Erstens: Sie fordern Prävention, haben aber die Mittel für das Suchtpräventionsprogramm mit den Kontaktberatungsstellen in den letzten Jahren gekürzt.
Drittens zu dem von Ihnen, Herr Petke, kritisierten Lachen von Frau Steinmetzer: Humor ist, wenn man trotzdem lacht.
„Der alarmierenden Entwicklung im Bereich der Rauschgiftkriminalität und einer nach wie vor vorhandenen Tendenz zur Bagatellisierung muss daher mit allen Mitteln des Rechtsstaates massiv entgegengetreten werden.“
Bevor Sie den Rechtsstaat gegen die PDS in Stellung bringen, betrachten wir doch einmal die „alarmierende Entwicklung“. Wir werden nicht „bagatellisieren“, aber immerhin relativieren.
An der europäischen Schülerstudie zu Alkohol und anderen Drogen vom April 2004 nahmen mehr als 11 000 deutsche Schülerinnen und Schüler der 9. und 10. Klassen teil. Diese Studie belegt, dass 78 % der Befragten mindestens einmal rauchten, 94,5 % in den letzten zwölf Monaten Alkohol zu sich nahmen und etwa 33 % bereits einmal eine illegale Droge probierten.
Bei vertiefter Betrachtung der Studie stellt man fest, dass sich 35 % der teilnehmenden Jugendlichen als Raucher bezeichnen, dass in den letzten 30 Tagen vor der Erhebung 63 % Alkopops, 56 % Bier, 51 % Spirituosen und 50 % Wein konsumierten. Lediglich 5 % gaben an, in den letzten 30 Tagen mehr als einmal Cannabis genossen zu haben.
Als Zwischenfazit ist festzustellen, dass jeder zweite Jugendliche harte Alkoholika konsumiert, sich jeder Dritte als Raucher bezeichnet, jedoch nur 5 % mehr als einen Joint pro Monat genießen.
Bei Betrachtung der gesundheitlichen Fakten in diesem Zusammenhang stellte das Bundesverfassungsgericht bereits vor elf Jahren - am 9. März 1994 - fest, dass das Suchtpotenzial der Cannabisprodukte als sehr gering eingestuft wird.
Auch die im März 1999 veröffentlichte Studie des renommierten „Institute of Medicine“ - der Akademie der Wissenschaften der USA - untersuchte im Auftrag der US-Regierung unter anderem das Abhängigkeitspotenzial von Cannabis. Laut dieser Studie entwickelt folgender Anteil unter den Erstkonsumenten später eine Abhängigkeit von nachstehend aufgeführten Drogen: Nikotin an erster Stelle mit 32 %, Heroin mit 23 %, Kokain mit 17 %, Alkohol mit 15 % und Cannabis mit 9 %.
Eine weitere, für den damaligen Bundesgesundheitsminister Seehofer erstellte wissenschaftliche Expertise stellte 1997 fest:
Auch die einmalige falsche Anwendung von Cannabis ist weit weniger gefährlich als der Genuss von Tabak und Alkohol oder gar Kaffee. So wirken 0,04 bis 0,06 g Nikotin - geschluckt tödlich, bei THC liegt die tödliche Dosis bei mindestens 47 g. Dies entspricht dem Konsum eines halben Kilos Haschisch auf einmal. Reines Koffein ist etwa sechsmal giftiger als THC. Bei Alkohol ist bereits die fünffache Rauschdosis tödlich - dies entspricht 4 bis 5 $ -, während bei THC erst die 450- bis 1800fache Rauschdosis tödlich wirkte.
Die Bundesregierung ist sich dessen bewusst, dass Cannabis auch eine positive Wirkung haben kann. So steht in der Koalitionsvereinbarung vom 16. Oktober 2002, dass die Verschreibungsmöglichkeiten von Cannabis in wissenschaftlich anerkannten Fällen weiterzuentwickeln ist. So viel zu den „leichten“ Drogen.
Nun kann man über die Gefährdung durch harte Drogen natürlich diskutieren. Im Gegensatz zu Cannabis entstehen beim Konsum harter Drogen in der Tat Abhängigkeitsprobleme, die sich bei dauerhafter Einnahme auf Körper und Verstand gravierend auswirken können. Unsere Jugendlichen sind jedoch nicht so dumm, wie man ihnen immer unterstellt. In der genannten europäischen Studie gaben Schüler das Risiko für eine Schädigung der Gesundheit bei der Einnahme von Kokain als besonders hoch an und schätzten ein, dass in Bezug auf das Gefährdungspotenzial Ecstasy, LSD und Amphetamine direkt folgen.
