Frau Präsidentin! Ich möchte Sie im Namen der Fraktion DIE LINKE bitten, überprüfen zu lassen, ob der Redebeitrag zum Thema der Großen Anfrage und die Kurzintervention der Abgeordneten Fechner ihrem Inhalt nach mit der Verfassung des Landes Brandenburg und dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland vereinbar sind.
(Dr. Klocksin [SPD]: Juristisch ist nicht die Ebene des Kampfes, Frau Kaiser! - Frau Kaiser [DIE LINKE]: Ich möchte es nur wissen!)
Ich beende die Aussprache. Die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage 44 ist somit zur Kenntnis genommen.
Während sie zum Pult kommt, begrüße ich ganz herzlich Schülerinnen und Schüler des Paul-Fahlisch-Gymnasiums Lübbenau, die sich schon seit einiger Zeit im Plenarsaal aufhalten. Herzlich willkommen!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Manche Bundesländer in dieser Republik stehen kurz vor dem Abgrund; Brandenburg ist da einen Schritt weiter. Einmal mehr musste die Landesregierung auf eine Große Anfrage der DVU-Fraktion zugeben, wie katastrophal die etablierte Politik der letzten Jahre und Jahrzehnte in diesem Land versagt hat. Heute also nun der Offenbarungseid in Sachen Volksgesundheit.
- Frau Lehmann, es gibt ein Ministerium für Volksgesundheit in einem europäischen Land. Das nur zur Orientierung.
Die DVU-Fraktion hat mit ihrer Großen Anfrage um Informationen darüber gebeten, wie weit der für jedermann sichtbare Versorgungsnotstand im Brandenburger Gesundheitswesen bereits vorangeschritten ist. Mit anderen Worten: Wie weit ist aus dem Gesundheitswesen dieses Landes bereits ein Gesundheitsunwesen geworden?
Siehe da, selbst die sonst so oft um Vertuschung und Verharmlosung bemühte Landesregierung konnte die von ihr selbst angerichtete Pleite nicht mehr verbergen. Wehe dem, der in diesem Lande krank wird! Wehe dem, der ernsthaft auf Hilfe angewiesen ist!
Denn 20 Jahre etablierte Sozialpolitik haben dafür gesorgt, dass das Gesundheitssystem selbst der Patient ist. Und sein Zustand ist nicht den Umständen entsprechend; er ist lebensbedrohlich.
Da passt es ins Bild, dass die Landesregierung viele Symptome dieser lebensgefährlichen Krankheit überhaupt nicht wahrhaben will und gar nicht erst zur Kenntnis nimmt. Wie im Delirium weigert man sich auf den Regierungsbänken, dem Geschwür ins Auge zu sehen. Man muss zum Beispiel einräumen, nicht einmal zu wissen, wie viele Haus- und Fachärzte in den letzten zehn Jahren ihre Praxen geschlossen haben - nachzulesen in der Antwort auf Frage 13. Dabei ist gerade dieser Schwund, das Wegbrechen der niedergelassenen Ärzte, für jeden Bürger dieses Landes unübersehbar.
Meine Damen und Herren der Landesregierung, fragen Sie einmal die Leute auf der Straße nach ihren Erfahrungen, und dann erzählen Sie ihnen, dass Sie nicht einmal selber wissen, welches Ausmaß der Mangel an niedergelassenen Ärzten überhaupt hat. Wenn Sie das „verantwortungsvolle Sozialpolitik“ nennen, meine Damen und Herren, dann kann ich Ihnen nur sagen: Schämen Sie sich dafür!
Denn Sie sind durchaus in der Lage, Statistiken zu erstellen, zu führen und auszuwerten, zum Beispiel im Kampf gegen den nach Ihrer Meinung Hauptschuldigen an allen Missständen in diesem Land, den Rechtsextremismus.
Aber Sie zeigen und demonstrieren den Menschen nur zu deutlich: Da, wo es wirklich wichtig ist, ist es Ihnen egal, was in diesem Lande passiert. Ja, da weigern Sie sich sogar, auch nur eine Bestandsaufnahme Ihrer Misswirtschaft zu machen.
