Protocol of the Session on January 20, 2005

(Beifall bei SPD und PDS)

Wenn es um die Bekämpfung von Drogenkriminalität in Brandenburg geht, dann sollten im Mittelpunkt unserer Betrachtungen nicht die Konsumenten von Drogen stehen; denn das hieße, Ursache und Wirkung zu verkehren. Der internationale Drogenhandel ist ein höchst profitabler Wirtschaftsbereich. Brandenburg liegt mitten in Europa. Es muss darum gehen, alle Mittel auszuschöpfen, die dem Rechtsstaat zur Verfügung stehen, um den Geschäftemachern hier das Handwerk zu legen.

Die Kriminalisierung von Süchtigen erschwert Suchteingrenzung und Suchthilfe, Risikominderung und Prävention. Das Thema Sucht und Drogen ist längst nicht mehr auf eine kleine Randgruppe der Gesellschaft beschränkt, auf die Versager. Vielmehr ist es einerseits Teil und Resultat unserer Lebensweise und andererseits zu einem gewissen Teil Produkt unserer Kultur. Wir brauchen also eine Veränderung des gesellschaftlichen Klimas, eine Veränderung hin zum kritischen Umgang mit legalen und illegalen Drogen mit dem Ziel, den Konsum von Suchtmitteln jeder Art messbar zu begrenzen. - Danke schön.

(Beifall bei SPD, CDU und PDS)

Für die Fraktion der DVU spricht der Abgeordnete Claus.

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Das Thema Drogenkriminalität ist komplex und lässt sich in den mir zur Verfügung stehenden fünf Minuten Redezeit nur anreißen.

Es ist richtig, dass wir im Bereich der Drogenkriminalität eine alarmierende Entwicklung und eine ungebrochene Tendenz zur Bagatellisierung zu verzeichnen haben, und zwar in ganz Deutschland und auch bei uns in Brandenburg.

Für Brandenburg liegen mir für die Jahre 1994 bis 2003 folgende Zahlen vor: 1994 wurden 455 Fälle ermittelt. 2000 stieg diese Zahl auf 5 865, 2001 und 2002 sank sie kurzfristig auf 5 120. Im Jahr 2003 stieg sie wieder auf 5 784. 2004 setzte sich dieser Trend nach oben fort; Herr Petke sagte es bereits. Das ist nichts anderes als eine Verzehnfachung in zehn Jahren. Dabei handelt es sich bei diesen Zahlen nur um die ermittelten Fälle. Hinzu kommt noch eine unbekannte Dunkelziffer nicht erfasster Fälle. Daraus folgt: Die von Linken und Linksliberalen propagierte weiche Welle im Umgang mit Drogensucht und -kriminalität ist gescheitert.

Ebenso komplex und vielseitig, wie sich die Problematik darstellt, muss auch deren Bekämpfung erfolgen. Ausschließlich mit gutem Zureden, mit Aufklärung und Therapie wird man

dieser Seuche nicht beikommen, aber auch nicht nur mit polizeilichen Maßnahmen und strafrechtlichen Sanktionen.

Wir werden uns zunächst von drei Erkenntnissen leiten lassen müssen: Wirtschaftlich betrachtet, ist der Handel mit Drogen ebenso wie der Menschenhandel, die Prostitution sowie Autound Waffenschiebereien eines der lukrativsten Geschäftsfelder der organisierten Kriminalität. Drogensucht aufgrund körperlicher oder psychischer Abhängigkeit ist eine Erkrankung. Sie fügt dem Einzelnen durch sozialen Abstieg sowie der gesamten Gesellschaft durch Folgekosten und Beschaffungskriminalität schweren Schaden zu. Die Legalisierung oder Verharmlosung von Drogen führt nach marktwirtschaftlichen Regeln zu Angebotserweiterung und stärkerer Nachfrage; sie verschärfen das Problem also noch weiter. Diesen Erkenntnissen entspricht die Politik unserer Fraktion.

Auf der Angebotsseite ist das oberste Gebot, den Zugang zu Drogen erheblich zu erschweren. Dazu gehören folgende Maßnahmen: empfindlichere Bestrafung von Drogenhandel und Drogenherstellung als heute üblich; konsequente Inhaftnahme und Abschiebung von Drogenhändlern und -kurieren, die unter Missbrauch von Asyl- und Aufenthaltsrecht aus dem Ausland nach Deutschland einsickern; entschiedenes Vorgehen gegen Klein- und Straßenhandel, insbesondere im Bereich von Schulen und Jugendklubs, sowie konsequente Abschöpfung der Gewinne auf allen Ebenen des Drogenhandels.

