Protocol of the Session on May 7, 2010

(Burkardt [CDU]: Gott sei Dank! - Görke [DIE LINKE]: Schöne Koalition!)

Für Herrn Dombrowski komme ich noch einmal kurz auf das Saarland zurück, in dem Schwarz-Gelb-Grün regiert. Im Saarland hat man nun einen Haushaltsentwurf mit einem Haushaltsvolumen von mehr als 3,5 Milliarden Euro vorgelegt.

(Genilke [CDU]: Das haben Sie schon einmal gesagt! - Ness [SPD]: Ihnen sagen wir es auch noch ein drittes Mal!)

Die Nettokreditaufnahme im Saarland beträgt unter Ihrer Regierung 1,1 Milliarden Euro bei einem Haushaltsvolumen von 3,5 Milliarden Euro. Ich sage Ihnen: Das kann nicht nur an dem 5-Sterne-Koch von Herrn Lafontaine liegen, der offensichtlich verbeamtet ist; ganz bestimmt nicht.

Also: Über die Verschuldungsgeografie hat Herr Woidke bereits ausreichend gesprochen. Es ist kein einfaches Thema. Wir stehen auch nicht da und behaupten, es sei alles einfach und wir könnten das jetzt auf die Schnelle regeln. Aber wir fragen uns beim Thema Verschuldung im Zusammenhang mit politischen Inhalten stets: Wo sind unsere Ansätze? Was wollen und müssen wir gestalten? Wo ist noch Spielraum? Wie nutzen wir ihn? - Nicht das Sparen an sich, sondern für wen und mit wel

chem Nutzen gespart wird, ist wichtig. Ich gehe von Folgendem aus: Schulden sind derzeit überhaupt nicht zu umgehen. Das ist ein Unterschied zu jedem Privathaushalt. Die Frage ist lediglich: Für welche Zwecke nimmt der Staat Schulden auf? Die liegt auf dem Tisch.

(Zuruf von der CDU)

Wir beschließen heute einen Haushalt, der die Finanzierung aller zentralen Vorhaben des Koalitionsvertrages gewährleistet. Dabei bewegen wir uns im verfassungsmäßig zulässigen Rahmen für die Aufnahme neuer Schulden, um politische Handlungsspielräume zu sichern und um die wichtigen Projekte für gute Arbeit, Beschäftigung, Ausbildung, Bildung und Daseinsvorsorge, um also eine sozial ausgerichtete Politik umsetzen zu können.

Es tut mir leid, feststellen zu müssen, dass diese Haushaltsdebatte Folgendes gezeigt hat: CDU, FDP und auch Grüne in diesem Hause reduzieren Oppositionspolitik im Moment offenbar zunächst auf Rhetorik gegen Rot-Rot. Einige bretzeln hier das haben wir heute wieder gehört - laut, fröhlich und unbekümmert durch die Gegend und stufen das Parlament auf die Ebene von Comedy herunter. Seit Frau Wanka weg ist, habe ich ohnehin das Gefühl, dass Sie, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, immer leicht zu belustigen sind. Heute habe ich übrigens - nebenbei bemerkt - anhand Ihres Verhaltens hier im Parlament auch verstanden, warum die CDU einen eigenen Kinderbeauftragten braucht.

(Lachen und Beifall bei der SPD und der Fraktionen DIE LINKE und GRÜNE/B90)

Sie sagen einfach: Rot-Rot, das sind die Schuldenmacher. Frei nach der Devise: Haltet den Dieb! Es tut mir leid, dass ich Ihnen nicht ersparen kann, zu sagen: Von den fast 19 Milliarden Euro Schulden unseres Landes - diese sind vorhanden und können nicht weggeredet werden - stammen nicht wenige aus den letzten zehn Jahren Ihrer Mitregierung. Sie stammen aus den letzten 20 Jahren, in denen Rot-Rot nicht am Ball war. Kein linker Finanzminister hatte Anteil an dem, was in der Föderalismusreform II noch zusätzlich zum Nachteil dieses Landes geregelt wurde.

Nebenbei bemerkt - das wissen Sie auch - gibt es den neuen Stabilitätsrat - von wegen Rot-Rot betreibt hier skandalöse Haushaltspolitik -, der die Stabilität der öffentlichen Haushalte überwachen soll.

(Dombrowski [CDU]: Das wurde Ihnen gestern schon er- klärt!)

Ich vermute, dass auch Sie nicht unterstellen, dass es eine Vorfeldorganisation von Rot-Rot ist. Die vier Kriterien bzw. Indikatoren dieses Stabilitätsrates - Finanzierungssaldo, Kreditfinanzierungsquote, Schuldenstand und Zinssteuerquote - werden mit dem Brandenburger Haushalt eingehalten. Insofern liegt Brandenburg mit diesen Kennziffern im grünen Bereich.

