Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der im deutschsprachigen Internet am häufigsten besuchte Nachrichtendienst rund um die Informationstechnologie, Heise.de, titelte passend zu unserer Debatte im Landtag und im Rechtsausschuss am 11. Juni: Langzeiterhaltung digitaler Informationen bleibt ein ungelöstes Problem. - Weiter heißt es dann:
„Dass digitale Daten instabil und gefährdet sind, wird gern verdrängt. Daran hat sich seit 2003, seit dem Start des Projekts nestor, nichts geändert. Computer fänden ihre eigenen Wege, um jede Langzeitarchivierung zu erschweren, brachte der Informatiker Wolfgang Coy von der Humboldt-Universität die Problematik auf den Punkt.“
Wir gehen mit dem heutigen Beschluss zur elektronischen Ausfertigung und Verkündung von Gesetzen im Land Brandenburg einen großen Schritt in Richtung Digitalisierung. Zugleich machen wir den Weg für das Projekt ELVIS frei, um eine medienbruchfreie Ausfertigung parlamentarischer Beratungen bis hin zur Ausfertigung und Verkündung zu erreichen.
Die Linke hatte dazu im Vorfeld eine Vielzahl von Fragen und Diskussionen. Wir haben uns die Zustimmung nicht leichtgemacht. Durch den nunmehr vorliegenden Änderungsantrag des Landtagspräsidenten sehen wir die Vorschläge und Bedenken der Linksfraktion berücksichtigt.
Es wird auch in Zukunft nicht auf die aus unserer Sicht noch immer notwendige Papierform verzichtet. Durch die Erstellung von beglaubigten Papierausdrucken und deren Archivierung wird möglichen Datenverlusten vorgebeugt und das noch ungelöste Problem der digitalen Langzeitspeicherung anerkannt. Ich verweise dazu auf mein Eingangszitat.
Zudem wird der Zugang zu den Gesetzen für die Bürgerinnen und Bürger - der geehrte Kollege Klocksin ist leider gerade nicht hier - nunmehr nicht verschlechtert, sondern sogar verbessert. Es ist folglich kein Abbau von Demokratie. Die Bürgerinnen und Bürger, die über keinen Internetzugang verfügen, oder jene, die im Umgang mit elektronischen Dokumenten Probleme haben, können in Zukunft über ihre Gemeinde- oder Stadtverwaltung die gewünschten Gesetze oder Verordnungen lesen und Druckaufträge auslösen. Bisher werden die Gesetzes- und Verordnungsblätter lediglich in den Landesbibliotheken vorgehalten.
Diese von der Linken initiierte Regelung bedeutet aus meiner Sicht einen tatsächlichen Fortschritt. Die vom Städte- und Gemeindebund geäußerten Bedenken teile ich ausdrücklich nicht. Es entspricht nämlich eher den Realitäten der Bürgerinnen und Bürger, sich mit einem Anliegen an die Verwaltung als an das örtliche Amtsgericht zu wenden.
Der tatsächliche Mehraufwand wird sich für die Kolleginnen und Kollegen in den Verwaltungen in engen Grenzen halten. Da wir im Landtag in der Regel nur Änderungsgesetze verabschieden, ist der tatsächliche Bedarf dafür, diese Änderungsgesetze zu bekommen und zu lesen, wohl eher gering. Damit diese Regelung wirklich ausgeführt wird, wünsche ich mir von den Kommunen eine kreative und bürgerorientierte Lösung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Änderung der Verfassung ist eine hochwichtige Angelegenheit. Unsere Verfassung stellt die Grundregeln des staatlichen Handels dar. Daher ist bei Verfassungsänderungen stets eine gewisse Skepsis, insbesondere vonseiten einer verfassunggebenden Partei, angebracht.
Die Notwendigkeit der heute anstehenden Verfassungsänderung wurde den Abgeordneten durch zwei Gutachten bestätigt. Um Rechtssicherheit herzustellen, sollten wir diese geringe Ergänzung in die Landesverfassung aufnehmen und das dazugehörige Ausführungsgesetz beschließen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Ende der Wahlperiode noch eine Änderung der Verfassung. Das ist kein ganz gewöhnlicher Vorgang, und ich würde mich freuen, wenn hier im Saal ein bisschen mehr Ruhe einkehrte; denn eine Änderung der Verfassung ist auch in diesem Hause keine Routineangelegenheit.
- Ja, auch ich würde mich freuen, wenn noch mehr Abgeordnete an dieser Sitzung teilnähmen, weil die Änderung der Verfassung einem in der Tat nicht ganz leicht fällt. Der Kollege Loehr hat das schon erwähnt.