Und so, wie Sie ahnungslos sind, wie viele Arztpraxen bereits geschlossen haben, so geben Sie ebenso dreist zu, nicht zu wissen, dass bereits Engpässe bei der Gesundheitsversorgung der Menschen bestehen. Sie behaupten einfach das Gegenteil, wie Ihre Antwort auf Frage 17 beweist. Aber so, wie der Volksmund weiß, dass Dummheit nicht vor Strafe schützt, so darf ich Ihnen versichern, dass auch Ihre Unwissenheit Sie nicht davor bewahren wird, sich dereinst den Menschen stellen und ihnen erklären zu müssen, wieso und warum es Ihnen egal ist, ob die Gesundheitsversorgung hierzulande den Bach runtergeht und warum Sie dies alles überhaupt nicht wissen wollen. Das, meine Damen und Herren, werden Sie erklären müssen. Und wenn noch nicht heute und morgen, weil es Ihnen womöglich gelingt, die Wähler weiterhin zu täuschen, dann aber spätestens zu dem Zeitpunkt, da andere Kräfte dieses Land regieren und dann Ihr gesamtes Versagen endlich offengelegt wird.
Doch weiter im Katalog Ihres Nichtwissens und der von Ihnen geschaffenen Missstände. Jedermann hierzulande weiß, dass viele Brandenburger Kliniken über akuten Personalnotstand klagen. Offene Stellen können nicht besetzt werden, da das Geld nicht ausreicht bzw. weil sich keine Bewerber für diese unterbezahlten, stressigen Jobs finden.
Hinzu kommen noch die strukturellen Probleme, die die Regierungsparteien unmittelbar zu verantworten haben. Denn welcher Arzt hat schon Lust, sich mit seiner Familie in einer Gegend niederzulassen, in der es keine Schulen mehr gibt? Das Nichtbesetzen der Stellen bedeutet Überstunden sowohl bei den Klinikärzten als auch beim Pflegepersonal. Nicht mehr die Qualität der Patientenversorgung steht im Vordergrund, sondern der durch eine völlig verfehlte Finanzpolitik und asoziales Schuldenmachen entstandene Sparzwang. Die Last trägt wieder einmal derjenige, der am allerwenigsten dafür kann: der Bürger - als Steuerzahler geschröpft, als Patient gefährdet, als Wähler getäuscht.
Was aber macht die Landesregierung? Sie weiß auch hier wieder von nichts und kann nicht einmal Frage 25 beantworten, wie viele Überstunden seit dem Jahr 2000 überhaupt an den brandenburgischen Kliniken geleistet wurden.
Meine Damen und Herren, ein solches Desinteresse an dem, was in unserem Lande passiert; eine derartige Gleichgültigkeit sowohl den Medizinern und Pflegern als auch den Patienten gegenüber und dann dieses harmlose Achselzucken nach dem Motto „Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts“ - wer so die Augen vor den Realitäten im Land verschließt und wer sich weigert, die jedem Bürger bekannten Probleme überhaupt zur Kenntnis zu nehmen, der kann doch nicht allen Ernstes von sich behaupten, Regierungsverantwortung zu tragen. Das, meine Damen und Herren, ist es, was uns als DVU-Fraktion von Ihnen unterscheidet. Während Sie die Probleme der Men
schen ausblenden, wenden wir uns ihnen zu. Und so, wie Sie immer wieder von nichts wissen, verschließen Sie sich auch möglichen Ansätzen zur Lösung der Krise.
Bestes Beispiel: Wir haben Sie danach gefragt, welche Erfahrungen es mit dem Einsatz mobiler Praxisbusse gibt. Dieses Modell der fahrenden Ärzte ist im Schwedter Klinikum entwickelt worden, um vor allem in den ländlichen Regionen wenigstens partiell medizinische Präsenz anbieten zu können. Doch Sie ziehen sich darauf zurück, es lägen keine entsprechenden Anträge vor. Deshalb seien in Brandenburg auch noch keine Praxisbusse unterwegs.
Richtig ist demgegenüber, dass bereits im November 2008 das Klinikum Barnim in einer öffentlichen Stellungnahme erwogen hat, eine solche mobile Patientenversorgung einzusetzen. Was für eine Vorstellung von Regierungspolitik haben Sie denn, wenn Sie nicht nur nicht selbst initiativ werden, sondern sogar solche öffentlichen Verlautbarungen nicht einmal aufgreifen, um das Modell Praxisbus aktiv voranzubringen? Sie gestalten nicht, meine Damen und Herren, Sie verhindern.