(Görke [DIE LINKE]: Genau!)

Selbst nach den offiziellen Vorgaben bzw. nach den Vorgaben Ihrer Vertreter im Bund betreibt Rot-Rot eine solide Finanzpolitik und folgt einer auf äußerste Sparsamkeit ausgerichteten

mittelfristigen Finanzplanung. Dieses Lob hätte ich zwar nicht gebraucht, aber es freut mich, Ihnen diesen Fakt nennen zu können.

(Beifall DIE LINKE)

Damit sind zunächst einmal ihre haltlosen Vorwürfe vom Tisch, nicht allerdings die Probleme, die wir mit den öffentlichen Finanzen haben, und zwar nicht nur in Brandenburg. Wir haben hier nicht die Macht, die Steuer- und Abgabenquote Deutschlands zu bestimmen, jedoch müssen wir prüfen, ob unsere eigene Politik und unsere eigenen Grundsätze den Lehren aus der Finanzkrise entsprechen oder nicht. Deswegen sage ich Ihnen: Wenn Sie ein solches Geschrei anstimmen, weil die Landesregierung über die Anhebung der Grunderwerbssteuer nachdenkt, die in Brandenburg vergleichsweise noch relativ niedrig ist,

(Dombrowski [CDU]: Es geht um 10 %!)

dann haben Sie nicht verstanden oder wollen Sie nicht verstehen, dass verantwortungsbewusster Umgang mit den finanziellen Ressourcen der Gesellschaft eben auch bedeutet, Gelder dort zu mobilisieren, um die Einnahmen der öffentlichen Hände zu verbessern. So verstehen wir Finanzpolitik mit Courage und Augenmaß.

(Dombrowski [CDU]: Wegelagerei! - Görke [DIE LIN- KE]: Das musst du gerade sagen! - Bischoff [SPD]: Er spricht von Westerwelle!)

Sie kennen die deutsche Steuer- und Abgabenquote, die kaum höher ist als die in Griechenland, allerdings viel niedriger als die in Schweden und in Frankreich, und zwar um 10 % und um 7 %. Ich sage Ihnen aber auch: Wir haben Ihnen bereits in der 1. Lesung vorgerechnet, woher die Verschuldung und die Konsolidierungsleistungen zum Beispiel in Ländern wie Mecklenburg-Vorpommern und Berlin kamen.

Nun können Sie sagen, das sei alles rot-rotes Geschwätz und interessiere Sie nicht, aber vor zwei Tagen hat Ihnen die „Frankfurter Rundschau“ in schöner Präzision ins Aufgabenheft geschrieben, worum es jetzt geht:

„Als Erstes sollte Finanzminister Schäuble die Steuersenkungen endgültig und unmissverständlich absagen. Steuerentlastungen sind etwas Schönes für schöne Tage. In solchen Zeiten leben wir aber nicht. Als Zweites muss der Bund die Finanzkraft der Kommunen stärken. Die Aufgabe Nr. 3 ist zugleich die schwerste. Merkel und Schäuble müssen öffentlich erklären, dass die Schuldenbremse ein großer Fehler war.“

Offenbar, meine Damen und Herren, hat sich Ihre schwarz-gelbe Bundesregierung finanzpolitisch total verrannt und wird sich korrigieren müssen.

(Dombrowski [CDU]: Was in der Zeitung steht, stimmt ja immer!)

Sehr geehrter Herr Dombrowski, das stand nicht in der Zeitung „Neue Deutschland“, vorsichtshalber habe ich ein anderes Blatt gewählt.

Sicher ist also, die Kommunen können nicht weiter so sehr auf sich allein gestellt werden. Sie können nicht weiter so am Tropf der Länder hängen. Wir als Linke haben immer für eine ordentliche Finanzausstattung der Kommunen gerungen, dazu stehen wir auch weiterhin, und wir werden an einem Finanzausgleichsgesetz arbeiten, das in enger Rückkoppelung mit der kommunalen Familie eine aufgabengerechte Finanzausstattung trotz der schwierigen Bedingungen gewährleistet.

(Dombrowski [CDU]: Das können Sie ja jetzt machen!)

Genau da muss auch auf der Bundesebene etwas geschehen; Recht hat der Kommentator der „Frankfurter Rundschau“. In noch einem Punkt hat er Recht: Sie werden die Länder mit der Schuldenbremse in Probleme stürzen. Schon jetzt verletzt Deutschland wie auch Griechenland die Maastricht-Kriterien massiv, nimmt also mehr Schulden auf, als im Interesse der Euro-Stabilität anfangs für vertretbar gehalten wurde. Da sagen Sie, das seien Perspektiven für unser Land, die Sie mitgestalten. Herr Dombrowski, ich kann nur schwarze Perspektiven erkennen.