Dieses Bewusstsein spiegelt sich auch in den Zahlen wider. Dies stellt man fest, wenn man sich anschaut, dass von den 33 % der Erstkonsumenten leichter Drogen lediglich 5 % zu Erstkonsumenten harter Drogen werden.
Wir stehen jetzt vor der Frage, entweder Konsumenten von weichen Drogen weiterhin und eventuell stärker zu kriminalisieren - dies, obwohl eine Vielzahl wissenschaftlicher Studien belegt, dass der Genuss weicher Drogen weit weniger gefährlich ist als die Einnahme legaler Drogen wie Tabak und Alkohol -,
eine Maßnahme, die wir jedoch nicht kontrolliert und umgesetzt bekommen, oder aber, weiche Drogen zu legalisieren und endlich mit einer radikalen Aufklärung über die Gefahren des Genusses unseres „hoch geschätzten“ Alkohols und der „Zigarette nebenbei“ zu beginnen.
Ich sage: Lassen Sie uns den Hanf freigeben, mehr Geld für sinnvolle Prävention zur Verfügung stellen und jegliche Form von Drogen im Straßenverkehr - dazu gehört auch 0 $ Alkohol - verbieten!
So stellen wir uns eine vernünftige Verbindung zwischen Legalisierung - in diesem Fall Entkriminalisierung - und Sicherheit im öffentlichen Raum vor. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die „Berliner Zeitung“ titelte am Anfang dieser Woche: „Drogenhandel, Rauschgiftschmuggel“. „Handel mit Drogen boomt“, war auf Seite 1 zu lesen. Vom Drogenland Deutschland und der Drehscheibe im internationalen Rauschgifthandel war die Rede
und davon, dass einer sinkenden Zahl von aufgedeckten Fällen im Bereich Drogenhandel und -schmuggel die wachsende Professionalität international organisierter Schmugglerbanden gegenübersteht. Glaubt man diesen Recherchen, so hat sich Deutschland mittlerweile zu einem der wichtigsten Konsumund Transitländer für Drogenhändler in Europa entwickelt. Leben wir in Brandenburg nicht auch in Europa und müssen daher jetzt in Hysterie verfallen?
Unser Innenminister sprach im Sommer vergangenen Jahres im Zusammenhang mit dem Thema Rauschgiftkriminalität von einer alarmierenden Entwicklung, der wir uns alle massiv entgegenstellen müssten. Ich meine auch, dass wir diese Entwicklung sehr ernst nehmen sollten, warne aber eindringlich davor, Panik zu machen und das Thema - wie eben zu hören war - für populistische Zwecke zu nutzen.
Zur Ausgangslage in Brandenburg: Es gilt auch hier - wie überall -, etwas genauer hinzuschauen. Der Anteil der Rauschgiftkriminalität an der Gesamtkriminalität betrug im Land Brandenburg im Jahre 2004 lediglich 2,8 %. In der Statistik subsumiert die Polizei unter dem Begriff „Rauschgiftdelikte“ allgemeine Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, illegalen Handel und Schmuggel und die illegale Einfuhr von Betäubungsmitteln.
Die Aufklärungsrate ist im Bereich der Rauschgiftkriminalität Herr Petke sagte dies - im Jahre 2004 deutlich gewachsen. Polizei und Zoll haben 17 % mehr Fälle aufgenommen. Interessant finde ich auch, dass im Vergleich zum Jahre 2003 35,1 % mehr Konsumenten harter Drogen von der Polizei dingfest gemacht werden konnten. Da kann man sicher mit Fug und Recht sagen - wie Sie das hier begeistert getan haben -, dass Polizei und Zoll sehr gut in der Lage waren, das Dunkelfeld aufzuhellen, und Handlungskompetenz unter Beweis gestellt haben.
Das ist aber nur eine Seite der Medaille. Repression greift immer zu spät und ich finde, dass Sie - die CDU insgesamt - dem Bereich der Prävention in der politischen Bewertung zu wenig Aufmerksamkeit schenken.
Unter all den Zahlen, die Sie hier zur Entwicklung der Rauschgiftkriminalität im Jahre 2004 und zum Tun von Polizei und Zoll in diesen Fällen bewertet haben, finde ich eine Zahl wirklich beunruhigend - Herr Krause hat sie ansatzweise genannt -, nämlich dass insgesamt 64 % aller Tatverdächtigen jünger als 21 Jahre sind.
In diesem Zusammenhang möchte ich vor allem anführen, was mir in Ihrer Argumentation, Herr Petke, immer zu kurz kommt: dass eine Drogenkarriere schon mit den so genannten Einstiegsdrogen Alkohol und Nikotin beginnt. Nicht jeder, der einmal getrunken, geraucht oder gekifft hat - hier war vorhin von 5 % die Rede -, begibt sich in eine Drogenkarriere. Aber alle, die später süchtig werden, haben über Einstiegsdrogen begonnen. Daher tragen wir, die Länder und der Bund, eine hohe Verantwortung, in dem Bereich noch intensiver Prävention und Aufklärung zu betreiben als heute.