Es ist auch uns nicht leichtgefallen, auch wenn es sich scheinbar um eine Marginalie handelt; eine Randvorschrift wird geändert. Der normale Bürger wird im Alltag davon nichts spüren. Die Strukturen des Staates werden nicht verändert, die Grundrechte werden nicht angetastet. Und doch ändern wir die Verfassung, und zwar, wie ich meine, in einem durchaus wichtigen Punkt.
Wir ändern ein Verfahren, das sich seit Jahrtausenden bewährt hat. Wir treten in ein neues Zeitalter ein. Eine kulturelle Evolution - ich will nicht sagen: Revolution - findet statt. Das digitale, das elektronische Zeitalter findet nun auch bei der Gesetzgebung Einzug. Das ist ein Schritt, den wir heute in seiner
Bedeutung vielleicht noch nicht so richtig erfassen können, den man aber sicherlich in einigen Jahrhunderten schon als bedeutenden auffassen wird.
Nicht nur Brandenburg will dieses Verfahren einführen. Es gibt in anderen Ländern Europas, auch in anderen Bundesländern, ähnliche Tendenzen, aber wir sind mit dem Gesetzentwurf sehr weit vorn. Das ist schon ein bemerkenswerter, ein mutiger Schritt. Wenn wir es am Ende der Wahlperiode machen, dann ist das in doppelter Hinsicht mutig, weil wir dafür eine Zweidrittelmehrheit brauchen. Ich freue mich, dass es offenbar möglich sein wird, gemeinsam mit allen demokratischen Fraktionen dieses Hauses am Ende der Wahlperiode zu sagen: Das ist tatsächlich etwas, wofür es sich lohnt, die Verfassung zu ändern. Da können wir uns zu einem gemeinsamen Handeln auch in dieser Zeit - durchringen.
Es geht darum, dass zukünftig ein bruchfreier - so ist der untechnische Ausdruck - Übergang von der Tätigkeit im Gesetzgebungsverfahren zur Verkündung gewählt werden soll. Wenn die Landtagsverwaltung uns deutlich machen wollte, wie wichtig das ist, dann hat sie uns heute möglicherweise den neuen Tagesordnungspunkt 6 präsentiert, in dem wir darauf hingewiesen werden, dass gestern bei der Beschlussempfehlung, über die wir abgestimmt haben, ein Absatz fehlte, obwohl er doch im Gesetzentwurf vorhanden war. Das soll zukünftig nicht mehr vorkommen. Ich bin überzeugt, dass das Verfahren, das wir wählen, derartige Fehler zukünftig ausschließen wird, so wie ich auch als erfahrener Dilettant in diesen Dingen überzeugt bin, dass dann andere Fehler auftreten. Deswegen bin ich auch so froh, dass es uns gelungen ist, noch einige Veränderungen, unterstützt durch den Präsidenten, aber auch unterstützt durch die Tätigkeit - das kann man jetzt auch einmal erwähnen der Linksfraktion in diesen Entwurf aufzunehmen.
Die Archivierung wird es zukünftig nicht nur in elektronischer Form geben. Es gibt auch weiterhin Zugangsmöglichkeiten für die Bürger, die nicht über unbeschränkten Internetzugang verfügen. Das sind zwei wesentliche Änderungen, Verbesserungen.
So, denke ich, können wir heute guten Gewissens sagen, dass es dann doch ein wichtiger, ein mutiger und eben auch ein richtiger Schritt in die richtige Richtung ist. Ich bin gespannt, wie sich das in den nächsten Jahren in der Praxis entwickeln wird. Ich bin aber auch überzeugt, dass wir es nicht bereuen werden. Deswegen können wir zustimmen, und ich würde mich freuen, wenn es dafür eine breite Mehrheit in diesem Hause gäbe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Modernere Zeiten modernere Kommunikation. Die Verknüpfung dieser beiden Begriffe erscheint zunächst konsequent und geht natürlich auch nicht am Gang der Gesetzgebung, sprich, an der Ausfertigung und Verkündung von Normen, vorbei.
Im Wesentlichen geht es darum, dass die brandenburgischen Gesetze und Rechtsverordnungen künftig nur noch über das Internet abgerufen werden können. Natürlich bedeutet das Papiereinsparungen. Die Verkündung von Gesetzen könnte praktisch mit dem Beschluss des Landtages erfolgen, weil der Weg über die Druckerei entfällt. Das klingt echt einfach, stieß aber im Rahmen der Befassung im Ausschuss auf einige Probleme. So hat in Brandenburg ein Großteil der Bürgerinnen und Bürger keinen Zugang zum Internet oder beherrscht - das betrifft viele ältere Menschen - die Technik noch nicht.