Hinsichtlich der Nachfrageseite setzen wir drei Schwerpunkte. Dazu zählen die verstärkte Aufklärung bei denjenigen, die noch nicht oder noch nicht gravierend mit der Drogenszene in Berührung gekommen sind, vor allem in Schulen, Jugendklubs, Diskotheken usw., sowie eine sinnvolle Kombination von Strafen und Therapien bei denjenigen, die bereits in den Sumpf des Drogenkonsums bzw. in körperliche oder psychische Abhängigkeit geraten und deshalb kriminell geworden sind. Insbesondere ist die Eigendynamik des sozialen Umfelds der Drogensucht zu durchbrechen. Zudem sind Bildungs- und Ausbildungsdefizite als häufige Auslöser der Perspektivlosigkeit und des Drogenkonsums tunlichst zu überwinden. Dies muss möglichst rasch erfolgen, damit ein Suchtverhalten gar nicht erst verfestigt wird.

Die erfolgversprechendste Strategie dazu ist aus meiner Sicht nicht „Therapie statt Strafe“, sondern „Therapie oder Strafe“, sofern diese Strategie in einem möglichst frühen Stadium erfolgt - auch wenn die Linken von SPD und PDS dies nicht wahrhaben wollen -, also nicht erst dann, wenn sich eine bereits bekannte Sucht verfestigt und in einer Vielzahl von Straftaten manifestiert hat.

Schließlich werden wir auch gegen diejenigen rechtlich vorgehen müssen, die durch ihr Verhalten Drogenkonsum fördern. Zunächst sind hier die Betreiber von Jugendklubs oder die Verantwortlichen für Jugendveranstaltungen zu nennen, die den Konsum von oder den Handel mit Drogen in ihrem Einflussbereich tolerieren oder der Drogenszene ein Medium schaffen.

Meines Erachtens wird künftig aber auch ein angemessenes Vorgehen gegen Personen vonnöten sein, denen staatlicherseits der Umgang mit Kindern oder Jugendlichen anvertraut ist und die den Umgang mit Drogen verharmlosen oder sogar fördern. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Für die Landesregierung spricht der Innenminister. Bitte schön, Herr Schönbohm.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch wenn bei der Beschäftigung mit diesem Thema Zahlen genannt werden, befassen wir uns mit Menschen, die auf eine schiefe Bahn gekommen sind oder auf dem Wege dahin sind, und mit Schicksalen. Unterhalten Sie sich bitte einmal mit Eltern, deren Kinder drogenabhängig geworden sind. Versuchen Sie deren Frage zu beantworten: Was haben Sie auf politischer Ebene getan, um zu helfen, dass mein Kind nicht in diese Situation gerät? Diese Frage muss jeder von uns beantworten können, denn um diese Bemühungen geht es.

(Beifall bei der CDU)

Da dies ein außerordentlich komplexer Problembereich ist, gibt es auf solche Fragen keine einfachen und schnellen Antworten. Ich glaube, darüber sind wir uns auch im Klaren.

(Frau Kaiser-Nicht [PDS]: Die Präventionsstellen!)

- Sie fangen ja schon wieder damit an, immer zwischenzurufen. Nehmen Sie einmal zur Kenntnis: Das ist ein ernstes Thema. Ich hatte den Eindruck, dass der junge Kollege, der vorhin gesprochen hat, das Thema reduziert hat, nach dem Motto: Wir wollen Kleingartenbetriebe mit Cannabisanbau fördern. So geht das doch nicht.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU - Widerspruch bei der PDS)

- Tun Sie mir bitte einmal einen Gefallen: Gehen Sie einmal zu einer Drogenberatungsstelle.

(Zuruf von der PDS: Da waren wir schon oft!)

- Ja, ich auch. Ich kenne Leute, die von diesem Thema persönlich betroffen sind. Ich weiß, was das bedeutet.

(Anhaltende Zurufe von der PDS)

Deswegen nehme ich es nicht hin, dass Sie versuchen, das Problem einfach so wegzutun.

(Zuruf von der PDS: Sie haben doch die Gelder für die Beratungsstellen gestrichen!)

Es gibt ein Problem und mit diesem müssen wir uns auseinander setzen. Es gibt keinen einfach Weg, denn sonst hätten wir schon Erfolge gehabt. Darum lassen Sie uns darüber reden, welchen Weg es gibt.

Wir müssen feststellen, dass der Drogenkonsum zugenommen hat. Das ist ganz eindeutig. Die Zahlen sind schon genannt worden. Die Steigerung um 16,8 % ist ein Hinweis darauf, dass dies doch erheblich ist. Wir nähern uns damit den Verhältnissen in den westdeutschen Bundesländern an. Hier wollen wir aber keine Angleichung haben. Ich sage das, damit das auch einmal klar ist.