Die in der europäischen Studie bezüglich des Alters getroffene Feststellung, dass es sich um 15- bis 16-Jährige, um Schüler der 9./10. Klasse handele, hat Herr Krause intensiv beleuchtet. Ich möchte noch einige Zahlen nachlegen. Interessant fand ich beispielsweise die Feststellung, dass Jugendliche immer früher, nämlich im Alter von 11 Jahren, mit dem Erstkonsum von Tabak, Alkohol und anderen Drogen, beginnen. Diese Entwicklung müssen wir mit großer Sorge zur Kenntnis nehmen.
Jeder 20. Schüler im Alter von 15 bis 16 Jahren ist starker Raucher. 5,1 % aller europaweit Befragten - es haben sich 1 758 Brandenburger Schülerinnen und Schüler an dieser Studie beteiligt - rauchen täglich mehr als 20 Zigaretten. Fast jeder 20. Schüler trinkt Alkohol. 20 % der Befragten sagten, dass sie in den zurückliegenden Tagen mehr als 20 Mal Alkohol konsumiert hätten. Das sind erschreckende Zahlen, die das, was ich vorhin sagte, unterstreichen.
Jeder dritte Schüler hat bereits Drogenerfahrung; die Zahlen haben Sie genannt. Bei dieser Betrachtung ist die Feststellung, dass 5 % von ihnen süchtig werden, sehr wichtig. Das heißt, es gilt auch hier: Keine Kriminalisierung, keine vorfristigen Schlussfolgerungen; denn nicht jeder Jugendliche dieser Altersgruppe, der Erfahrungen vielfältiger Art gesammelt hat, wird gleich drogenabhängig.
In Kenntnis der Zusammenhänge einer möglichen Drogenkarriere, die oft mit Alkohol und Nikotin beginnt und dann über Cannabis bis hin zu Drogen wie Kokain und Heroin verlaufen kann, sollte das Hauptaugenmerk nicht im Bereich der Repression, sondern der Prävention liegen. Dabei müssen wir in den Familien, in der Schule und auch durch gezielte Jugendarbeit vor Ort ansetzen.
Herr Petke erwähnte das von der Landesregierung verabschiedete umfangreiche Handlungskonzept im Bereich der Prävention zur Bekämpfung von Rauschgiftkriminalität im Land Brandenburg, das unter Federführung des Innenministers umgesetzt wird. Seit geraumer Zeit besteht ein Abkommen mit dem Bildungsministerium, genau an den Brennpunkten, in Schulen und bei Jugendlichen, mit effizienten Maßnahmen unter Nutzung polizeilicher Möglichkeiten anzusetzen. Nur die Polizei als Institution verfügt über ein flächendeckendes Netz von präventiven Möglichkeiten, so auf Landesebene beim LKA mit dem Präventionsrat; in den Präsidien und in den Schutzbereichen gibt es viele Mitarbeiter, die sich um diesen Bereich kümmern und viel Gutes tun. Man könnte viele Projekte benennen, die bei der Drogenkriminalität und bei der Vorbeugung gegen Drogensucht ansetzen. Hierbei verfolgt die Polizei drei Hauptziele. Es geht um die effiziente Bekämpfung der organisierten Kriminalität, um die Bekämpfung von Straßen- und Kleinhandel und um die Verminderung der Nachfrage nach illegalen Drogen durch verbesserte zielgruppenorientierte Aufklärung.
Ich könnte viele Projekte nennen; darauf verzichte ich. Allerdings mache ich auf die Jugendschutzausstellung „Gratwanderung“ aufmerksam. Vielleicht hatte der eine oder andere schon die Gelegenheit, diese sehenswerte Ausstellung in einer Schule im Wahlkreis zu besuchen. Sie läuft seit dem Jahr 1999. Bis jetzt haben sie insgesamt 53 000 Schülerinnen und Schüler unseres Landes gesehen. Sie behandelt das Thema Suchtprävention und kommt meines Erachtens bei dieser Altersgruppe sehr gut an.
Abschließend sei gesagt: Drogenkriminalität, Drogenabhängigkeit und Sucht bedingen einander, sind aber nicht gleichzusetzen. Der organisierten Drogenkriminalität müssen wir mit der gesamten Härte des Gesetzes entgegentreten. Drogenabhängige aber sind Kranke, die sich aus dem Teufelskreis der Sucht meist nicht allein befreien können. Daher dürfen wir nicht den Fehler machen, sie auszugrenzen, an den Pranger zu stellen und zu kriminalisieren.