Vor diesem Hintergrund ist auch durchsichtig, warum Sie ab jetzt in den Ländern darauf beharren, dass am besten schon sofort kein einziger neuer Euro Kredit in die Kassen kommt; denn von den Konsolidierungsbedingungen der Länder wird es am Ende abhängen, wie weit der öffentliche Gesamthaushalt überhaupt stabilisiert wird. Konsolidierungsbemühungen aber bedeuten in diesem Zusammenhang leider nur rigide Sparpolitik. Das können die Länder nicht allein schaffen. Hier sind wir schlicht im Mittelpunkt des gesamten Schlamassels. Sparen allein, Ausgabenkürzungen ohne Sinn und Verstand, bringen keinen Segen. Es muss Grenzen geben. Eine Grenze heißt: Der Verarmung in der Gesellschaft muss gegengesteuert werden. Wir erleben gerade in Griechenland, wie dieser Teufelskreis, diese Spirale nach unten einen Staat in die Krise bringt: sinkende Nettogehälter, steigende Hauptmehrwertsteuer, sinkende Binnennachfrage, Krise des Binnenmarkts, zahlungsunfähige Betriebe, sinkende Steuereinnahmen und dann ein zahlungsunfähiger Staat. Genau deshalb, meine Damen und Herren, wollen wir hier in Brandenburg der Verarmung im Land gegensteuern.

Wir bleiben dabei: Erstens: Die Misere der öffentlichen Haushalte und die Lohnspirale nach unten müssen und können entkoppelt werden. Öffentliche Aufträge für Firmen, die ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit weniger als 7,50 Euro pro Stunde entlohnen, wird es in Brandenburg bald nicht mehr geben. Das ist rechtlich durchaus schwer zu regeln, aber es wird eine Menge Integrationskraft bringen, und wir werden die Fähigkeit haben, hier einen Konsens zu stiften. Schließlich kosten solche Mindestlöhne Unternehmen und öffentliche Arbeitgeber auch Geld. Am Ende wird aber eine neue finanzielle Balance stehen. Diese wird erst richtig stabil sein, wenn auch im Bund generell, nicht nur für öffentliche Aufträge, ein existenzsichernder gesetzlicher Mindestlohn eingeführt worden ist.

(Beifall DIE LINKE)

Diese neue Balance, um die wir hier ringen, ist schon am Anfang hundertmal stabiler als der freie Fall ins Würdelose, nämlich dort, wo Arbeiten nicht mehr reicht, um den eigenen Lebensunterhalt zu verdienen, und man aufstocken muss. Wenn

es einen Mindestlohn gibt, ist nämlich auch Schluss mit dem ruinösen Wettbewerb der Firmen um die niedrigsten Löhne.

Meine Damen und Herren, wir haben Sie schon in der 1. Lesung aufgefordert, hier Farbe zu bekennen. Ziehen wir alle an einem Strang und leiten wir eine Trendwende ein, damit Brandenburg nicht vom Billiglohn- zum Niedriglohnstandort wird! Für uns gehört zur Stabilität im Lande vor allem soziale Stabilität, gehören nicht nur stabile Unternehmen und stabile öffentliche Finanzen.

Es geht uns weiterhin um soziale Gerechtigkeit, um soziale Sicherheit. Mindestlohn ist also das Erste.

Zum Zweiten wollen wir für möglichst viele Betroffene mit der elenden Langzeitarbeitslosigkeit Schluss machen. Da sind 8 000, die wir verantwortungsbewusst finanzieren können, mehr als nichts. Wir werden in den nächsten Jahren Tausenden bislang arbeitslosen Menschen in einem öffentlich geförderten Beschäftigungssektor Zukunft bieten, und das Gütesiegel ÖBS ist kein neues Etikett für ABM oder 1-Euro-Jobs. Es ist auch kein einfacher anderer Name für Billiglohn-Bürgerarbeit. Wir sorgen stattdessen - ich betone das hier ausdrücklich - für existenzsichernde Beschäftigung auf Mindestlohnniveau statt für Arbeit mit Almosenzahlungen. Wir setzen auf Freiwilligkeit statt auf Arbeitszwang und auf Sozialversicherung statt auf Schutzlosigkeit. Ich freue mich - das gebe ich zu -, dass die Opposition nach Kräften dazu beiträgt, dass solch ein Kernprojekt der Linken, nämlich der ÖBS, so intensiv im Land diskutiert und wahrgenommen wird. Mit welchen Ergebnissen, hat Herr Baaske gestern vorgestellt.