Wenn man sich mit der Frage befasst, stellt man fest, dass Rauschgiftdelikte Kontrolldelikte sind. Je mehr wir kontrollieren, desto mehr Delikte stellen wir fest. Je weniger wir kontrollieren, desto weniger stellen wir fest. Alle Zahlen, die genannt werden, sind das Ergebnis polizeilicher Arbeit. Da wir mehr Delikte festgestellt haben, haben wir auch mehr kontrolliert. Wir wissen aber auch, dass in anderen Bereichen Rauschgiftkonsum vorkommt, den wir bisher nicht wahrgenommen haben. Die tatsächlichen Fallzahlen sind mit Sicherheit höher als die festgestellten. Von daher gesehen müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass die Zahlen nur eine Tendenz aufzeigen.

Wir haben in diesem Jahr 5 180 Tatverdächtige ermittelt. Das ist eine Steigerung um 13,6 %. Das eigentlich Bestürzende daran ist, dass so viele Jugendliche unter 21 Jahren unter diesen Tatverdächtigen sind. Das kennzeichnet die eigentliche Herausforderung.

Ich sage Ihnen: Unterhalten Sie sich bitte einmal mit Eltern von Kindern, die auf diesen Weg gekommen sind, oder mit Jugendlichen, die selber nicht mehr wissen, wie sie da herauskommen. Die brauchen Hilfe. Wir müssen für Prävention sorgen und

(Beifall der Abgeordneten Mächtig [PDS])

diejenigen bestrafen, die andere auf diesen Weg führen.

(Zuruf von der PDS)

- Ich zum Beispiel bin im Landespräventionsrat. Ich lade Sie einmal ein; kommen Sie einmal dorthin. Sehen Sie sich einmal die Arbeit an, die wir dort machen.

Unter den Kindern waren im Jahre 2004 101 Personen, unter den Jugendlichen 1 691 und unter den Heranwachsenden rund 1 400 tatverdächtig. Der jüngste Tatverdächtige war neun Jahre alt. Hier haben wir doch ein Problem.

Es gibt eine europaweite Drogenstudie, bei der im Jahr 2003 in Brandenburg 1 758 Schüler aus den Jahrgangsstufen 9 und 10 befragt wurden. Die Zahlen sind ganz erschreckend: 34,5 % der befragten 15- bis 16-Jährigen hatten bereits Kontakt mit illegalen Drogen, viele mit den verschiedenen, Cannabis usw.

(Zuruf von der PDS: Herr Krause hat das doch alles schon gesagt! Das müssen Sie doch nicht wiederholen!)

- Das ist ja prima, aber ich wiederhole es, damit Sie sich das einmal merken. Dann können Sie die Zahlen ja auswendig.

Wenn wir über Rauschgiftkriminalität sprechen, dann geht es darum, dass wir in der Lage sind, in einem vernetzten Ansatz heranzugehen. Es geht um eine Kinder- und Jugendpolitik, die dieser Entwicklung entgegentreten muss. Hier gibt es Ansätze, die uns im Land voranführen. Es geht um das frühzeitige Erkennen der Ursachen, die Entwicklung von Handlungsstrategien zur Beseitigung der Ursachen, die Unterstützung und Förderung von Kindern und Jugendlichen, damit sie keine illegalen Verhaltensweisen praktizieren. Es geht doch darum, dass wir das auch sehr frühzeitig sagen - in den Kindertagesstätten, in den Schulen, in den Freizeiteinrichtungen.

Wir vom Landespräventionsrat unterstützen solche Aktivitäten. Ich meine, dass wir da auch die ersten Erfolge erkennen.

Die Landessuchtkonferenz, die in der Verantwortung des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen angesiedelt ist

(Zuruf von der PDS: - Und Familie! - Heiterkeit bei der PDS)

- und Familie, ja -, unternimmt diverse Bemühungen, durch verstärkte Informations- und Hilfsangebote für Jugendliche den Drogeneinstieg zu vermeiden bzw. straffällig gewordene Jugendliche dort wieder herauszubekommen.

Nach einem leichten Rückgang der Deliktzahlen an den Schulen müssen wir leider wieder einen Anstieg beklagen. Bis Oktober 2003 wurden 241, bis Oktober 2004 bereits 295 Fälle von Rauschgiftdelikten nach dem Betäubungsmittelgesetz festgestellt.

Das heißt, wir müssen hier sehr eng zusammenarbeiten. Die Polizei arbeitet mit den Schulen sehr eng zusammen. Der Kollege Reiche und ich haben dies vor einigen Jahren festgelegt und das hat sich insgesamt bewährt.

Aber natürlich muss das Thema auch an den Schulen eine höhere Aufmerksamkeit erfahren. Wenn man etwas festgestellt hat, darf man sich nicht davor scheuen, dies mit der Polizei zu besprechen, um den Sachverhalt abzustellen und dann anschließend präventiv tätig zu werden.