Diese Mischung aus Ignoranz und Boykott, gepaart mit unverantwortlicher Haushaltspolitik, sie ist es, die unser Gesundheitswesen zu einem Scherbenhaufen gemacht hat. Diese Scherben einzusammeln und den zerbrochenen Krug wieder zusammenzufügen - das wird dereinst Aufgabe wahrhaftiger Gesundheitspolitik sein, auf die die Menschen hierzulande ein Recht haben, das ihnen von dieser Regierung noch verweigert wird.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die ärztliche Versorgung im Land Brandenburg beschäftigt uns in der Tat schon lange. Wenn man sich die Altersstruktur der Ärzte auf der Internetseite der Kassenärztlichen Vereinigung anschaut, weiß man, dass wir viele und andere Wege in der Akquise gehen müssen. Die medizinische Versorgung der Bürgerinnen und Bürger ist einfach ein wichtiges Thema, weil es alle betrifft.
Die Verantwortlichen sind bei weitem nicht untätig. Es gab und gibt unterschiedliche Ansatzpunkte, um Ärzte nach Brandenburg zu holen. Am 7. Januar 2009 hat beispielsweise der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen für den Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg einen Beschluss über die Gewährung von Sicherstellungszuschlägen gemäß § 105 Abs. 1 SGB VI gefasst.
Das heißt, Vertragsärzten, die in einem Gebiet mit festgestellter Unterversorgung eine Praxis übernehmen, wird bei Übernahme der Praxis ein Zuschuss von 50 000 Euro gewährt. Bei Neugründung einer Praxis in einem Gebiet mit festgestellter Unterversorgung wird ein Zuschuss in Höhe von 40 000 Euro gewährt. Vertragsärzten, die in einer Region mit festgestellter Unterversorgung eine Zweitpraxis weiterführen, wird ein Zuschuss von 15 000 Euro gewährt. Das sind alles wichtige Maßnahmen.
Wir haben die Gemeindeschwester zur Unterstützung des Systems neu kreiert. Die Telemedizin soll unterstützend wirken. Die Gemeindeschwester wird sich etablieren. Die Nachfrage von Seiten der Ärzte ist groß. Die Gemeindeschwester in Verbindung mit der Telemedizin wird eine große Rolle spielen.
Das alles sind punktuelle Ansätze. Das Wichtigste ist aber die Verbundenheit mit den Menschen und der Region. Die Liebe zur Heimat, schon gar nicht zu einer neuen Heimat, lässt sich nicht erzwingen und nicht erkaufen. Deswegen der neue Weg der Akquise. Alle Verantwortlichen müssen gemeinsam handeln und nach Lösungswegen suchen. Diese ständige Aufgabe haben wir immer vor Augen, und wir nehmen sie selbstverständlich auch mit in die nächste Wahlperiode. - Vielen Dank.
„Dank unserer umfassend informierenden Medien weiß ich, in welcher permanenten Gefahr ich mich befinde. Gerade im ereignisschwachen Monat Januar kommt die Grippewelle nicht nur wie gerufen, sondern auf allen Viren. Daher: Ansteckungsgefahr, Erkrankungsgefahr, Seuchengefahr, Todesgefahr.“
Das habe ich aus einer satirischen Geschichte in dem Büchlein „Ich bin nüchtern, aber in Behandlung“ entnommen, welches ich Ihnen empfehle. Diese kleinen Satiregeschichten sind wirklich interessant, und wie immer bei Satire enthalten sie eine wahre Kernbotschaft.
Nun werden Sie sich fragen, wie ich bei der Großen Anfrage der DVU auf Satire komme. Der Satire-Gedanke kam mir im Zusammenhang mit der Fragestellung „Versorgungsnotstand im Brandenburger Gesundheitswesen“.
Da es sich hier aber nicht um Satire handelt, muss nun doch nach dem eigentlichen Sinn dieser Großen Anfrage gefragt werden. Satire spitzt zu, um sich Problemen zuzuwenden, um sie zu lösen. In dieser Großen Anfrage kommt zum Ausdruck, dass es hier nicht um die Lösung von Problemen durch die DVU geht, sondern dass die DVU mit ihren Kerngedanken das Problem ist.