Hier ist sicherzustellen, dass jedermann über einen Zugang zum rechtlichen Regelwerk des Landes verfügt, weshalb in vielen Fällen auch noch die Papierform erhalten bleibt, und zwar über Jahre.
Ein zweites Problem ist, dass Gesetze in Papierform die Unterschrift des Landtagspräsidenten tragen, denn nur so sind sie auch gültig. Konsequenterweise müssen auch aus dem Internet heruntergeladene Dokumente mit einer elektronischen Signatur in Form eines Zahlencodes versehen sein. Diese Signatur ist dann mit Unterschrift des Präsidenten gleichzusetzen und muss regelmäßig überprüft werden. Das ist auch in der Anhörung ausführlich behandelt worden. Diese Probleme wurden im Rahmen der parlamentarischen Befassung aufgegriffen. Dementsprechend wurde ein Kompromiss gefunden, wobei angesichts der weißen Flecken auf der Landkarte bezüglich des Internetzugangs mehrjährige Übergangsfristen gelten müssen, in denen die elektronische Variante und die Papierform nebeneinander existieren.
Dass die Amtsgerichte bezüglich der jeweiligen Gesetze und Verordnungen auch weiterhin über die Papierform verfügen, damit sie dort jedermann einsehen kann, ist auf absehbare Zeit weiter notwendig. Inwieweit sich das vorliegende Gesetz in der Praxis bewähren wird, kann derzeit noch niemand voraussagen oder wissen. Es bleibt indes nur die Hoffnung, dass sich mit zunehmender Internetnutzung bei den Bürgerinnen und Bürgern ein positiver Gewöhnungseffekt einstellt.
Natürlich kann heute niemand sagen, wann auf die Papierform komplett verzichtet werden kann. Angesichts dieser Lage ist der Sinn und Zweck des vorhandenen Gesetzes, nämlich deutlicher Bürokratieabbau, noch spekulativ. Es besteht daher längst kein Grund für die Landesregierung, dies heute als großen politischen Fortschritt zu verkaufen. Wir hoffen, dass der Internetzugang weiterhin schnell ausgebaut wird, damit unsere Bürgerinnen und Bürger dies abrufen und ohne in die Papierform Einblick nehmen zu müssen, nutzen können.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir sind auf dem Weg in das elektronische Zeitalter. Es ist schon alles gesagt worden, nur noch nicht von mir.
Wir haben uns die Diskussion um die Verfassungsänderung und zu diesem Gesetzentwurf sicherlich nicht leicht gemacht.
Es gab schon in der 1. Lesung einige durchaus berechtigte Bedenken. Ich denke, wir sind dem auch gerecht geworden. Durch die Verfassungsänderung haben wir Rechtssicherheit. Auch die beiden Änderungen, die das Gesetz noch erfahren hat, sind unter dem Aspekt des Bürokratieabbaus, des Einsparens von Papier usw. durchaus vertretbar. Zwei beglaubigte Ausfertigungen werden hinterlegt.
Mit meinem etwas bescheidenen technischen Verständnis musste ich mir sagen lassen, dass es zwischen der elektronischen Abspeicherung auf der einen Seite und dem Ausdruck auf der anderen Seite durchaus zu Differenzen kommen kann. Insofern halte ich es für eine gute Lösung, auch in Papierform beim Landeshauptarchiv und hier im Landtag zu dokumentieren, dass dieses Gesetz so ausgefertigt worden ist und von uns bzw. unseren Nachfolgern so abgestimmt wurde, wie es eben vorgelegen hat.
Die zweite Änderung - da stimme ich mit den Kollegen Loehr und Holzschuher überein - überlastet die Amts- und Gemeindeverwaltung in keiner Weise. Der Weg in die nächste Amts- und Gemeindeverwaltung ist in aller Regel etwas kürzer als der zum Amtsgericht. Insofern halte ich es auch für eine gute Lösung, dass sich diejenigen, die es in ausgedruckter Form haben möchten, an ihre nächste Verwaltung wenden können.
Herr Präsident! Sie gestatten mir, dass ich von einer Möglichkeit Gebrauch mache, von der ich in 19 Jahren nie Gebrauch gemacht habe, nämlich gegen die Geschäftsordnung zu verstoßen, namentlich gegen § 33. Ich mache das deswegen, Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, weil sich just in diesem Augenblick ein historischer Moment vollzieht.
Er besteht darin, dass ich das allerletzte Mal in meiner Eigenschaft als Mitglied dieses Hohen Hauses an diesem Pult vor Ihnen stehe.