(Dombrowski [CDU]: Und Frau Stumpenhusen!)

Über 70 % der Leute im Land sind bei den Anhängern aller Parteien dafür. Lassen Sie sich schon einmal etwas einfallen. Ich weiß, dass wir damit längst nicht am Ziel sind, es werden andere dafür sorgen, dass wir möglichst viele Schwierigkeiten bekommen. Aber die Zustimmung aus dem Land bestärkt uns natürlich. Dennoch haben Sie sich in oppositioneller Einmütigkeit mit großer Vehemenz gegen dieses Projekt gestellt und dessen Streichung beantragt.

An dieser Stelle gestatten Sie mir ein Wort zu den Kolleginnen und Kollegen von der GRÜNEN-Fraktion. Ich bin schon erstaunt, wie Sie sich hier in den letzten Tagen geradezu selbst verleugnen, sich diszipliniert Knoten ins Gehirn und in die Zunge machten, all das, um hier im Plenum Positionen und Dinge zu kritisieren, die Sie eigentlich mitunter sogar selbst vertreten, die Sie aber absichtsvoll missverstehen, nur weil sie hier von der Koalition vertreten werden. Die Stichworte Bildungspolitik und ÖBS haben das heute wieder deutlich gemacht.

Sie rufen uns sonst immer auf, mutig zu sein, Herr Vogel. Mutig, das ist okay. Aber vielleicht haben Sie zur Abwechslung auch einmal Mut, nämlich anzuerkennen, dass SPD und Linke in den letzten Monaten eine größere Zahl von Anträgen bereits gemeinsam mit Ihnen eingebracht haben. Mit dem Beschluss dieses Haushalts 2010 werden durchaus auch grüne Positionen auf den Weg des Regierungshandelns gebracht, nämlich dort, wo wir diese ebenfalls vertreten. Ob Ihnen das bei der Vorgängerkoalition genauso möglich gewesen wäre, da habe ich so meine Zweifel. Frau Steinmetzer-Mann hat das heute anhand

der Atomkraft beschrieben. Beim Schüler-BAföG und im KitaBereich trifft es genauso zu.

Mit der Annahme Ihrer Haushaltsanträge, Herr Vogel, konnte es allerdings nichts werden. Sie werden eines Tages froh sein, dass wir sie nicht angenommen haben. Auf der einen Seite beantragen Sie eine globale Minderausgabe. Die allerdings würde den Personalabbau, gegen den Sie vehement eintreten, am Ende noch beschleunigen. Also seien Sie uns dankbar, dass wir Ihren Antrag abgelehnt haben. Sie wissen selbst: Nachhaltige Politik sieht anders aus.

Das Kernargument der oppositionellen Kritik zum ÖBS heißt, es sei doch viel besser, die Langzeitarbeitslosen auf den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln. So einfach ist das also. Man fragt sich verwundert, warum das in den letzten Jahrzehnten niemandem gelingen wollte, keiner Regierung. Übrigens der letzte Versuch, das Problem als Vermittlungsproblem zu beschreiben, trägt den Namen Hartz IV. Der Versuch ist missglückt. Den würde ich lieber heute als morgen beenden.

In Brandenburg gibt es eine über Jahre stabile Zahl von über 50 000 Langzeitarbeitslosen, die bereits über 50 Jahre alt sind. Sie warten auf ein Angebot mit sinnvoller Tätigkeit. Sie wollen gebraucht werden und nicht von Almosen leben müssen. Unsere Landesregierung setzt mit der öffentlich finanzierten Beschäftigung auf das Prinzip, dass es allemal besser ist, Arbeit zu finanzieren als Arbeitslosigkeit.

(Beifall DIE LINKE)

Allen, die uns vorrechnen wollen, das sei zu teuer, sei gesagt: Die Fähigkeit und die Leistungsbereitschaft von Arbeitsuchenden einfach brachliegen zu lassen ist ungleich teurer, ganz abgesehen von den Folgen für die Betroffenen. Rot-Rot setzt also auf existenzsichernde Löhne. Wir gehen von 7,50 Euro brutto aus. Das ist die Fördervoraussetzung, Mindestlohn ist das Gebot, anders also, als manche Kritiker behaupten, keine Billigarbeit.

Herr Dombrowski, ich bin mir ganz sicher, Frau Stumpenhusen steht mit ihrer Beschreibung des ÖBS innerhalb des DGB eher allein.

(Dombrowski [CDU]: Ganz allein!)