirtschaftsministers, die Absicherung der Internationalen Luftfahrtausstellung am Standort Schönefeld. Während es in der Bildungspolitik nicht möglich war, nennenswerte Verbesserungen bei den Vertretungsreserven oder in der Qualifizierung der Lehrkräfte im Haushalt zu verankern, fließen für die Leistungsschau der Luftwaffenindustrie die Millionen. Für eine Waffenschau, bei der Frau Kaiser nach eigenem Bekunden vor wenigen Jahren noch als Gegendemonstrantin aufmarschierte, macht die Koalition jetzt das Füllhorn auf. Geschätzte 10 Millionen Euro Steuermittel pro Veranstaltung vertragen sich weder mit solider Haushaltspolitik noch mit irgendeinem Nachhaltigkeitsanspruch. Oder will uns hier irgendjemand erzählen, dass das Hauptaugenmerk beim direkten Vergleich von Kampfflugzeugen jetzt auf den Einsatz von Biodiesel und Photovoltaik ausgerichtet ist?

(Beifall GRÜNE/B90)

Kommen wir zum Verlust der biologischen Vielfalt, einem für die Menschheit möglicherweise noch bedrohlicheren Thema als der Klimawandel. So hatte die EU mit dem Slogan „Stop the loss“ das Ziel formuliert, den Verlust der biologischen Vielfalt innerhalb der Gemeinschaft bis 2010 zu stoppen und den Trend umzukehren. Ausgerechnet im Internationalen Jahr der Biodiversität, am 15. März 2010, haben die EU-Umweltminister nun kapituliert und die für 2010 proklamierten Ziele um zehn Jahre, bis 2020, verschoben. Das folgt übrigens einem gängigen Muster, das auch in Brandenburg in der Wandlung der Energiestrategie 2010 in die Energiestrategie 2020 seine Entsprechung fand.

Keine 12 Tage später, am 26. März 2010, haben die deutschen Bundesländer ihre Position zu dem neuen Biodiversitätskonzept der EU - Bundestagsdrucksache 29/10 - formuliert. Diesem bemerkenswerten Text ist zu entnehmen, dass die Folgen

des Verlustes der Arten, der Lebensraumvielfalt und der genetischen Ressourcen den Ländern bekannt sind, also auch Brandenburg.

Ich zitiere:

„Der Bundesrat zeigt sich besorgt über die Aussage, dass viele Ökosysteme in Europa und weltweit sich so genannten ‘Tipping Points’ annähern, deren Überschreitung mit einem weitgehenden Kollaps dieser Systeme einhergeht.“

Ebenfalls keinen Grund zum Optimismus gibt die Aussage, dass lediglich 17 % der am stärksten gefährdeten Lebensräume und Arten in Europa einen günstigen Erhaltungszustand aufweisen, wie ihn die Richtlinie vorsieht. Weiter:

„Die Aussage, dass die biologische Vielfalt neben dem intrinsischen Wert, wie er etwa in der Convention on Biological Diversity (CBD) anerkannt worden ist, einen Dienstleistungswert besitzt, der bisher kaum ökonomisch abgebildet wird, ist zu unterstreichen.... Neben dem deshalb drohenden immensen Verlust an wirtschaftlichem Wohlstand und der ungerechtfertigten Beeinträchtigung des intrinsischen Wertes biologischer Vielfalt ist auch der empfindliche Rückgang an natürlicher Lebensqualität für die Menschen zu befürchten.“

Soweit die Erkenntnisse des Bundesrates. Interessant ist aber, welche Konsequenzen die deutschen Bundesländer ziehen. Nicht nur, dass sie bei der Umsetzung der von der EU vorgeschlagenen Maßnahmen zum Schutz der biologischen Vielfalt vor „zusätzlichen Restriktionen für notwendige wirtschafts- und verkehrspolitische Infrastrukturmaßnahmen“ warnen, nein, sie machen sich auch umfassend Gedanken über die Unfinanzierbarkeit der Gegenmaßnahmen.

Ich zitiere:

„Die Haushaltssituation in den Ländern ist so angespannt, dass die übrigen und sich weiterhin ausweitenden Pflichtaufgaben kaum noch geleistet werden können. Vor diesem Hintergrund ist die Übernahme weiterer Pflichtaufgaben ohne finanziellen Ausgleich nicht möglich. Schon die Umsetzung des jetzigen EU-Rechts stellt die Länder vor erhebliche Personal- und Haushaltsprobleme. Bei der zwingend notwendigen Reduzierung der Neuverschuldung sind Überlegungen zur Anhebung des Finanzierungsvolumens nur bei Bereitstellung der Mittel durch die EU akzeptabel.“

Man betrachte die Diskrepanz. Zuerst wird das Umkippen ganzer Ökosysteme geschildert, der drohende Verlust an wirtschaftlichem Wohlstand an die Wand gemalt, um danach jegliche Verantwortung von sich zu weisen, da die notwendigen Maßnahmen nur mit zusätzlichen EU-Mitteln finanziert werden könnten.

Vielleicht macht es an dieser Stelle Sinn, einmal daran zu erinnern, dass der brandenburgischen Landwirtschaft pro Jahr mehr als 500 Millionen Euro an EU-Mitteln zufließen. Unbestritten ist, dass die industrielle konventionelle Großraumlandwirtschaft und die Massentierhaltung einen entscheidenden Anteil an dem Verlust der biologischen Vielfalt haben. Nicht mehr Geld ist nötig, sondern eine konsequente Ausrichtung der För

dermittel an der Erbringung ökologischer Leistungen für die Allgemeinheit.

(Beifall GRÜNE/B90)

Allerdings war die Landesregierung nicht einmal in der Lage, in ihrem Haushaltsentwurf eine Unterscheidung zwischen Agrarumweltmaßnahmen und flächenbezogenen Leistungen vorzunehmen. Die im Koalitionsvertrag vorgesehene Steigerung des Vertragsnaturschutzes ist sowieso nur Makulatur. So verspielt man in der Haushaltspolitik Zukunftsfähigkeit.

Kommen wir zur globalen Gerechtigkeitskrise bei der Verteilung von Chancen und Ressourcen. Erstmals in der Geschichte der Menschheit ist die Zahl der chronisch von Hunger betroffenen Menschen auf über eine Milliarde angestiegen. Noch mehr Menschen haben keinen Zugang zu Bildung, zu Gesundheitsvorsorge oder auch zu sauberem Trinkwasser.

Kein Mensch erwartet, dass dieses Problem mit den Mitteln Brandenburger Haushaltspolitik zu lösen ist. So begrüßenswert es ist, 60 000 Euro für die ehrenamtliche Entwicklungszusammenarbeit im Haushalt einzustellen, so ist es nicht mehr als ein symbolischer Akt. Mehr und mehr setzt sich die Erkenntnis durch, dass unser Reichtum wesentlich auf der Ausbeutung der Bodenschätze und Arbeitsleistungen der so genannten Dritten Welt beruht. Das Gefühl vieler Menschen außerhalb Europas und Nordamerikas, jetzt endlich auch einmal dran zu sein, ist verständlich. Dennoch wissen wir, dass ein Auto für jeden Erwachsenen, eine jährliche Urlaubsreise mit dem Flugzeug und ein täglicher Braten für jeden Menschen die Ressourcen unserer Erde überfordern.